Samstag, 14. Mai 2016

Die Frauenkrise (VI): "Komplementariät der Geschlechter" in der Kirche?



3.4. Die Kirche hat bis weit ins 20. Jh hinein offiziell niemals die „Komplementarität der Geschlechter“ gelehrt!

Manche werden mir widersprechen und sagen: Aber seit dem Vaticanum II ist doch die Stellung der Frau in der Kirche wesentlich verbessert worden!
Ich frage zurück: Ist das wirklich so?
Das Vaticanum II hat eine Klerikalisierung einerseits und einen umständlich-zähen Gremienkatholizismus andererseits geschaffen, in dem sich Funktionärinnen ebenso ausbreiten wie Funktionäre.
In der Theologie gibt es hervorragende, vor allem kirchenhistorische Studien und einige wenige große philosophische Entwürfe.
Aber so etwas wie ein eigenständiges theologisches und dabei auch überzeugendes geistliches Werk sucht man vergebens: man wähnt sich in einem Treibhaus, das sich neben der Kirche platziert hat, über alles in überspannten Gesten unter maximaler kollektiver Kontrolle zu parlieren und zu forschen vermag, aber doch im Ergebnis geistige Blüten erzwingt, die in der freien Natur und im freien Wehen des Heiligen Geistes sofort in sich zusammensinken müssten. Die Entwicklungen folgen dabei männlichen Vorgaben und laden Frauen seit dem Vaticanum II in einem finalen Zerstörungsakt dazu ein, sich diesen Vorgaben auf Gedeih und Verderb unterzuordnen, um „endlich auch tätige Teilhabe zu gewinnen“. Mich erinnert das an die Strategie der osmanischen Besetzer auf dem Balkan, die keinen Nichtmuslim in höheren Positionen zuließen. Sobald ein Christ Muslim wurde, standen ihm alle Wege in den Aufstieg offen. So hat man es mit der Frau gemacht… Wenn sich Frauen diesen Vorgaben unterwerfen, kommen sie trotzdem über eine bestimmte unsichtbare Grenze nicht hinaus, weil die Schlüsselpositionen der Macht ausschließlich vom Mann besetzt sind und nach seinem Willen ein für allemal ihm „gesichert“ bleiben. Wir werden noch sehen, woran das liegt.

In jedem Fall hat die Kirche eben gerade nicht das Frausein als „komplementär“ zum Mannsein gelehrt. Wenn wohlmeinende Konservative an die „ewige Lehre der geschlechtlichen Komplementarität“ in der Kirche glauben, sind sie falsch informiert. Johannes Paul II. hat sich viel zu spät und sehr gewunden mit der Enzyklika „Mulieris dignitatem“ des lange vernachlässigten und doch subtil permanent missbrauchten Themas „angenommen“. Er mogelt sich ähnlich wie Leo XIII. um die niederschmetternden historischen Realitäten auch im christlichen Abendland herum.
Eine starke Lobby – so erscheint es - hat in der Kirche von Anfang an verhindert, dass das Frausein als ein eigenständiges Menschsein mit einem vollwertigen und nicht „verminderten“ Aufgabenbereich aufgefasst wurde. Die Frau als „schwächerer Mann“ mit einer Art „Defekt“ war das Leitbild in der Kirche. Wenn sich heutige Konservative so lautstark empören über den postmodernen „Genderismus“, sollten sie sich vor Augen halten, dass die Kirche den falschen Lehren gewisser Star-Kirchenlehrer niemals widersprochen hat, die der Frau gerade eine solche eigenständige komplementäre Rolle abgesprochen haben. Im Grunde – gegen den Strich betrachtet – ist die thomistische Lehre über die Frau purer „Genderismus“ insofern, als er von einer zwar ungleich verteilten, aber dennoch totalen „Gleichheit“ von Mann und Frau ausgeht: die Frau ist nichts als ein physisch und geistig schwächeres Mannsein, ein „Mannsein light“:

„Sed mulier naturaliter est minoris virtutis et dignitatis quam vir, semper enim honorabilius est agens patiente, ut dicit Augustinus XII super Gen. ad Litt.» [1]

(« Die Frau ist natürlicherweise von geringerer Kraft und Würde als der Mann, immer aber ist würdiger das Agierende gegenüber dem Erduldenden, wie Augustinus sagte….  »)

Der Denkansatz sowohl des heiligen Augustinus als auch des heiligen Thomas entstammt einem hellenistischen, möglicherweise sogar gnostischen Kontext, der voraussetzt, dass die Frau eine externe, schwächere Gestalt des Mannes ist und deshalb „natürlicherweise“ unter seinem Diktat zu stehen hat. Jedes weitere Nachdenken und Ausloten der Schrifttexte „friert“ in dieser Formel förmlich ein und tut alles, um nur sie nicht in Frage stellen zu müssen, obwohl sie sich nicht in der Schrift findet. Und beide stehen ratlos vor einem Phänomen hinsichtlich der Frau, das sie wenigstens – da sei positiv vermerkt  - redlich benennen:

Gott also habe den Menschen als Mann geschaffen, die Frau aber als eine abgeschwächte Variante des Mensch- bzw. Mannseins. Es hilft nichts, wenn Thomas von Aquin sich darauf herausredet, dass dieser schwächere „Ableger“ des Mannes ja in seiner gehorchend-dienenden Rolle, - hermetisch vom Mann abgegrenzt, der stets der „Führer“ ist - , als subordinierter „Mindermann“ sehr wohl in sich „vollkommen“ gewesen sei. Er gerät dabei in Kollision mit seiner gesamten Argumentation, die auf diese Weise eben doch in der „Herausnahme“ der Frau aus dem Mann (anders als bei den verschiedengeschlechtlichen Tieren) eine „besondere Verbundenheit“, eine „socialis coniunctio“[2] anzunehmen gezwungen wird. Die wiederum aber bestehe darin, dass die Frau – im Gegensatz zu den Weibchen bei den Tieren - nicht eigenständig sein könne. Eine solche Argumentation beraubt die Frau also der Eigenständigkeit, die selbst den Weibchen der Hunde und Katzen zugebilligt wird? Zum Ausgleich dafür hat sie, wenn auch vermindert, an der Vernunft des Mannes Anteil?
Thomas tastet sich immer wieder zurück auf die Positionen Augustins und gipfelt in einem verwirrenden (wie es scheint von ihm unerkannt), doch auf etwas ganz Anderes verweisenden Zitat:

„Non habuit prima rerum conditio ut femina omnino sic fieret; sed tantum hoc habuit, ut sic fieri posset. Et ideo secundum causales rationes praeextitit corpus mulieris in primis operibus, non secundum potentiam activam, sed secundum potentiam passivam tantum, in ordine ad potentiam activam creatoris.“[3]

(„Es war in der Schöpfung der ersten Dinge nicht enthalten, dass die Frau vollständig so werden würde, wie sie werden könnte. Und insofern hat der Frauenleib vorherexistiert aufgrund der Ursachengründe in den ersten Werken, nicht aber aufgrund der aktiven Kraft, sondern vielmehr aufgrund der passiven Kraft, der Schaffenskraft des Schöpfers in der Ordnung.“)

Wenn die Frau nicht zum „ersten Werk des Schöpfers“ gehört, also auch nicht zur Pflanzen- und Tierwelt, sondern nur eine „Potenz“ in demselben darstellt, die aber wiederum nur durch die Kraft des Schöpfers – nicht etwa des Mannes! - überhaupt Gestalt annehmen konnte, dann beginnen wir doch zu stolpern: Die Frau also als eine „zweite Schöpfung“, die potentiell in der ersten verborgen liegt – und dann soll sie darin ausgerechnet „schwächer“ als die erste Schöpfung sein?

Warum kommen Thomas samt Augustinus nicht auf den Gedanken, dass, wenn es so sein sollte, wie sie es sich zusammenreimen, die Frau tatsächlich weit hinausweist über diese „erste Schöpfung“ und ein geheimnisvolles Himmelszeichen war und ist und darum auch in besonderer Feindschaft zum Bösen steht? Dass das der tiefste Grund der Schlange war, die Frau anzufallen und erst in zweiter Linie den Mann, der eben nicht das Bindeglied zu dieser „zweiten“ Ordnung ist?
Warum will man in der Reihenfolge der Ansprache des Satans stets eine „Verkehrung“ der „Ordnungen“ sehen und nicht einen Hinweis auf eine tiefer liegende Ordnung, die durch die Sünde von beiden Geschlechtern und vom Mann ganz besonders aufgrund der „duritia cordis“, von der Jesus in seinem unerbittlichen Verbot der Polygamie und Scheidung so unverblümt sprach (nach Gen. 3, 16) mit allen Mitteln abgelehnt wird? Es hilft uns nichts, an einer gottgewollten Dominanz des Mannes zu kleben, denn ob es dem Traditionalismus nun passt oder nicht:
Gott hat für seine Menschwerdung zuerst eine Frau angesprochen und um ihr Jawort, ihm „Tabernakel“ und Mutter zu sein, gefragt, ihrem Mann dagegen sehr viel später erst Anweisungen erteilt. Dieser unerhörte Vorgang der behaupteten „Verkehrung der Ordnungen“, den auch Gott sich in dieser Geschichte zu eigen macht, kann nicht nur damit begründet werden, dass Maria – nach „demselben Schema“ - wiedergutmachen sollte, was Eva „angerichtet“ hat. Die Tatsache, dass die Frau hier immer an erster Stelle steht, gleich ob der Böse sie anspricht oder Gott, wird in der Schrift nicht in einem einzigen Buch in Frage gestellt oder kommentiert. Ein bloßes Wiedergutmachen hätte, wäre der Mann tatsächlich ontologisch betrachtet der „Dominus“ der Frau, folgerichtig unter seiner bestimmenden Schirmherrschaft passieren müssen und Gott hätte folgerichtig ihn zuerst ins „Boot“ holen müssen. Genau dies ist aber nicht geschehen: seine Schirmherrschaft wurde ihm angewiesen, eine Schirmherrschaft für die zuvor mit der Frau eigenständig abgesprochene Mission in der Menschwerdung Gottes…
Dieses Argument von der angeblichen „Verkehrung der Ordnung“ ist also in jedem Fall oberflächlich.
Man kann aus den biblisch bezeugten Vorgängen nur eines schließen: dass der Mann eben nicht den Vorrang hat, den er sich selbst zuschreibt. Daraus folgt allerdings nicht der „Nachrang“, den er traditionell so panisch fürchtet.

Die Frau ist das letzte Geschöpf, das nötig war, die erste Schöpfung generativ überhaupt in Gang zu bringen. Insofern gehört sie zur „ersten Schöpfung“, als der Mann ohne sie unfruchtbar bleibt. Ihre Erschaffung wird in Genesis 1 und 2 unter dem „Bereschit“, dem „Anfang“ erzählt. Nach dem Schöpfungsbericht wurde in aufsteigender Reihenfolge geschaffen – vom Einfacherem und Unbeseelten hin zum Komplexeren und Beseelen bis hin zum Ebenbild Gottes. Demnach ist die Frau das Geschöpf, das den Gipfel dieser Entwicklung darstellt. Dies wird relativiert dadurch, dass sie aus dem Mann genommen ist und nicht grundständig geschaffen wurde.
Diese Verbindung der „ersten Schöpfung“ mit einer nicht generativ, sondern grundständig aus der bereits vorhandenen Schöpfung Geschaffenen heraus, weist auf eine „zweite Schöpfung“, eine „zweite Ordnung“ hin.
Thomas von Aquin debattiert lange die Frage, wie aus einer einfachen Rippe eine komplexe Frauengestalt werden konnte und wie der Mann, da sie doch zu seinem vollkommenen Leib gehörte, schmerzfrei auf sie verzichten konnte, und kommt zu wenig hilfreichen Antworten, die den damaligen Erkenntnisstand auch noch bewusst unterlaufen. Immerhin gesteht er mit Augustinus Gott eine souveräne und für uns nicht erkennbare vernünftige Schaffenskraft zu.[4]
Gott baut, so sind wir gelehrt worden, für uns immer auf der Natur auf, um das Übernatürliche zu schaffen. Vielleicht ist es das, was sich in der Erschaffung der Frau bereits von Anfang an ausgedrückt und Gestalt gegeben hat. Unsere Leiber, die durch die Sünde dem Tod verschrieben würden, werden ja weder einfach geistig annulliert noch jenseits des Leibes in der „ersten Ordnung“ von Gott „neu gemacht“, sondern der verklärte Auferstehungsleib wird dem alten Leib ähneln. Auch daran erinnert die Konstellation zwischen Mann und Frau. Der Mann stellt in diesem Bild „das Alte“ dar, die Frau dagegen „das Neue“.

Gnostische Ideen versuchten sich gelegentlich an einer Rehabilitation der Frau, reichten aber niemals über eine Voll-Vermännlichung der Frau hinaus – ganz in der Logik der Vorstellung von der Frau als „defektem Mann“. Wir finden etwa im Thomas-Evangelium eine solche typische Stelle, die die Frau als verminderten Mann annimmt, aber durch perfektionierende Vermännlichung dem Mann gleichmachen will:

„Simon Petrus sagte zu den anderen: ‚Maria soll nicht mit uns mitgehen. Denn Frauen sind nicht würdig, das Leben zu haben.’
Jesus entgegnete: ‚Ich werde sie zu mir in den Bereich Gottes ziehen, dann ist sie nicht mehr weiblich (denn im Himmel gibt es nicht Geschlecht, Geburt und Tod), sondern genauso ein lebendiger männlicher Geist wie ihr. Ich sage euch aber: Eine Frau, die sich den Männern gleichmacht, kann eintreten in die Herrschaft Gottes.’[5]

Eine solche „gnostisch“ inspirierte Entwicklung haben wir in unserer abendländischen Geschichte durchlaufen. Sie setzt das Männliche als das „Freie“ und „Lebendige“ voraus und will das Weibliche als „Unfreies“ und „Tödliches“ loswerden.
Die Zuspitzung der maskulinen Macht mithilfe des funktionalen Gebrauchs von emanzipierten Frauen hat sich auch im äußerlichen Auftreten angezeigt: Frauen müssen sich im Sinne typischer Konventionen, die man Männern sozial zuschrieb „maskulinisieren“. Männlich anmutende Kurzhaarfrisuren, an der männlichen Kleidung orientierte Kleidungsschnitte oder „weibliche“ Aufmachung, die sich immer mehr der der Prostituierten oder der sexuell anzüglichen Kleidung des Mannes der vorigen Jahrhunderte angleicht[6], hautenge Röcke, Hosen und Blusen, allgemeine Farblosigkeit prägen das Auftreten der Frauen in der Arbeitswelt. Nur Künstlerinnen und wenige privilegierte Frauen können sich eine Kleidung und ein Auftreten erlauben, die von diesen Vorgaben abweichen und ausschließlich ihren eigenen fraulichen, persönlichen Interessen entspricht.
Der postmoderne Genderismus ist in den falschen lehren der bedeutendsten Kirchenlehrer bereits angelegt gewesen. Es wäre dringend notwendig, dass die Kirche sich dieser Tatsache aufrichtig stellt!

Frauen dürfen im liberalen Umfeld reden und forschen, was unter dem Diktat klerikaler Institutionen und Kollektive vorherbestimmt wird. Was davon abweicht, wird sehr oft nicht unterstützt und erstickt.
Im traditionalistischen Lager dürfen sie ohnehin nur sagen, was Männer vorausgedacht haben oder was allein ihre Belange als Frau, die sich bereitwillig unterzuordnen hat, wie der Mann es will, betrifft, oder sie soll am besten ganz schweigen und sich andächtig vom Mann belehren lassen. Auch dann, wenn er strohdumm und sie ihm überlegen sein sollte – Mann ist Mann. Begründet wird diese Haltung mit zwei Stellen in den Paulusbriefen, die aber noch genauer anzusehen sind.
Die großen weiblichen Kirchenschriftsteller des Mittelalters dürften jedenfalls heute in keinem der katholischen Lager mehr eine Chance haben. Die Liberalen würden sie nicht für voll nehmen, belächeln und ignorieren. Und von vielen Traditionalisten würden sie ebenfalls ignoriert oder aber, um sie, weil sie Frauen sind, mundtot zu machen, eiskalt verfemt. Letztere Mechanismen beschrieb die heilige Theresa von Avila bereits für ihre Zeit deutlich und ausführlich. Karl Lamprecht stellte sogar die These auf, der heilige Ignatius und seine Kompagnie hätten systematisch die mystische Tradition des Mittelalters, die eine direkte unio mystica zwischen dem Gläubigen und Gott ins Zentrum ihrer Exerzitien und Kontemplationen stellte, eine markant von Frauen getragene geistliche Bewegung, zugunsten einer totalen Willensunterwerfung der Gläubigen unter die irdischen Vorgesetzten vergessen gemacht.[7] Auch wenn immer wieder evoziert wird, der „Modernismus“ habe sich rückbesinnen wollen auf das freie Wirken des Heiligen Geistes bei den Gläubigen, ist das Ergebnis nicht überzeugend – anstelle eines stillen Gebetsraumes für den Heiligen Geist und reichlicher geistlicher Frucht hat man einen charismatischen Popanz erzeugt, der den Heiligen Geist in demokratischen Strukturen nach verfremdeter Schamanenmanier mehr oder weniger beschwören will wie ein Numinosum, über das wir mithilfe bestimmter magischer Handlungen verfügen könnten. Päpste, die sich im Ernst einbilden, sie könnten alle paar Jahre ein (konziliares) „Neues Pfingsten“ erzeugen, sind der Super-GAU in den beiden vatikanischen Reaktoren – und keiner begreift es, nicht die Progressiven und nicht die Modernisten und nicht die Traditionalisten… Es ist der Gipfel der geistlichen Verwahrlosung, wenn Päpste sich in dieser Weise für „vollmächtig“ halten und nicht mehr wissen, dass die Apostel die Ausgießung des Heiligen Geistes mit Maria zusammen bittend und betend erwarten mussten. Mit Maria, die doch die Braut des Heiligen Geistes ist, die der Mensch war und ist, die diesem Heiligen Geist am nächsten stand und steht – nicht einmal sie hätte gewagt, hier irgendetwas „beschwören“…


[1] Thomas von Aquin, s.th. I q 92 a 1, arg. 2
[2] A.a.O.: s.th. I q 92 a. 3 co
[3] A.a.O.: s.th. I q 92 a. 4 ad 3
[4] Thomas wehrt den damals schon in der Wissenschaft bedachten Gedanken, dass sich aus einer kleinen substanziellen Menge (unter der Hand Gottes) ein Großes (etwa wie bei der wunderbaren Brotvermehrung) erzeugen lässt, der sich aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse (Stammzellenforschung) inzwischen bestätigt hat, ohne Argumente scharf zurück. Vgl. s.th. q. 92 arg. 3 ad 1
[5] Thomas-Evangelium, Logion 114, in: Das neue Testament und frühchristliche Schriften. Übersetzt und kommentiert von Klaus Berger und Christiane Nord. Frankfurt a.M. 2005, S. 669 f
[6] Vgl. dazu Hanna Jüngling: Wie soll ein Katholik gekleidet sein? Blogartikel vom 9.7.2015 auf http://zeitschnur.blogspot.de/2015/07/wie-soll-ein-katholik-gekleidet-sein.html
[7] Karl Lamprecht: Deutsche Geschichte. 5. Band, 2. Hälfte, (Nachdruck einer älteren Ausgabe um 1900) Salzburg 2016. S. 631

Dienstag, 3. Mai 2016

Die Frauenkrise (V): "Wir alle spiegeln mit enthülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wider" - Exkurs über die "Mantilla"



3.3. "Wir alle spiegeln mit enthülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wider" - Exkurs über die „Mantilla“

Man schwärmt in Traditionalistenkreisen anhand der angeblich traditionell und für das Heil der Welt notwendigen und weitgehenden Unsicht- und Hörbarmachung der Frau im öffentlichen Raum, vor allem in Führungspositionen, die Frau verkörpere so etwas wie ein Geheimnis und müsse unter einem „Schleier des Geheimnisses“ verborgen sein. Damit redet man bei Licht besehen aber nur die wirklichen Motive des Schleierzwangs schön.
Der Schleier war nie etwas anderes als ein Symbol der Verneinung der Ebenbildlichkeit der Frau zu Gott, ihrer „Gefährlichkeit“ oder ihrer totalen Unterwerfung. Es wurde vor allem der verheirateten Frau aufgezwungen als „Markierung“, dass sie einen „Eigentümer“ hat. Nur wenige Regionen in der christlichen Welt markieren auch den Mann durch ein Zeichen am Kopf, wenn er verheiratet ist. Ich habe in Südtirol einmal gesehen, dass der verheiratete Mann ein andersfarbiges Hutband trägt als ein Lediger. Solche Bräuche sind aber Ausnahmen. Darüber kann das Argument, diverse Kopfputze verheirateter Frauen seien aber doch hübsch, nicht hinwegtäuschen. Wer freiwillig einen solchen Kopfputz trägt, mag es hübsch finden. Das Problem daran ist aber, dass dieser Kopfputz nicht dem freien Ermessen anheim gestellt, sondern erzwungen getragen wurde und neuerdings wieder wird.

Dabei muss folgender Zusammenhang mitbedacht werden:
Assoziativ wird die Frau als Verschleierte in Verbindung mit der „verblendeten Synagoge“ gebracht, die ja ebenfalls eine „Decke“ vor den Augen bzw. über dem ganzen Kopf, über dem Herzen der Israeliten, ja: über dem gesamten Alten Bund habe (2. Kor. 3). In Jesus Christus aber, so der Völkerapostel, werde auch dem verstockten Israel diese Decke, das „velamen“, abgenommen. Es ist geradezu atemberaubend, seine Worte weiterzulesen, und sie offenbaren, wie anmaßend und antichristlich die ideologische Verschleierung der Frau in der Kirche in Wahrheit ist:

„Sobald sich aber einer dem Herrn zuwendet, wird die Hülle entfernt.
Der Herr aber ist der Geist, und wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit.
Wir alle spiegeln mit enthülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wider und werden so in sein eigenes Bild verwandelt, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, durch den Geist des Herrn.“ (2. Kor. 3, 16 – 18)

Übereinstimmend bezeugen alle Apostel, dass auch die Frau Erbin des Reiches Gottes ist, und nie hat die Kirche gewagt, der Frau den Leib des Herrn oder auch nur eines der heilsnotwendigen Sakramente zu verweigern! Zweifelsfrei wird auch sie durch die gläubige Annahme der Sakramente in das Bild Christi verwandelt: „Wir alle spiegeln mit enthülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wider und werden so in sein eigenes Bild verwandelt…“ Dass dies für die Frau ebenso unmittelbar gilt wie für den Mann, ergibt sich daraus, dass sie sich selbst bekehren muss, dass sie für sich selbst getauft werden muss, dass sie jedes Sakrament, das Laien empfangen können, nicht von des Mannes Gnaden oder durch ihn vertreten, sondern vollkommen eigenständig empfängt, sogar empfangen muss, um selig zu werden. Im Fall der Ehe spendet sie nicht anders als der Mann das Sakrament dem Gemahl. Die Enthüllung des Angesichtes, von der der Apostel spricht, um den Herrn widerzuspiegeln, gilt doch offenkundig dem Mann wie der Frau. Eine erneute Versklavung und Verhüllung der Frau mit der Intention, sie erneut unter dem Gesetz der Sünde sehen zu wollen, wäre so betrachtet nicht nur antichristlich, sondern regelrecht blasphemisch.

Selbst der heilige Augustinus gibt zu, dass die Verhüllung der Frau suggeriert, dass sie gar nicht erlöst worden ist. Da eine solche Denkweise im Widerspruch zur Schrift steht, versucht er den Schleier dennoch um jeden Preis, heidnische und abergläubische Argumente zu Hilfe nehmend, zu rechtfertigen:

„Warum braucht also deshalb der Mann sein Haupt nicht zu verhüllen, weil er das Abbild und der Abglanz Gottes ist, die Frau aber muß es verhüllen, weil sie der Abglanz des Mannes ist, gleich als ob die Frau nicht im Sinne ihres Geistes erneuert würde, der zur Erkenntnis Gottes erneuert wird nach dem Bilde dessen, der ihn schuf? Weil sie aber durch die geschlechtliche Eigenart ihres Leibes vom Mann verschieden ist, konnte ordnungsgemäß durch ihre körperliche Verschleierung jener Teil des Verstandes versinnbildet werden, der zur Leitung des Zeitlichen abgleitet, so daß das Bild Gottes nur in jenem Teil des Geistes bleibt, in dem er der Beschauung und Erwägung der ewigen Wesensgründe anhängt — diesen Teil haben indes offenkundig nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen.“[1]

Nicht umsonst übersetzt die Vulgata die unklar-verworrene Stelle im 1. Korintherbrief 11, 10 mit „Ideo debet mulier potestatem habere supra caput propter angelos“, so, dass der Frau eine „Macht im Nacken sitzen müsse“. Die Wendung „supra caput habere“ heißt „im Nacken (sitzen) haben“ und nicht, wie stets beschönigend übersetzt wird, „eine Macht auf dem Kopf haben“.[2] Wenn der Lateiner hätte sagen wollen, dass die Frau eine „postestas“ neutral „auf“ dem Kopf haben müsse, hätte er die Präposition „in“ verwendet. Das „supra“ ist eindeutig ein Hinweis auf ein übergeordnetes, die „Hand in den Nacken setzendes“ Dominieren. Die Formulierung alleine schon ist martialisch und weist auf eine dämonische Vorstellung hin, so als müsse die Frau, die schon „natürlicherweise“ als untergeordnet angenommen wird, aber empirisch in ihren Fähigkeiten offensichtlich nicht untergeordnet ist, gebändigt werden wie ein Dämon, der eine „animalische“ Schlagseite hätte, die sie und die ganze Welt „nach unten“ ziehe, wenn sie nicht durch den Mann „dominiert“ werde.
Es liegt auf der Hand, dass solche abergläubisch-esoterischen Vorstellungen nicht einmal im Alten Testament zu finden sind und eindeutig ins Reich der Götzendiener gehören…

Die weiteren Ausführungen sind bei Augustinus so interessant, wie sie für einen nüchternen Leser nur abstrus wirken können. Es gibt seinen Ausführungen nach zwei Bereiche der natürlichen „ratio“, die den inneren Menschen vom Tier abgrenzt, den der „ratio superior“, der wesentlich die „contemplatio“ meint, und der „ratio inferior“, der die „actio“ meint. Nur die „ratio superior“ sei gottebenbildlich, übernatürlich und zöge den Inhaber gewissermaßen „nach oben“ zu den überzeitlichen Dingen. Die „ratio inferior“ sei bloß natürlich und nicht gottebenbildlich. Der Verstand der Frau sei demnach „natürlicherweise“ damit beauftragt, die zeitlichen Dingen zu führen, also der „ratio inferior“ zugehörig, und nur zu einem geringeren Teil der „ratio superor“, wohingegen der des Mannes dazu beauftragt ist, die höheren, übernatürlichen Dinge der „ratio superior“  zu führen. Um eben jene zeitlichen Dinge zu verhüllen, müsse die Frau verschleiert werden:

„In ihrem Geiste (also bei Mann und Frau) läßt sich also eine gemeinsame Natur feststellen, in ihrem Leibe aber wird die Aufgabenverteilung eben des einen Geistes versinnbildet. Wenn man daher in stufenweisen Beobachtungen den Aufstieg nach innen durch die Schichten der Seele vollzieht, dann beginnt dort, wo uns eine Wirklichkeit zu begegnen anfängt, die wir nicht mit den Tieren gemeinsam haben, der Bereich des Verstandes, wo sich nunmehr der innere Mensch feststellen läßt. Wenn dieser auch nur in jenem Verstandesteil, dem die Verwaltung der zeitlichen Dinge übertragen ist, durch maßloses Weiterschreiten allzusehr in das Äußere absinkt, indem ihm sein Haupt zustimmt, das heißt indem ihn nicht anhält und zügelt jener Teil, der auf der Warte des Überlegens den Vorsitz innehat, gleichsam die männliche Rolle spielend, so altert er ob seiner Feinde, der auf  seine Kraft neidischen Dämonen mitsamt deren Fürsten, dem Teufel; und so wird jene Schau des Ewigen auch vom Haupte selbst ebenso wie von der Gattin, welche die verbotene Frucht ißt, weggezogen, so daß das Licht seiner Augen nicht mehr mit ihm ist,  und so sind beide von jener Erleuchtung durch die Wahrheit entblößt, und die Augen ihres Gewissens sind geöffnet, so daß sie sehen, wie entehrt und häßlich sie wurden; und wie sie aus den Blättern der süßen Früchte, aber ohne die Früchte selbst, ein Kleid weben, so drechseln sie ohne die Frucht eines guten Werkes gute Worte, um so, schlecht lebend und gut redend, ihre Schande zuzudecken.“ [3]

Es ist bezeichnend, dass der heilige Augustinus die Erzählung von Maria und Martha als Gleichnis auf den Mann („Maria“), dessen Geist zur „contemplatio“ beauftragt sei, und auf die Frau („Martha“) deutet, deren Geist eher zur „actio“ beauftragt sei.[4] Solche „Gender“-Deutungen der heiligen Schrift wären lächerlich, wenn sie nicht so traurig wären. Es hatte in einer hellenistisch geprägten Geisteswelt einen sicherlich tiefen Sinn, dass die Gestalten im 10. Kapitel des Lukas-Evangeliums beide Frauen sind. Deutungen, die die beiden Frauen einfach als Typen darstellen wollen, können doch die konkrete Erzählebene nicht einfach ignorieren, die der Frau gerade den ihr abgesprochenen Bereich des Geistes durch den Herrn selbst als „das Bessere“ zuordnet, das sie „wählen“ und das ihr „nicht genommen werden darf“ (vgl. Lk. 10, 42).
Die Erklärung des heiligen Augustinus für einen behaupteten Schleierzwang für die Frau lässt sich mit der heiligen Schrift nicht rechtfertigen, denn er geht von der Vorstellung aus, die Frau habe nur in einem oberen Teil ihres Geistes einen geringen Anteil am Geist des Mannes, der offenbar im unerlösten wie erlösten Zustand den übernatürlichen Dingen zugewandter sei, in einem anderen Teil, der an ihrem physischen Geschlecht hängt, die erwähnte Neigung des Geistes, „zur Leitung des Zeitlichen abzugleiten“ und müsse darum verhüllt werden, weil es quasi ein Mindergeist sei, der im Widerstreit mit der „ratio superior“ stehe. Es ist eine verworrene Argumentation, zu behaupten, die „ratio“ sei beim Mann alleine schon im natürlichen Zustand „übernatürlicher“ als bei der Frau.
Dem steht das Schriftwort entgegen:

„Animalis autem homo non percipit ea quæ sunt Spiritus Dei : stultitia enim est illi, et non potest intelligere : quia spiritualiter examinatur.“ (1. Kor. 2, 14)

(« Der natürlich beseelte Mensch nimmt nicht wahr, was vom Geist Gottes stammt : Torheit ist es ihm, und er kann es nicht erkennen : denn es muss geistlich erforscht werden.“)

Der Mann ist von solcher Verblendung hier nicht ausgenommen – alle Menschen sind im natürlichen Zustand nicht in der Lage, den Geist Gottes zu vernehmen und zu erkennen!
Die „Erneuerung des Geistes“, die dem Menschen wieder übernatürliches Erkenntnisvermögen zurückschenkt, ist bei Paulus aber nicht Männern mehr zugeteilt als Frauen. Nirgendwo behauptet er das.

Mit seiner Reflexion über das Sündenfallgeschehen, das den Kopfschleier der Frau in Verbindung mit den Feigenblättern bringt, mit denen Adam und Eva sich bedeckten, als die Menschen sich „entblößt“ entdeckten, entblößt um das übernatürliche Gewand, bestätigt Augustinus doch wieder, dass die Frau so behandelt werden soll, als sei sie nicht erlöst und müsste sich nach wie vor schamhaft, des übernatürlichen Gewandes beraubt, bedecken, der Mann aber nicht.
Er kommt zu keinem vernünftigen Plädoyer für das Tuch, weil es ein Rückfall ins Gesetz und heidnische Vorstellungen ist. Man muss sich fragen, wieso sich Christen überhaupt an einem solchen äußerlichen Zeichen dermaßen abgearbeitet haben und heutzutage erneut abarbeiten, wo doch der heilige Paulus an anderer Stelle solche Rückfälle ins Gesetz sogar als regelrechten Glaubensabfall kennzeichnet:

„Evacuati estis a Christo, qui in lege justificamini : a gratia excidistis. » (Gal. 5, 4)

(« Ihr seid von Christus abgefallen, die ihr euch durch das Gesetz rechtfertigen wollt : aus der Gnade seid ihr gefallen. »)

Und:

„Quomodo convertimini iterum ad infirma et egena elementa, quibus denuo servire vultis? » (Gal. 4, 9)

(« Wie kommt es, dass ihr euch wieder den schwachen und mangelhaften Elementen zuwendet, denen ihr aufs Neue dienen wollt?“)

An dieser Stelle wehrt sich der heilige Paulus gegen die Beschneidung: in Christus ist sie aufgehoben und nicht notwendig! Warum aber soll dann in Christus die Frau durch ein Tuch „beschnitten“ werden, obwohl ein solches nirgends im Gesetz gefordert wird? Muss man die Frage nach den „schwachen und mangelhaften Elementen“, als die das ehemalige Bundeszeichen, das Gott – im Gegensatz zu einem rein menschlich-konventionellen Schleier für die Frau (!) – immerhin einmal angeordnet hatte, fast „abfällig bezeichnet wird, nicht erst recht auf diese merkwürdige Überzeichnung eines schwachen und unplausiblen, vielleicht sogar häretischen Zeichens wie des Kopftuches beziehen? Was soll es denn nüchtern und angesichts einer unvorstellbar-gewaltigen, geistigen Welt bedacht helfen, ein solches Tuch zu tragen? Und was soll es verhindern? Haben wir es mit lächerlichen magischen Utensilien zu tun oder mit geistigen Kräften, die jedes Stoffstück ohnehin mit Leichtigkeit durchdringen würden?

Es fragt sich bei den Konzepten Augustins, wieso bei einer „Erneuerung des Geistes“, von der im Epheserbrief die Rede ist, die inferioren Teile des Verstandes offenbar Erneuerung mehr nötig haben als die „höheren“ Teile, so, als sei vor allem der untere Teil des Verstandes gefallen und der „höhere“ Teil nicht. Wenn Maria von Bethanien „das Bessere“ erwählt, dann nicht, weil ein Teil des Geistes an sich weniger Erneuerung bräuchte als ein anderer, sondern weil sie sich mit ihrem ganzen Sein „dem Besseren“ zuwendet, das ihr in Christus überhaupt erst wieder gegeben wird. Wir erkennen aus den Evangelien bei den Frauen, die Jesus folgten, eine wesentliche größere Bereitschaft, dieses „Bessere“ zu „wählen“ als bei den Männern. Er berief Männer, aber die Frauen scheinen insgesamt – gemäß dem Proto-Evangelium in Gen. 3 - Berufene zu sein. Er trat auf, und sie folgten ihm, sie erkannten ihn sofort: er war und ist der wahre, wirkliche Gott und trat ihnen endlich als ein wahrer Mann gegenüber. Das scheinen Frauen mit Selbstverständlichkeit sofort erkannt zu haben – alleine dass Gott ihnen als einziger und wahrer Mann entgegenkam, war schon Berufung genug für sie. Die Frau hat zweifelsohne eine große geistliche Begabung als Frau, und ich bin nicht die erste, die das feststellt – keine Geringere als die heilige Teresa hat dies immer wieder thematisiert:

„Herr meiner Seele! Als Du noch in dieser Welt wandeltest, hast Du den Frauen immer Deine besondere Zuneigung bewiesen. Fandest Du doch in ihnen nicht weniger Liebe und mehr Glauben als bei den Männern. Auch befand sich unter ihnen ja Deine heilige Mutter, deren Verdienste uns zukommen (…) Die Welt irrt, wenn sie von uns verlangt, daß wir nicht öffentlich für Dich wirken dürfen, noch Wahrheiten aussprechen, um deretwillen wir im Geheimen weinen, und daß Du, Herr, unsere gerechten Bitten nicht erhören würdest. Ich glaube das nicht, Herr, denn ich kenne Deine Güte und Gerechtigkeit, der Du kein Richter bist wie die Richter dieser Welt, die als Söhne Adams, kurz, als Männer jede gute Fähigkeit bei einer Frau verdächtigen. Ich weiß, mein König, daß der Tag kommt, an dem man einander erkennt. (…) Ich halte es in diesen Zeiten für unrecht, wenn man starke und zum Guten begabte Geister zurückstößt, nur weil es sich um Frauen handelt.“ (CE 4,1)[5]

Eine Segmentierung von mehr oder weniger gefallenen „Bereichen“ in einem Menschen überliefert weder das Alte noch das Neue Testament. Riskant ist auch die Theorie, nur der Geist des Menschen sei von Gott ebenbildlich geschaffen worden und innerhalb des Geistes bestünden „superiore“ und „inferiore“ Anteile. Zwar ist die allgemeine Begründung bestechend, dies müsse so sein, weil Gott selbst Geist ist. Aber bei Gott muss grundsätzlich gar nichts so oder so sein, nur weil unser Verstand nicht hinreicht zu begreifen, warum wir als ganze Menschen sein Ebenbild sind und nicht nur als Geister. Der Schöpfungsbericht nimmt keine solche Trennung vor, sondern kennzeichnet die komplette menschliche Natur als „imago Dei“, diese menschliche Natur als „Mann und Frau“ – dies ist die einzige, eben nur leibliche Unterscheidung, die innerhalb der wesensgleichen menschlichen Natur vorgenommen wird, aber beide völlig egalitär ohne irgendeinen Abstrich als „imago Dei“  benennt. Die Argumentation, die wir bei Thomas finden, Gott habe alleine dadurch, dass er die Frau aus dem Mann heraus schuf, gezeigt, dass er den Mann als Ausgangsprinzip und Vorgesetzten der Frau wollte, denn alle anderen Wesen habe er grundständig aus der Erde jeweils neu erschaffen – das männliche und das weibliche Tier – stützt sich mehr auf Aristoteles als auf den Schrifttext.[6]

„Darin liegt eine gewisse Würde des ersten Menschen; daß er gemäß der Ähnlichkeit mit Gott das Princip sei für seine ganze Gattung, wie Gott dies ist für das gesammte All. Deshalb sagt auch Paulus (act. 17.): „Aus Einem machte Gott das Geschlecht der Menschen.“[7]

Es folgt daraus aber nicht zwingend, dass der zweite Mensch, mithilfe dessen alleine der erste Mensch die Menschheit hervorbringen kann, nicht dieselbe Würde hat wie der erste. Die Hervorbringung des Alls aus Gott ist ja nicht abgebildet in der Hervorbringung des Menschen aus dem Menschen. Genau das nicht! Ebenbildlich ist kann hier doch nur die Hervorbringung des Wesensgleichen und nicht des Wesensungleichen sein – andernfalls hätte Gott die Frau nicht als „similis“ bezeichnet! Oder man müsste das All als zu Gott „similis“ nennen. Da aber wäre eine Häresie.
Es mutet merkwürdig „beifallheischend“ an, wenn der Mann es sich als besondere „Würde“ verzeichnen will, dass aus einem der Seinen alle geschaffen werden.
Man kann es auch nüchterner und mit weniger Hochmut sehen: Mit einem wollte Gott einmal als „Initialzündung“ anfangen. Diese Initialzündung benötigte zwingend und notwendig gleich den zweiten, weil der Erste ohne den Zweiten das Werk nicht vollbringen hätte können. Damit ist die angeblich ihm alleine zukommende „Würde“ des Ersten erheblich relativiert… Alle danach aber, ob Mann ob Frau, haben ja diesen „Glanz“ der beiden Ersten nicht, sondern sind die x-ten. Es ist nicht plausibel, dabei dem Mann nun eine glanzvolle, ewige Rolle zuzuerkennen, auch wenn er der „Legionste“ des Menschengeschlechtes ist, der Frau aber nicht.
Ich frage mich vielmehr: Was soll dieses Gerangel darum, wer der „Erste“ ist?
Diese Argumentation ist auch in anderer Hinsicht nicht schlüssig. Wenn Gott aus mir Kinder schafft, bin ich deswegen diesen Kindern „ontologisch“ nicht übergeordnet. Vielmehr zeigt ihr Hervorgehen aus mir, dass sie mir absolut ebenbürtig und gleichgestellt sind, weil das, was aus meiner Substanz kommt, nicht über und nicht unter mir stehen kann.
Vielmehr zeigt dieser Bericht in der Genesis eines unzweifelhaft: Mann und Frau sind aus exakt derselben Substanz und darum wesensgleich. Mehr kann man daraus nicht ohne weitere, textferne Annahmen schließen.
Gott aber hat aus sich selbst den Sohn hervorgebracht, und doch ist der Vater nicht der „Eine“, dem alle Würde gebührt, sondern beiden gebührt dieselbe Würde, weil sie wesensgleich sind und mit ihnen dem Heiligen Geist, der aus ihnen beiden hervorgeht. Der „Eine“ ist nicht nur der Vater, sondern die Heilige Dreifaltigkeit. Auch hier haben wir ein „Ausgangsprinzip“, aber es hat keine Subordination aus sich geboren, sondern Gleichwürde. Aus Adam hat Gott nicht die Natur hervorgebracht, sondern das „Simile“, das mit ihm viele „Simile“ zeugen kann: die Frau. Warum sollte der „eine Mensch“ daher nicht auch diese Zweifaltigkeit sein?
Aber ein gravierender Unterschied besteht doch zwischen Gott und seinem Ebenebild: Gott ist von Ewigkeit zu Ewigkeit, ohne Anfang, und er hat aus sich selbst den Sohn geboren, und beide lassen aus sich selbst den Heiligen Geist hervorgehen. Der Mann wurde geschaffen und die Frau wurde nicht vom Mann, sondern von Gott erschaffen. Und alles, was wir zeugen, schafft doch Gott als der Lebendige und nicht wir.

In der Heiligen Schrift ist der Mensch insgesamt gefallen und insgesamt durch die Sünde verwundet. Das physische Sterbenmüssen umfasst prinzipiell auch die Seele, die dem ewigen Tod verfallen müsste, wenn Jesus Christus uns nicht errettet hätte. Unser „Geist“, das übernatürliche Gewand, ist uns mit der Sünde insgesamt und generell abhanden gekommen. Daraus kann man nicht schließen, dass der Leib außerhalb der Gottebenbildlichkeit stünde. Der Mensch als ein „in der Sünde Toter“ bedarf insgesamt, auch mit all seiner natürlichen Seele und seinem Leib, der Wiederbelebung durch den Heiligen Geist. Ohne diese Wiederbelebung und ohne die Bereitschaft, alles, was man in diesem unerlösten Zustand ist, dem Tod in der Taufe zu überlassen, ohne diese Bereitschaft, kann man nicht gerettet werden.
Die Rede des heiligen Augustinus wirft daher Frage auf: wir alle sind dem Tod verfallen, und nichts an uns, auch keine „oberen“ Partien des Geistes, sind davon ausgenommen. Der „neue Mensch“ ist überhaupt erst der wahre „Geist“… Die Erneuerung schafft der Glaube, den man förmlich „anzieht“, und nicht wird der Glaube durch Betonung einer bestimmten natürlichen „ratio“ eher erzeugt als durch die Betonung einer anderen Seelentätigkeit. Nach Epheser 4, 17 ff ist der Heide im Geist, also in der gesamten „ratio“ gänzlich „verfinstert“ und erhält erst durch das Anlegen des geschenkten Gnadengewandes wieder die Möglichkeit, Gottes Ebenbild zu werden. Der bekannte Satz aus dem apokryphen „Evangelium nach Maria (Magdalena)“ aus dem 2. Jh, „Weint nicht! Seid nicht traurig und nicht verzagt! Denn die Gnade des Erlösers wird euch alle begleiten und euch beschützen. Wir wollen vielmehr seine Größe preisen, denn er hat uns geschaffen und zu Menschen gemacht[8], erinnert an die Worte im Mess-Ordo, „Deus, qui humanae substantiae dignitatem mirabiliter condidisti, et mirabilius reformasti…“ („Gott, der Du die Würde des menschlichen Wesens auf wunderbarste Weise geschaffen hast, und noch wunderbarer wiederhergestellt hast…“) und weist uns darauf hin, dass das Wiederbeleben der „Potenz“ zum Menschsein doch der Gegenstand der Erlösung ist. Die heilige Schrift kennt keine Lehre über eine gottähnlichere Potenz des Mannes vor der Frau – das ist eitle Philosophe, lächerliches Menschenwerk, machtversessene Hinzudichtung und eine peinliche Selbsterhebung des Mannes.
Was den Lehren des Augustinus und Thomas in diesen Fragen prinzipiell entgegensteht ist die Tatsache, dass Jesus Mensch wurde, dass er leiblich starb, im Leibe wieder auferstanden ist und als Gottmensch – also mit einem verklärten Leib – zur Rechten Gottes ist. Der Leib, der verklärte Auferstehungsleib, gehört also sehr wohl zur Ebenbildlichkeit hinzu und ist sogar seit der Himmelfahrt Christi inkludiert in die Gottheit.

Wir kommen vielleicht einem Geheimnis näher, wenn wir uns das vor Augen halten: Der Sohn Gottes ist als Mann gestorben und nicht als Frau – auch das hat mit Sicherheit einen tiefen Sinn. Dem Mann wurde nicht als „Führer der Frau“, der seinen Kopf für deren Schuld hinhalten muss, sondern für seinen eigenen Ungehorsam gegen Gott der Tod als Strafe verkündet, in den er alles mit hineingerissen hat. Dass man angesichts einer solchen Bilanz aufseiten des Mannes noch die beschriebene Hybris an den Tag legt, wirkt nicht nur abstoßend, sondern auch unheimlich: wer von uns allen will hier auf Erden dem anderen vor Gott etwas vorwerfen, ohne sich der Finsternis zu verschreiben?
Alles, was um der Schuld Adams willen von Gott ausgesprochen wird, trifft die Frau gleichermaßen: auch ihr steht die Erde entgegen, auch sie muss im Schweiß ihres Angesichtes ihr Brot essen und auch sie muss sterben. Für ihre Täuschung muss sie noch eine eigene Hypothek tragen – die in Gen. 3, 16, die die leibliche Schwächung durch das Gebären und die Überhebung des Mannes über die Frau umfasst.

Eine maskuline, theologische Haltung, die Eva bis heute nicht vergibt, dass sie sich täuschen ließ, den eigenen Ungehorsam aber mithilfe ihrer Dämonisierung reinwäscht, ist nicht katholisch und schließt vom Heil aus. Da nützt es auch wenig, wenn man die Gottesmutter in den höchsten Himmel hebt und anschließend den Rest der Frauen, die doch in ihr geadelt sind, umso heftiger gegen sie herabsetzt! Der wachsende Überhang solcher Männer in der Hierarchie dürfte ein weiterer Schlüssel zum Verständnis des heutigen Glaubensabfalls sein. Das Markenzeichen dieses verblendeten Mannes ist, dass er niemals für nötig befunden hat, seinen eigenen Sündenfall zu reflektieren – ihm genügte die Reflexion über „das“ Weib, das an allem schuld und viel schlimmer als er sei…
Besonders bitter wird diese Situation mit Sicherheit von all jenen verborgenen Männern erlebt werden, die sich mit diesem Ungeist nie gemein machen wollten oder konnten.
Schande aber über alle Frauen, die nicht aufgestanden sind, als der Herr vor ihnen stand und lieber weiterhin den Mann in seinem Anspruch, ihr Gott zu sein, anerkannten – weibliche Abwehr gegen den wahren Herrn geht mit einer Fetischisierung der Beziehung zum und einer Vergottung vom Mann einher, als ob die Frau ihren Stand erst von ihm herleiten und erbitten oder ertrotzen müsste, gerade so, wie er es als Adamssohn beansprucht und wie es selbst Männer wie der heilige Augustinus oder der heilige Thomas nicht überwinden konnten!

Den Ausführungen Augustinus’ und Thomas’ mangelt es hinsichtlich der Geschlechterfrage an Plausibilität, an konsequenter Schriftfundierung und vor allem an empirischer Evidenz. Gerade solchen Theorien zum Trotz standen stets die Frauen an der Spitze der echten christlichen Mystik…
Um an der Dominanz des Mannes festzuhalten, behalten sich die Kirchenlehrer, die vom Lehramt am meisten rezipiert wurden, letztendlich vor, was sie Gott zur Erneuerung übergeben wollen und was nicht. Damit wurde die Kirche auf alle irdischen Zeiten schwer belastet.

Schleier-Enthusiasten begreifen nicht, dass ein Geheimnis, wenn es nur um ein „Geheimnis“ in der Frau ginge, das man verschleiern muss, damit es Geheimnis bleibt, kein Geheimnis ist, sondern … Götzendienst!
Auch die negative Vergötzung des Frauenleibes kann nicht katholisch sein, wenn sie denn wirklich einmal intendiert gewesen sein sollte, sondern ist nichts als Aberglaube.
Das Schleier- und Kopftuchthema hat im Abendland von Anfang an keine Plausibilität gehabt, wovon so plastisch die merkwürdige Stelle in 1. Kor. 11 zeugt. Wenn es „offiziell“ praktiziert wird, wie etwa ein Schleier für Frauen bei Papstaudienzen, kann niemand dessen Bedeutung präzise erfassen und allenfalls Spekulatives dazu äußern. Es ist unverständliches, rein äußerliches Symbol. Dem heutigen Abendländer ist jede esoterische oder soziale Vorstellung, die damit verbunden wird, fremd. Die im islamischen, aber inzwischen auch im traditionalistischen Kontext erneut vorgebrachte Dämonisierung der natürlichen Erscheinung der Frau, die verhüllt werden müsse, einerseits, damit die Frau sich nicht wegen ihrer Schönheit, die durch das Haar symbolisiert werde, nach einem automatischen Strickmuster in den Mittelpunkt stelle, andererseits, um nicht in einem als schwaches und albernes Triebwesen aufgefassten Mann sexuelle Erregung zu provozieren, sind an sich selbst beschämende und beleidigende Argumente für Mann und Frau und für den Schöpfer – gerade in einer Heiligen Messe, in der doch die Erlösten sich mit ihrem Erlöser vereinigen und gehalten sind, nicht nach rechts und links zu sehen.
Zahllose, mühsam positiv aufgeladene, esoterisch angehauchte und zwanghafte Mythen ranken sich nun seit dem Aufstieg der Priesterbruderschaft St. Pius X., die die südeuropäische „Mantilla“ für Katholikinnen in aller Welt propagiert hat, um das ideologisch verordnete Tuch. Dessen menschenverachtende Brisanz führt uns der Alltagsislam auf unseren Straßen und dessen Re-Diskriminierung der Frau allezeit vor Augen. Heute setzt sich immer mehr die Forschungsmeinung, dass der Islam ein Ausfluss aus der frühchristlichen Häresie war und ist: eine dermaßen überspannte Betonung eines Zwangskopftuches kennt sonst keine andere Kultur, und darum entspricht es auch nicht dem natürlichen Empfinden der Menschen! Das Vorkommen einer solchen Kopfbandage im ultraorthodoxen Judentum gibt weitere Hinweise darauf, dass man die Frau nicht als Erlöste, sondern als ewig Gefallene und ein Numinosum zu betrachten beliebt, das sowohl Mann als auch Frau leider eben nicht nur im Islam und Judentum, sondern auch erneut in der Kirche offenbar brauchen, um weiterhin in der Sünde und ihren Reizen steckenbleiben zu können. Sobald jedenfalls keine Kopfbedeckungen mehr verlangt werden, kann nach kürzester Zeit kein Mensch mehr nachvollziehen, wozu sie eigentlich dienen sollten…

Die einseitige Mumifizierung des weiblichen Kopfes, ja des gesamten Leibes (wie etwa im extrem konservativen Islam) ist und bleibt spätantik-heidnische Sitte und entspricht dem Verfall weiblicher Würde, ist Markierung dafür, dass sie ein Mündel ist, dem Selbststand, Reife und Erwachsenheit abgesprochen, und das als (dämonisches) Begehrobjekt aufgefasst wird, das es zu bändigen gilt. Dieses Motiv wurde von den älteren Kirchenrechtlern offen zugegeben, etwa im Decretum Gratiani, und wie ich andernorts bereits dargelegt hatte, schreckten sie nicht davor zurück, im Wortlaut völlig unstrittige Schriftstellen massiv zu verändern, um die Entrechtung der Frauen pseudo-religiös und auf der Basis einer faktisch arianischen Argumentation zu begründen.[9]

Die Kopfbandage der Frau drückte sich in zahlreichen Beschränkungen weiblichen Denkens und Handelns im Alltagsleben aus. Die „Wesenszüge“ und niedrigeren Verstandestätigkeiten, die man in ihr typischerweise wahrzunehmen glaubte, wurden durch ständige Einschränkung und soziale Überformung überhaupt erst erzeugt:
Sie hatte in der Antike nicht das Recht, sich selbst zu vertreten, weil sie weniger Subjekt als Objekt und Besitz war. Ihr wurden und werden fachliche Fähigkeiten nicht nur abgesprochen, sondern deren Ausübung verboten, was eine enorme Verkümmerung von Talenten in der Menschheit zur Folge hatte und hat. Man gab jeder weiblichen professionellen öffentlichen Tätigkeit die Färbung der Hurerei. Man verbot und verbietet ihr aufs Neue – mitten unter uns! - , das Haus zu verlassen und wenn, dann nur maximal bandagiert und mumifiziert. Sie wurde missbraucht, als bloße Gebärfunktion betrachtet, sexuell auf der Basis fast schrankenloser legitimierter Willkür des Mannes betrogen und ökonomisch ausgebeutet. Es ist dabei nach einer Erholung weltweit eine Verschlimmerung der Situation der Frauen feststellbar.

In der Geschichte der Kirche muss man mit Erstaunen feststellen, dass die Frau die größte intellektuelle oder geistlich-geistige Achtung und die weitesten, teilweise sogar rechtlichen Freiräume eher im frühen und hohen Mittelalter als im Spätmittelalter und der (beginnenden) Neuzeit hatte. Wenn ein Kaiser im 10. Jahrhundert ohne Bedenken eine Nonne beauftragte, ihm ein Geschichtswerk zu schreiben[10], so wäre das einige Jahrhunderte später nicht mehr denkbar gewesen. Eine Häufung eigenständiger weiblicher Kirchenschriftsteller und echter Mystiker, wie sie das gesamte Mittelalter und auch noch die frühe Neuzeit mit Theresia von Avila aufweist, die die wachsende Diskriminierung der Frau in der Kirche ihrer Zeit am häufigsten von allen offen anklagt, war danach in einer solchen Blüte für Jahrhunderte verunmöglicht. Frauen wie Mary Ward, die Gründerin der „Englischen Fräulein“  im frühen 17. Jh, wurden massiv unterdrückt, kriminalisiert, verketzert und schikaniert.
Die Neuzeit kennt das Phänomen selbstquälerischer, irrationaler und intellektuell verwahrloster „Seherinnen“ und weiblicher „Sühneseelen“, die in fragwürdiger Prophetie dem Mann das, was er, der selbst auf einen tiefen Stand herabgesunken ist, gerne hören will, und den in heidnisch oder esoterisch angehauchten  Mystizismus erniedrigten Frauen allerhand frommen Hokuspokus und nicht selten häretisch-okkulte Wahrsagerei mit erwünschten Inhalten am laufenden Meter präsen(t)ieren. Dieses Treiben zeichnete ausschließlich ultramontane katholische Kreise und hat das alte Bild kluger, weiser und nüchterner Frauen in der Kirche total verzeichnet. Bis heute gesteht man ihnen allenfalls in den Themenfeldern, die sie selbst und die Familie betreffen, Kompetenz zu. Intellektuell und geistlich potente Frauen sind solchen Katholiken zum Greuel geworden. Sie verehren nicht selten die Gottesmutter als Sitz der Weisheit („sedes sapientiae“) und hassen doch jede kluge und eigenständige Frau in der Kirche. Auch das ist zutiefst schizophren.
Fast könnte man denken, für die Männer der Kirche musste Jesus mit Verstreichen der Zeit nach seiner Himmelfahrt immer weniger gestorben sein. Sein männliches Vorbild verblasste immer mehr und der alte Adam gewann sein sündhaftes Terrain zurück und weist der Frau, als sei der Herr niemals gekommen, wieder ihren alten Platz unter seinem Diktat zu.


[1] Augustinus: De Trinitate 12, 7 in: https://www.unifr.ch/bkv/kapitel2678-6.htm#2 (10.4.2016)
[2] Ich muss zugeben, dass ich selbst das früher, irregführt durch die euphemistischen Übersetzungen, wie etwa in der Einheits-Übersetzung, nicht im wirklichen Wortsinn verstanden habe.
[3] Augustinus: De Trinitate, 12, 8
[4] Typenhafte Deutung bei Augustinus in den Sermones, 20, Über Maria und Marta, deutsche Version hier: http://augustinisch-unterwegs.de/Predigtreihe/Maria-und-Marta (3.5.2016) - aus dieser typenhaften Deutung folgt, dass er die „zeitlichen Dinge“, von denen er in unserem Zusammenhang spricht, die „vielen Dinge“ der Marta, mit der Frau und ihrem Aufgabenbereich identifiziert, das „Eine“ der Maria mit der „ratio superior“ des Mannes. In der Tat, nicht aus den vielen Dingen entstammt das Eine, sondern aus dem Einen kommt das Viele.“ Die Zuordnung der Vielheiten aus dem Einen zur Frau in ihrer leiblichen Erscheinung setzt sie herab: sie beschäftigt sich mit etwas Gutem, aber nicht mit dem Besseren. Hier liegt eine versteckte Emanationslehre zugrunde, die die Frau als herabgestuften Ausfluss aus dem Mann ansieht. Eine solche Sichtweise legt uns allerdings der Schrifttext in gar keiner Weise nah. Zu fragen wäre hier, wie der Mensch als Ebenbild Gottes in sich selbst ein abgestuftes Emanationsprinzip darstellen kann, wenn man sich die Heilige Dreifaltigkeit nicht auch als eine innertrinitarische Emanation in Herabstufungen vorstellt? Anders: wenn etwa der Sohn nicht eine subordinierte Emanation aus dem Vater ist, sondern eine absolut wesensgleiche „Geburt“ aus dem Vater (was unbedingte Lehre der Kirche ist!), wieso sollte dann sein Ebenbild, der Mensch, ein solch subordinierendes Modell aufweisen?
[5] Teresa von Avila: „Ich bin ein Weib und obendrein kein Gutes. Freiburg 2012, S. 34
[6] Thomas von Aquin: s.th. I, q.92 a.2 deutsch zitiert nach http://www.unifr.ch/bkv/summa/kapitel93-2.htm (3.5.2016)
[7] A.a.O.: I, q.92 a. 2 co
[8] Das Neue Testament und frühchristliche Schriften. Vollständige Sammlung aller ältesten Schriften des Urchristentums. Übersetzt von Klaus Berger und Christiane Nord. Frankfurt 2005. S. 1347
[9] Vgl. Hanna Jüngling: Der Mantilla-Wahn – Ist die Frau kein Ebenbild Gottes? vom 26.1.2015 , veröffentlicht auf www.zeitschnur.blogspot.de
[10] Kaiser Otto der Große beauftragte Roswitha von Gandersheim, ihm die „Gesta Ottonis“ zu schreiben, ein Werk über seine Herrschaftszeit. Einen kleinen Einblick in dieses Geschichtswerk erlaubt folgende Website: http://www.infacto.de/koenigin-editha/Otto/Gesta_Oddonis/Gesta_Editha/gesta_editha.html (20.3.2016)