Adventus III
Gaudete – freut euch!
Freut
euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch!
Eure
Güte werde allen Menschen bekannt. Der Herr ist nahe.
Sorgt
euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit
Dank vor Gott!
Und
der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure
Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren.
(Phil
4, 4-7)
Freuen wir uns?
Und überhaupt – was bedeutet hier
„sich freuen“?
Bestimmt nicht dieses Sich-Freuen,
dieses sentimentale, hedonistische, ichbetonte Sichfreuen unserer Tage,
womöglich noch charismatisch aufgeladen mit geistvermeintlichen Zuckungen und
kollektiver Freudenparanoia…
Die Freude, von der hier so
appellativ gesprochen wird, ist eingebettet in Dunkelheit.
So wie bei den Hirten auf dem Feld
in Bethlehem.
Siehe,
ich verkündige euch große Freude, hörten die armen Kerle, die nachts auf
den Weiden schliefen, bald selbst wie Schafe…
Man stelle sich das mal vor… man
schläft nachts im Freien auf der Weide, um einen herum das Schnauben und
Räuspern der Tiere, und plötzlich ist da der Himmel voll von… ja was
eigentlich, was ist das? Hey! Hey, Männer, was ist das!? Und dann diese
Botschaft –
So ein Hirte war vermutlich eine
der illusionslosesten Existenzen Israels. Glaube nicht, dass man so einen mit
Eiapopeia und religiösen Wahnideen aus dem Schlaf locken konnte. Auch nicht mit
Zungenreden, Lobpreis-Parties und ähnlichem Spektakel. Die Kerle waren müde und
rangen um jedes Quäntchen Energie. Vermutlich hätte man sie auch nicht mit
ästhetisch-liturgischem Firlefanz, „prachtvollen Messgewänder“, hierarchischem
Gedöhns, das angeblich den Himmel abbildet und seine Engelschöre, um die
wenigen kostbaren Ruhestunden bringen können.
Die Engelschöre, die sie hörten,
waren weder hierarchisch noch prachtvoll.
Ihre Gegenwart war so gegenwärtig,
dass es weder einer prachtvollen Verstärkung noch einer Hierarchie bedurfte.
Das Wirkliche, das unversehrte
Wirkliche kennt weder Hierarchie noch eine Verstärkung des defizitären Seins,
es ist so wie es ist, einfach, ganz einfach.
Das Hierarchische ist etwas zutiefst Irdisches, eine Krücke
für Seinsdefizite.
Es soll uns helfen, zu verstehen, dass Gott heilig ist, uns Krücken eine Krücken wiederum an Krücken...
Es ist eine Ordnung, aber sie hat keinen ontologischen Wert.
Es soll uns helfen, zu verstehen, dass Gott heilig ist, uns Krücken eine Krücken wiederum an Krücken...
Es ist eine Ordnung, aber sie hat keinen ontologischen Wert.
Die Hirten also sehen erst den
Engel des Herrn, der ihnen die bekannte Botschaft bringt „Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren
wird…“ (Lk 2, 10), danach „die Menge
der himmlischen Heerscharen“, lateinisch „multitudo militiæ cælestis“ (Lk 2, 13).
Die Hirten sahen keine
Engelshierarchien, sondern einfach die
„Menge der (…) Heerscharen“. Und sie alle lobten einstimmig Gott. Und diese
Heerscharen waren „bei dem Engel“,
nicht unter ihm, nicht über oder neben ihm, sondern „cum angelo“. Alleine schon, dass die Hirten diese Erscheinung
hatten und nicht irgendwelche Hierarchen, spricht ebenfalls für sich.
Das sei nur mal nebenbei erwähnt
und allen reaktionären Katholiken ins Ohr geflüstert, die ein Seins-Defizit
verklären und damit das rein Irdische… wie im dritten Himmel nach dem Zeugnis des hl. Paulus "unaussprechliche Worte" gesprochen werden, die "kein Ohr je gehört hat", so sind auch die Beziehungsgefüge im Himmel ganz und gar unirdisch und nicht vergleichbar mit irdischen Ordnungen...
Die Überzeichnung des Hierarchischen zum Fetisch, wie sie sich in der Kirche schleichend und über Jahrhunderte weg angebahnt hat, ist antichristlich und bedeutet im Kern eine Total-Verirdischung des Himmlischen. Aus den visionären Engelsordnungen des AT und der Apokalypse kann niemand im Ernst schließen, was im Himmel wirklich ist. Gott ist ja auch kein alter Mann mit weißem Haar, nur weil ein Prophet ihn so im Gesicht geschaut hat.
Was war dem, der "nackt und bloß" und "in einem Krippelein lag", wohl das Hierarchische wert, ihm, dem einzigen, dem pompöse Huldigung gebührt hätte, der darauf so gar keinen, wirklich überhaupt keinen Wert legte?!
Und warum überging der Himmel in der Geburtsnacht die formellen hierarchischen Hirten und sprach reale Schaf-Hirten an, die jedermann als untauglich angesehen hätte als erste Adresse für die frohe Botschaft?
Die Überzeichnung des Hierarchischen zum Fetisch, wie sie sich in der Kirche schleichend und über Jahrhunderte weg angebahnt hat, ist antichristlich und bedeutet im Kern eine Total-Verirdischung des Himmlischen. Aus den visionären Engelsordnungen des AT und der Apokalypse kann niemand im Ernst schließen, was im Himmel wirklich ist. Gott ist ja auch kein alter Mann mit weißem Haar, nur weil ein Prophet ihn so im Gesicht geschaut hat.
Was war dem, der "nackt und bloß" und "in einem Krippelein lag", wohl das Hierarchische wert, ihm, dem einzigen, dem pompöse Huldigung gebührt hätte, der darauf so gar keinen, wirklich überhaupt keinen Wert legte?!
Und warum überging der Himmel in der Geburtsnacht die formellen hierarchischen Hirten und sprach reale Schaf-Hirten an, die jedermann als untauglich angesehen hätte als erste Adresse für die frohe Botschaft?
Eingebettet in Dunkelheit ist die
himmlische Freude auch bei Paulus. Er muss es gleich zweimal sagen: Freut euch!
Doppelt gesagt wirkt besser. Doppelt gesagt offenbart, dass der Appell ein
paradoxes Intervenieren ist. Es gibt nämlich, menschlich, gesehen, keinen Grund
zur Freude. Düster sieht es aus. Das alles, was da um uns herum ist.
Freuen – warum?
„Ich
ermahne Evodia und ich ermahne Syntyche, einmütig zu sein im Herrn. Ja, ich
bitte auch dich, treuer Gefährte, nimm dich ihrer an! Sie haben mit mir für das
Evangelium gekämpft, zusammen mit Klemens und meinen anderen Mitarbeitern. Ihre
Namen stehen im Buch des Lebens.“ (Phil 4, 2).
Wir freuen uns, weil der Erlöser
gekommen ist und weil wir im Buch des Lebens stehen dürfen wie Syntyche und
Evodia, die sich gerade nicht eins sind und von Paulus ermahnt werden, sie, die
doch seine engen Mitarbeiterinnen waren und eben – im „Buch des Lebens“, im „liber
vitae“ stehen.
Unser Problem ist heute, dass wir
nicht nur nicht einmütig sind, sondern förmlich Einmütigkeit ohne den Herrn
suchen und umdeuten. Man müsse irgendwie mit den anderen einmütig sein oder mit
dem Papst uns so weiter – und schon sei die Kirche gerettet.
Pustekuchen – so gerade zerfällt
die Einmütigkeit, die unanimitas!
Und genau diese Einmütigkeit in
Christus hat die Kirche seit Jahrtausenden immer wieder abgelenkt auf die
Einmütigkeit mit Menschen, und wenn sie zehnmal angeblich Stellvertreter
Christi sind – das allein weist sie nicht als rechtgläubig aus.
Was immer ist, mit der Menge der
himmlischen Heerscharen sollen wir Gott loben. Nur das macht einig.
Solange wir auf uns starren und
unsere Richtungskämpfe, driften wir auseinander.
Evodia und Synthyche, geschätzte
Mitarbeiterinnen des Apostels, und nun sind sie nicht mehr einmütig in Christus. Der „treue Gefährte“ wird
gesandt, sie wieder in Christus zu einen, nicht in sich selbst, er hat hier
nicht mal einen Namen… so sehr geht es um Christus, der als „der Herr nahe ist“.
Unserer Hierarchie ist der Herr
schon lange nicht mehr nahe, schon seit über 150 Jahren nicht mehr. Wie sonst
sollte man begreifen, dass sie sich in den Mittelpunkt gestellt hat und den
Herrn so behandelt hat, als käme er nie mehr wieder?
„Der
Herr ist nahe“, egal, was geschieht.
Und dann ist die Rede von „eurer Güte“, die allen Menschen „bekannt werden soll“.
Mir wird da schwarz vor Augen – von
der Kirche hat man so viel Finsteres kennengelernt, zuletzt den Missbrauch von
Kindern und Jugendlichen und auch Erwachsenen. Auch wenn er ungerecht
aufgeblasen worden sein sollte in den Medien, ist er doch eine Tatsache und
eine Schande. Evodia und Syntyche und ihre Reibereien waren Peanuts verglichen
mit diesen Widerlichkeiten…
Und doch verkündet sie immer noch,
selbst wenn die Finsternis sie schon halb hat, die Botschaft, die einst die
Hirten erfuhren, gegen den Strich und zu ihrer eigenen Schande verkündet sie
immer noch die Botschaft.
Warum sollte sonst Paulus den Trost
aussprechen, dass der „Friede Gottes“
selbst die Seinen „bewahren wird in der
Gemeinschaft mit Christus Jesus“, und dies auch noch über „alles Verstehen“ hinaus, wenn nicht
unser Problem immerzu dies ist, dass wir nicht verstehen, nicht fertig werden
mit unserer Unzulänglichkeit des Verstehens und am liebsten aufgeben wollten?
Trotz dieser Ausgangslage, trotz
des defizitären Seins leben wir schon im Sosein in Christus, ohne es genau
erfassen zu können. Zu diesem Sosein gehört seine Nähe, deren wir nur schwer
gewahr sein können.
Was wenn er so nahe ist, dass er
uns durchdringt, durchdringen will und wir auseinanderstreben, weg von ihm und
weg von denen, die er durchdringt?
Woher soll ich wissen, dass das
alles so ist?
Woher weiß ich, wann und wo es so
ist?
Das eben ist die versprochene „Bewahrung der Herzen und Sinne“.
Wir können es nicht ermessen, was
mit uns und unter unserer eifrigen Mithilfe geschieht.
Unsere Mithilfe ist aber kein
Machenwollen, dieses unsägliche Machenwollen, das wir seit Jahrhunderten in der
Kirche kennen, erst als Hybris der Hierarchie, in Backstein gemeißelt im
Vaticanum I, nun als Aktionismus aller Christgläubigen, frisch aufgebrüht und
längst ranzig geworden im Vaticanum II.
Wer nicht bittet, bekommt nicht.
Das Vaticanum I und II haben verlernt, Bitten zu sprechen. Echte Bitten.
Bitten sind seither ultimative
Ansprüche an den Himmel.
Und genau deswegen werden sie uns
nicht gewährt.
„Betend
und flehend mit Dank vor Gott“ sollen wir unsere „Sorgen“ bringen.
Damit sind echte Sorgen gemeint,
nicht das politische Blabla katholischer Funktionäre.
Die echten Sorgen…
Ja, wir haben echte Sorgen. Das
nächste Jahr wird kein gutes, und wir alle wissen es. Die Schönfärber haben
darum Hochkonjunktur. Man glaubt ihnen bis zum nächsten Mord, bis zum nächsten
Terrorakt. Die finsteren Mächte sind losgelassen.
Und doch: „Zu jeder Zeit“ sagte Paulus, sollen wir uns freuen. Das ist keine
Durchhalteparole, sondern eine Freude ohne das Seins-Defizit, die alleine auf
das alles übersteigende Sein Christi baut, ja, sich förmlich in sein Sein
hineinziehen lässt, schon hier und jetzt, trotz allem und im Vertrauen darauf,
dass dort absolute Sicherheit ist gegen die Finsternis.
Möge sie „allen, die guten Willens sind“, wie der Engel einst sagte, zuteil,
diese Freude!