Mittwoch, 5. Februar 2020

Wo ist die Natur? - Tagebuch einer Suche: Korrespondenzen zum Klima

Wo ist die Natur? - Tagebuch einer Suche


Korrespondenzen zum Klima

Die Pfinz war zum reißenden Fluss geworden, heftige tagelange Regenfälle setzten die Bäume am Ufer unter Wasser. Auch das ist Klima — verschwiegenes, aus dem Ruder laufendes Klima, das doch immer trockener und heißer werden soll, Malefiz, wenn es nach den Prophezeiungen des Club of Rome geht, und jetzt wird es feuchter, aber nicht kälter … warum auch, denn hier war es ja nie wirklich kälter. Dem benebelten Geist erscheinen die Wintertage der Kindheit alle schneeumstürmt. Die Wetterstatistiken für den Ort sagen uns allerdings etwas anderes. Würde mich nicht wundern, wenn man für den Klimafake Daten vernichtet.
Es macht eben wie schon immer, was es will, das Klima. Und wenn es sich nicht framen lässt, das renitente, unabhängige Klima, dieses ungezogene Weib, dann gehört es gebändigt, inklusive Hexenprozesse dazu, denn irgendwer muss ja schuld sein daran, dass die Natur größer ist als das Gehirn einzelner Spatzen. Unsere Wettermacherinnen träumen alte erfolglose Träume, wie schon seit je: der Wahn hat immer seine Vollstreckerinnen. Ohne Binnen-I.
In der Stadt die „KünstlerInnen für die Zukunft“ in altbewährter deutscher Hybris: „Karlsruhe macht Klima“.
Die kleine Hexe ließ Tannenzapfen regnen. Und weiße Mäuse. Man sollte Hirn regnen lassen heute.
Sie bemerken ihren Grenzübertritt zum Kitsch genauso wenig wie den zum Größenwahnsinn. Woher der Hass gegen das Freie, nicht Genormte, Überraschende, Sich-Wandelnde? Oder dekonstruieren sie einfach nur das ungebändigte Klima, wollen es in eine sterile Vertaktung zwingen, auf Teufel komm raus? Erinnert das Klima sie daran, dass sie den ganzen Kopf voller Normen haben, Sklavengeister sind, triebhaft hin und hergeschickt, ohne Ziel und Sinn, aber aufgeladen mit Arroganz bis in die Haarspitzen?
Mir geht es übrigens gut, ich fühle mich wohl, die Kleidung vom Vorjahr passt heute auch noch, und die Skipisten machen schon lange nicht jede geldgeile Verkaufambition mit. Kunstschneemaschinen gibt es seit den 1940ern. Fürs Geldmachen macht man alles, auch Klima.
Mein Vorschlag wäre: „Backe, backe Klima“.
Ich bin nicht dabei. Ich mache einfach Kunst in einer Schöpfung, die niemand bis heute verstanden hat.
Wir wissen fast nichts über sie, aber eines ist gewiss: die Alten wussten mehr als wir, mehr von Energien, von Kräften und Gewalten, vom Mittelpunkt. Ich taste mich an das heran, was von ihnen noch überliefert ist und staune.

Misteln in den kahlen Bäumen und Maulwurfshügel auf grauen Wiesen. Daneben der reißende Bach mit seinen Stundenkilometern in Rennradstärke. Lehmgelb. Als ich im Wald bei Kleinsteinbach über eine kleine Holzbrücke übersetze, treibt eine riesige, feuergelb ausgewaschene Baumwurzel im Wasser und überschlägt sich dabei wie ein Zirkusartist, der räderschlagend in die Manege stürmt, unterm tobenden Beifall der Zuschauer.

Hanna Jüngling, 5. Februar 2020 (An der Pfinz hinter Berghausen talaufwärts)

Tagebuchfolgen bisher:

16.1.2020:    Wo ist die Natur? - Tagebuch einer Suche: Spechtbalz, frühe Singdrossel und der erste wilde Uhu meines Lebens