Trinitätslehre auf dem
Prüfstand — Brief XV. an Unitarier und Trinitarier I: Sind die Begriffe „Gott“ und
„Vater“ als Titel (und nicht ontologisch) zu verstehen?
I.
Wer ist Gott? — „Von Rang und Namen“
Stephan
Gerber, der eine lesenswerte Website zur Frage der Trinitätslehre unterhält,
die Sie so erreichen können: http://trinitaet.com/
schreibt in einem seiner eigenen Artikel zur Frage, wer Jesus war, wenn er
nicht „Gott“ — iS des Konzils von Nicäa also „wesensgleich mit Gott“ — ist[1],
um all den Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, die sich aus der Bezeichnung
Gottes als „Vater“ und Jesu als „Sohn Gottes“ ergeben, wenn man diese Begriffe
als Namen oder Gattungsbezeichnungen, im weiten Sinne ontologisch versteht:
„Der Sohn des Vaters ist nicht der
Vater, sondern eben sein Sohn; der Sohn des Höchsten ist nicht der Höchste; der
Sohn des Präsidenten ist nicht der Präsident; der Sohn des Königs ist nicht der
König; der Sohn des Chefs ist nicht der Chef, usw. Alle diese Söhne haben
aufgrund ihrer Abstammung ein besonderes Ansehen und einen besonderen Stand,
aber sie sind nicht in derselben Erhabenheit, in derselben Position wie ihre
Väter. Zumal auch nach Gottes eigener Ordnung ein Sohn seinem Vater untertan
ist.“
Gerber will
damit die Denkwege umgehen, die sich an den Bezeichnungen „Gott“ bzw „Vater“
aufgehängt haben, weil sie sie als „Eigennamen“ oder „Gattungsbegriffe“
verstehen.
Beide
Verstehensweisen (als Namen oder Gattungsbegriffe) stellen uns — ich nehme es
gleich vorweg — vor unüberwindliche Denkprobleme, sind aber andererseits nicht
ohne gravierende Abstürze umgehbar angesichts des antiken und vormodernen
Denkens, aber auch einfachster linguistischer Unterscheidungen.
Wir haben
etwas offenbart bekommnen, das man nicht denken kann und womit sich folglich
nicht argumentieren lässt. Die Gottesfrage steht immer mit einem Bein in völlig
unerreichbarem Terrain.
Die kirchliche
Trinitätsdebatte ergab sich aus der berechtigten Frage, wer denn Jesus ist, und
— wenn wir so fragen — zugleich auch, wer eigentlich Gott ist.
Ich stimme
Gerber in jedem Fall zu, wenn er die Folgerungen des Trinitätsdogmas kritisch
kommentiert. Diese Kritik müsste aber dazu führen, dass wir nicht unsererseits
eine Art „alternatives“ Dogma aufstellen. Beides ist unmöglich.
Ich kann Gerber
daher nicht zustimmen, wenn er etwas generalisiert behauptet, es handle sich
beim Verhältnis zwischen Gottvater und Sohn Gottes um kein Geheimnis[2],
wie die Trinitarier es immer wieder sagen. Ich sage: doch, das ist ein
Geheimnis! Es gäbe diese heftige Debatte wohl kaum, wenn hier nicht etwas
vorläge, das wir nicht mit den gewohnten Mitteln der Ratio ergründen können.
Auch die Maxime, alles aus der Bibel deduzieren zu wollen scheint noch nicht zu
der Erkenntnis geführt zu haben, dass so vieles in der Schrift eine Tiefe
aufweist, die man erst einmal ergründet haben müsste, um sich allzu sicher zu
sein, dass man „biblisch“ argumentiert. Die Bibel ist kein Puzzle und kein
Lottospiel, und je älter ich werde, desto mehr Fragen habe ich, desto mehr wird
mir bewusst, dass ich so oft eigentlich rein gar nichts verstehe und die Sätze
der tiefen Weisheit, die sich in der Schrift finden, nicht in einem Leben
ausgeschöpft werden können, obwohl sie doch nur in Menschenwort gekleidet sind.
Ich erahne allmählich mit einer tieferen Seelenschicht, warum es heißt, wir
könnten Gottes Wort direkt aus seinem Mund nicht ertragen, müssten in seine
Licht vergehen. Tausendmal schon haben wir diese Worte der Schrift gelesen und
bildeten uns ein, sie verstanden zu haben. Und beim 1001. Mal trat uns Gott in
den Weg und zeigte uns, dass wir nichts verstanden haben.
Ich nehme es
ebenso vorweg, dass die Aushöhlung der Begriffe „Gott“ und „Sohn Gottes“ auf
bloße Funktionen hin (Ranghöchster — Untertaner) eher der animalischen Logik
eines Bienenstaates oder Wolfsrudels entspricht und die zentrale Aussage des
NTs, etwas vom Wichtigsten in der ganzen Schrift, dass nämlich im Christus das
Wesen, besser die Präsenz und Wirksamkeit des Vaters vollkommen aufscheint (1 Kol 1,15)[3],
vernachlässigt.
Dass man, wenn
man so argumentiert, selbst auf eine schiefe Bahn gerät, ist mehr als
gefährlich: Diese angenommene Rangfolge zwischen Gott und seinem Christus
schreit geradezu danach, die Positionierung der Menschen wiederum als
„Untertanen Jesu“ fortzusetzen, innerhalb derer dann folglich auch wieder Ränge
ausgefochten werden müssen. Wir wissen nicht nur aus der Geschichte, dass die
Folgen dieses Denkens durchweg negativ und destruktiv waren, sondern dieses
Rangdenken ist aufgrund der gesamten Tendenz der Schrift, v.a. der ausdrücklichen Aussagen Jesu sündhaft und für
Gott absolut unangemessen.
Es scheint mir
umgekehrt zu sein: Die Verklammerung von „Rang und Namen“, die sich schon in
der Redewendung ausdrückt, wird bei Gott nicht um den Namen erleichtert,
sondern um den Rang.
„Ränge“ meint
nur die Unvollkommenheit und Verkehrtheit zu benötigen.
Vollkommenes
Sein bedarf keines Ranges.
Gott wohnt
weder in Palästen noch manifestiert er sich sonst in „standesgemäßem“ Gewand.
Das ist uns mehrfach gesagt worden und sollte uns aufwachen lassen aus der
Umnachtung all der Zwangsgedanken, die uns Sein (Name) und Schein (Rang)
gegeneinander ausspielen lassen. Genau dies war vermutlich der tiefste Grund
der Vertreibung aus dem Paradies.
Ich werde das
im folgenden ausführlich begründen und mich darauf beschränken, die These,
„Gott“ und „Vater“ seien rangbezogene Titel, zu diskutieren, auf andere Aspekte
in Gerbers — es sei noch einmal gesagt — lesenswerter Schrift an dieser Stelle aber
nur dann eingehen, wenn sie unmittelbar mit der Fragestellung zusammenhängen.
Der
chassidische Erzähler Friedrich Weinreb hat einmal ganz zurecht darauf
hingewiesen, dass das Rangdenken aus dem Tierreich stammt und für den Menschen
in keinem Fall angemessen ist, da jeder Mensch in sich selbst bereits eine
Ganzheit ist.[4]
Nur Menschen haben Individualnamen und werden von Gott auch als Einzelne bei
ihrem Namen gerufen. Man kann an dieser Stelle fragen, ob die Versinnlosung und
reine Ästhetisierung der Namen, wie sie in unseren Tagen geschieht, nicht
Merkmal gegenseitiger Entwürdigung und schwerer Entmenschung oder auch
Entgöttlichung ist. Die Banalisierung des Namens kannte man aber auch bei den
Römern, die ihre Kinder oft nur noch „durchzählten“: Primus, Secundus, Tertius
etc. Das findet sich bei den Namen der Hebräer in aller Regel nicht. Ich komme
darauf später noch einmal zurück.
Namen drücken
hier ebenso wie auch bei den Griechen und den Germanen einen Anteil am Sein
Gottes bzw der Götter aus, auch wenn dies freilich vielfach verzerrt erscheinen
mag. Mir geht es um die Intention der Benennung und ihre Verschränkung des
Namensträgers mit dem (angenommenen) Göttlichen. Wenn jemand etwa „Batya“
genannt wurde, meinte das buchstäblich, was es aussprach, nämlich „Tochter
Gottes“. Wenn einer „Theodor“ genannt wurde, meinte dies buchstäblich, dass er
ein direktes Geschenk Gottes ist. Ein „Sokrates“ meint einen Makellosen,
Unantastbaren, weil er in der Kraft der Götter oder Gottes ist. Wenn einer
„Godefried“ genannt wurde, dann sollte er unmittelbar den Frieden der Götter
leben.
Diese Namen
drückten etwas ganz Wichtiges aus: Sie machten den Träger als Teilhaber
göttlichen Wesens unantastbar, tabu. Das Wehe, das Gott nach der Sintflut über
jedem, der Menschen antastet und ihr Blut vergießt, aussprach (Gen 9,5-7),
klingt hier wie eine uralte Menschheitserinnerung nach. Es deutet eher eine
Verrohung der Sitten an, wenn Namen nicht mehr in diesem Sinn vergeben werden.
Wenn einer
einwenden will „Aber du gibst doch auch deiner Katze einen Eigennamen“, dann
frage ich zurück „Würden wir die Katze ‚Sophia’ nennen und dabei mit der
Weisheit Gottes markieren wollen? Ich denke, jeder spürt, dass das unangemessen
wäre.
Gerber übt
Kritik an der Auffassung Herbert Jantzens, „dass
im hebräischen Denken angeblich unter „Sohn“ jemand mit dem Rang des „Bruders
des Vaters“ bzw. „auf gleicher Stufe wie der Vater“ gemeint sei. Eine
Begründung hierfür gibt er allerdings nicht an.“[5]
Gerber befasst
sich aber mit der These gar nicht weiter und beweist seinerseits nicht, wie es
denn damals wirklich war, wenn nicht so, wie Jantzen es meint.
Mit scheint, Jantzen
hat an dieser Stelle recht. Gerbers Trennung von Sein und Titel ist dem
Altertum vollkommen fremd. Jemand ist im Altertum immer von „Rang und Namen“. Der Name ist sein Rang oder besser Adel.
So enthält die
zitierte Folge an Titeln bei Gerber einen historischen Bruch: „Präsident“ und
„Chef“ sind moderne Begriffe, die es bis vor 200 Jahren im politischen
Sprachgebrauch so nicht gab. „König“ und „Vater“ dagegen gehören in eine
andere, ältere Kategorie, wobei „König“ nicht im selben Sinn hierarchisch
gedeutet wird wie „Vater“. Der Vaterbegriff ist ein Forschungsgebiet für sich,
auf das ich in einem späteren Kapitel eingehen werde.
Es ist —
modern gedacht — richtig, dass der Sohn des Chefs nicht der Chef ist und auch
nicht zwingend oder mit großer Wahrscheinlichkeit wird.
Der Sohn des
Königs aber oder der Sohn des Vaters werden sehr wohl als Anwärter auf das
angesehen, was ihre Väter sind, auch dem Titel nach. Das war in unserer Kultur
lange auch so und ist noch nicht ganz verblasst: Söhne, auch Töchter übernahmen
das Geschäft des Vaters nicht weil sie aufgrund irgendwelcher
Qualitätskriterien dorthin gewählt wurden, sondern weil sie die Erben waren und
man annahm, dass sie etwas von dessen Fähigkeiten „im Blut“ haben. Die freie
Wahl, die heute besteht, völlig auszusteigen aus dem, was die Eltern dem Stand
nach waren, gibt es noch nicht lange.
Und hier irrt
Gerber bzw argumentiert sehr unpräzise und v.a. antiken und vormodernen Vorstellungen
völlig unangemessen. In der Tat war jeder, der vom „Patriarchen“ als
Sohn/Tochter anerkannt wurde, dessen Blut und Rang und wurde als designierter
„Vorgesetzter“ angesehen. Es ist falsch zu sagen, der Königssohn sei selbst
nicht der König. Er wird eines Tages der König sein und ist es seinem Sein nach
jetzt schon. Bis heute drückt sich das im vorderen Orient aus, wenn eine Frau
etwa als „Umm-NN“ benannt wird, als „Mutter des NN“, oder Männer als „Abu NN“
oder Söhne als „Ben NN“. Damit wird die Rangverschränkung von Eltern und
Kindern ausgedrückt. Selbst im germanischen Kulturraum ist das noch wenigstens
erinnerungshalber lebendig, etwa in Island, dessen Nachnamen den Träger als
Sohn oder Tochter eines NN ausweisen (NN-son, NN-dottir). Genau das stellt in
der Tat Eltern und Kinder auf eine Rangebene. Ein vom Namen entfremdeter Rang
ist in diesem Denksystem nicht möglich. Der Prinz wird König sein wie sein
Vater, und die Prinzessin gibt man nur einem solchen Mann zur Frau, der ihrem
Vater ebenbürtig ist, damit auch sie auf einem Thron sitzen wird.
Bei „Chefs“
und „Präsidenten“ ist dies allerdings tatsächlich nicht so.
Es ist sicher
interessant, das der Begriff „Rang“ in dem Sinn, den Gerber meint, ebenfalls
ein moderner Begriff ist, der mit dem 30jährigen Krieg aus der Soldatensprache
der Franzosen ins Deutsche kam. Es meint eine (militärische) „Reihenfolge“.[6]
Es widerstrebt mir außerordentlich, Gott in einer solchen irdischen Rangfolge
anzusehen.
Gott nimmt in
einer irdisch gedachten, metaphorischen „ordo“ wohl kaum den ihm zugewiesen
Rang ein, auch dann nicht, wenn wir ihm den höchsten Rang zugestehen. Alleine
der Gedanke ist von Hochmut geprägt. Gott ist Gott — was wissen wir über dessen
„Rang“ oder „Titel“? Er hat seinen Namen im Verborgenen gelassen, eben weil er
sich nicht einpassen lässt in das durch die Sünde überhaupt erst entstandene
Rangdenken. Die Scheu der Juden, den JHWH-Namen auszusprechen hängt damit
zusammen. Der Name, im irdischen System aufgrund seiner essentiellen Bedeutung —
nach der anderen Seite hin übertrieben — magisch aufgeladen, wird uns entzogen,
weil Gott nicht nur nicht als Chef einer Hackordnung, sondern auch nicht
magisch verstanden werden will.
Man kann also zusammengefasst
sagen: wenn es schon für den Menschen unangemessen ist, seinen Namen vom „Rang“
abzukoppeln, um wieviel weniger ist es Gott und allem, was mit ihm zu tun hat,
angemessen, ausgehöhlte, ent-weste Ränge zu vergeben! Auch Gott hat einen
„Namen“, der im Zentrum der Anrufungen steht und nach der biblischen
Überlieferung sehr wohl geheimnisvoll, unaussprechlich ist, eine Überzeugung,
die auch das ganze heidnische Altertum prägte. Die Juden nennen ihn deshalb „der Name“: „haschem“. Jesus lehrte uns
beten „Vater unser im Himmel … Geheiligt werde Dein Name“.
Eine
Ausblendung der Frage nach dem Wesen bzw der Gegenwart und Wirksamkeit, die im
Namen aufscheinen, muss Probleme schaffen. Es ist für mich unvorstellbar, Gott
zu preisen oder zu Jesus zu beten, wenn ich mir die Frage danach, wer sie
wesenhaft sind, nicht mehr stelle und mich an ein Ranggefüge wende. Im
postmodern-irdischen Denken mögen „Instanzen“ ja das Maß sein, aber sie sind
immer auch anonym. Sobald aber jemand persönlich hervortritt als eine bestimmte
Entität, die einen Namen hat, verblasst auch alles Instanzliche und muss dem,
was diese Person ist, weichen. Wahre
Autorität kann nur im Sein liegen und nicht im Rang. Wer einen Rang jenseits
des seinsbezogenen Namens benötigt, bleibt notwendig hinter dem Sein zurück,
das er gerne hätte oder andere ihm gerne zusprechen würden.
Dass Gott und
Mensch in ihren Namen unbedingt als „Wesen“ aufgefasst werden müssen, als
Seiende, erscheint mir unabdingbar. Die Frage nach dem Namen und Ableitungen
aus dem Namen sind sogar ausgesprochen „biblisch“. Unzählige Male wird
ausdrücklich Bezug genommen auf den Namen sowohl Jesu (sein Name wurde sowohl
seiner Mutter als auch dem Ziehvater jeweils visionär mitgeteilt: Jeshua
(Jehoschua) und heißt „Gott heilt/rettet“) als auch Gottes, etwa: in dem „Namen
Jesu beugen sich alle Knie“, weil Gott ihm einen Namen über allen Namen gegeben
hat (Phil 2,9+10), Job preist den „Namen des Herrn“, den „schem JHWH“ (Job
1,21).
Zahlreiche
Individualnamen haben im Hebräischen den Namen Gottes inbegriffen oder zeichnen
ihn als Gottgesegneten, weil er Träger göttlicher Energien ist, und zeichnen ihn
als Abkömmling Gottes oder Gottgeweihten — alle Namen, die auf „ja“ („jahu“) oder
auf „el“ beginnen oder enden: Gabriel, Michael, Rafael, Eliyahu, Netanjahu,
Jeremia, Elischa, Eli, Benjamin als „Glückssohn“, David als „Liebling
(Gottes)“. Die weiblichen Namen bedeuten häufig das Wesen Gottes oder ebenfalls
die direkte Abkunft oder Beziehung von oder zu ihm— etwa mein Name Channa
(„Hanna“) heißt „Huld/Gnade (Gottes)“ oder die daraus folgende von Gott stammende
weibliche „Anmut“, Adaja bedeutet „geschmückt vom Herrn“, Atalya bedeutet „Gott
ist erhaben“, Batya bedeutet „Tochter Gottes“, Ahuva bedeutet „Geliebte
(Gottes)“, Elischewa, bekannter als „Elisabeth“, bedeutet „mein Gott ist Fülle“,
Hadassah bedeutet „Myrte“ bzw „Braut“, der immergrüne Baum steht für das ewige
Leben, Fruchtbarkeit, und seine Bedeutung als Brautbaum für die Bräutlichkeit
zu Gott. Man könnte es endlos fortsetzen, und all diese Namen sprechen für sich
und zeigen uns, dass am Namen sehr viel hängt und nur Menschen und die Erzengel
den Namen bzw das Sein Gottes in ihrem Namen tragen. Das ist mehr als nur eine
bloße Formalität.
Ob man dagegen
bei Gott und Mensch theologisch-mystisch gesehen von „Gattungen“ oder „Arten“ sprechen
kann, bezweifle ich mit Gerber — wir tun das allenfalls grammatisch oder
biologisch, aber dem Geist und Odem nach ist es unmöglich.
Aber Vorsicht —
wir reden über Gott in menschlicher Sprache, und er offenbart sich in
menschlicher Sprache. Ich habe Probleme mit Gerbers Argumentation wegen der
verwirrten linguistischen Begriffe:
Seine
Argumentation
„Jesus ist der Sohn des Höchsten, und
er redete wiederholt von seinem Gott. Dies passt weder zu Gattung noch zu Name,
wohl aber zu Titel und Verhältnis / Beziehung: Sein Gott ist sein Vater < -
> Sein Vater ist sein Gott.“[7]
ist aus zwei
Gründen einseitig und logisch nicht haltbar.
1. Der erste
Grund ist der, dass Jesus eben gerade nicht
„wiederholt von seinem Gott redet“. Das ist Wunschdenken des Autors. Jesus
spricht in der Tat in den Evangelien fast durchweg und zahlreich von „meinem
Vater“ und nur an ganz wenigen Stellen im Johannes-Evangeliun von dem oder „meinem Gott“, wobei gerade
dieses Evangelium den Trinitätsgedanken am meisten zu unterlegen scheint.
Dagegen findet sich im NT 261mal die
Benennung Gottes als „Vater“.[8]
2. Der zweite
Grund ist der, dass selbst wenn Jesus „wiederholt“ von „seinem Gott“ geredet
hätte, damit nicht bewiesen wäre, dass „Gott“ weder Gattung noch Name sei. Es
ist mir nicht verständlich, warum Gerber ohne Begründung ausschließt, dass ein
„Name“ selbstverständlich auch in einer solchen Formulierung mitgedacht werden
kann, etwa so wie man sagen kann „meine Frau“, aber synonym dafür auch „meine Anneliese“
oder „mein Sohn“ und synonym dazu „mein Karl“. Ich kannte Leute, die ihre Frau
als „Frau“ riefen. Oder: „Mama“ ist sicher liguistisch auf einer ersten Ebene
ein Gattungsbegriff, aber wenn mein Sohn mich so nennt, ist es linguistisch
gesehen ein Eigenname, weil er nur mich so nennt. Die anderen Mamas der Welt
sind für ihn keine Mama.
Gerber geht
mit linguistischen Begriffen um, die bereits ausführlich diskutiert wurden und
werden, berücksichtigt aber diesen Stand der Diskussion nicht. Überhaupt ist seine
Unterscheidung zwischen „Gattung“ und „Name“ nicht ohne weiteres klar, erinnert
an die Differenzierung in der präzisen Linguistik zwischen „Gattungsnamen“ und
„Eigennamen“, aber es bleibt unklar, ob Gerber das meint oder etwas anderes.
Davon abgesehen ist seine Differenzierung des Begriffs „Titel“ von „Gattung“
falsch. Titel sind per definitionem immer Gattungsbegriffe. Wenn überhaupt ist
hier nur eine einzige Differenzierung möglich, nämlich die zwischen Eigenname
und Gattungsname.
Hier wäre kritisch
anzumerken, dass Gerber, wenn er sich an das Thema von Eigen- und Gattungsnamen
gewagt hat, unbedingt die vorhandene linguistische Unterscheidung hätte beachten
müssen, die ich ganz kurz skizzieren will:
In der
Linguistik spricht man von Eigenname (nomen proprium) und Gattungsname (nomen
appellativum). Es gibt Übergänge von Eigen- in Gattungsnamen und umgekehrt.
„Herkules“ ist ursprünglich ein Eigenname, hat aber auch den Charakter eines
Gattungsnamens angenommen, wenn wir sagen „Dieser Mann ist ein wahrer
Herkules“. Oder andersherum wenn wir sagen „Die Chefin ist auf Dienstreise“
rückt „Chefin“ in die Position eines Eigennamens — so wie oben bei „Mama“.
Der Begriff
Gott ist allerdings auf Deutsch und Hebräisch mit ganzer Sicherheit auch ein
Gattungsname, weil es mehr als einen davon im Sprachgebrauch gibt. Auch die
Schrift gebraucht den Gattungsnamen vielfältig, benennt den Gott Israels und
den einen echten Gott als „elohim“, mit demselben Begriff aber auch die Götter
der Heiden. Da auf Gerbers Website immer wieder mit genau diesem Argument
abgewehrt wird, dass Jesus Gott sei, eben weil „elohim“ oder auch „theos“ auf
alle möglichen Entitäten, sogar Menschen, angewandt werden, ist die Behauptung,
„Gott“ sei kein Gattungsbegriff, ein schwerer Argumentationsfehler und
Widerspruch. Zumal auch der Titel ja linguistisch gesehen immer eine Gattung
beschreibt.
Ich persönlich
glaube zwar nicht, dass „Gott“ in der spezifischen Rede Jesu als
Gattungsbegriff gemeint ist — das ist meine Überzeugung, aber sprachlich-linguistisch
lässt sie sich nicht beweisen. Die Rede von „meinem Gott“ beinhaltet dann aber
logischerweise keinen Titel oder Rang, sondern schlicht und eigentlich „mein
Urbild“. Damit ist eine Beziehung ausgesprochen, aber sie entzieht sich der „ordo“
als „Stufenleiter“ verstanden, weil Urbild und Abbild immer wieder von Jesus
als „ineinander“, eben doch auf geheimnisvolle Weise verschränkt benannt werden
(Joh 10,30; Joh 10, 38; Joh 14,9-11; 2 Kor 5,19; Kol 1,19; Kol 2,9). Es sind
zwei Entitäten, aber man kann sie weder trennen noch einfach zusammendenken.
Insofern trifft Tertullian ja durchaus etwas mit der strittigen Formel „wahrer
Mensch und wahrer Gott, ungetrennt unvermischt“. Nur hätte Tertullian dann das
Ineinander von Vater und Sohn so beschreiben müssen und nicht den Sohn alleine.
In ein Einzelwesen projektiert ist die Formel monströs, auf die Beziehung
zwischen Vater und Sohn aber würde sie sogar sehr gut passen: Der Vater ist
wahrer Gott, der Sohn ist wahrer Mensch, sie sind eins, ungetrennt und unvermischt.
War das nicht
einmal die ursprüngliche und gute Verfassung des Menschen „im Bild“ und „in der
Gestalt Gottes“?
=//= FORTSETZUNG FOLGT =//=
[1]
Stephan Gerber: Wer ist Jesus von Nazareth? — Was hätten Sie geantwortet? Mai
2017 http://trinitaet.com/images/PDF/Wer_ist_Jesus_von_Nazareth_A5_2017.pdf
[2]
A.a.O. Gerber S. 1: „Jedoch redet die
Bibel in diesem Zusammenhang an keiner Stelle von einem Geheimnis.“ Das
muss sie auch nicht! Es geht um die Erfahrung, dass wir die Relation Vater —
Christus tatsächlich nicht ergründen können.
[3] Ein
Autor — dem ich allerdings nicht in der ganzen Ausführung an der zitierten
Betrachtung folgen kann — kommentiert diese Stelle im Kolosserbrief mit diesen
Worten dennoch sehr schön und auch zutreffend: „Jesus ist das Bild, Ebenbild, Abbild des unsichtbaren Gottes und die
Sichtbarwerdung der Person des Vaters. Christus ist die exakte Darstellung
Gottes, der vollkommene Ausdruck Gottes in menschlicher Gestalt. Der Sohn ist
der "Exeget" (Auslegung/Erläuterung) des Vaters und manifestiert in
Seiner Person das Wesen des unsichtbaren Vaters (vgl. Joh 6,46 "Nicht dass
jemand den Vater gesehen hat, außer dem, der von Gott ist, dieser hat den Vater
gesehen").“ Daraus folgt freilich nicht, dass er identisch mit dem
Vater ist. Genau dieser Schluss lässt sich nicht so einfach ziehen. https://www.geistlicher-felsen.de/jesus-das-bild-ebenbild-abbild-des-unsichtbaren-gottes-des-vaters/
[5]
A.a.O. Gerber, S. 3
[7]
A.a.O. Gerber S. 4