Dienstag, 12. Dezember 2017

Reflexionen über die Eucharistie



Reflexionen über die Eucharistie

Nachdem mehrere Kommentatoren auf dem „Christlichen Forum“ unter einem Artikel (https://charismatismus.wordpress.com/2017/11/09/dekret-des-erzbischofs-von-brindisi-verhaengt-kirchliche-massnahmen-gegen-seher-mario/) zu einem an sich ganz anders ausgerichteten Thema schließlich beim Thema „Eucharistie“ gelandet sind und über sie intensiv schriftlich „kommuniziert“ haben, habe ich in den vielverzweigten Baumstrukturen dieses Threads völlig den Überblick verloren. Neben der Herausgeberin des Blogs, Felizitas Küble, und einer Posterin mit dem Nickname „Ester“ beteiligte sich der Poster Claus Stephan Merl mit nachdenklichen und suchenden Überlegungen. Herr Merl schrieb mir am Ende noch einen Kommentar, den ich aber bisher nicht beantwortet hatte. Stattdessen aber entspann sich zwischen ihm und „Ester“ ein kleiner Disput. Diesen Disput möchte ich in voller Länge zitieren und anschließend selbst Herrn Merl antworten und interessierte Leser dazu anregen, sich an diesen Reflexionen mit zu beteiligen:
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„Liebe Frau Jüngling,
da müssen Sie sich keinen Vorwurf machen, wenn ich noch nicht so recht mit der Eucharistie weitergekommen bin. Es ist ja auch nicht so, dass ich mein Fragen nicht betend „begleiten“ würde.
Ich knüpfe nochmal an dem Punkt an, dass niemand im Traum daran dachte, oder es auch nur versucht hätte, von Jesu Blut zu trinken oder von seinem Körper zu essen, egal, ob das vor oder nach der Kreuzigung, nach der Auferstehung oder erst recht nach der Himmelfahrt Jesu hätte stattfinden sollen. Wenn Jesus also davon spricht, sein Leib sei eine wahre Speise und sein Blut ein wahrer Trunk, kann er es nicht wortwörtlich meinen.
Ich verweise in diesem Zusammenhang auf das Wort Jesu, wonach man diverse Gliedmassen sich entfernen solle, die einen zur Sünde verführen wollen. Außer Origenes hat das wohl niemand wirklich praktiziert; und selbst das ist zweifelhaft. Es ist jedenfalls nichts von massenhaften Selbstverstümmelungen der Christen bekannt.
Es gibt also im Hebräischen diese sehr drastischen Ausdrucksformen, die natürlich etwas völlig Wahres transportieren ohne deshalb wortwörtlich gemeint zu sein. Es ist hier bisweilen vom Stilmittel der Übertreibung die Rede. Ich bin mir aber nicht sicher, ob es dieser Begriff wirklich trifft.
Was also ist die transportierte Wahrheit des „Jesu Fleisch essen und sein Blut trinken“? Vielleicht helfen folgende Überlegungen weiter:
Für mich steht doch das ganze Christ-Sein, die Nachfolge Jesu unter folgendem Vorzeichen:
Um ein wahrer Jünger Jesus sein zu können, muss ich zuerst eine neue Kreatur sein. Mein „alter Mensch“ ist völlig ungeeignet dazu. Es findet also ein Austausch statt. Mein altes Ich stirbt mit Christus am Kreuz, mein neues Ich aufersteht mit ihm. Die Wassertaufe drückt das aus. Dieser „neue Mensch“, das ist „Christus in mir, die Hoffnung der Herrlichkeit“ oder, um es mit Paulus zu sagen: „Nun lebe nicht mehr ich, sondern Christus in mir.“ Das betrifft zunächst nur meinen Geist und muss sich jetzt in mein gesamtes Menschsein; d.h. in meine Seele und meinen Leib hinein „übersetzen“ oder inkarnieren.
Und dieser Prozess der Heiligung oder neudeutsch „Transformation“ ist nur möglich, wenn Christus selbst in mir Gestalt annimmt. Oder anders gesagt: Es kommt zu einer vollständigen Übernahme des Wesens Christi in mir. Jedenfalls so vollständig wie dies auf dieser Seite des Grabes möglich ist. Vollendet wird das natürlich erst mit unserer leiblichen Auferstehung.
Und genau hier kommt die Metapher des „Essens von seinem Fleisch“ und „des Trinkens von seinem Blut“ zum Tragen. Sie beschreibt die Radikalität und Ausschließlichkeit eines Lebens, das danach ausgerichtet ist, Christus widerzuspiegeln. In 2. Kor. 3, 18 wird als Ergebnis des Wandels im Neuen Bund folgendes ausgesagt:
„Wir alle aber schauen mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn an und werden so verwandelt in dasselbe Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, wie es vom Herrn, dem Geist, geschieht.“
Es ist nicht nur die Wiederherstellung unserer Stellung vor dem Sündenfall, als wir ohne Sünde im Bild Gottes erschaffen wurden, sondern geht darüber hinaus bis zur Teilhabe an der göttlichen Natur. Man macht sich oft keinen Begriff davon, was Erlösung in der letzten Konsequenz bedeutet.
Freilich bedarf es unserer Mitwirkung. Nicht in dem Sinn, dass wir irgendetwas aus uns heraus; d.h. aus unserer natürlichen Verfasstheit produzieren oder beisteuern könnten. Nein, es geht um aktives Empfangen dessen, was schon für uns bereit liegt. Oder um es in einem Beispiel zu sagen: Der Ertrinkende in der Wüste, dem plötzlich ein Fremder einen Becher mit Wasser reicht, würde es im Traum nicht einfallen, das Ergreifen des Bechers und das Trinken des Wassers als besondere eigene Leistung anzusehen; geschweige denn zu behaupten, er habe sich damit dass Wasser verdient.
Und so ruft uns Jesus dazu auf, ihn zu essen und zu trinken im Sinne dessen, ihn in seinem Menschsein völlig in einer ständigen und aktiven Bereitschaft zu empfangen. Das ist die einzige Nahrung, die uns das Leben in Christus ermöglicht.
Unser ganzes Leben ist damit eucharistisch und das feiern wir beim Herrenmahl. Das ist der neue Bund, in dem sich Jesus Christus uns vorbehaltlos hingibt, damit wir ihn völlig ergreifen und „verstoffwechseln“. Wie tun das in diesem Mahl selbst wie wir es auch sonst ständig tun sollten.
Diese Interpretation macht für mich im Moment am meisten Sinn.
Folgende Analogie fällt mir dazu ein: Im Ehebund kehren Mann und Frau zu dieser mystischen Einheit zurück, aus der sie entstanden sind. Eva wurde ja aus Adam heraus erschaffen. Das musste sein, damit sie sich erkannten. Der sexuelle Akt bewirkt geistlich real diese Einheit, ob wir es fühlen oder nicht. Deshalb ist sein Missbrauch auch so dramatisch. Sind z.B. meine Frau und ich aber als Ehepaar im Willen des Vaters „ein Fleisch“, dann leben wir das nicht nur dann, wenn wir miteinander schlafen, sondern dann bestimmt das unsere Beziehung.
Ist das Ihrer Meinung nach sinnvoll, Frau Jüngling? Falls nicht, warum nicht?“
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Darauf antwortete „Ester“:

„… genauso ist es, indem wir kommunizieren, kommt das Sein und Wesen Christi in uns hinein, und wir können nur so an seiner, der gottmenschlichen Substanz teilhaben, indem wir eben sein Fleisch und Blut essen.
Und damit das nicht nur im Geist geschieht, sondern real, muss auch notwendig diese Hostie und dieser Wein real und wirklich Fleisch und Blut Christi geworden sein.“
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Darauf antwortete Herr Merl:

„Hallo Ester,
„kommunizieren“ ist ein guter Begriff, auch wenn wir nicht unbedingt das Selbe darunter verstehen. Wenn ich wiedergeboren bin, dann lebt Christus bereits in mir. Und im Geist habe ich mit ihm Gemeinschaft.
Liebe Grüße“
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Darauf antwortete „Ester“:

„Eben nur geht diese Gemeinschaft, zu der wir gerufen sind, über das geistige hinaus.
Das Grundwesen des Katholischen und auch der permanente Stein des Anstoßes ist, dass das Katholische seine Glaubenswahrheiten durchweg körperlich und fleischlich versteht.
Wir heißen nicht nur Kinder Gottes, wir sind es!“
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Darauf antwortete Herr Merl:

„Hallo Ester,
Sie schreiben:
„Das Grundwesen des Katholischen und auch der permanente Stein des Anstoßes ist, dass das Katholische seine Glaubenswahrheiten durchweg körperlich und fleischlich versteht.“
Das möchte ich doch zugunsten des Katholizismus vehement bestreiten. Ich möchte aber nicht ausführlich auf Ihre Wortwahl eingehen, weil – wie ich an anderer Stelle schon mal ausgeführt habe – das Problem darin besteht, dass Katholiken und Nichtkatholiken unter den gleichen Begriffen durchaus nicht das Gleiche verstehen.
Abgesehen davon tasten wir uns hier ja vor und versuchen, es zu vermeiden, endgültige „dogmatische“ Sätze zu formulieren.
Nur ein Hinweis sei mir gestattet:
Der Begriff „fleischlich“ ist im Neuen Testament durchweg negativ besetzt. Er steht im scharfen Kontrast zu „geistlich“. Paulus sagt, wir sollen „geistlich“ gesinnt sein und nicht „fleischlich“, denn der „natürliche“ oder „fleischliche“ Mensch kann und will das von Gott geistgewirkte Leben nicht verstehen und akzeptieren. Ja, er bekämpft es geradezu.
Selbst Jesus, der „im Fleisch“ gekommen ist und ohne Sünde war, wusste: „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.“
Aber, wie gesagt, wahrscheinlich haben Sie das nicht gemeint.“
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Darauf schrieb „Ester“:

„… aber Herr Merl genau das ist ja der immerwährende Skandal des Katholischen, dass es darauf besteht, dass das Wort Fleisch geworden ist und als der Auferstandene im auferstandenen Fleisch in den Himmel aufgefahren ist, und das um uns im Fleisch zu erlösen,
Wir werden einen Körper haben, dort, wenn wir bei Gott sein werden!
Richtig ist, aber auch, dass das Fleisch schwach ist und der Geist zwar willig, aber dennoch in diesem Ringen mit dem Fleisch oft erliegt, und wir geistliche Menschen werden sollen und müssen, wenn wir zu Christus gehören wollen,
Aber diese geistlichen Menschen sind keine umherschwebenden Astralkörper, sondern Menschen aus Fleisch und Blut und sollen als solche in die Gemeinschaft der Heiligen kommen
dazu soll ja auch die ganze Schöpfung erlöst werden, auch und wenn, die Gestalt dieser Welt vergehen wird.“
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Nun schaltete sich Felizitas Küble ein:

„Guten Tag,
natürlich ist Christus körperlich auferstanden, sein Leib im Himmel ist derselbe wie einst auf Erden, aber in einem anderen, nämlich einem verklärten Daseinszustand, der nicht mehr den irdischen Naturgesetzen unterliegt. „Fleisch und Blut“ bzw. der menschliche Leib erfährt bei der Auferstehung eine himmlische Verklärung, überirdische Vergeistigung und gottgeschenkte Verherrlichung, ohne deshalb seine Realität zu verlieren.
Das sollte man schon dazusagen!
Freundlichen Gruß!
Felizitas Küble“
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Herr Merl antwortete „Ester“:

„Hallo Ester,
Inkarnation ist keine katholische Spezialität. Bei den Begriffen „Fleisch“ oder „fleischlich“ muss man die Bedeutungsinhalte sehr sauber auseinander halten. “Jesus kommt im Fleisch“ heißt: Er wird Mensch. Daran ist nichts „fleischlich“ in dem Sinn wie Paulus den Begriff verwendet. Entscheidend ist, WORAUS ein Mensch lebt.“
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Zunächst einmal, lieber Herr Merl, hänge ich mich am Begriff „Transformation“ auf. „Transformation“ heißt „Umformung“. Die paulinische Ausdrucksweise, dass Christus in uns Gestalt annehmen werde, bedeutet mehr als nur eine Transformation. Es ist nicht einfach nur eine „Umschichtung“ des vorhandenen Leibes aus der alten Substanz , sondern ein „neuer Mensch“, wie Paulus sagt.
Es ist also eine regelrechte Erneuerung — kein „Upcycling“, um es Neudeutsch zu sagen! Eine Erneuerung im Lebensvollzug, die durch Hinzugabe bestimmter Gegenstände und das Mitwollen des Menschen erreicht wird.
Wenn Paulus uns sagt, „durch den Sohn seien alle Dinge gemacht“, und er sei „der Erbe des Alls“, dann bedeutet das, dass die Gottebenbildlichkeit des Menschen ursprünglich eine direkte Sohn-Ebenbildlichkeit gewesen ist. So zumindest verstehe ich das. Der Mensch hat durch einen Akt der Distanzierung diese Ebenbildlichkeit in ihrer Vollkommenheit verloren. Ist er aber — auf eigenen Wunsch — kein vollkommenes Ebenbild des Sohnes mehr, kann er nicht überleben und muss sterben. Seine Unsterblichkeit bleibt nur intakt, wenn sie sich vollständig aus dem herleitet, „durch den alle Dinge gemacht sind“. Durch die tödliche Wunde der Sünde in Adam aber sind wir alle gezeichnet und können  diese Zeichnung nicht ohne Hilfe überwinden. Das ist unsere Wirklichkeit: wir müssen sterben, weil wir ihn verneinen. Diese Grundhaltung haben wir „in Adam“ alle mitvollzogen. Das ist ein geheimnisvoller Satz, der uns ungerecht vorkommt, aber so wird uns die Sachlage von Paulus erklärt. Sie Vorstellung der Präexistenz ist hier mit im Spiel, wird aber nicht weiter ausgebreitet. Die Menschheit war offenbar in Adam von Anfang an vollständig anwesend. Das Konzept der „Erbsünde“ ist ein missverständliches Vehikel, diese Tatsache plausibel zu machen, hat aber abgeführt und die Sexualität zum Objekt der „Ursünde“ gemacht und in der Kirche einen ungesunden und hysterischen Umgang mit der Sexualität hergestellt. Davon ist aber im NT nicht einmal die Rede (und im AT sowieso nicht)! Die hinzugegebenen äußerlichen und fassbaren Gegenstände und Zeichen der wirklichen Gegenwart Christi, die die Erneuerung in uns notwendig bewirken, sind die Taufe und die Firmung (im katholischen Kontext gerne als „unauslöschliche Wesensmerkmale“ bezeichnet) für alle Christen, im Falle des Weihepriestertums auch die Priesterweihe. Alle anderen Sakramente sind für die einzelne Person nicht heilsnotwendig. Man sagt aber, sie seien für die Kirche im Ganzen notwendig zur Erlangung des Heiles. Es ist insofern eine Hierarchie der Sakramente durchaus erkennbar, und an ihrer Spitze steht die Taufe mit der Firmung.
Nun muss man deutlich unterscheiden, dass die Taufe (Wassertaufe) und die Firmung (Geisttaufe) neutestamentlich in diesem Sinne begründbar sind, das Priestertum allerdings, wenn überhaupt, indirekt und auf theologischen Umwegen, und selbst dann ist sein Konzept nicht so eindeutig wie die beiden Taufkonzepte. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ein guter Teil der Kirchenkrise nicht mit diesem schwer begründbaren Konzept samt seinem Beiwerk wie etwa der zölibatären Lebensform und der absoluten Machtkonzentration hinsichtlich aller Belange der Kirche auf das Weihepriestertum zusammenhängt. Man hat faktisch (nicht zwingend theoretisch) die Wertigkeit der Sakramente verschoben und umgekehrt.
Man hat dass Konzept der Abhängigmachung der Gläubigen vom Priestertum, das im NT in dieser Form nicht nachweisbar ist, so auf die Spitze getrieben, dass ihm nur der Zusammenbruch blieb.
Und den Zusammenbruch erleben wir seit Jahrzehnten in einer schockierenden Deutlichkeit. Aber viele verstehen den Zusammenhang nicht. Ähnlich wie verzweifelte Muslime in Pakistan nicht begreifen können, dass der extreme Islam das Land zugrunde richtet, und durch noch radikaleren Islamismus die Rettung erzeugen wollen, begreifen auch sie nicht, dass die Kirche, da sie doch dem Anschein nach durch einen feudalistischen „Ultramontanismus“ gerettet erschien, trotz allem zusammenbrechen musste und verdächtigen „Freimaurer“ als bekannten „großen Unbekannten“ der bösen Tat. Wir befinden uns in einer surrealen Situation, die direkt auch mit der Frage nach der Eucharistie zusammenhängt.
Jesus selbst sagt zu Nikodemus, einem Mitglied des Sanhedrin, wer nicht neu, „von oben“ geboren werde aus „Wasser und Geist“, der könne „nicht in das Reich Gottes“ kommen (Joh 3). Das ist mehr als nur eine Umformung, das ist eine völlig neue Gestalt, die aber an die je alte auf geheimnisvolle Weise anknüpft. Eine Person fängt tatsächlich noch einmal von vorne an, wird noch einmal geboren. Auf die natürliche Geburt aus dem Fleisch kann keine Erneuerung und keine Erlösung gegründet werden. Dass die Geisttaufe bereits im NT extra verliehen worden sein muss, erkennen wir an Stellen wie in Apg 8, 15 ff, wo es heißt: „Diese zogen hinab und beteten für sie, dass sie den Heiligen Geist empfingen. Denn er war noch auf keinen von ihnen herabgekommen; sie waren nur getauft auf den Namen Jesu, des Herrn. Dann legten sie ihnen die Hände auf und sie empfingen den Heiligen Geist.“  Diese Stelle deutet an, dass eine einfache Wassertaufe vielleicht diese Festigung im Heiligen Geist noch nicht auslöst. Wenn man vielleicht einwenden wollte, dass die betroffenen Leute „nur“ auf den Namen Jesu getauft worden seien und nicht auf die Hl. Dreifaltigkeit, wie Jesus es geboten hatte, muss dem entgegengehalten werden, dass der Text uns nichts über eine etwaige Ungültigkeit der Taufe sagt. Vielmehr scheint man diese Taufe anzuerkennen, aber festzustellen, dass der Hl. Geist noch nicht verliehen worden sei. Und aus der Tatsache, dass es sehr wohl eine Rolle spielt, ob er verliehen wurde, darf man folgern, dass dies auch in der frühen Kirche keine Nebensächlichkeit gewesen sein kann.
Ebenso spricht das Pfingstereignis dafür, dass eine besondere Geistbeseelung, von der Jesus ankündigte, sie verleihe den Jüngern eine „Kraft“ (Apg 1, 8), ausgegossen werde. Die Geistbeseelung in Christus geschieht also im Pfingstereignis frei durch das freie Wirken Gottes und andererseits auch durch Handauflegung. Die Kirche kann nicht ohne an der Realität der Texte vorbeizuargumentieren behaupten, der Hl. Geist könne Menschen nicht jenseits konkreter Sakramente verliehen werden. Es wird sowohl im AT davon berichtet, dass der Geist Gottes über Menschen kommt, wann er will und wie er will,  und das NT hat an dieser Freiheit Gottes nichts geändert. Die Bitte um den Hl. Geist ist demgegenüber eher sekundär, zumal er ja bereits bei der Taufe verliehen wird. Und der, der diese Handauflegung vornimmt, muss selbst die Vollmacht dazu haben, den Hl. Geist zu vermitteln. Ob allerdings diese Vollmacht rein formalistisch und im Extremfall sogar aufseiten des Spenders persönlich glaubenslos als möglich anzusehen ist, geht aus dem NT nicht hervor. Der kirchliche Kniff zu sagen: Der Spender müsse ja nur die rechte „Intention“ haben und das „tun wollen, was die Kirche tut“, ist zwar zur Entlastung der Gläubigen gedacht, die sich andernfalls beständig fragen müssten, ob sie überhaupt recht getauft oder gefirmt worden seien, aber andererseits kann ich nicht verstehen, wie im Fall einer Firmung ein zwar formal bevollmächtigter, aber ungläubiger Mann wollen können soll, was die Kirche tut, wenn er dem doch willentlich entgegensteht. Unglaube ist doch nicht etwas Beiläufiges! Anders als bei der Taufe scheint bei der Firmung doch eine besondere Vollmacht vonnöten zu sein. Die Taufe geschieht auf das Begehren dessen, der getauft wird. Sie wird, vorausgesetzt dabei geschieht die korrekte Form, dadurch gültig. Jeder, selbst einer, der gar nicht weiß, was Taufe bedeutet, darf sie auf Verlangen im Notfall dem Begehrenden spenden. Bei einer Firmung ist das nicht möglich, denn hier wird eine Kraft vermittelt, die aus Gott selbst stammt. Schon hier offenbart sich eine merkwürdige Unsicherheit für den Fall, dass der Spender nicht tun will, was die Kirche tut, also nicht die rechte Intention hat. Man sagt tröstend, man nehme natürlich erst einmal an, dass stets die rechte Intention vorliege, selbst dann, wenn der Spender nicht glaube, wolle er sicher nicht entgegen dem handeln, was die Kirche tue, andernfalls würde er es ja nicht tun, und setzt die Kriterien dazu so tief herab, wie nur möglich, untergäbt damit aber letztendlich die grundsätzliche Vollmacht dessen, der die Firmung spendet. Denn jeder, der halbwegs bei Verstand ist, wird zu recht fragen: Was ist eine Firmspendung wert, wenn sie im Un- oder Fehlglauben des Spenders vollzogen wird? Solche und ähnliche Fragen trieben bereits John Wycliff im 14. Jh und Jan Hus im frühen 15. Jh angesichts eines verheerendes Bildes um, das die Hierarchie abgab. Anders als bei der Taufe ist der Gläubige hinsichtlich der Firmung ja vollkommen passiv und „machtlos“.

Nun muss Ester energisch widersprochen werden insofern, als Jesus in demselben Gespräch mit Nikodemus doch ausdrücklich sagt, aus dem Fleisch könne nichts als nur Fleischliches und damit nur Sterbliches und Verlorenes kommen: „Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; was aber aus dem Geist geboren ist, das ist Geist.“ (Joh 3, 6). Der neue Mensch aber wird nicht mehr aus dem Fleisch geboren, sondern aus „Wasser und Geist“. Was materiell ist, wird hier mit „Wasser“ benannt. Aus Wasser ist die erste Schöpfung gemacht, aus den Urfluten, dem Chaoswasser, dem hebräischen „t’hom“, wie die Genesis 1 berichtet. Der neue Mensch muss das Grab dieses Chaoswassers verlassen und durch „strukturiertes“, „lebendiges Wasser“ gereinigt werden, um ein vollkommenes Geistwesen zu werden. Das Wasser steht für seine leibliche Existenz, aber wie lebendiges Wasser ist die Materie dieses neuen Leibes, auf den wir noch hoffen, biegsam, „flüssig“ und frisch, vollkommenes Vollzugsorgan des Geistes.
Wie es aussieht, gibt es den Worten Jesu zufolge hier keine Schnittstelle! Ganz eindeutig und ohne jeden Zweifel drückt Jesus hier ein Entweder-Oder aus.
Eine zweite Sache tritt Ester entgegen, denn niemals hat die Kirche je behauptet, es handle sich bei der Eucharistie um das nicht-verklärte Fleisch und Blut Jesu Christi. Ester liegt also auch im allgemeinen überlieferten katholischen Kontext — wenn man präzise denken will — nicht richtig. Die Eucharistie ist tatsächlich „geist-leiblich“, also so, wie der erneuerte Mensch sein wird im Himmel, daneben auch göttlich, weil Jesus Christus nicht nur Mensch, sondern auch Gott ist.
Insofern hat Frau Kübles Einwurf hier die richtige Zielrichtung, spricht aber die letzte Konsequenz nicht ganz deutlich aus: dass es eben nicht „Fleisch“ im irdischen Sinne ist, das hier substanziell „gewandelt“ wird, sondern verklärtes Fleisch, das vollkommener Verweser des Geistes ist.
Nun ist seit Trient bzgl. der Eucharistie soviel geschrieben und gelehrt worden, und leider zielte sehr viel davon darauf ab, sich vom konfessionellen Gegner möglichst weit zu distanzieren. Auf diese Weise haben alle sich in ein Extrem verbissen. Protestanten (außer den Lutheranern) wissen teilweise mit dem Abendmahl gar nichts mehr anzufangen. Häufig bestreiten sie sogar, dass es Sakramente überhaupt gebe geschweige denn, dass sie irgendeine Heilsnotwendigkeit besäßen. Manche bestreiten sogar, dass die Taufe heilsnotwendig sei. Da ist nun guter Rat teuer, denn soweit ich das NT verstehe, ist die Taufe sehr wohl heilsnotwendig, mindestens das Verlangen danach (wenn der Vollzug verunmöglicht ist).
Im Evangelikalismus ist das Abendmahl völlig leer, zur überflüssigen Symbolhandlung geworden. Und viele feiern es erst gar nicht mehr oder nur ganz selten und dann ohne eine besondere Zuspitzung, handeln damit aber dem Auftrag Jesu zuwider. Denn wenn Jesus eine rituelle Handlung anweist, dann gewiss nicht deshalb, weil sie doch auch sonst und auf anderem Weg verwirklicht wird. An dieser Stelle müssen sich protestantische Theologien hinterfragen.

Herrn Merls Ansatzpunkt, man „esse“ und „trinke“ doch metaphorisch gesprochen immer den Herrn, wenn man zu diesem Geistwesen verwandelt werde, erinnert mich an solche evangelikale Argumente.
Ja, ja, es stimmt: wir nehmen den Hl. Geist auf und werden dadurch als Einzelpersonen und als Communio (Gemeinschaft) erneuert. Aber ist das dasselbe wie das, was das Abendmahl meint?
Auf der katholischen Seite ist dagegen eine Versinnlichung geschehen, auf die sich Ester gründet und an der Ester festhält. Sie hat sich diese Lehren, die sie vertritt, nicht aus den Fingern gesogen, sondern von irgendwoher übernommen. Die Jesuitentheologie versinnlichte den Glauben über das Maß hinaus, das eingehalten hätte werden müssen. Es ist zwar auf katholischer Seite grundsätzlich richtig, dass man den Menschen als Leibwesen viel stärker einbezieht und berücksichtigt und sogar würdigt. Das ist gut. Aber wenn man beginnt, das, was doch nach der eindeutigen Lehre im NT geistig angelegt ist, nun auch noch zu versinnlichen, teilweise sogar rein fleischlich gedacht, dann wird es problematisch. Diese Problematik weist die spätneuzeitliche Kirche vermehrt nach 500 Jahren Societas Jesu (SJ) wie eine schwärende und verderbliche Wunde auf. Der bigotte Katholizismus dreht sich nur noch um Moral und da v.a. das 6. Gebot (Sex) und alles, was draus folgt, ist dabei aber teilweise schlüpfrig bis hin zur vulgär-pharisäischen Peinlichkeit.
Hinsichtlich der Eucharistie brachte die SJ die Ideologie von der „Seelenspeise“ ins Spiel. Sie war es auch, die vehement für eine sehr häufige Kommunion eintrat, um den Gläubigen damit zur Abhängigkeit vom Kirchgang und der Hierarchie zu erziehen. Man nutzte ein wirkliches und biblisches Gebot Jesu, um die Gläubigen zu entmündigen und von der Hierarchie abhängig zu machen.
Diese Tendenz muss sich schon vor dem Tridentinum abgezeichnet haben. Denn Luther wandte sich explizit in seiner fast unheimlichen Schrift „Von der Winckelmesse und Pfaffenweihe“ von 1533 dagegen. Luther berichtet, wie der Teufel mit ihm in der Nacht über die Priesterweihe, die er selbst ja empfangen hat, disputierte. Der Teufel nimmt hier die Rolle des „advocatus diaboli“ ein und Luther will sehen, ob er nicht sogar recht hat mit seinen Einwürfen gegen die Konstruktion von Hl. Messe und Priestertum: In einem ersten Punkt sagt Luther unumwunden, er sei gar nicht wirklich christgläubig, aber geweiht gewesen und fragt sich, wie er so habe (die Gaben) wandeln können. In einem zweiten Punkt sagt Luther, es sei nach der Beschreibung im NT nicht rechtens, das Sakrament zu wandeln und alleine zu genießen. Immer und ausschließlich werde es gewandelt, um an andere weitergereicht zu werden. Die Eucharistiefeier können nur eine Feier der ganzen Communio sein und bedürfe daher auch der konkreten Communio (Wo zwei oder drei…). Die Schrift zeige uns nicht einen Fall, in dem das anders sei. Er habe sich also als Priester gegen das Gebot Christi vergangen, der selbst ja auch sein Fleisch nicht für sich selbst gegeben habe, sondern für die vielen. Im dritten Gedanken verweist Luther auf das paulinische Wort, man feiere die Eucharistie, um den Tod des Herrn zu verkünden, bis er kommt, und stellt auch hier bei der einsamen Messe des einzelnen Priesters ein Vergehen gegen dieses Gebot Christi fest. Im vierten Gedanken nennt Luther es ein „Greuel“, dass die sakramentalen Gaben nicht vollständig weitergereicht werden (also auch das Blut Christi). Im fünften Gedanken klagt Luther sich selbst an, dass er reiner „Opferpfaffe“ gewesen sei, der damit ein eigenes „Werk“ getan habe anstatt Diener der Gemeinde zu sein, durch die alleine er überhaupt die Vollmacht ausüben hätte dürfen. Durch die Erniedrigung und den Ausschluss der Laien aus dem Priestertum habe er das Opfer Christi verfremdet und an sich gerissen — widerrechtlich. Im weiteren wendet er sich gegen die Praxis, die Hl. Messe unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu feiern und ihre „Früchte“ womöglich irgendwelchen fernen Personen für Geld „zuzuwenden“, Lebenden wie Toten. Für ihn ist das Problem der Bruch zwischen den Gläubigen und dem Klerus, der sich an Christus und seinem Sakrament vergeht. In einem bestimmten Verständnis prangert Luther hier einerseits eine Virtualisierung und magische „Spiritualisierung“ des Messopfers an. Alleine, dass es irgendwo stattfinde, genüge schon, um irgendwo an unabsehbaren Gelegenheiten, seine „Früchte“ zu entfalten, nicht aber mehr zwingend in dem, der die Kommunion leiblich genießt. Ich möchte an dieser Stelle gleich bemerken, dass die Kirche heute Luther in jedem Punkt offiziell zuzustimmen gelernt hat. Freilich lehnen die nun jahrhundertelang anders getrimmten Katholiken der traditionalistischen Färbung dies nach wie vor und vehement ab. Luther nahm Anstoß daran, dass das Sakrament der Eucharistie als einziges Sakrament entgegen der Meinung Christi einsam gefeiert werde, wo doch alle Sakramente nur Sinn in der konkreten (nicht der virtuellen) Gemeinschaft der Gläubigen ergeben. Man könne doch auch die Taufe nicht virtuell feiern und jemandem in Abwesenheit „zuwenden“. Und — Luther wird drastisch — es werde doch auch aus einem Beischlaf mit einer Frau, der man weder versprochen noch sonst irgendwie ausdrücklich verpflichtet ist, keine Ehe, nur weil vielleicht der Beischläfer in seinem Herzen denkt, das sei aber nun für ihn eine Ehe.
Um Luther zu verstehen, muss man sich vor Augen halten, dass er eine enorme Verunsicherung und Verdunkelung der Sakramente wahrnimmt durch die Kirche und ihre Machthaber. Insbesondere die Eucharistie wurde ihres Sinns beraubt, magisch vergeistigt und zugleich total versinnlicht im Sinne eines „Werkes“ des „Opferpfaffen“. Seine verzweifelte Aussage „sola scriptura“ ist ein Notbehelf, nicht ein Ausdruck des „Eigentlichen“. Wo alles genommen wurde, was Christus schenkte, bleibt nur noch das Wort allein, auch wenn das von Christus so nicht gedacht war. Ihm ist sehr wohl bewusst, dass es „eigentlich“ Christi „Wort und Sakrament“ sein müssten, aber er hat jedes Vertrauen in die Hierarchie verloren und die erschütternde Angst, durch die verbogenen und verzerrten Sakramente sogar dem Teufel zu dienen. Luther weiß nicht mehr, ob er Gott oder dem Satan dient, wenn er tut, was die Kirche behauptet, das getan werden müsse und dafür Gehorsam einfordert. Gerade wir heute müssten seine Verfassung doch sehr gut verstehen können! Luther äußert eine wahre Endzeitstimmung in seiner kleinen Schrift:

„Denn auf der Veter leben und thun können wir nicht trawen noch bawen/ Sondern auff Gottes wort allein/ weil Christus vns selbs gar trewlich gewarnet hat/ Matthei am vier vnd zwenzigsten/ das solcher jrthum komen solle/ dar ein auch die ausserweleten verfurt werden mügen/ Vnd da neben setzt/ Wo solche tage nicht verkürtzet würden/ wurde kein mensch selig/ Da zeiget er ja klerlich an/ das vnter den Christen das wort vnd Sakrament vnd Tauffe (durch welche wir müssen selig werden/ vnd sonst nicht) solle so jnn ferligkeit geraten/ das niemand da durch müge selig werden/ Nu haben wir vnter dem Bapstum solche zeit erfaren/ Denn ob wir wol die Tauffe/ Sacrament vnd Wort gehabt/ sind sie doch (wenn wir gros vnd alt worden) durch menschen lere vnd misbreuch so verkeret vnd vertunckelt/das wir vns nicht mehr der selben haben können rhümen/ Sondern haben vns der frembden Messen/ eigen wercken/ Müncherey/ Walfarten/ Heiligen dienst/ vnd der gleichen/ müssen trösten/ nicht anders/ denn wie sich die Türcken vnd Juden/ jrer werck vnd Gottes dienst trösten/ Vnd ist auff solchen des Bapstums verkerung vnd grewel/ aller welt gut gangen/ ob nu die ausserweleten hierin mit verfüret worden sind/ hat sie Gott an jrem ende (wie Sanct Bernhard vnd ander mehr) wol können herausreissen (gleich wie Lot aus Sodom/ vnd die sieben tausent zur zeit Elias/ Darumb auff ir thun und reden/ on Gottes wort/ nichts zu wogen ist/ jnn solcher hohen ewigen sachen.

Ist aber der leib vnd blut Christi da/ So mus jderman sagen vnd bekennen/ das sie die grössesten Gottes diebe vnd Kirchen reuber sind/ so auff erden jhe komen sind/ Denn das Sacrament (wie oben gesaget) ist nach Christus meinung da zu geordent vnd eingesetzt/ das mans sol den andern Christen reichen odder mit teilen/ als eine Communio vnd gemeine speise zur stercke vnd trost jres glaubens/ Das thun vnser Winckelmesser nicht/ sondern nemens vnd behaltens allein (…) vnd verkeuffen sie dar nach (…)“ (Martin Luther: Von der Winckelmesse und Pfaffenweihe, 1533, ohne Seitenangaben)

Bei manchen Kritikpunkten Luthers wird man mit Recht sagen, die Kirche habe versucht, nachzujustieren. Auch scheint die Bemühung der Jesuiten, den Gläubigen stärker zur Teilnahme an der Eucharistiefeier zu binden, dem auf den ersten Blick zu ähneln, was Luther doch als „Meinung Christi“ darlegte. Es ist aber nur der erste Blick. Die jesuitische Theologie führte wohl zur häufigeren Kommunion, änderte aber am Machtmissbrauch über die Eucharistie gar nichts — im Gegenteil: die absolute Macht über das Sakrament und die Marginalisierung der Gemeinde, die doch den Priester überhaupt erst mit der Wandlung beauftragt, ging so weit, dass sie völlig aus dem Blick geriet. Der Priester erfüllte nun nur mehr den Auftrag Roms, nahezu in einem luftleeren Raum. Im Prinzip ist die Gemeinde gar nicht nötig. Und die Hierarchie hüllte sich, wenn nun doch Laien anwesend sein sollten, in das anmaßende Gefühl, sie teile den Gläubigen das „christliche Manna“ als „Seelenspeise“ aus, zu dessen Genuss sie „verpflichtet“ wurden, die Gläubigen aber seien unmündige Empfänger. Unmerklich machte man die Gläubigen von dieser „Seelenspeise“ abhängig, als gäbe es sonst keinen Kontakt zwischen Christus und den Seinen. So konnte Ester schon an anderer Stelle sagen, wir hätten Christus doch nur in der Eucharistie. Man hat diese Auffassung den Gläubigen nahegelegt, aber ist sie wahr?
Und es waren auch die Jesuiten, die die marianische Frömmigkeit bis hin zum Kitschigen und Anstößigen ausbauten, also faktisch eine weitere Hürde zwischen Christus und die Seinen aufbauten. Sie sollten sich an die Gottesmutter wenden und nicht mehr an Christus. Christus wurde ihnen gewissermaßen „in kontrollierten Broteinheiten verabreicht“, sonst aber vorenthalten. Mir ist bewusst, dass das wie eine Überzeichnung klingt, aber wenn man sich die Früchte dieser Theologie ansieht, ist dieser Eindruck nicht von der Hand zu weisen.
Das Konzil von Trient hatte (In „Sacrosancta oecumenica (3)) noch an die Bischöfe die Mahnung ausgegeben, über die Gläubigen nicht zu herrschen und ihnen gegenüber keine Gewalt anwenden, eine entsprechende Mahnung an Päpste unterblieb aber. Zunächst bedeutet eine solche Mahnung an die Bischöfe, dass man ihre Übermachtstellung gegenüber den Gläubigen nicht zu reformieren gedenkt und der Appell nur an ihr Wohlwollen gerichtet wird, ihnen selbst aber, falls sie zuwider handeln, keinerlei Strafe droht, denn man beeilt sich hinzuzufügen, dass niemand von den Gläubigen gegen Entscheidungen der Bischöfe appellieren könne. Man kann also das Lippenbekenntnis zugunsten der Milde gegenüber den „Untertanen“ im wahrsten Sinne des Wortes den „Hühnern geben“, denn es wird ja im weiteren Text bereits gleich wieder ausgehebelt. Zwar wird zugestanden, dass Hierarchen zuweilen schwerste Vergehen vollbringen, aber die Hürde, diese Männer zur Anzeige und Amtsenthebung zu bringen, sind so hoch gesetzt und am Ende der reinen Willkür seitens der Kirche unterworfen (die sich stets vorbehält, ob sie die Zeugen anerkennen will), dass wohl kaum je ein Hierarch wegen Vergehen gegen die Gläubigen sich ernsthaft verantworten musste. Die Tatsache vieler verschleierter Verbrechen seitens der Hierarchie ist ein fernes Resultat des Tridentinums, dessen Rechtssetzungen in der Kirche bis heute in vielen Punkten wirksam und gültig sind. Der postmoderne Pädophilieskandal etwa wäre nach mehreren unter den Teppich gekehrten Jahrzehnten und Jahrhunderten, die er schon währte, und den Verantwortlichen bekannt war, munter weiter betrieben worden, hätte nicht alle Welt darüber Alarm geschlagen. In diesem Falle ist es opportun, sich zu beugen, aber mental und auf einer prinzipiellen Ebene denkt die Kirche nicht daran, sich zu beugen und würde im nächsten Falle ihre Verbrechen wieder vertuschen und ihre Hierarchen schützen. Andernfalls müsste sie ihre Gesetze radikal ändern, was sie aber nicht tut.

In derselben Trienter Sitzung also, in der man über das Altarsakrament konferierte und Beschlüsse fasste, konsolidierte man die autoritäre Macht der Hierarchie gegenüber den Gläubigen.
Luther hatte in seiner kleinen Schrift die große Angst geäußert, dass der Pfarrer in der Stillmesse vielleicht gar nicht wirklich die rechten Wandlungsworte spreche. Niemand außer ihm höre ihn, und nirgends sonst verlasse man sich auf der Welt nur auf einen einzigen Zeugen. Niemand wisse, was er da vorne am Altar wirklich murmle, und niemand könne wissen, ob er sich nicht eines Sakrilegs teilhaftig mache unter solchen Heimlichtuer-Umständen. Luther empfiehlt die geistige Communio in einer Stillmesse, um der Gefahr der Teilhabe an einem Sakrileg zu entgehen.
Man liest Luthers Sätze und stellt sich unweigerlich die Frage, woher er solche Ängste entwickelt hat. Er war selbst katholischer Priester und berichtet uns, was er erlebt hat:

„Vnd wens Gott gleich nicht geboten hette/ das wir eines eintzeln mans wort vnd werck nicht sollten gleuben/ So zwünge uns doch die erfarung vnd not selbs dazu/ auch jnn diesen heimlichen odder Winckelmessen/ Ich bin zu Rom gewest (nicht lange) hab da selbs viel messe gehalten/ vnd auch sehen viel messe halten/ das mir grawet wenn ich dran dencke/ Da höret ich unter andern guten groben grumpen/ vber tissche/ Curtisanen lachen vnd rhümen/ wie ettliche messe hielten (vnd vber dem brot vnd wein sprechen/ diese wort/ Panis es/ panis manebis/ Vinum es/ vinum manebis/ vnd also auff gehaben/ Nu ich war ein junger vnd recht ernster fromer Münch/ dem solche wort wehe thetten/ Was solt ich doch dencken? Was konde mir anders einfallen/ denn solche gedancken? Redet man hie zu Rom frey/ offentlich vber tissche also/ Wie? Wenn sie alzumal/ beide Bapst/ Cardinal/ sampt den Curtisanen also messe hielten? Wie fein were ich betrogen/ der ich von ihnen so viel Messe gehört hette/ Vnd zwar ekelt mir seer da neben/ das sie so sicher vnd fein rips raps kundten Messe halten/ als trieben sie ein gauckel spiel/ Denn ehe ich zum Euangelio kam/ hatte mein neben Pfaff seine Messe aus gericht/ vnd schrien zu mir/ Passa/ Passa/ jmer weg/ kom da von etc.
Nu wissen wir/ das der Curtisanen tugent vnd glauben viel aus Rom und Welschland gebracht/ vnd beide Stifft vnd Pfarren wol da mit beschmeisst sind worden/ Denn wir haben viel ruchloser Thumbherrn (?)/ Vicarien vnd Altaristen gesehen/ die fast eines wildens/ wüsten lebens/ mit schwelgen vnd hurerey tag vnd nacht zu brachten/ vnd dennoch des morgens Messe gehalten haben/ Wer will hie burge da sein/ vnd vns gewis machen/ das sie nicht auch haben auff solche Römische vnd Curtisanische weise Messe gehalten/ vnd vns lassen eitel brod vnd wein anbeten? (…)
Ich bin durch solche exempel/ gebrand/ gewitzigt vnd gewarnet/ das ich nimer mehr will bey solcher Winckelmessen sein/ oder mus ich da bey sein/ so will ich doch jr nichts achten (…) so bleibt mein glaube vnbetrogen/ des bin ich gewis.“ (a.a.O.)

Luther zitiert in diesem Zusammenhang auch, dass Thomas Müntzer frei zugebe, er habe morgens früh den Nonnen Messen halten müssen und aus Übellaunigkeit und Müdigkeit auch gerne mal die Wandlungsworte nicht gesprochen…
Luthers Trauma des Unernstes, der Messe-Sakrilgien und Blasphemien aus dem Munde zahlreicher Weiheträger führt zum generellen, nagenden Zweifel daran, dass ein Priester überhaupt durch das ständige, fast achtlose und so oft übermüdete Messelesen die rechte Intention habe bzw ein Zuhörer gewiss sein könne, dass er die rechte Intention habe. Luthers Zweifel an der Hingabe des gewöhnlichen Priesters entspringt nicht einer theoretischen Erwägung, sondern der eigenen Erfahrung als Priester unter Priestern.
Das Trienter Konzil aber befasste sich trotz der Notwendigkeit weder mit einer Reform des Papsttums, noch mit einer ernsthaften Klerusreform. Man rang sich nur zu einer Residenzpflicht der Bischöfe durch — was für die Kirche eher eine Peinlichkeit darstellt, selbst eine solche Selbstverständlichkeit bisher nicht gewährleistet zu haben.
Die spätere liturgische Reform, auch wenn der Messritus insgesamt von großer Schönheit wäre, wenn er denn im rechten Geist ausgeführt wird, verfestigte die Problematik nur, denn die grundsätzliche Virtualisierung der Hl. Messe wurde nicht aufgegeben.
Die einzige weitreichende Reform des Trienter Konzils im Bezug auf geistliche Personen richtete sich gegen zölibatäre Frauen und in geringerem Maßen auch Ordensmänner : Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Bonifaz VIII., der selbst unter dem Verdacht gestanden war, Häretiker zu sein und eine frauenfeindliche Bulle („Periculoso“) verfasst hatte — ein Verdacht, der bis heute nicht ausgeräumt ist und für den immer noch viel spricht — schikanierte man die Nonnen, Mantellatinnen und freien Beghinen durch eine rabiate „Klosterreform“ („Cum catholica ecclesia“ 1563), schränkte ihre Rechte und Möglichkeiten erheblich ein und verdonnerte sie förmlich zu einer rigiden Klausur. Es ging, wie es scheint, um das regelrechte Wegsperren einflussreicher geistlicher Frauen. Eine Katharina von Siena wäre nach dem Tridentinum nicht mehr möglich gewesen.
Das Reformdekret ist gegenüber anderen Texten dieses Konzils bemerkenswert weitschweifig und ausführlich. Wenn es um die Beherrschung der Frau ging, fand man viele Worte. Wenn es um eine Selbstreinigung der Hierarchie ging, versagten dieselben bis auf ein Minimum.
An der grundsätzlichen Problematik der Praxis der Eucharistiefeiern und des „Verkaufs“ ihrer „Früchte“ hat sich nichts geändert. Man hat allerlei definiert, etwa dies:

„Wenn jemand sagt, Christus im Altarsakramente dargereicht, werde nur geistlicherweise genossen und nicht auch sakramental und wirklich, der sei im Bann.“ (Can 8, Sacrosancta oecumenica (3) 1551)

Oder das:

Wenn jemand leugnet, dass in dem heiligsten Altarsakrament, wahrhaft, wirklich und wesentlich der Leib und das Blut, zugleich mit der Seele und der Gottheit unsers Herrn Jesu Christi und folglich Christus ganz enthalten sei, sondern sagt, er sei in demselben nur, wie in einem Zeichen oder Bilde oder der Kraft nach, der sei im Bann.“ (Can 1, ebenda)

Oder dies:

„Wenn jemand sagt, in dem hochheiligen Altarsakrament verbleibe die Wesenheit des Brotes und Weines zugleich mit dem Leibe und Blute unsers Herrn Jesu Christi und jene wunderbare und einzige Umwandlung der ganzen Wesenheit des Brotes in dem Leib und der ganzen Wesenheit des Weines in das Blut leugnet, indessen nur die Gestalten des Brotes und des Weines verbleiben, welche Umwandlung eben die katholische Kirche sehr passend Transsubstantiation nennt, der sei im Bann.“ (Can 2, ebenda)

Letzterer Kanon betrifft besonders Luthers Erfahrungen, dass die Geistlichkeit diesen Glauben ja selbst oft nicht teile und sich darüber sogar während der Zelebration lustig mache. Die mechanistische, magische Auffassung der Wandlung leistete diesem Missstand Vorschub. Es ist schwerlich denkbar, dass solcher Unernst sich durch konziliare Appelle hätte umkehren lassen. Für Luther liegt das Problem in einer grundsätzlichen Fehlkonstruktion, an der aber nichts geändert wurde. Aber Luther hatte nicht nur ein Problem mit dem Missbrauch der Eucharistie durch einen Klerus, der sie „machen“ muss.
Er litt auch an der Ungewissheit über die rechte Intention des Zelebranten und daran, dass die, die sie nicht haben, am wenigsten zugeben werden, dass sie sie nicht haben. Luthers Antwort lautet: Heilige Messen sollten nur öffentlich und laut vollzogen werden, damit man erfassen kann, dass wenigstens der Wortlaut eingehalten wird. Das Tridentinum hat jedoch in dieser Hinsicht die gesamte Problematik unreformiert gelassen und durch Lippenbekenntnisse, eine Versteifung auf einen bestimmten philosophischen Ansatz (der aus der Schrift in keiner Weise hervorgeht) und eine Zentralisierung der Riten geglaubt, die Unsicherheiten ausräumen zu können.

Was aber geschieht denn bei der Eucharistiefeier, und warum hat Jesus sie eingesetzt, wo er doch andererseits versprochen hat, in unseren Herzen wohnen zu wollen ohne „materiellen“ oder materiell gewandelten Zwischenschritt. Auf diese „Zweiheit“ der Gegenwart Jesu weist Herr Merl hin. Die Geistbeseelung des Menschen ist ja etwas anderes als die Teilnahme an der Eucharistiefeier und kommt frei und in Gottes Souveränität zustande.
Die Erklärungshilfe mithilfe der „Transsubstantiationslehre“ für das eucharistische Wandlungswunder, die mit der Vorstellung operiert, Gegenstände könnten eine Gestalt behalten, ihr eigenes Wesen dabei aufgeben und ein anderes, unsichtbares beherbergen, reizte mit Sicherheit viele Geister schon zum Spott, weil sie dem normalen Menschenverstand so wenig plausibel erscheint wie sie gemessen an einem echten Mysterium als Erklärung angemessen scheint. Die spottenden und lästernden Pfaffen Luthers, die am Altar stehen und den beiden eucharistischen Gaben sagen, dass sie bleiben, was sie sind, resultiert aus dieser mangelnden Plausibilität und der Unzulänglichkeit einer solchen Erklärung angesichts eines Mysteriums.

Die Kirche hat sich durch ihre selbstgewählte Bindung an die heidnisch-griechische Philosophie auf ein bestimmtes Erklärungsmuster über die Dinge festgelegt und selbiges weiterentwickelt, aber nicht überschritten. Alles, was unplausibel oder dem Menschen natürlicherweise unmöglich scheint, hat sie philosophisch in einer bestimmten Weise analysiert, um es hernach, mit diesem Stempel versehen, wieder zusammenzusetzen.
Ein zentraler Begriff ist dabei das „Wesen“ oder die „Natur“. Die Frage stellte sich in mehreren zentralen theologischen Zusammenhängen: Wie kann Gott Mensch werden, wo es sich doch um zwei Wesenheiten oder Naturen handelt? Die Kirche antwortet darauf mit dem Begriff der „hypostatischen Union“: Christus ist eine Persönlichkeit mit zwei Naturen. „Hypostase“ heißt hier „Natur“. In der Trinitätslehre spricht sie von „drei Hypostasen“ des einen Gottwesens. „Hypostase“ bedeutet hier „Person“. Und wie können Brot und Wein zu Leib und Blut Christi werden, wo es doch um zwei verschiedene Wesenheiten geht? Und warum nimmt man in Christus zwei Naturen an, streitet sie aber unter Bannfluch hinsichtlich der eucharistischen Gaben ab? Anders gefragt: Warum ist es theologisch so abwegig, anzunehmen, dass sich auch in den eucharistischen Gaben eine Doppelnatur zusammenfindet, nämlich die der Gaben Brot und Wein und die Christi als Geopferter und Verklärter? Ich gebe zu, dass ich diese Frage aus logischen Gründen stelle, aber selbst nicht lösen könnte und auch niemals verstanden habe, warum die Kirche sie abschlägig beschieden hat. Im aristotelischen Kontext gibt es nämlich keine Gestalt des Gegenstandes, die unabhängig von seinem Wesen sein kann. In dieser Lehre wird jedoch konstruiert, dass in ein und derselben Gestalt das Wesen vollständig ausgetauscht würde, gewissermaßen „rückstandsfrei“. Das Akzidens (Gestalt von Brot und Wein) unterwirft, aus einer bestimmten Perspektive gesehen, die Substanz (Leib und Blut Christi). Wenn Jesus Wasser zu Wein verwandelte, geschah ein zwar wunderbarer, aber nachvollziehbarer Prozess:
Was aussah wie Wasser und schmeckte wie Wasser sah mit einem Male aus wie Wein und schmeckte wie Wein. Aus einem Gegenstand wurde vollständig ein anderer, materiell wie substanziell. Da Materie und Form klassisch argumentiert in Abhängigkeit stehen, kommt bei der Transsubstantiationslehre ein Moment hinzu, dass weit über die aristotelische Begrifflichkeit hinausreicht und den Menschen ratlos zurücklässt: Hier wird etwas, das aussieht wie Brot und Wein und schmeckt wie Brot und Wein zu Leib und Blut Christi, sowohl zu dem geopferten Leib als auch dem bereits verklärten, aber es schmeckt nach wie vor wie Brot und Wein und sieht aus wie Brot und Wein. Anders als auf der Hochzeit zu Kana gibt es für den, der beiwohnt oder kommuniziert, keinerlei fassbaren Hinweis, anhand dessen er überprüfen könnte, ob diese Wandlung überhaupt stattgefunden hat. Das blanke Autoritätsargument ist nicht hinreichend, wie man an der tiefen Unsicherheit Luthers, aber auch seiner zynischen Zeitgenossen („Panis es…“) erkennen kann.
An dieser Lehre stießen sich lange vor Luther aus philosophischen und logischen Gründen einige Theologen, etwa Berengar von Tour im 11. Jh. Viele versuchten, die Eucharistie im Rahmen scholastischer Begriffe nachzuvollziehen, wie etwa auch Savonarola, der darüber einiges schrieb, das aber die Sache kaum verständlicher macht und im übrigen leugnet, dass Christus örtlich in der Hostie sein könne, weil er schließlich örtlich im Himmel sei. In der Hostie und im Wein sei er „sakramentisch“. Was aber ist der Unterschied zwischen einer „örtlichen“ und einer „sakramentischen“ Anwesenheit?
Trient versuchte später, zu präzisieren, was genau bei der Hl. Wandlung geschehe:

„Denn noch hatten die Apostel die Eucharistie (Mt 26,26 u. Mk 14,22) aus den Händen den Herrn empfangen; als er doch schon selber wahrhaft versicherte, dass das, was er darreichte, sein Leib sei; und immer war dieser Glaube in der Kirche Gottes, dass sogleich nach der Konsekration der wahre Leib unsers Herrn und sein wahres Blut unter den Gestalten des Brotes und Weines zugleich mit seiner Seele und Gottheit da sei; der Leib aber zwar unter der Gestalt des Brotes und das Blut unter der Gestalt des Weines, vermöge der Kraft der Worte, derselbe Leib aber unter der Gestalt des Weines und das Blut unter der Gestalt des Brotes und die Seele unter beiden, kraft jener natürlichen Verbindung und Vergesellschaftung, durch welche die Teile Christi des Herrn, der (Röm 6,9) schon vom Tode auferstanden ist und nicht mehr sterben wird, unter sich vereinigt sind; die Gottheit endlich, wegen jener ihrer wunderbaren persönlichen Vereinigung mit dem Leibe und der Seele. Deswegen ist es sehr wahr, das gleichviel unter einer von beiden Gestalten und beiden enthalten ist. Denn Christus ist ganz und unversehrt unter der Gestalt des Brotes und unter jeglichem Teile dieser Gestalt und eben so ganz unter der Gestalt des Weines und unter dessen Teilen da.“ (a.a.O.)

Unweigerlich muss ich an die Debatte denken, die Frau Küble immer wieder eröffnet hat über Fatima und das Engelsgebet von 1916, in dem das durch eine Engelsvision an die drei Kinder offenbarte Gebet davon spricht, der Beter „opfere Leib und Blut und die Gottheit Christi auf“ (die er in „allen Tabernakeln der Welt“ annehmen dürfe), was doch nicht gehe, wo doch nur die Menschheit, nicht aber die Gottheit geopfert werden konnte.
Ich habe wohl verschiedene Male darauf hingewiesen, dass die Formulierung des Engelsgebetes wortwörtlich die tridentinische Formel wiedergibt. Frau Küble hat mir stets eine ähnliche sophistische Antwort gegeben, etwa des Inhaltes, der Trienter Kanon meine ja nicht, dass man eine solcherart konsekrierte Hostie erneut aufopfern könne, sondern nur, dass sie Leib und Blut und die Gottheit Christi enthalte. Dieses Argument mag zwar auf einer gewissen logischen Ebene richtig sein, kommt aber mit der kirchlichen Lehre ins Gehege, an der sich Luther so stark rieb: Solange die Kirche lehrt, man könne die virtuellen „Früchte“ einer Hl. Messe einem unabsehbaren Einsatzort „zuwenden“, muss man auch anerkennen, dass in diesem Akt der „Aufopferung“ (und nichts anderes meint diese Rede des „Früchtezuwendens“) dann auch alles, was in der Hostie steckt, aufgeopfert, also in seiner Frucht zugewandt wird, auch die Gottheit Christi. Frau Küble wies alle Gegenargumente gegen die ihren ab, die ihr zeigen sollten, dass Fatima nicht im Widerspruch zur Lehre der Kirche über die Eucharistie steht, wie sie oft meint, wohl aber natürlich im Gegensatz zu jedem nüchternen Glauben. Man kommt hier in eine Zerreißprobe: Entweder man glaubt die sperrige, mechanistische und das Mysterium zerstörende philosophische Krücke, mit deren Hilfe die Kirche sich erlaubt, ein Mysterium zu entschleiern, oder man hält am verschleierten Mysterium fest und muss zugeben, dass das Engelsgebet aus Fatima unsinnig wirkt. Man kann aber kaum an beidem festhalten. Und dieser Umstand sollte jedem Katholiken, der selbständig denkt, unheimlich sein. Unweigerlich quellen Fragen empor. Quälende Fragen des denkenden Menschen, der noch dazu auch sehr wohl die neutestamentlichen Texte kennt.
Warum versuchte die weströmische Kirche, auf Biegen und Brechen ein Mysterium begrifflich gewissermaßen „maximal präzise“ zu fassen, versuchte sich also an etwas, das in sich selbst zum Scheitern verurteilt ist? Was ein Mysterium ist, wird sich nun einmal nicht in philosophische Begriffssetzungen bannen lassen. Warum hat sie es nicht beim Mysterium belassen und einfach nur gesagt: was immer hier geschieht, es ist ein Mysterium, in dem der wahre Christus auch (aber nicht nur) gegenwärtig ist und uns nährt? Warum blieb man nicht dabei, das zu tradieren, was in den restlichen alten Kirchen überliefert wird, dass nämlich Christus in Brot und Wein auf dem Opferalter „nach der Ordnung Melchisedeks“ anwesend ist,  und die Gaben auf das Gebet der Kirche hin durch die Assistenz des Priesters gewandelt werden? Warum hinsichtlich des Priestertums der Austausch des dienenden Hirtenkonzeptes durch ein „Stellvertreter Christi“-Konzept?
Was ist geschehen, dass heute Orthodoxe schreiben:

„Die Orthodoxe Kirche glaubt, wie auch die Katholische Kirche, an die Realpräsenz Christi im eucharistischen Brot und Wein. Die von den Gläubigen dargebrachten Elemente Brot und Wein werden durch das Herabkommen des Heiligen Geistes als Antwort auf das Gebet der Gläubigen mit dem Bischof (oder in seiner Abwesenheit dem Priester) an der Spitze zum Leib und Blut des Herrn. Dies ist ein Sakrament (Geheimnis, Mysterium), das unser Verstand nicht begreifen kann, das wir aber im Glauben annehmen. Versuche der verstandesgemäßen Erklärung („Rationalisierung“) der Sakramente haben stets zu Häresien und zur Spaltung der Gläubigen geführt. Wir müssen das glauben, was Christus uns dazu gesagt hat, und zwar dass die in der gottesdienstlichen Versammlung konsekrierten Elemente Brot und Wein Sein Leib und Blut sind.“ (http://www.mitropolia-ro.de/index.php/2013-11-26-15-28-18/lehrreiche-worte/261-die-eucharistie-in-der-orthodoxen-tradition)

Sofort erkennt man, dass auch die Orthodoxen Stillmessen ablehnen und die Dominierung der Gemeinde durch das Opferpriestertum ausdrücklich ablehnen. Es ist die Gemeinde, die anwesend ist, im Messkanon der tridentinischen Liturgie wird sie ja korrekt immer noch als die „circumstantes“ benannt, die die eigentlichen „Auftraggeber“ des Priesters sind. Die Liturgie Trients offenbart uns jedoch nicht, welche Lehren an ihr hängen. Äußerlich gesehen ist sie der orthodoxen nicht fremd, sehr wohl aber von der theologischen Deutung her. Kriecht nicht der Verdacht in uns hoch, dass nicht die gebannten und als Häretiker und Schismatiker beschimpften anderen, sondern die katholische Kirche selbst durch ihre — gemessen am Mysterium — intellektualistischen, aber dennoch vulgären Rationalisierungsversuche die ganze Kirche durcheinandergerüttelt und gespalten hat, genauso, wie es das orthodoxe Zitat ausdrückt? Die Frage stellt sich unweigerlich, wenn man ernst nimmt, dass die Eucharistie ein echtes Mysterium ist.
Und was kam von dieser katholischen Lehre bei den einfachen Gläubigen an? Was stellten sie sich vor, wenn sie kommunizierten oder einer Hl. Messe beiwohnten oder vor einem Tabernakel beteten? Lag es nicht in der Natur der Sache, dass sich am Ende ein magisches, versinnlichtes Verständnis bei den Laien einstellte? Und was stellten sich die Philosophen vor, die Priester und Gelehrten? Wie viele glauben denn wirklich daran?!

Wie unklar die Transsubstantiationslehre letztendlich die Frage nach der Realität der Eucharistie ließ, offenbaren spätere Erklärungsversuche, die Rom nicht billigte. Etwa legten die Jesuiten Josef Bayma SJ und der General Pierre Beckx SJ 1875 Anfragen an das Hl. Offizium Erklärungsversuche vor, die das Unverständliche verständlicher machen wollten, allerdings ohne Erfolg. In einem Dekret vom 7. Juli 1875 wurden die Erklärungsversuche verworfen (ASS 11 (1878/79) 606f). Die Anfrage versuchte die unverständliche Lehre, dass eine Substanz ausgetauscht werde, während sie unter einer dem Anschein nach wesenfremden Gestalt bliebe, philosophisch im Rahmen neuscholastischer Winkelzüge zu erhellen, indem sie auf eine Theorie des „Selbststandes“ eines Gegenstandes hinauswollte. Da Brot und Wein keinen Selbststand als Leib und Blut Christi haben könnten, könnten sie nur im Sinne des Selbststandes Christi als sein Leib und Blut aufgefasst werden. Auch der Mensch in Christus stehe ja nicht in sich selbst als solcher, sondern nur aus der Substanz Christi. Die Erklärung wirkt hilflos. Roms Ablehnung erfolgte wie üblich autoritär und ohne Begründung.

In der neueren römischen Theologie wurde der Begriff des „Pascha-Mysteriums“ eingeführt, der auf Odo Casel OSB zurückgeht und das Mysterium wieder betonen wollte. Angesichts der Zustände in vielen Kirchen kann man bezweifeln, dass durch diese neue und interessante Theologie ein Verständnis erwachsen ist. Casels liturgietheologische Gedanken sind tiefschürfend, fordern die Bereitschaft zu einer verantwortliche Reflexion. Durch die jahrhundertealte Entmündigung des Gläubigen wirkt sich die Trägheit der Katholiken hier tödlich aus: die Sammlungen von den „horrores missae“ sind Legion, in denen alles, nur nicht dieses „Pascha-Mysterium“ aufscheint. Man hat verschwommene Vorstellungen von einem Gemeinschaftsmahl, von sozialer Gerechtigkeit und Hilfsbereitschaft, dem pathetischen Friedensgruß, aber ein lebendiger Bezug zum Leib Christi scheint weniger vorhanden.

Was aber soll dieses Mysterium denn darstellen?
Wenn Christus immer mit uns auf geistige Weise verbunden ist, warum dann extra noch einmal die Eucharistie?

Ist es nicht doch einfach nur das, was im Novus Ordo missae gesagt wird:
Priester: Geheimnis des Glaubens.
Gemeinde: Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.
Ist es nicht doch die orthodoxe Vorstellung, dass in diesem zentralen Akt der Kirchenversammlung der Gläubigen der Leib Christi, der die Kirche ja sein soll, aufgebaut wird? Es also nicht um das persönliche und ganz private Seelenheil oder eine private Seelenspeise geht, sondern die des Individuums in der Gemeinschaft des Leibes Christi, des Herrn, der geopfert wurde und bereits auferstanden und verklärt ist, und dem wir aus dem Opfer hier auf Erden hinauffolgen, dies aber niemals einsam? Geht es nicht vor allem um die Repräsentanz des Erlösers, der am Kreuz starb durch die Communio? Wie aber geht das zusammen mit den römischen „Stellvertreter“-Phantasien? Waren Luthers tiefe Bedenken nicht doch gerecht und zutreffend? Hat er nicht doch intuitiv erfasst, was an der römischen Praxis völlig pervertiert war? Und treten wir nicht auf der Stelle und haben in einem halben Jahrtausend nicht geschafft, von hier bis um die nächste geistliche Ecke zu kommen?

Man kann der tridentinischen Liturgie nicht vorwerfen, dass sie diese Grundgedanken verändert hätte, genauso wenig wie man dies dem Novus Ordo vorwerfen kann. Unser Problem ist eine heillose theologische Verwirrung hinter der Liturgie. Es ist der ideologische Wahnsinn, der sich an liturgische Vorgänge und Reformen geknüpft hat und aus dem Leib Christi, zumindest was die katholische Kirche betrifft, ein verwüstetes Schlachtfeld gemacht hat.

Ich breche meine Gedanken hier ab. Es sind fließende Gedanken, die keine Proklamation von etwas sein sollen, sondern der Versuch zu verstehen, in welcher Krise wir eigentlich wirklich sind und warum kaum einer versteht, was in einer Eucharistiefeier wirklich vor sich geht. Ich möchte an Luthers Angst erinnern, dass das Sakrament in einem apokalyptischen Szenario so verzerrt worden sein könnte in der weströmischen Tradition, dass es nicht mehr den Auftrag Christi erfüllt, sondern pervertiert. Er wurde schon vor 500 Jahren von dieser Angst erfasst. Wie viel mehr könnten wir heute besorgt darüber sein, ob wir nicht in einen großen Irrtum hinein erzogen wurden, der nur aufgrund eines läppischen Autoritätsargumentes immer weiter wirkt und nicht mehr gesunden kann.
Wie gesagt: Ich proklamiere hier nichts, sondern es sind quälende Fragen, die aufsteigen und ausgesprochen werden.

Ich freue mich über Mitdenkende und Mitdiskutanten.