Die
„Geistkirche“ als die größte Versuchung des Christentums
Die große Versuchung der Kirche
zeigte sich von Anfang an in der Fiktion einer „Geistkirche“, die das freie
Wirken des Heiligen Geistes in der Subjektivität, Askese und
formlos-ästhetischen „Armut“ erkennen will, zur Hauptquelle der Berührung mit
Gott macht und in dieser Ausrichtung den Leib Christi in seiner objektiven
Ordnung aushöhlt. Bereits die Pastoralbriefe im NT berichten uns von dieser
Problematik. Immer wieder muss der Sohn, Jesus Christus, der Gekreuzigte, zurück
ins Zentrum des Glaubens gerückt werden.
Die lateinische Kirche hat in vielen
Auseinandersetzungen mit häretischen Standpunkten und Bewegungen die objektive
sakramentale Struktur des Leibes Christi dogmatisch entfaltet und in der Frömmigkeitspraxis
ausgestaltet.
Der Kampf ging stets um die
leibhaftige, zentrale Gegenwart des gekreuzigten Herrn Jesus Christus, dessen
vergegenwärtigtes einmaliges Opfer Höhepunkt der Kulthandlung (Messopfer) ist, bis
Er kommt. Der Lebensatem dieses sichtbaren und objektiven Leibes Christi ist
der Heilige Geist. Das Haupt dieses lebendigen Organismus ist Jesus Christus,
der die Glieder mit dem Heiligen Geist salbt. Er tut dies durch die Sakramente.
Die Kirche scheint nun nach mehrfachen und
anhaltenden schismatischen Abspaltungen der 2000 Jahre lang abgewehrten Versuchung
selbst zu erliegen. Wir erleben spätestens seit dem Vaticanum II einen gigantischen
Auflösungs- und Zerstörungsprozess innerhalb der römisch-katholischen Kirche
unter den zähen, propagandistischen Begriffen „Neues Pfingsten“, „Aufbruch“ und
„semper reformanda“.
Man kann nachzeichnen, dass nahezu jede
Abspaltung darauf beruht, dass der (missbrauchte) Heilige Geist die reale
sakramentale Gestalt des Gottmenschen Jesus Christus verdrängt. Dies geschieht
durch die Inanspruchnahme des Heiligen Geistes direkt aus dem Vater „am Sohn
vorbei“, als könne Er ohne die konkrete, physische Anwesenheit des Sohnes frei
entstehen und im Menschen ohne den Umweg des persönlichen Kreuzesopfers Jesu
Christi direkt wirken. Vielfach erscheint die Ausgießung des Heiligen Geistes
als Höhepunkt der Offenbarung Gottes an die Menschheit, als Peripetie des
kirchlichen und individuellen Heilsdramas, so als ob der Sohn und die
Wassertaufe nur eine Übergangsstufe auf ein Höheres hin, nämlich den Empfang
des Heiligen Geistes in einer „Feuer-„ oder „Geisttaufe“ (gewesen) sei.
Die
Sakramente der Heiligen Katholischen Kirche und der Heilige Geist
Dem ist natürlich prinzipiell
entgegenzuhalten, dass nur die Wassertaufe und die Beichte zu den „heilsnotwendigsten“
Sakramenten gehören und daher „Sakramente der Toten“ genannt werden. Sie
spenden dem in der Erbsünde Toten die Vergebung und erwecken ihn zum Leben. Die
anderen werden „Sakramente der Lebenden“ genannt, weil sie in den bereits
geistlich wieder Lebendigen die lebendig machende Gnade vermehren. Die „Versiegelung
mit dem Heiligen Geist“, die die Kirche im Sakrament der Firmung durch den
Bischof oder Priester spendet, vollendet im Sinne dieser Vermehrung die
Taufgnade. Sie ist die Befähigung zum miles
Christi, zum „Soldaten Christi“.
„Die Firmung macht aus uns vollkommene Christen und Soldaten Jesu
Christi, indem sie uns die Fülle des Heiligen Geistes gibt: Seine Gnaden und
Seine Gaben. Diese bestärken (befestigen) oder kräftigen uns im Glauben und in
den anderen Tugenden gegen die dämonischen Mächte.“
Die sakramental verfasste Kirche
erwartet den Sohn und dessen Wiederkunft und feiert das Gedächtnis Seines Todes
in der Heiligen Eucharistie bis Er kommt. Jesus Christus ist das Prinzip, aus
dem das Heil und die Erlösung fließen. Durch Ihn, in Ihm und mit Ihm sind alle
Dinge gemacht. Die römisch-katholische Kirche hat sich durch die
Auseinandersetzung mit den verschiedenen pneumatologischen Haltungen auf ein
christomonistisches Prinzip festgelegt, das sie von allen anderen Konfessionen
fundamental unterscheidet. Immer wieder wird ihr deshalb von innen und außen
„Geistvergessenheit“ vorgeworfen.
Der Katechismus der Katholischen
Kirche sagt dazu:
„Die Firmung prägt ja der Seele ein unauslöschliches geistiges Zeichen
ein, den ‚Charakter’. Dieser ist Zeichen dafür, dass Jesus Christus einen
Christen mit dem Siegel seines Geistes gekennzeichnet und ihm die Kraft von
oben verliehen hat, damit er sein Zeuge sei. (…) Der Gefirmte erhält ‚die Macht, öffentlich den Glauben an Christus wie
von Amts wegen (quasi ex officio) mit Worten zu bekennen’ (Thomas v.A., s.th.
3, 72, 5 ad 2)“
Von
„Geistvergessenheit“ kann also keine Rede sein. Es geht vielmehr um ein völlig
anderes Konzept von Geisterfülltheit:
Gefühlssensationen,
Sentimentalität, verschwimmende Begriffe und Enthusiasmus werden von den
Anhängern einer „Geistkirche“ mit einer Berührung durch den Heiligen Geist
verwechselt. Je stärker die psychische Erregung, desto mehr wird sie für
gottgewirkt gehalten.
Die psychische Erregung ist jedoch,
wie jeder Werbefachmann oder Propagandist weiß, der perfekte Einstieg in die
Seele und der entscheidende Moment, um von einem fremden Willen besetzt und
manipuliert zu werden. Wir sollten das nach den totalitären Exzessen des 20.
Jahrhunderts wissen. Niemand kann mehr unter solch aufgeheizten Umständen die
Geister unterscheiden. Niemand weiß, ob nicht die Dämonen hier Einzug halten,
nachdem man sich des Schutzes durch objektive Normen entledigt hat.
Der
dreifaltige Gott spricht demgegenüber den Menschen niemals im Moment der
tiefsten Willensschwächung an, sondern dann, wenn der Wille stark, nüchtern und
souverän ist. Die objektive Lehre, der Empfang der Sakramente, die äußerste
eigene Mühe um Heiligung und die Stille des Herzens sind notwendige
Voraussetzungen zur Unterscheidung der Geister.
Die
„Geistkirche“ als flüchtiges, geschichtsevolutionistisches Konstrukt
Die Problematik jedes
pneumatologischen Konstruktes liegt darin, dass die geordnete, persönliche,
souveräne Königsherrschaft Jesu Christi einer vom Heiligen Geist frei gewirkten
Friedensherrschaft untergeordnet wird, die sich mehr oder weniger intensiv über
das intersubjektive Meinen und Wollen der geistlichen Familie definiert. Die
Wahrheit in Jesus Christus wird so zu einer von mehreren Möglichkeiten oder zu
einer Vorläufigkeit, einem „Rohling“, der immer wieder aufs Neue behauen werden
müsse und nur in der persönlichen und gemeinschaftlichen pneumatischen Erfahrung
ihre Erfüllung finden kann. Der Heilige Geist wird zum Ausdruck von Kreativität
und Begeisterung, gleichzeitig aber auch von kollektiv kontrollierten,
gleichgeschalteten „Geistesgaben“. Mal driftet eine solche „Geistkirche“ in moralische
Freizügigkeit „um der Barmherzigkeit willen“ ab. Mal driftet sie in einen
quälenden Kollektivismus unter geistlichen Führergestalten ab, der dem
einzelnen Gläubigen rigide moralische und asketische Normen abverlangt.
Die Rede im Johannes-Evangelium,
dass der „Geist in die ganze Wahrheit
führe“
wird als Beweis für die dogmatische und normative Relativität und
Prozesshaftigkeit („semper reformanda“)
oder aber für die asketisch-moralische Ausrichtung der Wahrheitserkenntnis
aufgefasst.
Die stille leibliche Anwesenheit
des geopferten Christus im Allerheiligsten Altarsakrament und die objektive,
geordnete und sakramentale Verfasstheit der Kirche, die Spenderin der Gnaden
und des Heiligen Geistes ist, sind der Kontrast zu solchen „kreativen“,
ungeordneten pneumatologischen Konzepten.
Alle Konzepte einer „Geistkirche“
verfehlen die demütige Unterordnung unter den offenbarten und den uns nicht
offenbarten (!) Heilsplan Gottes und driften entweder in die Zügellosigkeit
oder übertriebene Askese, manchmal sogar in die schizophrene Koexistenz beider Haltungen
ab.
Das Gesicht des Schmerzensmannes, das
caput cruentatum, verblasst in ihnen
zugunsten eines göttlichen „Helden“, der je nach Färbung mehr einem Rächer der
Enterbten wie Robin Hood, mal einem cleveren kleinen Gewinner wie Asterix, mal
einem spacigen Superhero wie Anniken Skywalker ähnelt.
Es versteht sich, dass all diese
Heldenbilder nicht nur Häresien, sondern auch Blasphemien sind. Dass dies
keineswegs Auswüchse meiner Phantasie sind, habe ich im Januar in Augsburg auf
der MEHR-Konferenz erlebt. Dort wurde fahnenschwenkend und johlend schon mal die
„Herrschaft Jesu Christi“ über einzelne Länder ausgerufen. Der Kreis zwischen
„Schon-jetzt“-Theologien wie der kirchlich verurteilten Befreiungstheologie und
dem Charismatismus unserer Tage schließt sich an dieser Stelle. Man will die
Ohnmacht des Schmerzensmannes nicht aushalten und dem Wirken Gottes mit dem
eigenen Tun zuvorkommen. Die Bitte um Wegweisung verkommt zum „Herr wir tun
dies und das. Nun segne uns auch!“
Man beachte, dass die Kirche
bislang stets Länder oder die Welt in einem bischöflichen oder päpstlichen
amtlichen Akt dem Herrn Jesus Christus oder der Jungfrau Maria geweiht hat… dabei allerdings wurde
nicht die Herrschaft Jesu „ausgerufen“, denn Er ist ja bereits der Herrscher – aber Seine Herrschaft ist nicht von dieser Welt und gilt nichts vor
dieser Welt! In einer Weihe bringt der Weihende sich selbst oder einen
anderen dem stillen, irdisch ohnmächtigen, und doch ewigen König ganz und gar
dar.
Auch das 1925 durch Pius XI.
eingeführte Christkönigsfest „rief“ nicht die Herrschaft Jesu Christi „aus“. Es
bekannte vielmehr die wahre und ewige Herrschaft Jesu Christi über alle
politischen Mächte und Gewalten und bekräftigte die Weihe der Kirche und jedes
einzelnen Gläubigen an Ihn. Ein Gedicht von Erich Przywara (1889-1972) bringt
dies zum Ausdruck:
O Du mein Heiland hoch und hehr,
dem sich der Himmel beuget,
von dessen Liebe, dessen Macht
die ganze Schöpfung zeuget:
Christus mein König, Dir allein
schenk ich die Liebe stark und rein,
bis in den Tod die Treue.
Die
„Geistkirche“ als ökumenistische Hoffnung
Pneumatologische Kirchenkonzepte
erscheinen vielfach als „die“ Chance des Ökumenismus. Über die Freiheit und
Vagheit des Geistwehens glaubt man, die verschiedenen Konfessionen und die
Zerwürfnisse der Vergangenheit so unter einen Hut bringen zu können, dass
keiner „das Gesicht verliert“ oder gar einem Irrtum abschwören müsste.
Der Ökumenismus sucht nach historischen
Anknüpfungspunkten zwischen den Konfessionen in älteren und scheinbar „geschmeidigeren“
theologischen Positionen auf beiden Seiten, die sich einander eher annähern
lassen als die entschiedeneren Positionen.
Dem ist entgegenzuhalten, dass die
Einmütigkeit der Gläubigen ja kein Sandkastenspiel, kein kompromissorientiertes
Umsetzen von Bauklötzen ist, sondern die Frage beantworten müsste, was denn
eigentlich der Wille Gottes sei.
„Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so
wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe.“
Bereits Pius XII. hatte diese
unselige Verknüpfung des geistlichen Pneumatismus mit dem Ökumenismus erkannt
und verurteilt:
„(Es) weicht von der göttlichen Wahrheit ab, wer die Kirche so
darstellt, als ob sie weder erfaßt noch gesehen werden könnte; als ob sie, wie
man behauptet, nur etwas "Pneumatisches" wäre, wodurch viele
christliche Gemeinschaften, obgleich voneinander im Glauben getrennt, doch
durch ein unsichtbares Band untereinander vereint wären.“
Das heißt: es liegen triftige
Trennungsgründe vor – andernfalls hätte man sich ja nicht getrennt - und nur
die römisch-katholische Kirche steht in der vollen Wahrheit Jesu Christi.
Pius XII. erklärt weiter unumwunden
und klar:
„Wie es also in der wahren Gemeinschaft der Christgläubigen nur einen
Leib gibt, nur einen Geist, einen Herrn und eine Taufe, so kann es auch nur
einen Glauben in ihr geben (Eph
4, 5); und deshalb ist, wer die Kirche zu hören sich weigert, nach dem Gebot
des Herrn als Heide und öffentlicher Sünder zu betrachten (Mt 18, 17). Aus diesem Grunde können
die, welche im Glauben oder in der Leitung voneinander getrennt sind, nicht in
diesem einen Leib und aus seinem einen göttlichen Geiste leben.“
Nach diesen Worten sind die progressistischen,
modernistischen und charismatischen ökumenistischen Hoffnungen eine Irrlehre.
Pius XII. gibt ihnen definitiv keinerlei Chance und begründete dies sehr gut
mit Sätzen der Väter:
„Es ist nämlich besser, wie der Bischof von Hippo bemerkt, "im
Lebenszusammenhang mit der Kirche geheilt, als aus ihrem Körper als unheilbares
Glied ausgeschnitten zu werden" (August., Epist., CLVII, 3, 22: Migne,
P.L., XXXIII, 686). "Denn was noch mit dem Leibe zusammenhängt, an dessen
Heilung braucht man nicht zu verzweifeln; was aber abgeschnitten ist, kann
nicht mehr gepflegt und geheilt werden" (August., Senn., CXXXVII, l: Migne,
P.L., XXXVIII, 754).“
Dass dieser Lebenszusammenhang mit
der Kirche nicht durch „Charismatiker“
hergestellt werden kann, deren Gaben zwar nicht zu verachten seien an ihrem
Platze, aber immer nur durch die Anerkennung des Vorranges der apostolischen
Hirten geschehen sollen, sagt Seine Heiligkeit ausdrücklich dazu.
An dieser Stelle muss der
vielzitierte Satz aus der dogmatischen Konstitution Lumen gentium von 1964, der aus der Not der Schismen eine Tugend
kreieren will, unter dem Hinweis auf die Tradition der Kirche und auf logische
Gesetze kritisch betrachtet werden:
„Diese Kirche, in dieser Welt als Gesellschaft verfaßt und geordnet,
ist verwirklicht in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von
den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird (13). Das schließt nicht
aus, daß außerhalb ihres Gefüges vielfältige Elemente der Heiligung und der
Wahrheit zu finden sind, die als der Kirche Christi eigene Gaben auf die
katholische Einheit hindrängen.“
Diese
verwaschene und leicht missdeutbare Formulierung trägt der unbedingten
ökumenistischen Absicht einiger Konzilsväter Rechnung, missachtet aber, dass es
keine Wahrheit in der Lüge geben kann. Die Tatsache, dass in den abgefallenen
kirchlichen Gemeinschaften oder sogar in anderen Religionen nicht jedes Detail
für sich selbst genommen falsch ist, hat hinsichtlich der dogmatischen Aussage,
dass nur in der katholischen Kirche das Heil zu finden ist, keinerlei
Aussagewert. Die Kirche hat niemals die natürliche Erkenntnisfähigkeit des
Menschen und Merkmale der Schönheit und Güte in seinen Kulturen bestritten. Wie
sollte sie auch, bezeugt sie doch mit höchster Glaubensgewissheit (de fide),
dass schon mit den Mitteln der natürlichen Vernunft – wenn auch nicht im
übernatürlichen Sinne der sakramental vermittelten, gnadenhaften Erleuchtung -
erkannt werden kann, dass Gott als Schöpfer aller Dinge existiert.
Die „vielfältigen Elemente der Heiligung“
in kirchlichen Gemeinschaften, von denen der Text redet, sind demgegenüber
katholische Trümmer, die sich nach dem Abfall von der Kirche (noch) nicht
aufgelöst haben bzw. die nicht aufgegeben wurden. Die Häresie hat ja den
Charakter der partiellen Leugnung der Glaubenswahrheit und bedeutet gerade
keine vollständige Absage an jedes Detail des Glaubensgutes. Dieser Satz in Lumen gentium hat die nachkonziliare
Kirche in eine zunehmende Verflachung und Verirrung auf dem ökumenistischen Weg
geführt, deren Früchte immer weiterer Glaubensabfall, der sich allein schon in
zunehmenden Kirchenaustritten, Priesterlaisierungen und zurückgehenden Tauf-
und Priesteramtsbewerbungen, Ungehorsam gegen die Gebote der Kirche, geistliche
Verwirrung und daraus folgend immer weiteren Spaltungen äußert.
Die angeblich in die unglückliche „Vereinseitigung“,
den „Christomonismus“
führende Entwicklung der römisch-katholischen Kirche bis zum Konzil ist die
Entfaltung des depositum fidei, die
uns – bei Licht betrachtet - den einzigen Zugang zu Gott ermöglicht, der die
Versöhnung und Erkenntnis in Fülle und Ausgewogenheit schenken kann. Es geht
nur über die geistliche Vertiefung in die Inkarnation des Gottmenschen, der uns
in allem gleich geworden ist, über Seine Erlösungstat am Kreuz und die immer
innigere Vereinigung mit Ihm. Die Inkarnation ins Menschsein ist der springende
Punkt. Bis heute ist Jesus Christus real präsent in den eucharistischen
Gestalten. Aber Er ist nicht insofern real, als Er in Abwesenheit „geistig“
oder „symbolisch“ vertreten würde vom Heiligen Geist, sondern insofern, als Er in
der Kraft des Heiligen Geistes leibhaftig in den gewandelten Gestalten von Brot
und Wein anwesend ist. Der Heilige Geist bezeugt und erklärt uns die Wahrheit,
Leibhaftigkeit und Gottheit des Erlösers. Auch hier sei noch einmal auf Worte
Pius XII. verwiesen:
„So hatte Er also die Kirche durch sein Blut gegründet. Am Pfingstfeste
aber stärkte Er sie mit der ihr eigenen Kraft vom Himmel. (…) So sandte (…) Er,
als die Apostel ihr heiliges Predigtamt antreten sollten, seinen Geist vom
Himmel herab, der sie mittels feuriger Zungen berührte und auf die
übernatürliche Sendung und das übernatürliche Amt der Kirche wie mit göttlichem
Finger hinweisen sollte.“
Maria, die Tochter des Vaters, die Mutter des Sohnes, die Braut des Heiligen Geistes
Für das Ungenügen eines bloßen
brennenden, aber blinden Herzens zeugt die Geschichte der Emmausjünger. Der
Auferstandene ist mitten unter ihnen, aber sie erkennen seine Gestalt nicht.
Gleichwohl brennt ihr Herz durch Seine Auslegungen der Schrift. Jesus sagt
ihnen einen Satz, der aufmerken lässt: „Musste
nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?“
Dieser Satz sagt uns, dass der Weg zwischen Gott und Mensch nicht nur dem
Menschen versperrt worden war, sondern auch dem Sohn selbst. Und der Satz sagt
uns, dass die Schöpfung ursprünglich Jesus Christus, dem Sohn, gehört, Sein
Eigentum ist, Seine Herrlichkeit ist, Sein Ruhm und Sein Glanz! Er ist der
„Erbe des Alls“. Durch den Sündenfall ging Ihm sein Eigentum verloren. Nur
durch das Kreuz konnte Er es zurückgewinnen für sich. Der Herr ruft Saulus auf
dem Weg nach Damaskus zu „Saul, warum verfolgst du mich“. In diesem Satz geschieht die völlige Identifikation Jesu
Christi mit der Kirche.
Die Dogmen zielen auf den Sohn als
den einzigen Mittler, „die Tür“ zwischen
Gott und Mensch hin. Wer „anderswo einsteigt,
der ist ein Dieb und ein Räuber“, sagt Jesus.
Insbesondere auch die Mariendogmen klären diesen Sachverhalt. Sie betonen die
Menschheit Jesu Christi aus Seiner allerseligsten, makellosen, ganz und gar
menschlichen Mutter. Maria ist die vorweg erlöste Frau, aus deren vollkommen
ergebener Haltung Ihr göttlicher Sohn geboren werden sollte. Maria ist es, die Ur-
und Vorbild der Kirche, des Leibes Christi wurde, unsere Schule, die uns
vorführt, wie wir den Sohn Gottes leibhaftig in uns wachsen lassen sollen. Sie
ist „Braut des Heiligen Geistes“. Sie hat den göttlichen Sohn ja nicht aus sich
selbst oder weil Sie es wäre, die sich für Ihn hätte befähigen können. Ihre
gnadenhafte Brautschaft führt sofort zur zweiten Person der Trinität, die für
uns der „Weg“ zum Vater ist. „Niemand
kommt zum Vater außer durch mich“, sagte Jesus.
Und: „Ohne mich könnt ihr nichts tun.“
Wer Maria abwertet und in ihrer gnadenvermittelnden Rolle ablehnt (wie der
Protestantismus), kann das Wesen der Trinität kaum erfassen. Wenn
Menschen vom Heiligen Geist ergriffen worden sind, bevor Jesus Christus
erschienen ist, könnte hier eine ähnliche Aussage gelten wie bei Maria: Es war bzw.
ist eine gnadenhafte Vorwegnahme durch den Sohn, denn ohne Ihn kann sich
niemand Gott nähern oder von Ihm ergriffen werden. Nun aber, nachdem Er
erschienen ist, führt der Weg immer sichtbar über Ihn und Seine Braut, die
Kirche.
Die Öffnung des verschlossenen
Weges für den Menschen besteht darin, dass Er uns gleich und an unserer Stelle
geopfert wurde. Als Menschensohn ist Er gestorben, begraben und auferstanden.
Als der auferstandene Menschensohn ist Er in den Himmel gefahren zum Vater und
im allerheiligsten Altarsakrament anwesend.
Genauso wird ER auch wieder kommen. Bei Seiner Himmelfahrt erklärte Er, dass
die „Kraft des Heiligen Geistes“ über die Jünger kommen wird, um Seine Zeugen
zu sein auf der ganzen Erde.
Der Heilige Geist samt Seiner
sündlosen menschlichen Braut Maria, der „Gussform“ der Kirche, befähigt zur
immer vollkommeneren „Christusförmigkeit“ der Kirche und jedes einzelnen
Gläubigen, der Zeuge dieser objektiven Wahrheit sein soll.
Der Prophet Daniel hat das bereits
lange vor Jesus Christus geschaut:
„Da
kam mit den Wolken des Himmels
Einer
wie ein Menschensohn.
Er
gelangte bis zu dem Hochbetagten
Und
wurde vor ihn geführt.
Ihm
wurden Herrschaft, Würde und Königtum gegeben.
Alle
Völker, Nationen und Sprachen
Müssen
ihm dienen.
Seine
Herrschaft ist eine ewige, unvergängliche Herrschaft.
Sein
Reich geht niemals unter.
Nur durch die menschliche Gestalt
des Sohnes, durch die Verbindung mit unserem Fleisch und Blut, ist es uns
möglich, den verlorenen Kontakt zu Gott wiederzuerlangen. Diese Versöhnung und
Wiedervereinigung stellt also nicht der Heilige Geist noch einmal „extra“ her.
Der Heilige Geist gibt uns vielmehr beständig Zeugnis darüber, dass die
Verbindung zwischen Himmel und Erde durch diesen Jesus Christus und Sein Opfer wiederhergestellt
ist. Er steht uns bei im Glauben
daran, Er tröstet uns in diesem Glauben und Er erschließt uns die
Christusgeheimnisse immer tiefer, jedem nach Seinem gottgegebenen Talent, zum
Aufbau der Kirche und zur immer größeren Ehre Gottes.
Die Entwicklung der
römisch-katholischen Theologie und Frömmigkeit faltet dies klar und deutlich aus
in den Dogmen und der Lehre, der Betonung des Gekreuzigten, in der Herz-Jesu-Andacht,
im traditionellen Rosenkranz, in der wahren Marienverehrung.
Das hat nichts mit
„Geistvergessenheit“, sondern mit Christusliebe, mit der Heilung des ganzen
Menschen durch seine leibhaftige Umgestaltung in Christus zu tun.
Die Rede von der
„Geistvergessenheit“ zeugt von der Geistlosigkeit derer, die dies behaupten.
Denn wir können Jesus Christus nur dann im Geist und in der Wahrheit anbeten
und bezeugen, wenn der Heilige Geist uns bezeugt hat, dass Jesus Christus, wie
die Kirche Ihn uns vor Augen stellt, wahrer Gott und wahrer Mensch und unser
Heil ist:
„Keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen
Geist redet.“
Wahre Christusliebe ist daher zwingend
ein Synonym für „Geistesreichtum“.
Einige
pneumatologische Bewegungen in der Geschichte der Kirche
a. Die Gemeinde in Korinth
Der heilige Paulus drängt in seinen
Briefen an die Gemeinde in Korinth sowohl das ungeordnete Wirken überbetonter „Geistesgaben“
zurück als auch den Dünkel derer, die sich durch diese Gaben in ihrer
geistlichen Entwicklung erhaben fühlen. Der Völkerapostel mahnt zur Einheit und
Nüchternheit. Der schwärmerische Enthusiasmus geht einher mit Spaltungen und
der Berufung auf einzelne Männer. Der heilige Paulus leitet seine Gedanken ein
mit der Aussage:
„Christus hat mich (…) gesandt (…) das Evangelium zu verkünden, aber
nicht mit gewandten und klugen Worten, damit das Kreuz Christi nicht um seine
Kraft gebracht wird.“
Was sich in Korinth abspielt,
gründet auf „Menschenweisheit“.
Dem sprichwörtlichen
charismatischen Treiben in dieser Gemeinde, das sich selbst für „geisterfüllt“
hält, verpasst der heilige Paulus gleich zu Beginn seines Briefes eine kalte
Dusche:
„Vor euch, Brüder, konnte ich aber nicht wie vor Geisterfüllten reden;
ihr wart noch irdisch eingestellt (…)“
Der Missstand ist so groß, dass der
Apostel sagt:
„Ich hatte mich entschlossen, bei euch nichts zu wissen außer Jesus
Christus, und zwar als den Gekreuzigten.“
Und zwar als den Gekreuzigten!
Überdeutlich schlägt er jeden Versuch, in Richtung „Geistkirche“ abzuheben,
zurück.
Kirche – das ist der Leib des gekreuzigten
Herrn!
Wahrer Gottesdienst ist nicht das
ungeordnete Sich-Kundtun in angeblichen oder wirklichen „Charismen“, sondern
die Selbstaufopferung in der direkten Nachfolge Christi:
„Angesichts des Erbarmens Gottes ermahne ich euch, meine Brüder, euch
selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt; das
ist der wahre und angemessene Gottesdienst.“
Anhand der Auseinandersetzung mit
den Geist-Enthusiasten entwickelt er die Lehre von der Kirche als dem Leib
Christi, einem Organismus, der bestimmten sichtbaren, göttlichen Ordnungen
folgt. Die Pflege schwärmerischer Geistesgaben drängt er zurück mit dem Hinweis
auf die „höheren Geistesgaben“. Dies sind „Glaube,
Hoffnung, Liebe“. Die Liebe ist dabei die größte der Gaben. Aus ihr fließen
wiederum Früchte wie Langmut, Güte, Demut, Bescheidenheit, Barmherzigkeit,
Vergebungsbereitschaft, Freundlichkeit, Wahrheitsliebe, Tapferkeit,
Standhaftigkeit, Geduld. Das alles sind keine schwärmerischen Gaben, die mit
Zeichen und Wundern einhergehen, lehnt doch der Apostel ausdrücklich auch die
(geistliche) Prahlerei ab, sondern Gaben der nüchternen Vernunft, der Festigkeit
des Herzens und der „sozialen Kompetenz“, wie man heute sagen würde.
Insgesamt rät der Apostel Paulus, das Streben des Gläubigen solle vor allem
anderen „Besonnenheit“, also eine
rationale und vernünftige Gabe, sein.
Der Christgläubige wird in den objektiven, sichtbaren Leib Christi
hineingeformt („aufgeopfert“) und auf das ewige Leben vorbereitet. Die
überbetonten „Zeichen-und-Wunder-Charismen“ wie prophetisches Reden,
Krankenheilungen, Sprachenrede wachsen sich aus, halten vor dem, was Gott uns
bereithält, nicht lange stand.
Dem prophetischen Reden wird eine wichtige Bedeutung zuerkannt, wenn es
kontrolliert stattfindet.
Die Überbetonung der wunderhaften Charismen wertet der heilige Paulus als
kindlich, unvollkommen, ja sogar unnütz.
An letzter Stelle des Nützlichen rangiert die Zungerede:
„Wenn leblose Musikinstrumente (…) nicht deutlich unterschiedene Töne
hervorbringen, wie soll man dann erkennen, was (…) gespielt wird? Und wenn die
Trompete unklare Töne hervorbringt, wer wird dann zu den Waffen greifen? So ist
es (…), wenn ihr in Zungen redet, aber kein verständliches Wort hervorbringt.
(…) Ihr redet nur in den Wind.“
Und der heilige
Paulus setzt noch eins drauf: „Wer in
Zungen redet, erbaut sich selbst!“ Ein vernichtendes Urteil! Der Apostel
beschließt diese Belehrung mit der Aufforderung, sich während der Gottesdienste
an klare, vernünftige Ordnungen zu halten:
„Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern ein Gott des Friedens.
(…) Alles soll in Anstand und Ordnung geschehen!“
Die Fallgrube dieser
frühchristlichen „Geistkirche“ ist die geistliche Infantilität, Arroganz und Unfruchtbarkeit,
die Selbstbezogenheit, die Fixierung auf Zeichen und Wunder und der Verfall des
Glaubens an den gekreuzigten und leibhaftig gegenwärtigen Herrn. Immerhin
behandelt der heilige Paulus in diesem Brief neben schweren moralischen
Verfehlungen auch die Problematik unwürdigen Kommunionempfangs.
Im Kapitel 15 entfaltet der Apostel die Lehre von Christus, dem gekreuzigten
Herrn, den Gott auferweckt und zu sich geholt hat. All unser geistliches
Streben ist in IHN eingeschrieben und findet seine Vollendung in der
Auferstehung des Fleisches in einen überirdischen Leib!
b. Montanismus
Der Montanismus ging zurück auf
Montanus (2. Jh n. Chr.) und seine beiden geistlichen Gefährtinnen Priska und
Maximilla, die über prophetische Gaben verfügt haben sollen. Montanus war der
Überzeugung, er erfülle die Vorhersage Jesu auf den Parakleten, der nach Seiner
Himmelfahrt in die ganze Wahrheit führen würde. Montanus glaubte, er selbst sei
dieser „Beistand“. In Trance rede aus ihm der Heilige Geist, wie er glaubte. Er
erlebte Verzückungen und erhielt währenddessen direkte Offenbarungen vom
Heiligen Geist. Das Trio bereiste Kleinasien und missionierte für diese
angebliche Vollendung des Christentums. Heinrich Kellner schreibt dazu: „Ihr
leitender Grundgedanke, ihr Dogma war, die von Christus verheißene Sendung des
Hl. Geistes habe sich im Auftreten des Montanus (…), sowie der Prophetinnen
Prisca oder Priscilla und Maximilla vollzogen, und die Erhebung der Kirche zur
Geisteskirche müsse in erhöhter Sittlichkeit ihren Ausdruck finden. (…) Es
scheint, daß auch baldige Erwartung des Weltendes und der Wiederkunft Christi,
sowie Errichtung eines tausendjährigen Reiches einen wesentlichen Teil ihrer
Lehren und Hoffnungen bildeten.“
Bekannte Männer wie der Kirchenvater Tertullian schlossen sich dieser
häretischen Bewegung an. Die Kirche hat die montanistische Bewegung, weil sie
weit über die Lehre der Apostel hinausging und ihr teilweise auch regelrecht
widersprach, verurteilt. Besonders anstößig war, dass im Zentrum dieser
Bewegung nicht Jesus Christus stand, sondern die Gründerperson des Montanus,
der sich in seinen Ekstasen mit dem Heiligen Geist identifizierte.
c. Die Ostkirche und das Filioque
Der griechische Osten hat sich vom Papsttum getrennt, als dies auf der
Aussage beharrte, dass der Heilige Geist vom Vater und vom Sohn (filioque)
ausgehe. Johannes von Damaskus hat im 8. Jh zwar zugestanden, dass der Heilige
Geist der „Geist des Sohnes“ sei, aber allein vom Vater ausgehe. Ein
Jahrhunderte langes Tauziehen führte zu keiner Einigung. Während der Osten die
Herrschaft des Vaters betonte und das freie Wirken des Heiligen Geistes in den
durch Jesus Erlösten, erkannte die Westkirche den natürlich freien, aber unlösbaren
Zusammenhang von Sohn und Heiligem Geist. Die Erlösung von der Erbsünde, die
Reue und Vergebung der aktuellen Sünden und die Befreiung zur geistigen
„Rezeptionsfähigkeit“ wird durch den Sohn und durch die Austeilung Seiner
Verdienste an uns in den Sakramenten möglich. Die Ostkirche legt beim Messopfer
größten Wert auf die Herabrufung des Heiligen Geistes (Epiklese) als der
eigentlichen konsekrierenden Kraft. Die römisch-katholische Kirche betrachtet die
Wandlungsworte, die der Priester in persona Christi nachspricht, als
konsekrierend. Auch wenn dies in der Kraft des Heiligen Geistes durch göttliche
Gnade geschieht, ist es doch vor allem anderen das gegenwärtig gesetzte Wirken
des Sohnes und Seiner authentischen Wandlungsworte. Die Verwandlung der
eucharistischen Gaben wird in der Orthodoxie weniger deutlich und präzise
differenziert als in der Westkirche, die in der Transsubstantiationslehre
schließlich eine endgültige philosophische Definition formuliert hat. Die orthodoxe
Theologie bleibt insofern bei aller Ähnlichkeit vager als die lateinische.
Sie betont das freie Wirken des Heiligen Geistes mehr als die
Westkirche, teilt aber die unbedingte Heilsnotwendigkeit der Eucharistie nach
den Worten des Evangelisten Johannes mit der Auffassung der
römisch-katholischen Kirche:
„Jesus sagte zu ihnen: Amen, amen, das sage ich euch: Wenn ihr das
Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das
Leben nicht in euch. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige
Leben, und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag. Denn mein Fleisch ist
wirklich eine Speise und mein Blut ist wirklich ein Trank. Wer mein Fleisch
isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm. Wie mich der
lebendige Vater gesandt hat und wie ich durch den Vater lebe, so wird jeder,
der mich isst, durch mich leben.
Hier wird ausgedrückt, dass das "Leben", das man sicher mit dem Heiligen Geist identifizieren kann, tatsächlich durch den leibhaftigen Genuss des Fleisches und Blutes Christi in uns kommt. Was und wie nun in einer Eucharistiefeier gewandelt wird, bleibt in der
Orthodoxie offen. Auch ist die Rolle des Priesters, durch den die Wandlung
geschieht, nicht zugespitzt auf das lateinische „In-Persona-Christi-Handeln“.
Bischof Hilarion Alfeyew erklärt den Vorgang so:
„Die eucharistische
Darbringung ist nach ihrem Sinn ein Opfer, in dem Christus selbst »der
Darbringende und der Dargebrachte, der Empfangende und der Austeilende« ist -
so das Gebet des Priesters während des Cherubim-Hymnus. Christus selbst ist der
alleinige Vollzieher der Eucharistie. Er ist unsichtbar in der Kirche anwesend
und wirkt durch den Priester.
In der Liturgie der orthodoxen Kirche vollzieht sich die
Wandlung so:
„Der Priester bittet
in einem stillen Gebet den Herrn, Seinen Heiligen Geist auf das in der Kirche
anwesende Volk und auf die vorliegenden Gaben zu senden, damit Er sie heilige.
Danach liest er mit leiser Stimme dreimal das Troparion: “Herr, der Du Deinen
allheiligen Geist in der dritten Stunde auf Deine Apostel herabgesandt hast,
nimm Ihn nicht weg von uns, Du Gütiger, sondern erneuere uns, die wir zu Dir
beten.” Der Diakon spricht den 12. und 13. Vers des 50. Psalms: “Ein reines
Herz schaffe in mir, o Gott, und den rechten Geist erneuere in meinem Inneren”
und “Verwirf mich nicht von Deinem Angesicht und Deinen Heiligen Geist nimm
nicht von mir.” Danach segnet der Priester das Heilige Lamm, das auf dem Diskos
liegt, und spricht: “Und mache dieses Brot zum kostbaren Leib Deines Christus.”
Darauf segnet er den Kelch und spricht: “Und was in diesem Kelche ist, zum
kostbaren Blut Deines Christus.”
Schließlich segnet
er die Gaben mit den Worten: “Verwandelnd durch Deinen Heiligen Geist.”
In diesen großen und
heiligen Minuten werden die Gaben zum wahrhaftigen Leib und Blut des Heilands,
obwohl sie dem Aussehen nach so bleiben wie vorher.“
Wir erkennen leicht, dass diese Liturgie nicht die
Wandlungsworte Jesu Christi kennt, die Er am Abend vor Seiner Verurteilung
sprach. Die Worte des Priesters sind in der Tat nur eine formlose, nicht aus
der Heiligen Schrift stammende Bitte an den heiligen Geist, die Gaben zu
wandeln.
Aufgrund des Unterschieds in der Trinitätslehre ergibt
sich in der Glaubenspraxis eine größere Ausrichtung auf den Heiligen Geist und
die Öffnung des einzelnen für Ihn in Buße und Askese:
„Gegenüber westlich-lateinischem
Ordnungsdenken eher ungewöhnlich wirkt die Relativierung der amtlichen Schlüsselgewalt
und sakramentalen Vollmacht: Nicht die Ordination als solche, sondern das
Sich-öffnen für den Geist in Buße und Askese sowie die darin erworbene
persönliche Heiligkeit setzen in den Stand, den Geist zu vermitteln.
In der mystischen Begegnung Symeons des „Neuen
Theologen“ (10. Jh) mit dem Göttlichen Licht, aus dem sich erst nach Jahren härtester
mönchischer Askese Jesus Christus selbst ihm als ein weiteres Abstraktum,
nämlich die „Nächstenliebe“ offenbarte, ist die Christusvision selige
Gottesschau, Vorwegnahme des Himmels. Die Ansprache Christi geschieht „durch
den Heiligen Geist“. Symeon soll gesagt haben:
„Durch den Heiligen Geist geschieht es, dass
sich die Auferstehung an allen ereignet. (…) Und ich spreche von jener (…), die
sich täglich vollzieht, von jener der toten Seelen, von der Erneuerung und von
der spirituellen Auferstehung in geistiger Weise…“
Wenn wir zurückdenken an die katholische Unterscheidung
der Sakramente der Toten von denen der Lebenden, scheint auf, dass der
orthodoxe Heilige offenbar diesen Unterschied nicht kennt.
In Symeons Mystik spielen das menschliche Gesicht und das lebendig
machende Opfer Jesu Christi auf Golgotha keine ausdrückliche Rolle. Jesus
Christus begegnet als strahlendes Licht und Liebe, das die „toten Seelen“ zum Leben
erweckt und noch dazu bereits im Diesseits etwas von der beseligenden Schau
Gottes ermöglicht, was doch eigentlich erst dem Jenseits vorbehalten ist. Heißt
es nicht: „Als Glaubende gehen wir
unseren Weg, nicht als Schauende“?
Mit diesen abstrakten Merkmalen in Symeons mystischer Schau kann sich jede
andere Religion anfreunden. Zwar gilt Symeon als Vater des immerwährenden
Jesusgebetes, das um Erbarmen fleht. Aber die Selbstaufopferung in den Tod
Christi wird übersprungen.
An dieser Stelle wird deutlich, dass die Orthodoxie durch
ihre verschobene Trinitätslehre die Neigung zu euphorischer mystischer
Erfahrung, die dem Kreuz und der Menschensohnschaft Jesu Christi ausweicht,
zumindest begünstigt.
Es wird ebenfalls erkennbar, dass eine pneumatologische
Ausrichtung ohne größere Hürden auch einen Ökumenismus zwischen den
unterschiedlichen Religionen befördern könnte – unter Verdrängung des
zentralen, allein heilsstiftenden Opfers Jesu Christi!
d. Mittelalterliche
Geistbewegungen
Die berühmteste mittelalterliche
Geistbewegung ist die der Katharer oder Albigenser. Sie entstand wohl im
11. Jahrhundert und trat erstmalig nachweisbar in der Gegend von Orléans als
Armenbewegung in Erscheinung. Wanderprediger vergaben Sünden durch
Handauflegen. Sie vertraten ein dualistisches Weltbild und lehrten, dass
ausschließlich die Feuertaufe (Geisttaufe) aus dem Gefängnis des Leibes und zum
Heil der Seele führe. Nach einer dreijährigen Initiationszeit erhielt der
Gläubige auf eigenen Wunsch diese Geisttaufe, bei den Katarern consolamentum („Tröstung“) genannt. Wer
dieses consolamentum per
Handauflegung durch die anwesenden perfecti
und durch Auflegen des Johannesevangeliums auf den Kopf erhalten hatte, galt
als perfectus oder perfecta („Vollkommener“). Ein perfectus oder eine perfecta musste ein asketisches Leben führen. Verboten waren
Verzehr von Fleisch, Geschlechtsverkehr, Lügen, das Schwören und viele andere
Dinge. Man versammelte sich formlos in Kirchen, privaten Häusern oder im
Freien. Erstmalig formierte sich eine regelrechte „Gegenkirche“ mit eigenen
Diözesen und Bischöfen (Vorstehern), Diakonen, den perfecti und den credentes
(einfachen Gläubigen). Sie hatte sich in Mittel-, West- und Südeuropa zu einer
großen Bewegung entwickelt und besetzte in Okzitanien und Oberitalien durch
ihre Unterstützung durch Regionalfürsten einige Diözesen. Im 13. Jahrhundert
zerstörte die Kirche diese Bewegung vor allem durch die Inquisition und den
Albigenserkreuzzug.
Einen weiteren Versuch, dem
Heiligen Geist ein besonderes Reich zuzuerkennen, unternahmen die Franziskanerspiritualen,
die sich auf die Drei-Zeitalter-Lehre des Joachim von Fiore stützten.
Joachim hatte aus der göttlichen Trinität ein Heilsgeschichtsmodell
herausgelesen, das bis heute in der charismatischen Bewegung geistert: Der alte
Bund sei das 1. Reich des Vaters, die Kirche das 2. Reich des Sohnes, und das
3. Reich nach der Wiederkunft Christi sei das Zeitalter des Heiligen Geistes.
Franziskanische Spiritualen bezogen dies auf ihren Orden und wollten den
wiederkommenden Jesus und das dann folgende 1000jährige Reich des Heiligen
Geistes durch verstärkte Askese empfangen, hatte Joachim doch vorhergesagt, das
3. Reich sei ein Zeitalter der Mönche. Der Franziskaner und Heilige Bonaventura
„baute“ den für endzeitlich gehaltenen, an einem extremen Armutsideal
orientierten „Reformator“ Franziskus von Assisi als Initialgestalt für das 3.
Reich des Heiligen Geistes in das Geschichtsmodell Joachims ein. Bonaventura
hielt Franziskus für den „Engel des 6. Siegels“ (Apk. 7, 2+3). Eine nicht
geringe Rolle spielt dabei, wie ich aus persönlichen Diskussionen immer wieder
erfahre, dass der heilige Franziskus kein formelles Priesteramt innehatte. Er ist so der Prototyp eines nicht sakramental, sondern vom
Heiligen Geist informell
bevollmächtigten Reformers, das geisterfüllte Ideal des Priestertums aller
Gläubigen. Der heilige Franziskus selbst hat die Autorität des Lehramtes aber niemals
bezweifelt oder missachtet.
Die Sehnsucht nach der „wahren“ und
durchschlagenden „Reform“ und dem Beginn eines Heiliggeist-Zeitalters durchgeistert
die Kirche seit mindestens 1000 Jahren und drückt sich in verschiedenen
Ordensreformen und schließlich säkularisierten, politischen Erneuerungswünschen
und der Etablierung einer Mentalität permanenter, anspruchsvoller Unzufriedenheit
aus. Selbst die wirre Ideologie der Nationalsozialisten übernahm aus Joachims
Gedankengut Versatzstücke für ihre politische Heilslehre.
Es darf nicht verschwiegen werden,
dass Jorge Mario Bergoglio allgemein, aber offenbar selbst im vatikanischen Hofprediger
Pater Cantalamessa einen neuen Aufguss solcher pneumatischen Hoffnungen geweckt
hat, denn der predigte am Karfreitag 2013 u.a. folgende Sätze:
„Wir müssen unser
Möglichstes tun, damit die Kirche immer weniger jenem komplizierten Palast
ähnelt, den Kafka beschreibt, und ihre Botschaft frei und freudig aus ihr
hinaus kommen kann, genau wie in ihrer Frühzeit. Wir kennen die Hindernisse,
die den Boten aufhalten können: die Trennwände, angefangen bei denen, die die
verschiedenen christlichen Kirchen voneinander trennen; dann ein Übermaß an
Bürokratie, die Überbleibsel der Rituale, Gesetze und Streitigkeiten der
Vergangenheit, die heute überholt sind.
Es
ist wie mit manchen historischen Gebäuden. Im Laufe der Jahrhunderte hat man
sie den Bedürfnissen des jeweiligen Augenblicks angepasst und mit Trennwänden,
Treppen, Zimmern und Zimmerchen angefüllt. Es kommt der Augenblick, da man
merkt, dass all diese Anpassungen nicht mehr den aktuellen Anforderungen
entsprechen, im Gegenteil sogar ein Hindernis darstellen, und dann muss man den
Mut besitzen, sie alle abzureißen und das Gebäude wieder in den einfachen und
klaren Zustand zurückzuführen, den es gleich nach seiner Erbauung besaß. Das
ist der Auftrag, den einst ein Mann erhielt, der vor dem Kreuz in San Damiano
betete: „Franziskus, geh hin und stelle mein Haus wieder her.“
Und er beendete seine Ansprache mit
folgenden pathetischen und euphorischen Worten:
„Möge der Heilige Geist in diesem Augenblick, da für die Kirche eine
neue Zeit anbricht, voller Hoffnungen und Versprechen, in den Menschen die an
ihren Fenstern sitzen die Erwartung der Botschaft wieder wecken, und in den
Botschaftern den Willen, sie ihnen selbst unter Lebensgefahr zu bringen.“
Man möchte müde abwinken und sagen:
Ach geh! Seit dem Konzil hören wir von ständig anbrechender neuer Zeit, neuem
Pfingsten und von Fenstern, die aufgerissen werden oder als Warteplatz ewig
hoffender Reformsehnsucht dienen sollen.
Allein das Ausbleiben guter Früchte
seit 50 Jahren gibt Auskunft über den Geist, der hier wirkt.
Die
Reformation und der Heilige Geist
Ohne auf die verschiedenen
Strömungen des 16. Jahrhunderts eingehen zu können, sei soviel gesagt, dass die
Reformation prinzipiell an der römisch-katholischen Lehre vom Heiligen Geist
festhielt, was Dessen Gaben und Früchte betrifft. Die sieben Gaben sind:
Weisheit, Verstand, Rat, Stärke, Erkenntnis, Frömmigkeit, Gottesfurcht. Die
Früchte des Geistes sind: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte,
Langmut, Sanftmut, Treue, Bescheidenheit, Enthaltsamkeit, Keuschheit.
Allerdings lehnt der
Protestantismus das vermittelnde Weihepriestertum und die Sakramente teilweise
sogar ganz ab. Er glaubt nicht, dass der Priester in persona Christi durch die Sakramente wirkt. Es stellt sich also
die Frage, woher der protestantische Gläubige den Heiligen Geist erhält, wie Er
bei ihm bleibt und worin das erfahrbar ist. Menke stellt jedenfalls fest, dass
die protestantische Tradition das „Voraus“ des Geschenkes Christi mit dem
Begriff der „Alleinwirksamkeit“ verbunden habe. Man verstehe darunter das
pneumatische Wirken des zum Vater erhöhten Erlösers. Aus diesem Grunde werde
sehr häufig nicht mehr zwischen dem Erlöser selbst und dem Heiligen Geist
unterschieden. Der historische Jesus werde aufgehoben in eine pneumatische
Omnipräsenz. Die Rechtfertigung des Sünders geschehe so durch diesen
pneumatischen Christus, der im Inneren des Gläubigen wirke, ohne dass dieses
Wirken geschichtlich vermittelt werden müsse.
Wenn das so sein sollte, wäre
jedenfalls leicht erklärbar, wie aus dem freikirchlichen Protestantismus die
Pfingstbewegung entstehen konnte, auch wenn sich pietistische Verbände schon
1909 entschieden und mit Argumenten, die auch für uns Katholiken schlüssig
sind, von dieser Bewegung distanziert haben. Immerhin hat die pietistische
Bewegung viele katholische Elemente erhalten und ist als Frömmigkeitsbewegung unter
Rückbesinnung auf verlorene Traditionen (Jesus-Frömmigkeit,
Diakonissen-Schwesternschaften/Kommunitäten) aus dem verknöcherten und
erstarrten Luthertum entstanden, das an der Verwerfung der gesunden
katholischen Tradition zu ersticken drohte.
Die
pentekostale Bewegung und die charismatische Erneuerung
Im Zentrum sämtlicher pentekostalen
und charismatischen Bewegungen steht das „Wirken des Heiligen Geistes“, dessen
Zeitalter um die Wende des 19./20. Jahrhunderts angebrochen sei. Die
Pfingstbewegung entstand aus dem Protestantismus in den USA und teilt im
wesentlichen alle ethischen Standpunkte und die Überzeugung von der
Verbalinspiration der Bibel, die alle Evangelikalen gemeinsam haben. Der
Protestantismus bietet durch seine Ablehnung des Weihepriestertums und seine
abschlägige Haltung zu den Sakramenten und wegen der weitreichenden Durchsetzung
des „Priestertums aller Gläubigen“ eine ideale Grundlage zur Bildung der
Pfingstbewegung. Sie erachtet auf der Basis des Priestertums aller Gläubigen
die Geistesgaben für notwendig, um wieder der Urgemeinde zu ähneln, die, ganz
in der reformatorischen Tradition des ad
fontes als Ideal vor Augen gestellt wird. Diese Geistesgaben sind die Gaben
der Krankenheilung, der Prophetie und der Zungerede, eben jene Gaben, die der
Heilige Paulus zurückgedrängt hatte…
Charismatische oder pentekostale Gottesdienste
sind laut, lassen keine Stille zu, untermalen selbst Gebete mit Rockbandmusik.
Die Teilnehmer klatschen, tanzen, schreien unkontrollierte Worte wie
„Halleluja“ und Unverständliches in Zungenrede, das - entgegen der Anweisung des heiligen Paulus
– in der Regel nicht übersetzt wird. Der Gesang wird als „Lobpreis“ oder „Anbetung“
bezeichnet. Es kommen spontane Propheten zu Wort, „Krankenheilungen“ werden
durch Handauflegung durch Laien vollzogen. Die Predigten kreisen vor allem um
das Thema „Heiligung“. Die Bewegung hat daher durchaus asketische Züge und
stellt an den einzelnen hohe sittliche Ansprüche.
In den 1960er Jahren des 20.
Jahrhunderts konnte diese Bewegung in die katholische Kirche eindringen und hat
dort inzwischen einen wahren Eroberungsfeldzug in der nach dem Vaticanum II
vielfach verwüsteten Glaubens- und Frömmigkeitspraxis durchgeführt. In aller
Regel bekennen sich katholische Charismatiker zum konservativen sittlich-moralischen
Wertekanon. Problematisch und schizophren ist jedoch das Verhältnis zur
objektiven sakramentalen Struktur der Kirche. Vielfach erfüllen Laien die
Aufgaben der Kleriker. Dieser Umstand ist durch die nachkonziliare Betonung des
„Priestertums aller Gläubigen“ auch in der katholischen Kirche und die Sinnentleerung
und Aufweichung liturgischer Abläufe gut vorbereitet worden. Sowohl Paul VI.,
als auch Johannes Paul II. und Benedikt XVI. haben die „Charismatische
Erneuerung“ in der katholischen Kirche willkommen geheißen und unkritisch
gewähren lassen.
Papst Franziskus bekannte sich nach
dem Weltjugendtag in Rio 2013 im Flugzeug vor Journalisten ausdrücklich dazu,
sich zur charismatischen Erneuerung „bekehrt“ zu haben und hat sich von einem
Pfingstprediger segnen lassen.
Die charismatische Erneuerung
verbindet sich mit einem überzeichneten Ökumenismus. Die alten Hoffnungen, die
schon immer an eine „Geistkirche“ geknüpft worden waren, sind zum scheinbaren
Glaubensgut geworden. In der nachkonziliaren, liturgisch stark
protestantisierten Kirche, wird insbesondere von den Jüngeren der Verlust der
objektiven, sakramentalen Struktur und der überlieferten Liturgie in
charismatischen Events aufgrund der Zerstörung, in der sie bereits aufgewachsen
sind, nicht mehr empfunden. Selbst Heilige Messen können in der allgemein
üblichen Verwilderung des Novus Ordo freizügig
ausgeführt werden. Charismatische Heilige Messen gehen mit der Band,
lautstarkem Lobpreis und entsprechend tendenziösen Liedern, spontanem und
unverständlichen Zungenreden des Zelebranten während des Hochgebetes und der
Heiligen Wandlung und dem ekstatischen Zungenrede-Echo der anwesenden Gläubigen
einher, was nach den liturgischen Regeln – wie so vieles andere - nicht erlaubt
ist und doch praktiziert wird.
In der neueren Zeit verbindet sich
der Charismatismus auch mit der Wallfahrt an kirchlich nicht anerkannte
Erscheinungsorte und mit dort empfangenen Botschaften und asketischen Geboten,
die anerkannte Erscheinungen verdrängen und das gebotene kirchliche Leben
unterminieren, auch wenn dort häufig eine scheinbare Rückkehr zu den
Sakramenten initiiert wird.
Eine Frucht für die Ortsgemeinden bleibt jedoch beharrlich aus.
Vollends gefährlich ist die
Vermischung von Charismatismus und Exorzismus bzw. wie man heute gerne sagt
„Befreiungsdienst“. Entgegen den kirchlichen Vorschriften werden die Dämonen
interviewt, teilweise, wie man mir mitteilte, über den Weg der Zungenrede,
was streng verboten ist. Abzulehnen ist dabei auch die Verwischung der Befugnis
zum Exorzismus. Normalerweise muss die Erlaubnis des Bischofs für jeden
einzelnen Fall gegeben werden. Unter den neuen Umständen, die einerseits das
Bewusstsein von Hölle, Teufel und Dämonen völlig ins Reich der Märchen verbannt
hat, hantieren nun andererseits freischaffende Priester und Laien als
Exorzisten und Befreiungsdienstler, ohne dass dies noch überschaut werden kann.
Selbst der Chefexorzist des Vatikans, Don Gabriele Amorth, hat keinerlei
Hemmungen, auch dem anglikanischen Arzt Kenneth McAll die Fähigkeit zur
„Heilung“ durch die anglikanische Eucharistie zuzugestehen. Der antwortet auf
die Frage, ob er glaube, dass es möglich sei, die Eucharistie ohne Priester zu
feiern:
„Wenn ich mir wirklich bewusst bin, dass der Herr anwesend ist, brauche
ich keinen Priester, eben weil der Herr da ist.“
Ich habe selbst erlebt, wie in
einer charismatischen Veranstaltung eine Art Kollektivexorzismus, angefeuert
durch einen katholischen Laien und die unvermeidliche Rockband, durchgeführt
wurde. Nun will ich auf keinen Fall bestreiten, dass es okkulte Belastungen und
Besessenheiten geben kann. Und sicherlich ist die Beobachtung richtig, dass
unsere scheinbar „normalen“ Befangenheiten nicht nur einfach als „harmlose“
natürliche Schwächen betrachtet werden sollten. Wer die Lehre von der Erbsünde
ernst nimmt, muss anerkennen, dass hinter jeder Schwäche der adversarius, der Widersacher steht.
Dennoch gehört der geistliche Kampf gegen die Versuchung nicht in ein
kollektives, quasi-exorzistisches Zeremoniell, sondern in die Beichte und den
geduldigen und langfristigen alltäglichen Widerstand gegen die Sünde.
Exorzismen und exorzismusähnliche Zeremonielle, - wie zum Beispiel das
„Gebieten“ gegenüber Versuchungen - , sollten erst einmal darauf hin geprüft
werden, ob hier überhaupt die Notwendigkeit zu solchen „Geschützen“ angebracht
ist. Besonders unheimlich und gefährlich werden solche charismatischen
Aktionen, wenn dabei Handauflegungen und das berüchtige Auf-den-Rückenfallen
passieren. Wie bereits die Pietisten in der Berliner Erklärung von 1909
feststellten, muss man annehmen, dass die Geister, die hier vertrieben werden
sollen, auf diese Weise überhaupt erst herbeigerufen werden.
Der
Geist zeugt immer für den Sohn
Die Fixierung auf den heiligen
Geist entspringt also einer tief eingepflanzten Unzufriedenheit, die für
berechtigt und angemessen angesehen wird. Man kann jedoch fragen, woher diese
Unzufriedenheit, dieser ständige Reformhunger eigentlich stammt. Ich kann diese
Haltung weder bei Jesus noch bei den Aposteln finden. Die einzige Erwartung,
die wir haben sollen, ist die auf das Reich Gottes und die Wiederkunft Christi.
Es steht uns aber bei beidem nicht zu, zu wissen oder zu erzwingen, wann und
wie dies kommen soll. Unser Amt ist nach der Schrift – und so hat es die Kirche
immer verstanden – treu dem zu folgen, was unser Herr uns gebietet und das zu
erfüllen, was Er jedem einzelnen zur Aufgabe setzt. Der Heilige Geist führt uns
in unserem Herzen in der Nachfolge Christi. Die Gaben des Heiligen Geistes
empfangen wir in den Sakramenten.
Der Sohn ist nach Seinem eigenen
Zeugnis und dem anderer die Wahrheit, der
Logos, der Sinn. Durch Ihn und mit Ihm sind alle Dinge gemacht. Alles, was
ist, ist aus Ihm hervorgegangen und Ihm zuliebe erschaffen. Der Heilige Geist,
so heißt es, führt uns in die ganze Wahrheit. Die ganze Wahrheit aber ist der
Sohn, der gekreuzigte Gottmensch Jesus Christus. Der Heilige Geist gibt, sobald
Er auftaucht in den Evangelien, Zeugnis vom Sohn. In der vollkommen sündlosen, reinen Magd und Jungfrau Maria zeugt
der Heilige Geist als Seiner Braut mit deren vollem Einverständnis den Sohn
Gottes, „trägt“ Ihn also mit Ihr und durch Sie zu uns in unser Fleisch hinein. Die
Frucht des Geistes ist in uns also, wenn es recht steht, immer – Jesus, Gottes- und Mariensohn, der
Erlöser, der Gekreuzigte. Der Heilige Geist zeugt für den Sohn durch Elisabeth
(Mariae Heimsuchung). Er zeugt für den Sohn durch Simeon und Hanna (Mariae
Lichtmess). Er zeugt für den Sohn durch Zacharias (Lobgesang des Zacharias). Er
zeugt für den Sohn in Gestalt einer Taube bei Jesu Taufe im Jordan durch
Johannes. Er zeugt für den Sohn auf dem Tabor. Ebenso bringt der Heilige Geist
den Diakon Philippus zu dem Kämmerer aus Äthiopien, damit der ihm die Schrift
auf Christus hin auslege, und der Fremde lässt sich sofort taufen.
Das Pfingstereignis muss in diesem
Kontext verstanden werden als das Zeugnis des Vaters für den Sohn als dem geopferten
Heiland aller Völker und Sprachen, als der Wahrheit, die für alle gilt und sich
nun allen schenken will und als die Liebe des Sohnes zu den Menschen und zu
Seiner Braut, der Kirche, die Er sich aus allen Völkern ruft.
Es ist also schon mit diesen wenigen
Erinnerungen an die Lehre, die aus den Evangelien, der Apostelgeschichte und
einigen Pastoralbriefen hervorgeht, klar erkennbar, dass der Heilige Geist immer
auf den Sohn verweist und sich niemals neben dessen zentraler Position für uns
Menschen verselbständigt.
Der Heilige Geist ist Tröster und Beistand
in der Zeit, in der die Kirche nach Christi Himmelfahrt auf Seine zweite
Ankunft wartet. Wo der Heilige Geist ist, da ist Jesus Christus. Und wo Jesus
Christus ist, da ist der Heilige Geist. Ohne den Sohn, den wir durch den
heiligen Geist als den Sohn erkennen, können wir den Vater nicht sehen. Für uns
gilt immer: Ubi Spiritus sanctus ibi
Crucifixus.
Allen alten und neuen reformatorischen
und „reformerischen“ Strömungen innerhalb der Kirche, so konträr sie auf den
ersten Blick erscheinen mögen, liegt eine pneumatische Fiktion zugrunde. Diese
Fiktion ist also nicht neu und schon gar nicht modern, sondern ein Motiv, das
so alt wie die Kirche selbst ist.
Die Kirchenkrise nach dem Vaticanum
II hängt unmittelbar mit der Propagierung und Durchsetzung solcher Konzepte
einer „pneumatischen Kirche“ durch das Lehramt selbst zusammen.
Das apostolische Hirtenamt, das
sich nach dem Auftrag des Herrn ausschließlich als bewahrender und
vermittelnder Dienst und vollkommene Unterordnung unter das objektive depositum fidei verstanden hatte, erlitt
durch seine konziliare Selbst-Relativierung den Todesstoß. Wir erleben eine
gigantische Berufungskrise des Priestertums, die die Zahl der Berufungen
dezimiert und die, die sich berufen glauben, in schwere Irrtümer, einen
überfordernden Zwang, sich im Amt aufgrund subjektiver Erfahrung und
Überzeugung selbst zu setzen und schließlich den Verlust des tragfähigen Sinns
einer Priesterberufung gestürzt hat. Unsere Bischöfe leben das fette Leben von
Diplomaten, die oft genug ihre Priester in Loyalitätskonflikte im Gehorsam
gegen sie selbst, die Kirchenlehre und den Papst bringen. Dass das Papsttum
sich in einer tiefen Krise befindet, ist spätestens nach dem Rücktritt
Benedikts XVI. überdeutlich geworden.
Sakramentale Handlungen muten heute
wie LARP-Performances an.
Als Priester verkleidete Männer spielen katholische Kirche, wie sie mal war,
aber nicht mehr ist und kombinieren sie mit spacigen Fantasy-Elementen nach
Geschmack. Eben noch standen sie am Altar und küssten das Evangelium, dann
hampeln sie in Soutane oder zumindest Kollar auf einem charismatischen Lobpreis
herum und wieder etwas später ziehen sie ein selbstgebautes geistliches
Laserschwert gegen alle jene aus ihrem Zingulum, die sie daran erinnern, dass
diese Kirche heilige Normen hat, dass ein Priester die Würde eines
Gottgeweihten haben sollte und sich nicht wie jedermann gehenlassen darf… In
diesem Moment erinnern sich flugs alle wieder ihrer hochwürdigsten … Autorität,
die sich von nichts und niemandem mahnen zu lassen braucht.
Heiliges Theater!
Der
Sturz vom Tempeldach
Das pneumatische Konstrukt beruht
auf der Vorstellung, dass die Freiheit des Heiligen Geistes der sichtbaren,
objektiven Ordnung des Leibes Christi entweder übergeordnet oder parallel
gesetzt sei. Man denkt sich den Heiligen Geist als subversive,
antiinstitutionelle Kraft. Man übersieht, dass in einer solchen theoretischen
Setzung nicht mehr mitbedacht wird, dass man den angenommenen „Heiligen Geist“
mit einem Dämon verwechseln könnte, fehlt doch jedes stabile Kriterium für die Göttlichkeit
des Geistwirkens. Die häufigen Warnungen in der Heiligen Schrift vor den bösen
Geistern, vor deren Verführungskünsten niemand gefeit ist, die eindringliche
Einschärfung der Vorsicht vor den Verstellungskünsten des Satans gehen den Geist-Schwärmern
zum einen Ohr hinein und zum anderen heraus. Die erwähnte Willens- und
Vernunftschwäche durch die angeblich geistbezeugende psychische Erregtheit und
emotionale Aufgewühltheit öffnet den Dämonen jedoch Tor und Tür in die Seele.
Eine in diesem Sinn „pneumatische“
Kirche, eine „Geistkirche“ ist ein konkurrierendes, destruktives Konzept zur
sakramentalen Struktur der traditionellen Kirche Jesu Christi.
Ausgerufen wurde der Wandel von
einer sakramentalen zu einer pneumatischen Kirche durch Johannes XXIII. In
fahrlässiger und fragwürdiger Weise glaubte dieser Papst, vor dem Konzil und im
Hinblick auf dasselbe sowohl einen „neuen apostolischen Abendmahlssaal“
als auch ein „zweites Pfingsten“
ankündigen und erwarten zu dürfen. Große Hoffnungen auf eine
Heiliggeist-Erneuerung setzte auch Kardinal Suenens, einer der progressiven
Hauptakteure des Konzils. Von ihm berichtet Pater Cantalamessa, selbst
euphorisch gestimmt:
„Als
Kardinal Suenens, einer der Hauptakteure des Zweiten Vatikanischen Konzils,
1973 zum ersten Mal von der Charismatischen Erneuerung hörte, war er gerade
dabei, ein Buch mit dem Titel „Der Heilige Geist – Quelle unserer Hoffnung“ zu
schreiben. In seinen Memoiren erzählt er:„Ich
unterbrach meine Arbeit an diesem Buch. Es schien mir eine Frage der
elementarsten Konsequenz, dass ich erst beobachten müsse, was der Heilige Geist
gerade wirkte, so erstaunlich es auch zu sein schien. Dieses Neuerwachen der
Charismen interessierte mich auf ganz besondere Weise, weil das Konzil ein
solches Erwachen ja gewünscht hatte.“
Uns scheint solche Hybris zur
Selbstverständlichkeit geworden zu sein, nachdem vor allem Johannes Paul II.
gerne und häufig in dieser Metaphorik redete und schrieb und jede geistliche
Bewegung als eine pfingstliche Frucht des Konzils betrachtete – mit Ausnahme
der Bewegung um Erzbischof Marcel Lefèbvre, der die katholische Tradition
vertrat und damit ganz gewiss dem ersten, in der Heiligen Schrift bezeugten,
nicht aber dem zweiten Pfingsten, für das weder eine objektive Notwendigkeit
noch überhaupt eine aus der Lehre begründbare Möglichkeit vorlag, zuzurechnen
war. Macht man sich klar, dass sowohl das Letzte Abendmahl Jesu Christi mit den
Aposteln, auf dem Er die Heilige Eucharistie gestiftet und die apostolische
Sendung ausgesprochen hat, als auch Pfingsten, das Geburtsfest der Kirche, bei
dem der Heilige Geist ein für allemal mit der Weltkirche, mit „allen Zungen“
verbunden wurde, singuläre heilsgeschichtliche Initialereignisse waren und
sind, kommt unweigerlich die Frage auf, wieso die Kirche eigentlich einen „neuen
apostolischen Abendmahlssaal“ und ein „zweites Pfingsten“ nötig hat, was denn
statt dieser ersten Initialzündung nun als zweite Initialzündung hätte verkündet
werden müssen?
Diese Frage hat bisher noch niemand
schlüssig und überzeugend beantworten können…
Festzuhalten ist aber, dass das einzige legitime Pfingsten, das, das uns die Apostelgeschichte erzählt, eine reiche Frucht hervorgebracht hat, nämlich die Kirche, die sich in die ganze Welt, zu allen Völkern und auf allen Kontinenten verzweigt hat. Die zweiten, dritten, vierten, unzähligen und illegitimen Nachäffungen des Pfingstfestes, die wir seit 1965 über uns ergehen lassen müssen, haben die Axt an die Wurzel des Baumes gelegt, den das erste Pfingsten hat aufwachsen lassen.
Es fällt bereits bei Johannes
XXIII. auf, dass im Zentrum seines Denkens nicht mehr der Gekreuzigte steht,
sondern die Wahrung der Schätze der Vergangenheit aus formal-ästhetischen
Gründen, wie zum Beispiel die universale lateinische Sprache
oder die Priesterkleidung und die Meinung, auf der Basis dieser „erhabenen Weisheit
der Alten“ könne die Kirche heute abheben und sich vom Tempeldach stürzen, um
der Welt auf wunderbare Weise zu zeigen, dass sie aus der Wahrheit und geeignet
sei, das gesamte Menschengeschlecht friedlich zu integrieren, was noch niemals
das Ziel kirchlicher Verkündigung, sondern politischer Enthusiasten war. Das
Konzil sollte dafür die Flugbasis hergeben und alle Vorsicht, die die
Vorgänger, die „Unglückspropheten“, die „immer nur das Schlechte befürchten“, denen
es an „Takt“ und „Feingefühl“ gefehlt hat, wie Johannes XXIII. großspurig
behauptet hatte, walten
ließen, über Bord werfen. Bereits hier greift man sich an den Kopf,
verständnislos ob dieser Schizophrenie, die einerseits in einer fast
verknöcherten Weise im Stile ältlich-humanistischer Gymnasialpädagogik aus der
„Weisheit der Alten“ schöpfen und andererseits ohne Fallschirm abspringen will
im Wahn, die Engel würden den Stürzenden schon rechtzeitig auffangen. Die
Ahnung steigt auf, dass Johannes XXIII. der Versuchung des Satans in der Wüste,
die unser Herr in Demut abgewehrt hat, nicht standhält. Unser Herr erwiderte
dem Teufel auf die Aufforderung, sich vom Tempeldach zu stürzen und von Engeln
auffangen zu lassen, um zu beweisen, dass Er Gottes Sohn sei: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf
die Probe stellen.“
Johannes XXIII., zur Zeit der
Einberufung des Konzils bereits ein betagter Mann, stürzte die Kirche in ein
satanisches Schauwunder. Er wollte beweisen, dass die Kirche nicht zerschellen
würde, wenn sie sich vom Tempeldach stürzte, um endlich der Welt
entgegenzukommen, vor der sie sich bislang abgeschlossen habe. In der Tat kommt
einer, der sich vom Dach stürzt, dem Boden näher. Die Warnung, dass niemand
Gott ungestraft versuchen darf, hat längst ihre Richtigkeit bewiesen.
Aber die Metaphorik Johannes XXIII.
legt noch eine weitergehende Interpretation nahe. Die Kirche, die man aus ihrer
Bastion reißt in der Absicht, einen „neuen Abendmahlssaal“ und ein „zweites
Pfingsten“ zu erzeugen, soll im freien Absturz aus ihren Ordnungen den Flügeln
des „Pneumas“ überlassen werden, das sie auffängt und in weite Höhen fliegen
lassen wird.
Diese Rede ergäbe keinerlei Sinn,
wenn sie nicht darauf abzielte, die tradierte sakramentale Kirche durch eine
neue „Geistkirche“ zu ersetzen. Die Kirche der Jahrhunderte zuvor wusste um den
Gegensatz zwischen Kirche und Welt, wusste um die heilsgeschichtliche
Entwicklung auf das Ende hin. Johannes XXIII. fegt dieses Wissen, das immerhin
auch in unfehlbaren Dogmen ausgedrückt ist, mit einem Handstreich weg:
„In der gegenwärtigen Entwicklung der menschlichen Ereignisse, durch
welche, die Menschheit in eine neue Ordnung einzutreten scheint, muß man viel
eher einen verborgenen Plan der göttlichen Vorsehung anerkennen. Dieser
verfolgt mit dem Ablauf der Zeiten, durch die Werke der Menschen und meist über
ihre Erwartungen hinaus sein eigenes Ziel, und alles, auch die entgegen gesetzten
menschlichen Interessen, lenkt er weise zum Heil der Kirche.“
Von welcher „gegenwärtigen
Entwicklung der menschlichen Ereignisse“ spricht Seine Heiligkeit? Meint er
den Vormarsch des Kommunismus? Oder den „Kalten Krieg“, der damals die Menschen
in Atem hielt? Oder die verschwörerischen politischen Aktionen der Vereinigten
Staaten und ihrer Geheimbünde? Was meint er mit dem Anschein einer „neuen Ordnung“ der Menschheit? Woher
sein Optimismus kurz nach einem mörderischen, bestialischen Krieg mit Millionen
Toten und verheerenden Verwüstungen, dessen Folgen auf Jahrzehnte hin unselige
Spuren hinterlassen würde?
Eine „neue Ordnung“, die die göttliche Vorsehung nun
einläuten will? In seiner Enzyklika „Pacem
in terris“ referiert Johannes XXIII. vor allem den Katalog der
Menschenrechte und die Konsequenzen daraus für das geordnete Leben im
bürgerlichen Staat, so als sei das das Wesen der christlichen Botschaft der politische
Humanismus. Im Abschnitt über die „Zeichen
der Zeit“ führt er aus, was er möglicherweise mit der „Neuen Ordnung der Menschheit“ meint: Emanzipation der
Arbeiterklasse, Emanzipation der Frau, Emanzipation der Völker zu einer
einzigen, friedlichen „Menschheitsfamilie“.
Das sind also die „Zeichen
der Zeit“, die der Heilige Geist uns zum Zwecke eines „Neuen Pfingsten“ erkennen lässt?
Das Seltsame an den Äußerungen
Johannes XXIII. ist, dass das depositum
fidei absolut nichts weiß von einer positiven „Neuen Ordnung“, in die die Menschheit eintreten würde, bevor der
Herr wiederkommt. Die Schrift weiß allerdings vom Wahn der Menschen, es
herrsche nun „Friede und Sicherheit!“,
wenn die Ankunft Jesu Christi sie wie ein „plötzliches
Verderben“ überfallen wird. Die
Heilsgeschichte kennt nach Pfingsten nur das konstruktive Warten auf die
baldige Wiederkunft des Herrn, die Vorsicht vor dem Geist der Welt, der im
Gegensatz zum Heiligen Geist steht und die Bereitschaft, dem Herrn ans Kreuz zu
folgen. Dass das „Bald“ hinsichtlich der Wiederkunft ein wenig länger ausfällt,
als der Mensch sich dies vorstellt, berechtigt jedoch keineswegs zu
Spekulationen darüber, was der allmächtige Gott sich für die Wartephase
ausgedacht hat.
Euphorische apokalyptische
Lehren, wie sie in der charismatischen Bewegung häufig anzutreffen sind, die
eine wachsende globale Anbetungs- und Lobpreisbewegung vor der Wiederkunft
ankündigen, stehen im direkten Widerspruch zur Heiligen Schrift, die einen
großen Glaubensabfall und die Erscheinung des Antichristen im Tempel des Herrn
(!) vorhersagt.
Uns bleibt, was Jesus uns gelehrt hat, was ein für
allemal offenbart ist, immer tiefer zu entfalten, wenn Er es uns gibt, bis Er
kommt.
Unsere Aufgabe ist es, alles daran zu setzen, heilig
zu werden mit Seiner Hilfe. Das reicht für ein ganzes Leben und für das gesamte
Zeitalter der Kirche. Lassen wir uns ein letztes Mal von Pius XII. die große
Hoffnung der Geistesgaben erklären, die unser Herr uns durch den Heiligen Geist
auszuteilen gedenkt:
„Christus ist Begründer und Urheber der Heiligkeit. Denn es gibt keinen
heilbringenden Akt, der nicht aus Ihm als seiner übernatürlichen Quelle sich
herleitete. (…) Besonders die hervorragenderen Glieder seines mystischen Leibes
beschenkt unser Erlöser unaufhörlich mit den Gaben des Rates, der Stärke, der
Furcht und der Frömmigkeit, damit der gesamte Leib von Tag zu Tag mehr und mehr
zunehme an Heiligkeit und Reinheit des Lebens. Und wenn die Sakramente der
Kirche mit einem äußeren Ritus gespendet werden, dann bringt Er selber die
Wirkung in den Seelen hervor (S. Thom., III, q. 64, a. 3. 2). Ebenso ist Er es,
der die Erlösten mit seinem Fleische und Blute nährt und die wirren, erregten
Leidenschaften beruhigt. Er vermehrt die Gnade und bereitet die Glorie für
Seele und Leib.
In diesem Sinne sollen wir den heiligen Paulus
verstehen, wenn er uns mahnt:
„Dankt für alles; denn das will
Gott von euch, die ihr Christus Jesus gehört. Löscht den Geist nicht aus.
Verachtet prophetisches Reden nicht! (…)
Der Gott des Friedens heilige
euch ganz und gar und bewahre euren Geist, eure Seele und euren Leib unversehrt,
damit ihr ohne Tadel seid, wenn Jesus Christus, unser Herr, kommt.
Johannes XXIII.,
Ansprache zum Abschluss der ersten Konzilsperiode, 8. Dezember 1962 „Es wird wirklich das "neue Pfingsten" sein, das die Kirche
in ihrem inneren Reichtum und in ihrer mütterlichen Hinwendung auf alle
Bereiche menschlicher Tätigkeit erblühen lassen wird; es wird ein neuer Vorstoß
des Reiches Christi in der Welt sein, ein immer höheres und überzeugenderes Wiederbestätigen
der Frohbotschaft Gottes, der menschlichen Brüderlichkeit in der Liebe, des
verheißenen Friedens auf Erden für die