Trinitätslehre auf dem Prüfstand: Brief XIII
an Unitarier und Trinitarier — Maskil:
Wessen Sohn ist der Christus?
41 Als aber die
Pharisäer versammelt waren, fragte Jesus sie 42 und
sagte: Was haltet ihr von dem Christus? Wessen Sohn ist er? Sie sagen zu ihm:
Davids. 43 Er
spricht zu ihnen: Wie nennt David ihn denn im Geist Herr, indem er sagt: 44 "Der
Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde
lege unter deine Füße"? 45 Wenn
nun David ihn Herr nennt, wie ist er sein Sohn? 46 Und
niemand konnte ihm ein Wort antworten, noch wagte jemand von dem Tag an, ihn
weiter zu befragen. (Mt 22)
Eine Frage nach dem Christus
(Messias) im Neuen Testament
Kaum
eine Stelle im Neuen Testament trifft mehr ins Herz der Auseinandersetzung
zwischen Trinitariern und Unitariern.
Sie
ist vor allem deswegen so brisant, weil sie uns keine leicht erkennbare, eindeutige
Antwort gibt. Sie lässt die Frage nach dem Christus offen. Wie eine Art
Rätselspruch lässt sie den Leser und ganz offenkundig auch den damaligen Hörer
zurück mit einer Frage, über die er nachdenken soll. Wenn also mancher dem
Nachdenklichen damit kommt, er dürfe oder solle darüber nicht nachdenken, man
müsse nicht alles wissen, dann ist diese Stelle in den Evangelien eine
deutliche Zurechtweisung solcher Stimmen, denn immerhin stellt diese Frage hier
der Herr selbst. Es ist NICHT die Frage hochmütiger Gelehrter, sondern etwas,
was Jesus selbst den Menschen mit auf den Weg gibt. Denken wir also darüber
nach!
Wie
wichtig das Nachdenken über diese Frage sein dürfte, offenbart ein Satz aus dem
sogenannten „hochpriesterlichen Gebet“ Jesu kurz vor seiner Hinrichtung:
„1 Dies redete Jesus
und hob seine Augen auf zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist gekommen.
Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche,2 wie
du ihm Vollmacht gegeben hast über alles Fleisch, dass er allen, die du ihm
gegeben hast, ewiges Leben gebe!3 Dies
aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du
gesandt hast, Jesus Christus, erkennen. (Joh 17)
Wenn
das ewige Leben davon abhängt, dass wir erkennen, wer Vater und Sohn sind, dann
darf niemand uns ein schlechtes Gewissen einjagen, wenn wir alles dran setzen,
diese Frage immer wieder „in unseren
Herzen bewegen“, wie es einst Maria tat, denn auch über sie wird immer
wieder gesagt, sie habe dies getan, wenn es um die Frage danach ging, wer
eigentlich ihr Sohn in Wahrheit ist!
Wie
die damaligen Pharisäer empfinden wir, dass wir vor ein Rätsel gestellt werden,
das niemand so leicht zu lösen vermag, das sich nicht über eine philosophische
Spekulation erschließt, aber doch mit den inneren Augen erkannt werden kann, das
uns aber vor die äußeren Augen hält, dass Jesus als Mensch etwas ist, das wir in äußerer Gedanklichkeit nicht
erreichen können, obwohl doch auch wir Menschen sind. Wir spüren, dass die
Frage nach seinem Menschsein mit uns viel mehr zu tun hat, als wir es spontan ertragen
oder verstehen können.
Nach
den Schriften der Israeliten wird der Messias der Sohn Davids sein, also ein
konkreter Nachfahre König Davids. Konkret nach der Blutlinie, konkret nach
jüdischem Verständnis aber auch der „Art“ nach, dem „Geist“ nach. Das
Geschlecht Davids meint viel mehr als die Nachkommen seines physischen Samens,
denn die werden uns schon im AT weitgehend als Abtrünnige gezeichnet. Es muss
also um mehr gehen. Von David heißt es, er sei ein „Mann nach dem Herzen Gottes“ gewesen (1. Sam 13,14; Apg 13,22).
Der Christus wird ihm darin entsprechen. Die leiblichen Nachkommen, ja sogar die
geistigen Nachkommen Davids aber entsprechen ihm darin in aller Regel nicht.
Nur wenige Ausnahmen führen am Ende zu der leiblichen Davidstochter Maria, die
Jesu wirkliche Mutter war und ihn insofern auch zu einem wirklichen, leiblichen
Nachkommen Davids qualifizierte, — abgesehen von der geistigen Prägung, die sie
ihm gab — , und dem Davidssohn Josef, dem Ziehvater Jesu, der — ohne dem Samen
nach sein Vater zu sein — geistig doch ganz und gar ein Sohn Davids war und
insofern dem Jesuskind ein wahrer davidischer Vater sein konnte.
Maskil — Zum
Unterschied von Weissagung (N’vuah) und verselbständigter Weisheit (Chochma)
Der
zentrale Hinweis auf diese Qualität Davids als „Mann nach dem Herzen Gottes“ und des Bundes Gottes mit ihm erzählt
Psalm 89. Dieser Psalm ist ein „maskil“,
wie es zu Anfang heißt. Buber nennt dies „Eingebungsweise“
und deutet damit, subtil und feinsinnig den prophetischen Charakter an
(s.u.). Im biblischen Kontext ist ein „maskil“
ein Lehrgedicht. Später wurde im Judentum aus dem „maskil“ ein Gelehrter, ein Verständiger, ein Philosoph, einer der
weniger das Sagenhafte als das Logische und Erkennbare ins Licht hebt.
„Maskil“ kommt vom Wortstamm „s-ch-l“
und dort der Hifil-Form „hiskil“: zu
deutsch bedeutet dies „Einsicht haben“, „verständnisvoll/verständig sein“. „Sechel“ ist der menschliche Verstand.
Wir
werden sehen, welche geistige Haarlinie sich in diesem Begriff des „maskil“ ausdrückt:
Ein
„maskil“ also, eine Herausforderung
unserer Erkenntnis und unseres Nachdenkens, gibt uns in Psalm 89 der Dichter
Eitan, „Eitan, der Esrachiter“, der
im Ersten Buch der Könige als einer der weisesten Männer benannt wird, dem nur
König Salomo überlegen ist (1. Kön 5,11). Der „maskil“ hängt folglich mit der „chochma“,
der Weisheit, zusammen. Was ist echte, lebendige Weisheit ist in diesem
biblischen Zusammenhang? Sie ist nicht Geheimwissen oder Arkanlehre, sondern
die Einsicht, die dem Menschen allgemein möglich ist, zu der jeder
herausgefordert werden soll, der den Psalm liest. Die Einsicht stellt sich aber
auf eine prophetische Weise ein, keine „logische“.
Doch
was „lehrt“ uns dieser Psalm 89 oder besser: was „lehrt“ er mich?
Es
ist ein eigentümlicher Text. Er beginnt mit dem Lobpreis der Treue Gottes zu dem
Bund, den er mit David geschlossen hat. David ist bereits eine messianische
(gesalbte) Gestalt. Menschen, mit denen Gott zuvor einen Bund schloss (Noach,
Abraham, Mose etc.) erhielten zwar Berufung und Verheißung, aber keine Salbung.
Die Salbung hat prophetischen und königlichen Charakter. Sie erfolgt mittels
eines Salböls und/oder des Geistes Gottes.
Gepriesen
wird nun die Größe Gottes, die unvergleichlich ist, unvergleichlich mit allem,
was im „Luftraum“ („schachak“) ist,
in dem die „bnei elim“ sind, die
„Göttersöhne“, oder „Gottessöhne“, wie oft auch übersetzt wird. Gott begrenzt
den Hochmut des Meeres, er hat das (mythische) Chaos-Ungetüm Rahav, das im Meer haust und ein
Verwirrer, Bedränger und Durcheinanderbringer ist, durchbohrt. Rahav wird gelegentlich mit Ägypten
identifiziert, aus dem Gott die Hebräer herausgeführt hat (Ps 87).
Dann
zitiert Eitan die Visionen seiner Vorfahren:
„Hilfe (bzw eine Krone)
habe ich auf einen Helden gelegt, ich habe einen Auserwählten erhöht aus dem
Volk. 21 Ich
habe David gefunden, meinen Knecht. Mit meinem heiligen Öl habe ich ihn
gesalbt. 22 Meine
Hand soll beständig mit ihm sein, und mein Arm soll ihn
stärken. 23 Kein Feind soll ihn bedrängen und kein Sohn der Ungerechtigkeit
ihn bedrücken. 24 Ich will seine Bedränger vor ihm zerschmettern. Die
ihn hassen, will ich niederstoßen. 25 Meine Treue und meine Gnade
sollen mit ihm sein, und durch meinen Namen soll sein Horn erhöht werden. 26 Ich
will seine Hand auf das Meer legen, und seine Rechte auf die Ströme. 27 Er
wird mich anrufen: Mein Vater bist du, mein Gott und der Fels meines Heils! 28 So
will auch ich ihn zum Erstgeborenen machen, zum Höchsten unter den Königen der
Erde. 29 Ewig
will ich ihm meine Gnade bewahren, und mein Bund soll ihm festbleiben. 30 Und
ich will seine Nachkommen einsetzen für immer und seinen Thron wie die Tage des
Himmels.“
Hier
fällt auf, dass diesem Davidssohn, dem „gibor“,
dem „Helden“, begabt mit Kraft bis an die Grenzen des Menschlichen, der da
kommen soll, etwas von der zuvor beschriebenen Macht Gottes gegeben wird: Wie
Gott wird er das Meer beherrschen können. Aber es ist Gott, der seine Hand
nimmt und auf das Meer legen wird. Die Stelle beschreibt keine göttliche
Gestalt, die dies aus sich heraus vermag, sondern von Gott selbst dazu
autorisiert und erhöht wird. Diese Erhöhung greift Jesus selbst immer wieder
auf und bezieht sich auf sie (s.u.).
Und
der gesalbte „gibor“ wird Gott als „awi“, als „mein Vater“ anrufen — im
Alten Testament eine absolute Seltenheit. Von niemandem wird das berichtet,
nicht von Adam und Eva, noch von Noach oder Abraham, noch Sara oder Jakob, auch
nicht von Aaron, Mose oder Miriam. Diese Anrede ist außergewöhnlich.
Weder
ein Feind noch der „ben avla“, der „Sohn
der Deformation/Sünde“ darf ihn überwältigen; dieser Begriff kehrt im NT als „filius perditionis“ wieder und meint
einmal den Verräter Judas, das andere Mal den Antichristen.
Nun
folgt eine Klage darüber, dass Gott seinem „maschiach“,
seinem Gesalbten, zürnt. Die Konfrontation könnte kaum eindringlicher
beschrieben werden:
„40 Preisgegeben
hast du den Bund mit deinem Knecht, hast zu Boden geworfen und entweiht seine
Krone. 41 Du
hast niedergerissen all seine Mauern, hast seine Burgen in Trümmer gelegt. 42 Es
haben ihn alle ausgeplündert, die des Weges vorübergehen. Er ist zum Hohn
geworden seinen Nachbarn. 43 Du
hast erhöht die Rechte seiner Bedränger, hast erfreut alle seine Feinde. 44 Auch
hast du zurückweichen lassen die Schärfe seines Schwertes und hast ihn nicht
bestehen lassen im Kampf. 45 Du hast aufhören lassen seinen Glanz und
zur Erde gestürzt seinen Thron. 46 Du
hast verkürzt die Tage seiner Jugend, mit Schmach hast du ihn bedeckt. //“
Wie
ist das möglich? Wie kann das sein? Gott hat doch einen Bund geschlossen?
Eitan
hat zuvor schon eine Antwort aus der alten Vision gegeben:
„31 Wenn seine Söhne
mein Gesetz verlassen und nicht wandeln in meinen Rechtsbestimmungen,32 wenn sie meine Ordnungen entweihen
und meine Gebote nicht halten,33 so werde ich ihr Vergehen mit der
Rute und ihre Ungerechtigkeit mit Schlägen heimsuchen. 34 Aber meine Gnade werde ich
nicht von ihm weichen lassen und nicht verleugnen meine Treue. 35 Ich werde meinen Bund nicht
entweihen und nicht ändern, was hervorgegangen ist aus meinen Lippen. 36 Einmal habe ich geschworen bei
meiner Heiligkeit - wie könnte ich David täuschen!“
Es
gibt David und die Mitte seiner Söhne. Sie haben den Bund gebrochen, und sie
spüren die Folgen, aber Gott hat den Bund nicht gebrochen.
All
diese Ungereimtheit, die wir erleben, hängt damit zusammen, dass Gott seinem
Bund treu ist, aber wir nicht. Genau diese Ungereimtheit und Schmach liegt auf
dem „maschiach“, dem „Gesalbten
Gottes“, dem Sohn Davids. Er oszilliert zwischen der versprochenen Erhöhung und
Befähigung und den irrlichternden Wahnwelten, die ihn umtosen und förmlich
„umwerfen“ dürfen, weil er einer der Menschen ist, weil seine menschlichen
Geschwister ihn in diese Lage bringen, die alle Menschen dem Tod aussetzt, auch
den Gesalbten. Er wird für das geschlagen, was seine Brüder und Schwestern
hervorgebracht haben: die Huldigung an Rahav,
die Herausforderung der Meereswogen, die Kontaktaufnahme mit dem „ben avla“, dem Sohn des Verderbens, die
verkehrte Wahl und den Hohn über die Wahrheit.
Eitan
schließ mit der Anrufung Gottes, die Ihm vor Augen halten will, dass niemand
aus dieser Verfangenheit kommen kann ohne die Hilfe des Allerhöchsten, die er
David doch deswegen geschworen hat, eben weil keiner der „bnei adam“, der Menschenkinder, sich selbst helfen kann in dieser
Not:
„49 Welcher Mann
lebt und wird den Tod nicht sehen, wird sein Leben befreien von der Gewalt
des Scheols? // 50 Wo
sind deine früheren Gnaden, Herr, die du David zugeschworen hast in deiner
Treue? 51 Gedenke,
Herr, der Schmach deiner Knechte. In meiner Brust trage ich all die vielen
Völker mit ihrem Hohn, 52 womit
deine Feinde gehöhnt haben, HERR, womit sie gehöhnt haben die Fußspuren deines
Gesalbten! 53 Gepriesen
sei der HERR ewig! Amen, ja Amen!“
Es
kann kein Zweifel darüber bestehen, dass dies ein prophetischer Psalm eines
weisen Mannes ist. Es verbindet sich die Gelehrsamkeit und Erkenntnis mit der
Gabe der Prophetie, der Weis-sagung.
Eine „gesunde“ oder „lebendige“ Weisheit außerhalb dieser Verbindung gibt es
nicht und grenzt solche Verständigkeit ab von allem okkulten, verselbständigten
Wissen. Hier spielt mit hinein, dass die Schlange Eva damit verführte, ihr
solche „Weisheit“ in Aussicht zu stellen, „Wissen“, das Wissen um Gut und Böse,
als sei es eine definierbare geistige Welt, in die man „eingeweiht“ werden
könnte. Der Baum, so heißt es, habe Eva gefallen, weil er „verständig macht“, „lehaskil“. Wir haben hier wieder
unseren Wortstamm „s-ch-l“ (Gen 3,6).
Die
„Weisheit Ägyptens“ hat mit dem „maskil“ und der Weissagung deshalb nichts zu tun, weil das
eine losgelöst von der Vitalität Gottes und statisch, als ein gigantisches
Normengebilde verstanden ist, das andere an die Vitalität Gottes gebunden und
von ihr in jedem Moment inspiriert.
Statische
Weisheit ist nicht dasselbe wie dynamische Weisheit. In Salomo brach sich
beides. Sie sind, obwohl gleichen Ursprungs, Kontrahenten wie Finsternis und
Licht.
Das eine, die Weissagung, die „n’wuah“,
die den „nawi“, den Propheten
hervorbringt, ist nicht dasselbe wie die Weisheit, die als „chochma“ sich verselbständigt und den Weltweisen „chacham“, den Schriftgelehrten oder
Weisheitslehrer im genauen Wortsinn, aber keinen Propheten, hervorbringt. Erstere
ist ihrem Ursprung liebend zugewandt und in ihm schwingend, die andere kehrt
den Ursprung in ein mechanistisches Gefüge, dem der Weise Leben verleiht durch
sein Weise-Sein.
Herr 1, Herr 2 und Sohn
Doch
zurück zu unserer Szene mit Jesus und den Pharisäern. Der Rätselspruch bringt
den normalen menschlichen Sinn durcheinander, weil die hierarchischen
Beziehungen in ihm ähnlich wie auf der „unmöglichen Treppe“, die der
Mathematiker Penrose entwickelt hat, ins Wanken kommen. Man kann sagen, dass
Jesus mit einem Handstreich unsere hierarchische Denkweise zusammenstürzen
lässt. Was hier über den Messias gesagt wird, wirkt absurd angesichts unserer
hierarchischen Logik, aber die Pharisäer spüren, so wie wir alle, dass nicht
das Wesen des Messias absurd ist, sondern unser hierarchisches Denken …
Der
Christus ist der Sohn Davids. Söhne sind immer den Vätern unterstellt nach der
Logik der Menschen. Wie kann es dann sein, dass der Vater den Sohn als „Herrn“
anspricht?
„Wenn nun David ihn Herr
nennt, wie ist er sein Sohn?“
Man
könnte zunächst sagen, eine der Prämissen ist dann eben falsch: Er ist nicht
der Sohn Davids, oder aber er ist nicht der Herr Davids. Nun wird aber
letzteres ausgeschlossen durch die Bemerkung, dass der „Herr des Herrn“ jenen
zu sich erhöht und auffordert, zu seiner Rechten Platz zu nehmen. Im Bild
gesprochen sitzen da nun zwei auf dem Thron: der erste und eigentliche Herr und
der zweite, den er zu sich erhöht. Dass dieser zweite Herr ein Sohn Davids sein
wird, ist in der Schrift viele Male bezeugt, dem Glaubenden unmöglich
zweifelhaft.
In
der Tat überschneidet sich im zweiten Herrn, dem „Herrn 2“ der „Herr 1“, also
der eindeutig als Gott gezeichnete Herr, mit David, dem königlichen Menschen.
IST er darum aber, wie die Trinitätslehre es dogmatisch definiert, sowohl Gott
als auch Mensch, ein „Gottmensch“? Oder ist nicht genau eine solche Lehre der
Versuch, etwas, das nur in der lebendigen Weisheit Gottes verständlich ist,
festzubannen in einen albernen menschlichen Satz, der in seiner „Weisheit zu
Torheit“ wird?
Dem
muss man in jedem Fall entgegenhalten: Was den „Herrn 2“ zu einem „Herrn“
macht, hat er übertragen bekommen und nicht aus sich selbst heraus. Dies geht
eindeutig aus dem Zitat hervor, das in Mt 22 direkt aus Psalm 110,1 übernommen
wird. Jeder schriftkundige Israelit kannte diese Stelle. Einer, der bereits
wesensgleich mit Gott ist, muss von ihm nicht erhöht werden zu seiner Rechten.
Gemeinhin entgegnet der traditionsbewusste Katholik diesem Argument, diese
Sätze aus dem Psalm und den Evangelien seien ja nur „secundum hominem“ gemünzt, also nur hinsichtlich der Menschheit
Christi, die nun mit-erhöht würde. Das Menschsein, das sich die Gottheit durch
ihre Inkarnation angezogen habe, habe sie gewissermaßen „heruntergezogen“ in
unsere Niederungen und müsse nun hinaufgehoben werden.
Ganz
einsichtig ist das allerdings nicht, denn wenn einer „Gottmensch“ ist, ist er,
bevor er Mensch ist doch unhintergehbar Gott und müsste aus eigener Macht auch die
Erhöhung seines Menschseins schaffen. Andernfalls ist er eben doch nicht
wesensgleich mit Gott. Man kann vermuten, dass die Arianer genau daran auch
hängeblieben, nach menschlicher Denkweise ja völlig zu recht! Denn zum göttlichen
Wesen gehört auch die Allmacht oder Machtfülle. Wir kenn die poetische
Formulierung „Er entäußert sich all
seiner Gwalt“ aus einem Kirchenlied — nur: wo steht das in der Schrift? Die
Stelle in Philipper 2,6, die hier als Beleg angeführt wird, sagt genau dies
allerdings nicht, sondern etwas anderes, worauf ich schon einmal eingegangen
bin (Link—) und noch einmal eingehen werde an anderer Stelle. Die „Entäußerung
der Gewalt“ ist bereits theologische Auslegung im Sinne der kirchlichen
Dogmatik.
Man
argumentiert hier so, als ob Gott einer „multiplen Persönlichkeitsstörung“
nahekomme, in sich selbst gewissermaßen Personen abgespalten, sich dissoziiert
habe.
Ich
muss zugeben, dass mich der Gedanke abstößt und in seiner Greulichkeit und
Monstrosität in die Flucht schlägt: Kann das sein? Was immer sich um Gott herum
bewegt an „z’waot“, an „Heerscharen“, wer immer im Luftraum und im Meer an „bnei elim“ oder „Rahav“, „Leviatan“, „Tannin“, Göttern, Engeln und Dämonen etc.
unterwegs ist, wovon das AT ja durchaus deutlich Kunde gibt: Gott, der
Allerhöchste, ist einer und spricht immer als einer.
Er
ist eben nicht dieser seltsame Chamäleondrache, der ständig die Maske wechselt
(und „persona“ heißt eigentlich
„Theatermaske“!). Dass er sich im Menschen abgebildet hat bedeutet nicht, dass
damit eine multiple Persönlichkeit gemeint ist. Dieser Rückschluss ist und
bleibt selbst nach logischen Kriterien unzulässig. Man würde auch von keinem
menschlichen Elternpaar sagen, sie drückten sich wegen ihrer zahlreichen Kinder
in zahlreichen Personen aus, die aber alle „eins“ seien, nämlich sie selbst.
Das ist absurd. Man gefällt sich zwar in dieser nebulösen Rede von den „allen“,
die irgendwie „eins“ sind, aber man bleibt in diesem gedanklichen Sumpf auch so
tief stecken, dass man in aller Regel nicht mehr vordringt zu der Frage, wer
Vater und Sohn wirklich sind, der Frage, die ja nicht dogmatisch definiert
werden sollte, sondern um die geistig gerungen werden müsste.
Müssten
wir nicht täglich rufen: Wer bist Du, Gott, Vater? Wer bist Du, Herr Jesus,
sein Messias und Sohn?
Aber ist es nicht gerade diese Frage, die wir Gott gar nicht mehr stellen, weil
wir glauben, aufgrund einer kirchlichen Feststellung wüssten wir es schon ganz
genau?
Nach dem Johannes-Evangelium ist aber genau dies die Frage aller Fragen des
Glaubens (s.u.)!
Die
Frage ist, wie diese Überschneidung zwischen Gott und Mensch zu deuten ist,
gilt sie doch generell jedem Menschen von der Schöpfung her, die den Menschen
grundsätzlich, ob Mann ob Frau, „im Bild
Gottes“ bekennt und bezeugt, dass jeder und jede ursprünglich sogar „in der Gestalt Gottes“ ist (Gen 1). Die
Misere der „bnei adam“ liegt darin,
dass sie diesen Status verloren oder verwundet haben und sich den Ungeheuern
ausgeliefert haben, etwa dem Rahav.
Der „Herr 2“, wiewohl ein Mensch, weil er von einer leiblichen Nachfahrin
Davids geboren wurde, die von besonderen Qualitäten ist, weil sie als solche
Nachfahrin von Gott „mit höchster
Gunst/Gnade erfüllt“ wird, als „kecharitomene“
(Lk 1,28), ist von dieser Verfangenheit jedoch ausgenommen. Die
Außerordentlichkeit beginnt tatsächlich schon bei Maria, aber nicht nur bei
ihr. Der „Sohn Davids“, der als „maschiach“
verheißen war, sollte nicht aus dem Schmutz davidischer Deformationen kommen,
sondern von jemandem, der selbst eine gewisse davidische „Messianität“ aufwies.
Es ist daher von Belang, dass auch Josef, der Mann Marias, als „Gerechter“, als
„dikaios“ (was dem hebräischen „zaddik“ entspricht) beschrieben wird.
Jesus wurde also von einer Frau hervorgebracht, die ebenfalls „nach dem Herzen Gottes“ war und
geschützt von einem Mann, der den höchsten jüdischen Ehrentitel trug, der
dasselbe bedeutet: einem Gerechten.
Dass
in der „Heiligen Familie“ bereits die gängigen hierarchischen Strukturen
gebrochen wurden, habe ich an anderen Stellen immer wieder beschrieben. Die
protestantische Aversion gegen eine Seligpreisung Marias verweigert sich
tatsächlich der Schrift, die solche ausdrücklich vorsieht, wenn auch nicht in
der Verzerrung, die die Verehrung in der Kirche erfahren hat. Das soll uns hier
aber nicht weiter beschäftigen.
Der
„Hammer“ ist vielmehr die Konstellation vom Vater David, der seinen Sohn „im Geist“ (wie Jesus sagt) als „Herrn“ anspricht. Die typisch
menschliche Reaktion zu sagen, dann müsse dieser Sohn irgendwie Gott sein,
wobei man mit einer abenteuerlichen Argumentation über die Begriffe „adonai“ (für Gott) und „adoni“ (Christus, eigentlich „mein Herr“) in Psalm 110,1, in der LXX
generalisiert mit „kyrios“
wiedergegeben, schließt, dann müssten folglich alle, die irgendwie mit „kyrios“ angesprochen werden, irgendwie
auch Gott sein. Das ist nicht nur unkorrekt in Betrachtung des hebräischen
Grundtextes, sondern auch sonst.
Inwiefen
ist der „maschiach“, der Christus,
ein „kyrios“, ein „adon“, ein „Herr“? Er ist es den
Schriftstellen gemäß einzig und allein deswegen, weil Gott ihn dazu autorisiert
hat. Und Gott kann erhöhen wen er will und weswegen er will.
Jeder
Schluss, der darüber hinausgeht, ist außerhalb dessen, was wir wissen können.
Jesus
wurde von Gott erhöht. David sah, dass einer seiner Nachkommen von Gott erhöht
werden würde und dies für ewig, denn das wusste offenbar auch Eitan genau.
Jesus
wiederum wusste es auch, und er wusste auch, dass er derjenige ist. Aber in der
Diskussion mit den Pharisäern lag sein schmachvoller Weg, den Eitan beschrieben
hatte, noch vor ihm. Jesus konnte zu diesem Zeitpunkt noch nichts weiter dazu
sagen, aber alle anderen spürten, dass „etwas in der Luft lag“, dass eine
gewaltige Bewegung auf sie zukam, die Erlösung verhieß oder Verderben, je
nachdem, was der einzelne Mensch wählt.
Kurz
vor seinem Tod aber ist uns das hochpriesterliche gebet Jesu überliefert, das
viel mehr Auskunft gibt über die rätselhafte Stelle in Psalm 110 und den
Evangelien:
„Ehe die Welt war“
Jesus
spricht unter Worte:
„4 Ich habe dich
verherrlicht auf der Erde; das Werk habe ich vollbracht, das du mir gegeben
hast, dass ich es tun sollte. 5 Und
nun verherrliche du, Vater, mich bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich
bei dir hatte, ehe die Welt war! 6 Ich
habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast.
Dein waren sie, und mir hast du sie gegeben, und sie haben dein Wort bewahrt. 7 Jetzt
haben sie erkannt, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir
ist; 8 denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen
gegeben, und sie haben sie angenommen und wahrhaftig erkannt, dass ich von dir
ausgegangen bin, und haben geglaubt, dass du mich gesandt hast.“ (Joh 17)
Viele
lesen aus diesen Sätzen ebenfalls die Trinitätshypothese ab. Sie fragen, was
denn anders damit gemeint sein soll, dass Jesus betet „Und nun verherrliche du, Vater, mich bei dir selbst mit der
Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe
die Welt war!“
Sie
verstehen diese Worte iS einer Präexistenz Jesu bei Gott. Und da er bei Gott
und nicht irgendwo anders war, denken sie, er müsse ebenfalls Gott sein. Der
Gedankengang ist nachvollziehbar, aber ist er tatsächlich das, was da steht?
In
den wenigen Sätzen finden wir nicht nur den scheinbaren Hinweis auf eine
Präexistenz Jesu bei Gott, sondern undeutlich auch eine Präexistenz der Seinen,
die Jesus ihm wieder zuführen sollte, in Vers 6: „Dein waren sie…“. Man kann aber bei vorsichtiger Untersuchung
nicht behaupten, dass hier von einer Präexistenz die Rede ist. Wir sind
gewohnt, mit solchen Vorstellungen umzugehen und sind stets in der Gefahr der
Projektion. Der Text sagt genau genommen nichts anderes als, dass Gott alles
vorherweiß und vorherwusste, dass er alles vorhergesehen hat und alles
umschlossen ist in seinem Plan. Er hatte vor aller Schöpfung schon seinen „maschiach“ vor Augen in aller Schönheit
und genauso alle, die die Seinen sein würden. Wie genau sich dieses
Vorherwissen Gottes gestaltet, können wir aus dieser Stelle nicht erfahren.
Wesentlich
wichtiger aber ist, dass Jesus dem Vater sagt, er habe nun den Auftrag erfüllt,
dem Vater die Seinen wieder zuzuführen. Sie sind wieder in die richtige
Richtung „ausgerichtet worden“, haben die rechte „Peilung“ erfahren, präzise
auf den Vater hin durch das, was Jesus ihnen vom Vater überliefert hat. Jesus
sagt, sie hätten es dadurch erkennen können. Es wundert mich, dass diese so
wichtige Feststellung Jesu völlig ins Hintertreffen kam vor der Spekulation
über die Trinitätslehre.
Das
lange Gebet Jesu umkreist die Einigkeit von Vater und Sohn, aus der die
Einigkeit der Seinen folgen soll; erwähnt wird, dass die Kluft zum
gegenwärtigen „kosmos“ sich so sehr
vergrößern wird, dass die Seinen, wenn sie nun zurückbleiben und Zeugen Jesu
sein werden, umhüllt und bewahrt werden müssen. Jesus sorgt sich um den „maskil“, dass er lebendiges
Gotteserlebnis und Weissagung bleibe und nicht zu toter confessio werde, an der jeder lebendige Glaube zerbrechen wird, wie
wir es nun jahrhundertelang erlebt haben. Wie Leopold Ziegler es in einem
Aufsatz hellsichtig darlegte,
störte nichts das lebendige Gottesverhältnis mehr als der Zwang zu
Bekenntnissen, dem die Schwurformel „Wenn du nicht x glaubst, bist du ausgeschlossen“
zugrunde liegt und nicht der Jubel über die persönlich erfahrene Beseelung und
die persönliche Hoffnung auf die Auferweckung.
Wir
finden zurück zu der Unterscheidung von lebendiger Weissagung und
Verständigkeit und toter Weisheit, dem Bewegtwerden von Gott, der vor aller
Zeit um mich wusste in Christus, und dem Eingeweihtwerden in ein
mechanistisches Geheimwissen ohne das „Abbild
des unsichtbaren Gottes“ (Kol 1,15). Philippus bat Jesus einst: „Zeige uns den Vater!“ Jesus antwortete
ihm: „Wer mich sieht, sieht den Vater!“
(Joh 14,8f) Auch in diesem Abschnitt geht es wieder um die dringende
Notwendigkeit, den Vater durch den Sohn zu erkennen. Das alles heißt aber
nicht, dass der Sohn Gott ist, sondern es heißt, dass er sein vollkommenes
Abbild ist — das, was der Mensch eigentlich hätte sein sollen. Wir dürfen nicht
— trinitarisch gebildet — Rückprojektionen in die ursprünglicheren Texte
vornehmen. Präzise verstanden geben sie nicht das her, was die Kirche
behauptet.
Das,
was sie aber hergeben, ist brisant, weil davon das ewige Heil abhängt. Ich
möchte uns alle dazu ermutigen, das NT im Hinblick auf diese Dinge neu zu
lesen. Es ist nicht wichtig, sich in zeitbedingte Gemeindeordnungen zu
vertiefen und seine Mitmenschen damit zu schikanieren, wie es so oft unter
Christen geschieht. Davon hängt fast gar nichts ab.
Von
der Erkenntnis darüber, wer der Sohn ist und wer der Vater, hängt alles ab.