Zahlen, Zählbarkeit, Maßwerke
Die gesamte Trinitätsdebatte krankt
daran, dass sie mit instabilen Zahlbegriffen hantiert.
Was sind Zahlen?
Wir nutzen sie einerseits zur
Theoriebildung und Abstraktion von unserer Wahrnehmung. Wir vermessen die Welt,
erklären Relationen und berechnen alles Mögliche, das wir danach als
„Wirklichkeit“ behaupten. Solange das, was wir berechnet haben, irgendwie
„funktioniert“ in einem „Weltapparatverständnis“, sehen wir unsere Theorien
bestätigt.
In einem solchen Konstrukt ist die
Zahl ein Mittel, um die Welt quantitativ auf der Basis einer Grundeinheit
zählbar zu machen.
Wir nutzen sie andererseits als
aber auch, vielleicht abgeleitet von unserer empirischen Erfahrungswelt, um
rein abstrakt gedachte Ordnungen zu untersuchen, für die wir verschiedene Typen
von Zahlen oder Zahlbereiche definieren. Zahlen sind mathematische Objekte, die
in geordneten und definierten bzw definierbaren Beziehungen zueinander stehen.
Zahlen tauchen auch als Ziffern und
Nummern auf. Sie markieren Objekte im Sinne einer Etikettierung und Listung.
Eine solche Markierung erfolgt im Rahmen eines mengentheoretisch gedachten
Zählmodells und reduziert das Objekt auf willkürlich erfasste Merkmale, die es
mit anderen Objekten innerhalb einer Menge gemeinsam hat.
Wir gehen in der digitalisierten
Postmoderne mit Zahlen- und Symbolcodes, mit Verschlüsselungen der Dinge in
Abfolgen von Ziffern und anderen Symbolzeichen nach definierten Ordnungen.
Es gibt aber auch die Zahl als
„heilige Zahl“ verstanden.
Bestimmte Zahlen sind Symbole für
etwas Mystisches oder Okkultes. Etwa taucht in der Hl. Schrift sehr oft die
Zahl 7 als eine Zahl auf, die zur Vollkommenheit Gottes steht, aber als solche
nicht erklärt wird. Es ist eine Setzung.
Die Zahlsymbole haben einerseits
eine außerhalb der Zahl liegende Bedeutung (etwa die „Vollkommenheit“ denken
wir uns auch ohne die Zuordnung zur 7), andererseits suggerieren sie eine
Verknüpfung des Begriffes mit etwas Numerischem, können den Zusammenhang aber
nicht abstrakt klären. Während mathematische Zahlen formell bleiben, gewinnen
sie in der Numerologie einen ontologischen Wert zu ihrem rein formellen Wert
hinzu. Uns begegnet ein solche Umgang mit Zahlen oder auch
Symbolquantifizierungen zB in der Kabbala, der Alchemie, dem Templermythos, der
Freimaurerei, verschiedenen Mystiken, aber auch der Musikphilosophie und der
Astrologie. Die Debatte um den „Bibel-Code“, der in den vergangenen Jahren
viele faszinierte, gehört mit hinein in dieses Phänomen.
Das bedeutet zusammengefasst, dass
wir Zahlen als formelle mathematische Objekte wahrnehmen, mithilfe derer wir
unsere Welt quantifizieren und strukturieren. Andererseits finden wir
Strukturen in der Natur vor, die wir mithilfe der Zahlen verallgemeinernd
beschreiben können.
Eine postmoderne, gefährliche
Entgleisung stellt die (digitalisierte) Bezifferung und Codierung von Personen,
Personenmengen dar.
Trotzdem kennen wir die „heilige
Zahl“ intuitiv und ohne dass wir verstehen könnten, warum sie heilig ist bzw
heilige Ordnungen neben zerstörerischen Impulsen darstellen kann.
Ein Trinitarier kann nicht sagen,
warum es so wichtig ist, dass Gott „drei in einem“ ist. Die Schrift gibt ihm
keinen eindeutigen Hinweis darauf. Die Tatsache, dass Gott sich dem Menschen
auf verschiedene, jeweils nicht vergleichbare Weise zeigt, lässt den Schluss
auf eine Trinität im Sinne einer geheimnisvollen Summe dreier Personen nicht
zu. 1+1+1 ist in der Tat niemals 1, wenn man so will. Aber schon eine Änderung
der Beziehung der drei Einsen zueinander, eine Herauslösung aus dem sehr
schlichten Summenkonzept ergibt ein anderes Bild: Man könnte es als Potenz oder
Wurzel denken, und dann stellt man fest, das 1x1x1 oder 1³ sehr wohl 1 ist oder
1:1:1 ebenfalls 1 ist. Allerdings müsste man dann die Dreierpotenz relativieren
und zugeben, dass sie in Wahrheit eine n-Potenz ist. Aber auch bei einer
schlichten Summe, die meint, dass 3x1 dennoch 1 bleibt, müsste zugeben, dass n1
= 1. Der Trinitarismus macht sich an dieser Stelle etwas vor. Voraussetzung zu
dieser Überlegung ist, dass man die 1 als Basiszahl einer Zahlenreihe annimmt.
Versteht man die 1 anders, nämlich
als eine allumfassende Menge aller Dinge, dann passt in sie summarisch und potenziell
alles hinein.
Nun haben aber auch die Unitarier
ein Problem: Wenn Gott 1 ist im Sinne einer Abgrenzung von allem Potenziellen
in der Eins, dann reduziert man ihn auf eine Basiseinheit des Seienden. Mir
erscheint das ungehörig — immerhin handelt es sich um Gott und nicht um eine
buchhalterische Recheneinheit.
Zahlenmystiker werden mir
antworten, hier träfe eben ein numerisch-mystisches mit einem
formell-mathematischen Zahlenverständnis zusammen — und zwar werden das sowohl
unitarische als auch trinitarische Numerologen so sagen müssen.
Wir befinden uns also in einem
Circulus vitiosus.
Warum es heilige und destruktive
Zahlsymbole gibt, hat uns noch niemand schlüssig erklären können, aber die
Zahlenmagie reizt uns natürlich, uns, die wir „doppelseitig“ angelegt sind mit
zwei Armen und Beinen, Augen, Ohren, Nasenlöchern, Lungenflügeln, Nieren,
Eierstöcken, Hoden, Brüsten, Hinterbacken…
Was immer wir glauben — Zahlen
gehören in unsere Schöpfung hinein.
Ob sie deswegen in den gesamten
Kosmos gehören, ist damit nicht bewiesen.
Die meisten Denker gehen davon aus,
dass die irdischen Naturgesetze auch im ganzen Kosmos gelten müssten.
Das aber wissen wir nicht.
Und in jedem Fall ist ein
umfassender Schöpfergott seiner Schöpfung nicht oder nicht 1:1 unterworfen. Die
„Ebenbildlichkeit“ von Mann und Frau zu diesem Gott lässt keine Schlüsse auf
die genaue Art des Abbildes zu, schon gar kein numerisches.
Und noch weniger kann man
Rückschlüsse vom Abbild auf das Urbild in formeller Hinsicht ziehen. Es bleibt
stehen: „Keiner hat Gott je gesehen“.
Ich weiß nicht, warum es so schwer
ist, einfach stehenzulassen, dass es in der Schrift den JHWH-Gott gibt, der
auch „elohim“ genannt wird, mit einem
Plural-Begriff, der auch Menschen gelegentlich zukommt oder den Göttern, die
nicht dieser Gott sind, dass daneben Jesus als „Sohn Gottes“ iS eines
vollkommenen menschlichen Abbildes erscheint, das uns erlöst, und die gewaltige
göttliche „dynamis“ uns als „ruach“ oder „Heiliger Geist“ bzw „Geist
Gottes“ begegnet, sich uns selbst kommunikativ mitteilt und uns sogar im Sinne
einer Teilhabe an der göttlichen Natur lebendig macht.
Wer will darüber in
Zahlenrelationen fachsimpeln?