Reflexionen über die Eucharistie
Nachdem mehrere Kommentatoren auf dem „Christlichen
Forum“ unter einem Artikel (https://charismatismus.wordpress.com/2017/11/09/dekret-des-erzbischofs-von-brindisi-verhaengt-kirchliche-massnahmen-gegen-seher-mario/) zu einem an sich ganz anders ausgerichteten Thema
schließlich beim Thema „Eucharistie“ gelandet sind und über sie intensiv
schriftlich „kommuniziert“ haben, habe ich in den vielverzweigten
Baumstrukturen dieses Threads völlig den Überblick verloren. Neben der
Herausgeberin des Blogs, Felizitas Küble, und einer Posterin mit dem Nickname
„Ester“ beteiligte sich der Poster Claus Stephan Merl mit nachdenklichen und
suchenden Überlegungen. Herr Merl schrieb mir am Ende noch einen Kommentar, den
ich aber bisher nicht beantwortet hatte. Stattdessen aber entspann sich
zwischen ihm und „Ester“ ein kleiner Disput. Diesen Disput möchte ich in voller
Länge zitieren und anschließend selbst Herrn Merl antworten und interessierte
Leser dazu anregen, sich an diesen Reflexionen mit zu beteiligen:
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„Liebe
Frau Jüngling,
da
müssen Sie sich keinen Vorwurf machen, wenn ich noch nicht so recht mit der
Eucharistie weitergekommen bin. Es ist ja auch nicht so, dass ich mein Fragen
nicht betend „begleiten“ würde.
Ich
knüpfe nochmal an dem Punkt an, dass niemand im Traum daran dachte, oder es auch
nur versucht hätte, von Jesu Blut zu trinken oder von seinem Körper zu essen,
egal, ob das vor oder nach der Kreuzigung, nach der Auferstehung oder erst
recht nach der Himmelfahrt Jesu hätte stattfinden sollen. Wenn Jesus also davon
spricht, sein Leib sei eine wahre Speise und sein Blut ein wahrer Trunk, kann
er es nicht wortwörtlich meinen.
Ich
verweise in diesem Zusammenhang auf das Wort Jesu, wonach man diverse
Gliedmassen sich entfernen solle, die einen zur Sünde verführen wollen. Außer
Origenes hat das wohl niemand wirklich praktiziert; und selbst das ist
zweifelhaft. Es ist jedenfalls nichts von massenhaften Selbstverstümmelungen
der Christen bekannt.
Es
gibt also im Hebräischen diese sehr drastischen Ausdrucksformen, die natürlich
etwas völlig Wahres transportieren ohne deshalb wortwörtlich gemeint zu sein.
Es ist hier bisweilen vom Stilmittel der Übertreibung die Rede. Ich bin mir
aber nicht sicher, ob es dieser Begriff wirklich trifft.
Was
also ist die transportierte Wahrheit des „Jesu Fleisch essen und sein Blut
trinken“? Vielleicht helfen folgende Überlegungen weiter:
Für
mich steht doch das ganze Christ-Sein, die Nachfolge Jesu unter folgendem
Vorzeichen:
Um
ein wahrer Jünger Jesus sein zu können, muss ich zuerst eine neue Kreatur sein.
Mein „alter Mensch“ ist völlig ungeeignet dazu. Es findet also ein Austausch
statt. Mein altes Ich stirbt mit Christus am Kreuz, mein neues Ich aufersteht
mit ihm. Die Wassertaufe drückt das aus. Dieser „neue Mensch“, das ist
„Christus in mir, die Hoffnung der Herrlichkeit“ oder, um es mit Paulus zu
sagen: „Nun lebe nicht mehr ich, sondern Christus in mir.“ Das betrifft
zunächst nur meinen Geist und muss sich jetzt in mein gesamtes Menschsein; d.h.
in meine Seele und meinen Leib hinein „übersetzen“ oder inkarnieren.
Und
dieser Prozess der Heiligung oder neudeutsch „Transformation“ ist nur möglich,
wenn Christus selbst in mir Gestalt annimmt. Oder anders gesagt: Es kommt zu
einer vollständigen Übernahme des Wesens Christi in mir. Jedenfalls so
vollständig wie dies auf dieser Seite des Grabes möglich ist. Vollendet wird
das natürlich erst mit unserer leiblichen Auferstehung.
Und
genau hier kommt die Metapher des „Essens von seinem Fleisch“ und „des Trinkens
von seinem Blut“ zum Tragen. Sie beschreibt die Radikalität und
Ausschließlichkeit eines Lebens, das danach ausgerichtet ist, Christus
widerzuspiegeln. In 2. Kor. 3, 18 wird als Ergebnis des Wandels im Neuen Bund
folgendes ausgesagt:
„Wir
alle aber schauen mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn an und
werden so verwandelt in dasselbe Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, wie es
vom Herrn, dem Geist, geschieht.“
Es
ist nicht nur die Wiederherstellung unserer Stellung vor dem Sündenfall, als
wir ohne Sünde im Bild Gottes erschaffen wurden, sondern geht darüber hinaus
bis zur Teilhabe an der göttlichen Natur. Man macht sich oft keinen Begriff
davon, was Erlösung in der letzten Konsequenz bedeutet.
Freilich
bedarf es unserer Mitwirkung. Nicht in dem Sinn, dass wir irgendetwas aus uns
heraus; d.h. aus unserer natürlichen Verfasstheit produzieren oder beisteuern
könnten. Nein, es geht um aktives Empfangen dessen, was schon für uns bereit
liegt. Oder um es in einem Beispiel zu sagen: Der Ertrinkende in der Wüste, dem
plötzlich ein Fremder einen Becher mit Wasser reicht, würde es im Traum nicht
einfallen, das Ergreifen des Bechers und das Trinken des Wassers als besondere
eigene Leistung anzusehen; geschweige denn zu behaupten, er habe sich damit
dass Wasser verdient.
Und
so ruft uns Jesus dazu auf, ihn zu essen und zu trinken im Sinne dessen, ihn in
seinem Menschsein völlig in einer ständigen und aktiven Bereitschaft zu
empfangen. Das ist die einzige Nahrung, die uns das Leben in Christus
ermöglicht.
Unser
ganzes Leben ist damit eucharistisch und das feiern wir beim Herrenmahl. Das
ist der neue Bund, in dem sich Jesus Christus uns vorbehaltlos hingibt, damit
wir ihn völlig ergreifen und „verstoffwechseln“. Wie tun das in diesem Mahl
selbst wie wir es auch sonst ständig tun sollten.
Diese
Interpretation macht für mich im Moment am meisten Sinn.
Folgende
Analogie fällt mir dazu ein: Im Ehebund kehren Mann und Frau zu dieser
mystischen Einheit zurück, aus der sie entstanden sind. Eva wurde ja aus Adam
heraus erschaffen. Das musste sein, damit sie sich erkannten. Der sexuelle Akt
bewirkt geistlich real diese Einheit, ob wir es fühlen oder nicht. Deshalb ist
sein Missbrauch auch so dramatisch. Sind z.B. meine Frau und ich aber als
Ehepaar im Willen des Vaters „ein Fleisch“, dann leben wir das nicht nur dann,
wenn wir miteinander schlafen, sondern dann bestimmt das unsere Beziehung.
Ist
das Ihrer Meinung nach sinnvoll, Frau Jüngling? Falls nicht, warum nicht?“
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Darauf antwortete „Ester“:
„…
genauso ist es, indem wir kommunizieren, kommt das Sein und Wesen Christi in
uns hinein, und wir können nur so an seiner, der gottmenschlichen Substanz
teilhaben, indem wir eben sein Fleisch und Blut essen.
Und damit das nicht nur im Geist geschieht, sondern real, muss auch notwendig diese Hostie und dieser Wein real und wirklich Fleisch und Blut Christi geworden sein.“
Und damit das nicht nur im Geist geschieht, sondern real, muss auch notwendig diese Hostie und dieser Wein real und wirklich Fleisch und Blut Christi geworden sein.“
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Darauf antwortete Herr Merl:
„Hallo
Ester,
„kommunizieren“
ist ein guter Begriff, auch wenn wir nicht unbedingt das Selbe darunter
verstehen. Wenn ich wiedergeboren bin, dann lebt Christus bereits in mir. Und
im Geist habe ich mit ihm Gemeinschaft.
Liebe
Grüße“
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Darauf antwortete „Ester“:
„Eben
nur geht diese Gemeinschaft, zu der wir gerufen sind, über das geistige hinaus.
Das Grundwesen des Katholischen und auch der permanente Stein des Anstoßes ist, dass das Katholische seine Glaubenswahrheiten durchweg körperlich und fleischlich versteht.
Wir heißen nicht nur Kinder Gottes, wir sind es!“
Das Grundwesen des Katholischen und auch der permanente Stein des Anstoßes ist, dass das Katholische seine Glaubenswahrheiten durchweg körperlich und fleischlich versteht.
Wir heißen nicht nur Kinder Gottes, wir sind es!“
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Darauf antwortete Herr Merl:
„Hallo
Ester,
Sie
schreiben:
„Das
Grundwesen des Katholischen und auch der permanente Stein des Anstoßes ist,
dass das Katholische seine Glaubenswahrheiten durchweg körperlich und
fleischlich versteht.“
Das
möchte ich doch zugunsten des Katholizismus vehement bestreiten. Ich möchte
aber nicht ausführlich auf Ihre Wortwahl eingehen, weil – wie ich an anderer
Stelle schon mal ausgeführt habe – das Problem darin besteht, dass Katholiken
und Nichtkatholiken unter den gleichen Begriffen durchaus nicht das Gleiche
verstehen.
Abgesehen
davon tasten wir uns hier ja vor und versuchen, es zu vermeiden, endgültige
„dogmatische“ Sätze zu formulieren.
Nur
ein Hinweis sei mir gestattet:
Der
Begriff „fleischlich“ ist im Neuen Testament durchweg negativ besetzt. Er steht
im scharfen Kontrast zu „geistlich“. Paulus sagt, wir sollen „geistlich“
gesinnt sein und nicht „fleischlich“, denn der „natürliche“ oder „fleischliche“
Mensch kann und will das von Gott geistgewirkte Leben nicht verstehen und
akzeptieren. Ja, er bekämpft es geradezu.
Selbst
Jesus, der „im Fleisch“ gekommen ist und ohne Sünde war, wusste: „Der Geist ist
willig, aber das Fleisch ist schwach.“
Aber,
wie gesagt, wahrscheinlich haben Sie das nicht gemeint.“
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Darauf schrieb „Ester“:
„…
aber Herr Merl genau das ist ja der immerwährende Skandal des Katholischen,
dass es darauf besteht, dass das Wort Fleisch geworden ist und als der Auferstandene
im auferstandenen Fleisch in den Himmel aufgefahren ist, und das um uns im
Fleisch zu erlösen,
Wir werden einen Körper haben, dort, wenn wir bei Gott sein werden!
Wir werden einen Körper haben, dort, wenn wir bei Gott sein werden!
Richtig
ist, aber auch, dass das Fleisch schwach ist und der Geist zwar willig, aber
dennoch in diesem Ringen mit dem Fleisch oft erliegt, und wir geistliche
Menschen werden sollen und müssen, wenn wir zu Christus gehören wollen,
Aber
diese geistlichen Menschen sind keine umherschwebenden Astralkörper, sondern
Menschen aus Fleisch und Blut und sollen als solche in die Gemeinschaft der
Heiligen kommen
dazu
soll ja auch die ganze Schöpfung erlöst werden, auch und wenn, die Gestalt
dieser Welt vergehen wird.“
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Nun schaltete sich Felizitas Küble ein:
„Guten
Tag,
natürlich ist Christus körperlich auferstanden, sein Leib im Himmel ist derselbe wie einst auf Erden, aber in einem anderen, nämlich einem verklärten Daseinszustand, der nicht mehr den irdischen Naturgesetzen unterliegt. „Fleisch und Blut“ bzw. der menschliche Leib erfährt bei der Auferstehung eine himmlische Verklärung, überirdische Vergeistigung und gottgeschenkte Verherrlichung, ohne deshalb seine Realität zu verlieren.
Das sollte man schon dazusagen!
Freundlichen Gruß!
Felizitas Küble“
natürlich ist Christus körperlich auferstanden, sein Leib im Himmel ist derselbe wie einst auf Erden, aber in einem anderen, nämlich einem verklärten Daseinszustand, der nicht mehr den irdischen Naturgesetzen unterliegt. „Fleisch und Blut“ bzw. der menschliche Leib erfährt bei der Auferstehung eine himmlische Verklärung, überirdische Vergeistigung und gottgeschenkte Verherrlichung, ohne deshalb seine Realität zu verlieren.
Das sollte man schon dazusagen!
Freundlichen Gruß!
Felizitas Küble“
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Herr Merl antwortete „Ester“:
„Hallo
Ester,
Inkarnation
ist keine katholische Spezialität. Bei den Begriffen „Fleisch“ oder
„fleischlich“ muss man die Bedeutungsinhalte sehr sauber auseinander halten. “Jesus
kommt im Fleisch“ heißt: Er wird Mensch. Daran ist nichts „fleischlich“ in dem
Sinn wie Paulus den Begriff verwendet. Entscheidend ist, WORAUS ein Mensch
lebt.“
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Zunächst einmal, lieber Herr Merl, hänge ich mich
am Begriff „Transformation“ auf. „Transformation“ heißt „Umformung“. Die
paulinische Ausdrucksweise, dass Christus in uns Gestalt annehmen werde,
bedeutet mehr als nur eine Transformation. Es ist nicht einfach nur eine
„Umschichtung“ des vorhandenen Leibes aus der alten Substanz , sondern ein „neuer Mensch“, wie Paulus sagt.
Es ist also eine regelrechte Erneuerung — kein
„Upcycling“, um es Neudeutsch zu sagen! Eine Erneuerung im Lebensvollzug, die
durch Hinzugabe bestimmter Gegenstände und das Mitwollen des Menschen erreicht
wird.
Wenn Paulus uns sagt, „durch den Sohn seien alle Dinge gemacht“, und er sei „der Erbe des Alls“, dann bedeutet das,
dass die Gottebenbildlichkeit des Menschen ursprünglich eine direkte
Sohn-Ebenbildlichkeit gewesen ist. So zumindest verstehe ich das. Der Mensch
hat durch einen Akt der Distanzierung diese Ebenbildlichkeit in ihrer
Vollkommenheit verloren. Ist er aber — auf eigenen Wunsch — kein vollkommenes
Ebenbild des Sohnes mehr, kann er nicht überleben und muss sterben. Seine
Unsterblichkeit bleibt nur intakt, wenn sie sich vollständig aus dem herleitet,
„durch den alle Dinge gemacht sind“. Durch
die tödliche Wunde der Sünde in Adam aber sind wir alle gezeichnet und
können diese Zeichnung nicht ohne Hilfe
überwinden. Das ist unsere Wirklichkeit: wir müssen sterben, weil wir ihn
verneinen. Diese Grundhaltung haben wir „in
Adam“ alle mitvollzogen. Das ist ein geheimnisvoller Satz, der uns
ungerecht vorkommt, aber so wird uns die Sachlage von Paulus erklärt. Sie
Vorstellung der Präexistenz ist hier mit im Spiel, wird aber nicht weiter
ausgebreitet. Die Menschheit war offenbar in Adam von Anfang an vollständig
anwesend. Das Konzept der „Erbsünde“ ist ein missverständliches Vehikel, diese
Tatsache plausibel zu machen, hat aber abgeführt und die Sexualität zum Objekt
der „Ursünde“ gemacht und in der Kirche einen ungesunden und hysterischen
Umgang mit der Sexualität hergestellt. Davon ist aber im NT nicht einmal die
Rede (und im AT sowieso nicht)! Die hinzugegebenen äußerlichen und fassbaren
Gegenstände und Zeichen der wirklichen Gegenwart Christi, die die Erneuerung in
uns notwendig bewirken, sind die Taufe und die Firmung (im katholischen Kontext
gerne als „unauslöschliche Wesensmerkmale“
bezeichnet) für alle Christen, im Falle des Weihepriestertums auch die
Priesterweihe. Alle anderen Sakramente sind für die einzelne Person nicht
heilsnotwendig. Man sagt aber, sie seien für die Kirche im Ganzen notwendig zur
Erlangung des Heiles. Es ist insofern eine Hierarchie der Sakramente durchaus
erkennbar, und an ihrer Spitze steht die Taufe mit der Firmung.
Nun muss man deutlich
unterscheiden, dass die Taufe (Wassertaufe) und die Firmung (Geisttaufe)
neutestamentlich in diesem Sinne begründbar sind, das Priestertum allerdings, wenn
überhaupt, indirekt und auf theologischen Umwegen, und selbst dann ist sein
Konzept nicht so eindeutig wie die beiden Taufkonzepte. Ich bin mir nicht mehr
sicher, ob ein guter Teil der Kirchenkrise nicht mit diesem schwer begründbaren
Konzept samt seinem Beiwerk wie etwa der zölibatären Lebensform und der
absoluten Machtkonzentration hinsichtlich aller Belange der Kirche auf das
Weihepriestertum zusammenhängt. Man hat faktisch (nicht zwingend theoretisch) die
Wertigkeit der Sakramente verschoben und umgekehrt.
Man hat dass Konzept der
Abhängigmachung der Gläubigen vom Priestertum, das im NT in dieser Form nicht
nachweisbar ist, so auf die Spitze getrieben, dass ihm nur der Zusammenbruch
blieb.
Und den Zusammenbruch erleben wir
seit Jahrzehnten in einer schockierenden Deutlichkeit. Aber viele verstehen den
Zusammenhang nicht. Ähnlich wie verzweifelte Muslime in Pakistan nicht
begreifen können, dass der extreme Islam das Land zugrunde richtet, und durch
noch radikaleren Islamismus die Rettung erzeugen wollen, begreifen auch sie
nicht, dass die Kirche, da sie doch dem Anschein nach durch einen feudalistischen
„Ultramontanismus“ gerettet erschien, trotz allem zusammenbrechen musste und
verdächtigen „Freimaurer“ als bekannten „großen Unbekannten“ der bösen Tat. Wir
befinden uns in einer surrealen Situation, die direkt auch mit der Frage nach
der Eucharistie zusammenhängt.
Jesus selbst sagt zu Nikodemus,
einem Mitglied des Sanhedrin, wer nicht neu, „von oben“ geboren werde aus „Wasser
und Geist“, der könne „nicht in das
Reich Gottes“ kommen (Joh 3). Das ist mehr als nur eine Umformung, das ist
eine völlig neue Gestalt, die aber an die je alte auf geheimnisvolle Weise
anknüpft. Eine Person fängt tatsächlich noch einmal von vorne an, wird noch
einmal geboren. Auf die natürliche Geburt aus dem Fleisch kann keine Erneuerung
und keine Erlösung gegründet werden. Dass die Geisttaufe bereits im NT extra
verliehen worden sein muss, erkennen wir an Stellen wie in Apg 8, 15 ff, wo es
heißt: „Diese zogen hinab und beteten für
sie, dass sie den Heiligen Geist empfingen. Denn er war noch auf keinen von
ihnen herabgekommen; sie waren nur getauft auf den Namen Jesu, des
Herrn. Dann legten sie ihnen die Hände auf und sie empfingen den Heiligen
Geist.“ Diese Stelle deutet an, dass
eine einfache Wassertaufe vielleicht diese Festigung im Heiligen Geist noch
nicht auslöst. Wenn man vielleicht einwenden wollte, dass die betroffenen Leute
„nur“ auf den Namen Jesu getauft worden seien und nicht auf die Hl.
Dreifaltigkeit, wie Jesus es geboten hatte, muss dem entgegengehalten werden,
dass der Text uns nichts über eine etwaige Ungültigkeit der Taufe sagt.
Vielmehr scheint man diese Taufe anzuerkennen, aber festzustellen, dass der Hl.
Geist noch nicht verliehen worden sei. Und aus der Tatsache, dass es sehr wohl
eine Rolle spielt, ob er verliehen wurde, darf man folgern, dass dies auch in
der frühen Kirche keine Nebensächlichkeit gewesen sein kann.
Ebenso spricht das Pfingstereignis
dafür, dass eine besondere Geistbeseelung, von der Jesus ankündigte, sie verleihe
den Jüngern eine „Kraft“ (Apg 1, 8),
ausgegossen werde. Die Geistbeseelung in Christus geschieht also im
Pfingstereignis frei durch das freie Wirken Gottes und andererseits auch durch
Handauflegung. Die Kirche kann nicht ohne an der Realität der Texte
vorbeizuargumentieren behaupten, der Hl. Geist könne Menschen nicht jenseits
konkreter Sakramente verliehen werden. Es wird sowohl im AT davon berichtet,
dass der Geist Gottes über Menschen kommt, wann er will und wie er will, und das NT hat an dieser Freiheit Gottes
nichts geändert. Die Bitte um den Hl. Geist ist demgegenüber eher sekundär,
zumal er ja bereits bei der Taufe verliehen wird. Und der, der diese
Handauflegung vornimmt, muss selbst die Vollmacht dazu haben, den Hl. Geist zu
vermitteln. Ob allerdings diese Vollmacht rein formalistisch und im Extremfall
sogar aufseiten des Spenders persönlich glaubenslos als möglich anzusehen ist,
geht aus dem NT nicht hervor. Der kirchliche Kniff zu sagen: Der Spender müsse
ja nur die rechte „Intention“ haben und das „tun wollen, was die Kirche tut“,
ist zwar zur Entlastung der Gläubigen gedacht, die sich andernfalls beständig
fragen müssten, ob sie überhaupt recht getauft oder gefirmt worden seien, aber
andererseits kann ich nicht verstehen, wie im Fall einer Firmung ein zwar
formal bevollmächtigter, aber ungläubiger Mann wollen können soll, was die
Kirche tut, wenn er dem doch willentlich entgegensteht. Unglaube ist doch nicht
etwas Beiläufiges! Anders als bei der Taufe scheint bei der Firmung doch eine
besondere Vollmacht vonnöten zu sein. Die Taufe geschieht auf das Begehren
dessen, der getauft wird. Sie wird, vorausgesetzt dabei geschieht die korrekte
Form, dadurch gültig. Jeder, selbst einer, der gar nicht weiß, was Taufe
bedeutet, darf sie auf Verlangen im Notfall dem Begehrenden spenden. Bei einer
Firmung ist das nicht möglich, denn hier wird eine Kraft vermittelt, die aus
Gott selbst stammt. Schon hier offenbart sich eine merkwürdige Unsicherheit für
den Fall, dass der Spender nicht tun will, was die Kirche tut, also nicht die
rechte Intention hat. Man sagt tröstend, man nehme natürlich erst einmal an,
dass stets die rechte Intention vorliege, selbst dann, wenn der Spender nicht
glaube, wolle er sicher nicht entgegen dem handeln, was die Kirche tue, andernfalls
würde er es ja nicht tun, und setzt die Kriterien dazu so tief herab, wie nur
möglich, untergäbt damit aber letztendlich die grundsätzliche Vollmacht dessen,
der die Firmung spendet. Denn jeder, der halbwegs bei Verstand ist, wird zu
recht fragen: Was ist eine Firmspendung wert, wenn sie im Un- oder Fehlglauben
des Spenders vollzogen wird? Solche und ähnliche Fragen trieben bereits John
Wycliff im 14. Jh und Jan Hus im frühen 15. Jh angesichts eines verheerendes
Bildes um, das die Hierarchie abgab. Anders als bei der Taufe ist der Gläubige
hinsichtlich der Firmung ja vollkommen passiv und „machtlos“.
Nun muss Ester energisch
widersprochen werden insofern, als Jesus in demselben Gespräch mit Nikodemus
doch ausdrücklich sagt, aus dem Fleisch könne nichts als nur Fleischliches und
damit nur Sterbliches und Verlorenes kommen: „Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; was aber aus dem
Geist geboren ist, das ist Geist.“ (Joh 3, 6). Der neue Mensch aber wird
nicht mehr aus dem Fleisch geboren, sondern aus „Wasser und Geist“. Was materiell ist, wird hier mit „Wasser“
benannt. Aus Wasser ist die erste Schöpfung gemacht, aus den Urfluten, dem
Chaoswasser, dem hebräischen „t’hom“,
wie die Genesis 1 berichtet. Der neue Mensch muss das Grab dieses Chaoswassers
verlassen und durch „strukturiertes“, „lebendiges Wasser“ gereinigt werden, um
ein vollkommenes Geistwesen zu werden. Das Wasser steht für seine leibliche
Existenz, aber wie lebendiges Wasser ist die Materie dieses neuen Leibes, auf
den wir noch hoffen, biegsam, „flüssig“ und frisch, vollkommenes Vollzugsorgan
des Geistes.
Wie es aussieht, gibt es den Worten
Jesu zufolge hier keine Schnittstelle! Ganz eindeutig und ohne jeden Zweifel
drückt Jesus hier ein Entweder-Oder aus.
Eine zweite Sache tritt Ester
entgegen, denn niemals hat die Kirche je behauptet, es handle sich bei der
Eucharistie um das nicht-verklärte Fleisch und Blut Jesu Christi. Ester liegt
also auch im allgemeinen überlieferten katholischen Kontext — wenn man präzise
denken will — nicht richtig. Die Eucharistie ist tatsächlich „geist-leiblich“,
also so, wie der erneuerte Mensch sein wird im Himmel, daneben auch göttlich,
weil Jesus Christus nicht nur Mensch, sondern auch Gott ist.
Insofern hat Frau Kübles Einwurf
hier die richtige Zielrichtung, spricht aber die letzte Konsequenz nicht ganz
deutlich aus: dass es eben nicht „Fleisch“ im irdischen Sinne ist, das hier
substanziell „gewandelt“ wird, sondern verklärtes Fleisch, das vollkommener
Verweser des Geistes ist.
Nun ist seit Trient bzgl. der
Eucharistie soviel geschrieben und gelehrt worden, und leider zielte sehr viel
davon darauf ab, sich vom konfessionellen Gegner möglichst weit zu
distanzieren. Auf diese Weise haben alle sich in ein Extrem verbissen.
Protestanten (außer den Lutheranern) wissen teilweise mit dem Abendmahl gar
nichts mehr anzufangen. Häufig bestreiten sie sogar, dass es Sakramente
überhaupt gebe geschweige denn, dass sie irgendeine Heilsnotwendigkeit besäßen.
Manche bestreiten sogar, dass die Taufe heilsnotwendig sei. Da ist nun guter Rat
teuer, denn soweit ich das NT verstehe, ist die Taufe sehr wohl heilsnotwendig,
mindestens das Verlangen danach (wenn der Vollzug verunmöglicht ist).
Im Evangelikalismus ist das
Abendmahl völlig leer, zur überflüssigen Symbolhandlung geworden. Und viele
feiern es erst gar nicht mehr oder nur ganz selten und dann ohne eine besondere
Zuspitzung, handeln damit aber dem Auftrag Jesu zuwider. Denn wenn Jesus eine
rituelle Handlung anweist, dann gewiss nicht deshalb, weil sie doch auch sonst
und auf anderem Weg verwirklicht wird. An dieser Stelle müssen sich
protestantische Theologien hinterfragen.
Herrn Merls Ansatzpunkt, man „esse“
und „trinke“ doch metaphorisch gesprochen immer den Herrn, wenn man zu diesem
Geistwesen verwandelt werde, erinnert mich an solche evangelikale Argumente.
Ja, ja, es stimmt: wir nehmen den
Hl. Geist auf und werden dadurch als Einzelpersonen und als Communio
(Gemeinschaft) erneuert. Aber ist das dasselbe wie das, was das Abendmahl
meint?
Auf der katholischen Seite ist
dagegen eine Versinnlichung geschehen, auf die sich Ester gründet und an der
Ester festhält. Sie hat sich diese Lehren, die sie vertritt, nicht aus den
Fingern gesogen, sondern von irgendwoher übernommen. Die Jesuitentheologie
versinnlichte den Glauben über das Maß hinaus, das eingehalten hätte werden
müssen. Es ist zwar auf katholischer Seite grundsätzlich richtig, dass man den
Menschen als Leibwesen viel stärker einbezieht und berücksichtigt und sogar
würdigt. Das ist gut. Aber wenn man beginnt, das, was doch nach der eindeutigen
Lehre im NT geistig angelegt ist, nun auch noch zu versinnlichen, teilweise
sogar rein fleischlich gedacht, dann wird es problematisch. Diese Problematik
weist die spätneuzeitliche Kirche vermehrt nach 500 Jahren Societas Jesu (SJ)
wie eine schwärende und verderbliche Wunde auf. Der bigotte Katholizismus dreht
sich nur noch um Moral und da v.a. das 6. Gebot (Sex) und alles, was draus
folgt, ist dabei aber teilweise schlüpfrig bis hin zur vulgär-pharisäischen
Peinlichkeit.
Hinsichtlich der Eucharistie
brachte die SJ die Ideologie von der „Seelenspeise“ ins Spiel. Sie war es auch,
die vehement für eine sehr häufige Kommunion eintrat, um den Gläubigen damit
zur Abhängigkeit vom Kirchgang und der Hierarchie zu erziehen. Man nutzte ein wirkliches
und biblisches Gebot Jesu, um die Gläubigen zu entmündigen und von der
Hierarchie abhängig zu machen.
Diese Tendenz muss sich schon vor
dem Tridentinum abgezeichnet haben. Denn Luther wandte sich explizit in seiner
fast unheimlichen Schrift „Von der
Winckelmesse und Pfaffenweihe“ von 1533 dagegen. Luther berichtet, wie der
Teufel mit ihm in der Nacht über die Priesterweihe, die er selbst ja empfangen
hat, disputierte. Der Teufel nimmt hier die Rolle des „advocatus diaboli“ ein und Luther will sehen, ob er nicht sogar
recht hat mit seinen Einwürfen gegen die Konstruktion von Hl. Messe und
Priestertum: In einem ersten Punkt sagt Luther unumwunden, er sei gar nicht
wirklich christgläubig, aber geweiht gewesen und fragt sich, wie er so habe
(die Gaben) wandeln können. In einem zweiten Punkt sagt Luther, es sei nach der
Beschreibung im NT nicht rechtens, das Sakrament zu wandeln und alleine zu
genießen. Immer und ausschließlich werde es gewandelt, um an andere
weitergereicht zu werden. Die Eucharistiefeier können nur eine Feier der ganzen
Communio sein und bedürfe daher auch der konkreten Communio (Wo zwei oder
drei…). Die Schrift zeige uns nicht einen Fall, in dem das anders sei. Er habe
sich also als Priester gegen das Gebot Christi vergangen, der selbst ja auch
sein Fleisch nicht für sich selbst gegeben habe, sondern für die vielen. Im
dritten Gedanken verweist Luther auf das paulinische Wort, man feiere die
Eucharistie, um den Tod des Herrn zu verkünden, bis er kommt, und stellt auch
hier bei der einsamen Messe des einzelnen Priesters ein Vergehen gegen dieses
Gebot Christi fest. Im vierten Gedanken nennt Luther es ein „Greuel“, dass die sakramentalen Gaben
nicht vollständig weitergereicht werden (also auch das Blut Christi). Im
fünften Gedanken klagt Luther sich selbst an, dass er reiner „Opferpfaffe“
gewesen sei, der damit ein eigenes „Werk“ getan habe anstatt Diener der
Gemeinde zu sein, durch die alleine er überhaupt die Vollmacht ausüben hätte
dürfen. Durch die Erniedrigung und den Ausschluss der Laien aus dem Priestertum
habe er das Opfer Christi verfremdet und an sich gerissen — widerrechtlich. Im
weiteren wendet er sich gegen die Praxis, die Hl. Messe unter Ausschluss der
Öffentlichkeit zu feiern und ihre „Früchte“ womöglich irgendwelchen fernen
Personen für Geld „zuzuwenden“, Lebenden wie Toten. Für ihn ist das Problem der
Bruch zwischen den Gläubigen und dem Klerus, der sich an Christus und seinem
Sakrament vergeht. In einem bestimmten Verständnis prangert Luther hier
einerseits eine Virtualisierung und magische „Spiritualisierung“ des Messopfers
an. Alleine, dass es irgendwo stattfinde, genüge schon, um irgendwo an
unabsehbaren Gelegenheiten, seine „Früchte“ zu entfalten, nicht aber mehr
zwingend in dem, der die Kommunion leiblich genießt. Ich möchte an dieser
Stelle gleich bemerken, dass die Kirche heute Luther in jedem Punkt offiziell
zuzustimmen gelernt hat. Freilich lehnen die nun jahrhundertelang anders
getrimmten Katholiken der traditionalistischen Färbung dies nach wie vor und
vehement ab. Luther nahm Anstoß daran, dass das Sakrament der Eucharistie als
einziges Sakrament entgegen der Meinung Christi einsam gefeiert werde, wo doch
alle Sakramente nur Sinn in der konkreten (nicht der virtuellen) Gemeinschaft
der Gläubigen ergeben. Man könne doch auch die Taufe nicht virtuell feiern und
jemandem in Abwesenheit „zuwenden“. Und — Luther wird drastisch — es werde doch
auch aus einem Beischlaf mit einer Frau, der man weder versprochen noch sonst
irgendwie ausdrücklich verpflichtet ist, keine Ehe, nur weil vielleicht der
Beischläfer in seinem Herzen denkt, das sei aber nun für ihn eine Ehe.
Um Luther zu verstehen, muss man
sich vor Augen halten, dass er eine enorme Verunsicherung und Verdunkelung der
Sakramente wahrnimmt durch die Kirche und ihre Machthaber. Insbesondere die
Eucharistie wurde ihres Sinns beraubt, magisch vergeistigt und zugleich total
versinnlicht im Sinne eines „Werkes“ des „Opferpfaffen“. Seine verzweifelte
Aussage „sola scriptura“ ist ein
Notbehelf, nicht ein Ausdruck des „Eigentlichen“. Wo alles genommen wurde, was
Christus schenkte, bleibt nur noch das Wort allein, auch wenn das von Christus
so nicht gedacht war. Ihm ist sehr wohl bewusst, dass es „eigentlich“ Christi „Wort und Sakrament“ sein müssten, aber
er hat jedes Vertrauen in die Hierarchie verloren und die erschütternde Angst,
durch die verbogenen und verzerrten Sakramente sogar dem Teufel zu dienen. Luther
weiß nicht mehr, ob er Gott oder dem Satan dient, wenn er tut, was die Kirche
behauptet, das getan werden müsse und dafür Gehorsam einfordert. Gerade wir
heute müssten seine Verfassung doch sehr gut verstehen können! Luther äußert
eine wahre Endzeitstimmung in seiner kleinen Schrift:
„Denn
auf der Veter leben und thun können wir nicht trawen noch bawen/ Sondern auff
Gottes wort allein/ weil Christus vns selbs gar trewlich gewarnet hat/ Matthei
am vier vnd zwenzigsten/ das solcher jrthum komen solle/ dar ein auch die
ausserweleten verfurt werden mügen/ Vnd da neben setzt/ Wo solche tage nicht
verkürtzet würden/ wurde kein mensch selig/ Da zeiget er ja klerlich an/ das
vnter den Christen das wort vnd Sakrament vnd Tauffe (durch welche wir müssen
selig werden/ vnd sonst nicht) solle so jnn ferligkeit geraten/ das niemand da
durch müge selig werden/ Nu haben wir vnter dem Bapstum solche zeit erfaren/
Denn ob wir wol die Tauffe/ Sacrament vnd Wort gehabt/ sind sie doch (wenn wir
gros vnd alt worden) durch menschen lere vnd misbreuch so verkeret vnd
vertunckelt/das wir vns nicht mehr der selben haben können rhümen/ Sondern haben
vns der frembden Messen/ eigen wercken/ Müncherey/ Walfarten/ Heiligen dienst/
vnd der gleichen/ müssen trösten/ nicht anders/ denn wie sich die Türcken vnd
Juden/ jrer werck vnd Gottes dienst trösten/ Vnd ist auff solchen des Bapstums
verkerung vnd grewel/ aller welt gut gangen/ ob nu die ausserweleten hierin mit
verfüret worden sind/ hat sie Gott an jrem ende (wie Sanct Bernhard vnd ander
mehr) wol können herausreissen (gleich wie Lot aus Sodom/ vnd die sieben
tausent zur zeit Elias/ Darumb auff ir thun und reden/ on Gottes wort/ nichts
zu wogen ist/ jnn solcher hohen ewigen sachen.
Ist
aber der leib vnd blut Christi da/ So mus jderman sagen vnd bekennen/ das sie
die grössesten Gottes diebe vnd Kirchen reuber sind/ so auff erden jhe komen
sind/ Denn das Sacrament (wie oben gesaget) ist nach Christus meinung da zu
geordent vnd eingesetzt/ das mans sol den andern Christen reichen odder mit
teilen/ als eine Communio vnd gemeine speise zur stercke vnd trost jres
glaubens/ Das thun vnser Winckelmesser nicht/ sondern nemens vnd behaltens
allein (…) vnd verkeuffen sie dar nach (…)“ (Martin Luther: Von der
Winckelmesse und Pfaffenweihe, 1533, ohne Seitenangaben)
Bei manchen Kritikpunkten Luthers
wird man mit Recht sagen, die Kirche habe versucht, nachzujustieren. Auch
scheint die Bemühung der Jesuiten, den Gläubigen stärker zur Teilnahme an der
Eucharistiefeier zu binden, dem auf den ersten Blick zu ähneln, was Luther doch
als „Meinung Christi“ darlegte. Es ist aber nur der erste Blick. Die
jesuitische Theologie führte wohl zur häufigeren Kommunion, änderte aber am
Machtmissbrauch über die Eucharistie gar nichts — im Gegenteil: die absolute
Macht über das Sakrament und die Marginalisierung der Gemeinde, die doch den
Priester überhaupt erst mit der Wandlung beauftragt, ging so weit, dass sie
völlig aus dem Blick geriet. Der Priester erfüllte nun nur mehr den Auftrag
Roms, nahezu in einem luftleeren Raum. Im Prinzip ist die Gemeinde gar nicht
nötig. Und die Hierarchie hüllte sich, wenn nun doch Laien anwesend sein sollten,
in das anmaßende Gefühl, sie teile den Gläubigen das „christliche Manna“ als „Seelenspeise“ aus, zu dessen Genuss sie
„verpflichtet“ wurden, die Gläubigen aber seien unmündige Empfänger. Unmerklich
machte man die Gläubigen von dieser „Seelenspeise“
abhängig, als gäbe es sonst keinen Kontakt zwischen Christus und den Seinen. So
konnte Ester schon an anderer Stelle sagen, wir hätten Christus doch nur in der
Eucharistie. Man hat diese Auffassung den Gläubigen nahegelegt, aber ist sie
wahr?
Und es waren auch die Jesuiten, die
die marianische Frömmigkeit bis hin zum Kitschigen und Anstößigen ausbauten,
also faktisch eine weitere Hürde zwischen Christus und die Seinen aufbauten.
Sie sollten sich an die Gottesmutter wenden und nicht mehr an Christus. Christus
wurde ihnen gewissermaßen „in kontrollierten Broteinheiten verabreicht“, sonst
aber vorenthalten. Mir ist bewusst, dass das wie eine Überzeichnung klingt,
aber wenn man sich die Früchte dieser Theologie ansieht, ist dieser Eindruck
nicht von der Hand zu weisen.
Das Konzil von Trient hatte (In „Sacrosancta oecumenica (3)) noch an die
Bischöfe die Mahnung ausgegeben, über die Gläubigen nicht zu herrschen und
ihnen gegenüber keine Gewalt anwenden, eine entsprechende Mahnung an Päpste
unterblieb aber. Zunächst bedeutet eine solche Mahnung an die Bischöfe, dass
man ihre Übermachtstellung gegenüber den Gläubigen nicht zu reformieren gedenkt
und der Appell nur an ihr Wohlwollen gerichtet wird, ihnen selbst aber, falls
sie zuwider handeln, keinerlei Strafe droht, denn man beeilt sich hinzuzufügen,
dass niemand von den Gläubigen gegen Entscheidungen der Bischöfe appellieren
könne. Man kann also das Lippenbekenntnis zugunsten der Milde gegenüber den
„Untertanen“ im wahrsten Sinne des Wortes den „Hühnern geben“, denn es wird ja
im weiteren Text bereits gleich wieder ausgehebelt. Zwar wird zugestanden, dass
Hierarchen zuweilen schwerste Vergehen vollbringen, aber die Hürde, diese
Männer zur Anzeige und Amtsenthebung zu bringen, sind so hoch gesetzt und am
Ende der reinen Willkür seitens der Kirche unterworfen (die sich stets
vorbehält, ob sie die Zeugen anerkennen will), dass wohl kaum je ein Hierarch
wegen Vergehen gegen die Gläubigen sich ernsthaft verantworten musste. Die
Tatsache vieler verschleierter Verbrechen seitens der Hierarchie ist ein fernes
Resultat des Tridentinums, dessen Rechtssetzungen in der Kirche bis heute in
vielen Punkten wirksam und gültig sind. Der postmoderne Pädophilieskandal etwa wäre
nach mehreren unter den Teppich gekehrten Jahrzehnten und Jahrhunderten, die er
schon währte, und den Verantwortlichen bekannt war, munter weiter betrieben
worden, hätte nicht alle Welt darüber Alarm geschlagen. In diesem Falle ist es
opportun, sich zu beugen, aber mental und auf einer prinzipiellen Ebene denkt
die Kirche nicht daran, sich zu beugen und würde im nächsten Falle ihre
Verbrechen wieder vertuschen und ihre Hierarchen schützen. Andernfalls müsste
sie ihre Gesetze radikal ändern, was sie aber nicht tut.
In derselben Trienter Sitzung also,
in der man über das Altarsakrament konferierte und Beschlüsse fasste,
konsolidierte man die autoritäre Macht der Hierarchie gegenüber den Gläubigen.
Luther hatte in seiner kleinen
Schrift die große Angst geäußert, dass der Pfarrer in der Stillmesse vielleicht
gar nicht wirklich die rechten Wandlungsworte spreche. Niemand außer ihm höre
ihn, und nirgends sonst verlasse man sich auf der Welt nur auf einen einzigen
Zeugen. Niemand wisse, was er da vorne am Altar wirklich murmle, und niemand
könne wissen, ob er sich nicht eines Sakrilegs teilhaftig mache unter solchen
Heimlichtuer-Umständen. Luther empfiehlt die geistige Communio in einer
Stillmesse, um der Gefahr der Teilhabe an einem Sakrileg zu entgehen.
Man liest Luthers Sätze und stellt
sich unweigerlich die Frage, woher er solche Ängste entwickelt hat. Er war
selbst katholischer Priester und berichtet uns, was er erlebt hat:
„Vnd
wens Gott gleich nicht geboten hette/ das wir eines eintzeln mans wort vnd
werck nicht sollten gleuben/ So zwünge uns doch die erfarung vnd not selbs
dazu/ auch jnn diesen heimlichen odder Winckelmessen/ Ich bin zu Rom gewest
(nicht lange) hab da selbs viel messe gehalten/ vnd auch sehen viel messe
halten/ das mir grawet wenn ich dran dencke/ Da höret ich unter andern guten
groben grumpen/ vber tissche/ Curtisanen lachen vnd rhümen/ wie ettliche messe
hielten (vnd vber dem brot vnd wein
sprechen/ diese wort/ Panis es/ panis manebis/ Vinum es/ vinum manebis/ vnd
also auff gehaben/ Nu ich war ein junger vnd recht ernster fromer Münch/ dem
solche wort wehe thetten/ Was solt ich doch dencken? Was konde mir anders
einfallen/ denn solche gedancken? Redet man hie zu Rom frey/ offentlich vber
tissche also/ Wie? Wenn sie alzumal/ beide Bapst/ Cardinal/ sampt den
Curtisanen also messe hielten? Wie fein were ich betrogen/ der ich von ihnen so
viel Messe gehört hette/ Vnd zwar ekelt mir seer da neben/ das sie so sicher
vnd fein rips raps kundten Messe halten/ als trieben sie ein gauckel spiel/
Denn ehe ich zum Euangelio kam/ hatte mein neben Pfaff seine Messe aus gericht/
vnd schrien zu mir/ Passa/ Passa/ jmer weg/ kom da von etc.
Nu
wissen wir/ das der Curtisanen tugent vnd glauben viel aus Rom und Welschland
gebracht/ vnd beide Stifft vnd Pfarren wol da mit beschmeisst sind worden/ Denn
wir haben viel ruchloser Thumbherrn (?)/ Vicarien vnd Altaristen gesehen/ die
fast eines wildens/ wüsten lebens/ mit schwelgen vnd hurerey tag vnd nacht zu
brachten/ vnd dennoch des morgens Messe gehalten haben/ Wer will hie burge da
sein/ vnd vns gewis machen/ das sie nicht auch haben auff solche Römische vnd
Curtisanische weise Messe gehalten/ vnd vns lassen eitel brod vnd wein anbeten?
(…)
Ich
bin durch solche exempel/ gebrand/ gewitzigt vnd gewarnet/ das ich nimer mehr
will bey solcher Winckelmessen sein/ oder mus ich da bey sein/ so will ich doch
jr nichts achten (…) so bleibt mein glaube vnbetrogen/ des bin ich gewis.“
(a.a.O.)
Luther zitiert in diesem
Zusammenhang auch, dass Thomas Müntzer frei zugebe, er habe morgens früh den
Nonnen Messen halten müssen und aus Übellaunigkeit und Müdigkeit auch gerne mal
die Wandlungsworte nicht gesprochen…
Luthers Trauma des Unernstes, der
Messe-Sakrilgien und Blasphemien aus dem Munde zahlreicher Weiheträger führt
zum generellen, nagenden Zweifel daran, dass ein Priester überhaupt durch das
ständige, fast achtlose und so oft übermüdete Messelesen die rechte Intention
habe bzw ein Zuhörer gewiss sein könne, dass er die rechte Intention habe.
Luthers Zweifel an der Hingabe des gewöhnlichen Priesters entspringt nicht
einer theoretischen Erwägung, sondern der eigenen Erfahrung als Priester unter
Priestern.
Das Trienter Konzil aber befasste
sich trotz der Notwendigkeit weder mit einer Reform des Papsttums, noch mit
einer ernsthaften Klerusreform. Man rang sich nur zu einer Residenzpflicht der
Bischöfe durch — was für die Kirche eher eine Peinlichkeit darstellt, selbst
eine solche Selbstverständlichkeit bisher nicht gewährleistet zu haben.
Die spätere liturgische Reform,
auch wenn der Messritus insgesamt von großer Schönheit wäre, wenn er denn im
rechten Geist ausgeführt wird, verfestigte die Problematik nur, denn die
grundsätzliche Virtualisierung der Hl. Messe wurde nicht aufgegeben.
Die einzige weitreichende Reform des
Trienter Konzils im Bezug auf geistliche Personen richtete sich gegen zölibatäre
Frauen und in geringerem Maßen auch Ordensmänner : Unter ausdrücklicher Bezugnahme
auf Bonifaz VIII., der selbst unter dem Verdacht gestanden war, Häretiker zu
sein und eine frauenfeindliche Bulle („Periculoso“) verfasst hatte — ein Verdacht,
der bis heute nicht ausgeräumt ist und für den immer noch viel spricht —
schikanierte man die Nonnen, Mantellatinnen und freien Beghinen durch eine
rabiate „Klosterreform“ („Cum catholica
ecclesia“ 1563), schränkte ihre Rechte und Möglichkeiten erheblich ein und
verdonnerte sie förmlich zu einer rigiden Klausur. Es ging, wie es scheint, um
das regelrechte Wegsperren einflussreicher geistlicher Frauen. Eine Katharina
von Siena wäre nach dem Tridentinum nicht mehr möglich gewesen.
Das Reformdekret ist gegenüber anderen
Texten dieses Konzils bemerkenswert weitschweifig und ausführlich. Wenn es um
die Beherrschung der Frau ging, fand man viele Worte. Wenn es um eine
Selbstreinigung der Hierarchie ging, versagten dieselben bis auf ein Minimum.
An der grundsätzlichen Problematik
der Praxis der Eucharistiefeiern und des „Verkaufs“ ihrer „Früchte“ hat sich
nichts geändert. Man hat allerlei definiert, etwa dies:
„Wenn
jemand sagt, Christus im Altarsakramente dargereicht, werde nur
geistlicherweise genossen und nicht auch sakramental und wirklich, der sei im
Bann.“ (Can 8, Sacrosancta oecumenica (3) 1551)
Oder das:
„Wenn jemand leugnet, dass in dem heiligsten Altarsakrament, wahrhaft,
wirklich und wesentlich der Leib und das Blut, zugleich mit der Seele und der
Gottheit unsers Herrn Jesu Christi und folglich Christus ganz enthalten sei,
sondern sagt, er sei in demselben nur, wie in einem Zeichen oder Bilde oder der
Kraft nach, der sei im Bann.“ (Can 1, ebenda)
Oder dies:
„Wenn
jemand sagt, in dem hochheiligen Altarsakrament verbleibe die Wesenheit des
Brotes und Weines zugleich mit dem Leibe und Blute unsers Herrn Jesu Christi
und jene wunderbare und einzige Umwandlung der ganzen Wesenheit des Brotes in
dem Leib und der ganzen Wesenheit des Weines in das Blut leugnet, indessen nur
die Gestalten des Brotes und des Weines verbleiben, welche Umwandlung eben die
katholische Kirche sehr passend Transsubstantiation nennt, der sei im Bann.“
(Can 2, ebenda)
Letzterer Kanon betrifft besonders
Luthers Erfahrungen, dass die Geistlichkeit diesen Glauben ja selbst oft nicht
teile und sich darüber sogar während der Zelebration lustig mache. Die
mechanistische, magische Auffassung der Wandlung leistete diesem Missstand
Vorschub. Es ist schwerlich denkbar, dass solcher Unernst sich durch konziliare
Appelle hätte umkehren lassen. Für Luther liegt das Problem in einer
grundsätzlichen Fehlkonstruktion, an der aber nichts geändert wurde. Aber
Luther hatte nicht nur ein Problem mit dem Missbrauch der Eucharistie durch
einen Klerus, der sie „machen“ muss.
Er litt auch an der Ungewissheit
über die rechte Intention des Zelebranten und daran, dass die, die sie nicht
haben, am wenigsten zugeben werden, dass sie sie nicht haben. Luthers Antwort
lautet: Heilige Messen sollten nur öffentlich und laut vollzogen werden, damit
man erfassen kann, dass wenigstens der Wortlaut eingehalten wird. Das
Tridentinum hat jedoch in dieser Hinsicht die gesamte Problematik unreformiert
gelassen und durch Lippenbekenntnisse, eine Versteifung auf einen bestimmten
philosophischen Ansatz (der aus der Schrift in keiner Weise hervorgeht) und
eine Zentralisierung der Riten geglaubt, die Unsicherheiten ausräumen zu
können.
Was aber geschieht denn bei der
Eucharistiefeier, und warum hat Jesus sie eingesetzt, wo er doch andererseits
versprochen hat, in unseren Herzen wohnen zu wollen ohne „materiellen“ oder
materiell gewandelten Zwischenschritt. Auf diese „Zweiheit“ der Gegenwart Jesu
weist Herr Merl hin. Die Geistbeseelung des Menschen ist ja etwas anderes als
die Teilnahme an der Eucharistiefeier und kommt frei und in Gottes Souveränität
zustande.
Die Erklärungshilfe mithilfe der
„Transsubstantiationslehre“ für das eucharistische Wandlungswunder, die mit der
Vorstellung operiert, Gegenstände könnten eine Gestalt behalten, ihr eigenes
Wesen dabei aufgeben und ein anderes, unsichtbares beherbergen, reizte mit
Sicherheit viele Geister schon zum Spott, weil sie dem normalen
Menschenverstand so wenig plausibel erscheint wie sie gemessen an einem echten
Mysterium als Erklärung angemessen scheint. Die spottenden und lästernden
Pfaffen Luthers, die am Altar stehen und den beiden eucharistischen Gaben
sagen, dass sie bleiben, was sie sind, resultiert aus dieser mangelnden
Plausibilität und der Unzulänglichkeit einer solchen Erklärung angesichts eines
Mysteriums.
Die Kirche hat sich durch ihre
selbstgewählte Bindung an die heidnisch-griechische Philosophie auf ein
bestimmtes Erklärungsmuster über die Dinge festgelegt und selbiges
weiterentwickelt, aber nicht überschritten. Alles, was unplausibel oder dem
Menschen natürlicherweise unmöglich scheint, hat sie philosophisch in einer
bestimmten Weise analysiert, um es hernach, mit diesem Stempel versehen, wieder
zusammenzusetzen.
Ein zentraler Begriff ist dabei das
„Wesen“ oder die „Natur“. Die Frage stellte sich in mehreren zentralen
theologischen Zusammenhängen: Wie kann Gott Mensch werden, wo es sich doch um
zwei Wesenheiten oder Naturen handelt? Die Kirche antwortet darauf mit dem Begriff
der „hypostatischen Union“: Christus ist eine Persönlichkeit mit zwei Naturen.
„Hypostase“ heißt hier „Natur“. In der Trinitätslehre spricht sie von „drei
Hypostasen“ des einen Gottwesens. „Hypostase“ bedeutet hier „Person“. Und wie
können Brot und Wein zu Leib und Blut Christi werden, wo es doch um zwei verschiedene
Wesenheiten geht? Und warum nimmt man in Christus zwei Naturen an, streitet sie
aber unter Bannfluch hinsichtlich der eucharistischen Gaben ab? Anders gefragt:
Warum ist es theologisch so abwegig, anzunehmen, dass sich auch in den
eucharistischen Gaben eine Doppelnatur zusammenfindet, nämlich die der Gaben
Brot und Wein und die Christi als Geopferter und Verklärter? Ich gebe zu, dass
ich diese Frage aus logischen Gründen stelle, aber selbst nicht lösen könnte
und auch niemals verstanden habe, warum die Kirche sie abschlägig beschieden
hat. Im aristotelischen Kontext gibt es nämlich keine Gestalt des Gegenstandes,
die unabhängig von seinem Wesen sein kann. In dieser Lehre wird jedoch
konstruiert, dass in ein und derselben Gestalt das Wesen vollständig
ausgetauscht würde, gewissermaßen „rückstandsfrei“. Das Akzidens (Gestalt von
Brot und Wein) unterwirft, aus einer bestimmten Perspektive gesehen, die
Substanz (Leib und Blut Christi). Wenn Jesus Wasser zu Wein verwandelte,
geschah ein zwar wunderbarer, aber nachvollziehbarer Prozess:
Was aussah wie Wasser und schmeckte
wie Wasser sah mit einem Male aus wie Wein und schmeckte wie Wein. Aus einem
Gegenstand wurde vollständig ein anderer, materiell wie substanziell. Da
Materie und Form klassisch argumentiert in Abhängigkeit stehen, kommt bei der
Transsubstantiationslehre ein Moment hinzu, dass weit über die aristotelische
Begrifflichkeit hinausreicht und den Menschen ratlos zurücklässt: Hier wird
etwas, das aussieht wie Brot und Wein und schmeckt wie Brot und Wein zu Leib
und Blut Christi, sowohl zu dem geopferten Leib als auch dem bereits
verklärten, aber es schmeckt nach wie vor wie Brot und Wein und sieht aus wie
Brot und Wein. Anders als auf der Hochzeit zu Kana gibt es für den, der
beiwohnt oder kommuniziert, keinerlei fassbaren Hinweis, anhand dessen er
überprüfen könnte, ob diese Wandlung überhaupt stattgefunden hat. Das blanke
Autoritätsargument ist nicht hinreichend, wie man an der tiefen Unsicherheit
Luthers, aber auch seiner zynischen Zeitgenossen („Panis es…“) erkennen kann.
An dieser Lehre stießen sich lange
vor Luther aus philosophischen und logischen Gründen einige Theologen, etwa
Berengar von Tour im 11. Jh. Viele versuchten, die Eucharistie im Rahmen
scholastischer Begriffe nachzuvollziehen, wie etwa auch Savonarola, der darüber
einiges schrieb, das aber die Sache kaum verständlicher macht und im übrigen
leugnet, dass Christus örtlich in der Hostie sein könne, weil er schließlich
örtlich im Himmel sei. In der Hostie und im Wein sei er „sakramentisch“. Was
aber ist der Unterschied zwischen einer „örtlichen“ und einer „sakramentischen“
Anwesenheit?
Trient versuchte später, zu
präzisieren, was genau bei der Hl. Wandlung geschehe:
„Denn
noch hatten die Apostel die Eucharistie (Mt 26,26 u. Mk 14,22) aus den Händen
den Herrn empfangen; als er doch schon selber wahrhaft versicherte, dass das,
was er darreichte, sein Leib sei; und immer war dieser Glaube in der Kirche
Gottes, dass sogleich nach der
Konsekration der wahre Leib unsers Herrn und sein wahres Blut unter den
Gestalten des Brotes und Weines zugleich mit seiner Seele und Gottheit da sei;
der Leib aber zwar unter der Gestalt des Brotes und das Blut unter der Gestalt
des Weines, vermöge der Kraft der Worte, derselbe Leib aber unter der Gestalt des
Weines und das Blut unter der Gestalt des Brotes und die Seele unter beiden,
kraft jener natürlichen Verbindung und Vergesellschaftung, durch welche die
Teile Christi des Herrn, der (Röm 6,9) schon vom Tode auferstanden ist und
nicht mehr sterben wird, unter sich vereinigt sind; die Gottheit endlich, wegen
jener ihrer wunderbaren persönlichen Vereinigung mit dem Leibe und der Seele.
Deswegen ist es sehr wahr, das gleichviel unter einer von beiden Gestalten und
beiden enthalten ist. Denn Christus ist ganz und unversehrt unter der Gestalt
des Brotes und unter jeglichem Teile dieser Gestalt und eben so ganz unter der
Gestalt des Weines und unter dessen Teilen da.“ (a.a.O.)
Unweigerlich muss ich an die
Debatte denken, die Frau Küble immer wieder eröffnet hat über Fatima und das
Engelsgebet von 1916, in dem das durch eine Engelsvision an die drei Kinder
offenbarte Gebet davon spricht, der Beter „opfere
Leib und Blut und die Gottheit Christi auf“ (die er in „allen Tabernakeln der Welt“ annehmen dürfe), was doch nicht gehe,
wo doch nur die Menschheit, nicht aber die Gottheit geopfert werden konnte.
Ich habe wohl verschiedene Male
darauf hingewiesen, dass die Formulierung des Engelsgebetes wortwörtlich die
tridentinische Formel wiedergibt. Frau Küble hat mir stets eine ähnliche
sophistische Antwort gegeben, etwa des Inhaltes, der Trienter Kanon meine ja
nicht, dass man eine solcherart konsekrierte Hostie erneut aufopfern könne,
sondern nur, dass sie Leib und Blut und die Gottheit Christi enthalte. Dieses
Argument mag zwar auf einer gewissen logischen Ebene richtig sein, kommt aber
mit der kirchlichen Lehre ins Gehege, an der sich Luther so stark rieb: Solange
die Kirche lehrt, man könne die virtuellen „Früchte“ einer Hl. Messe einem
unabsehbaren Einsatzort „zuwenden“, muss man auch anerkennen, dass in diesem
Akt der „Aufopferung“ (und nichts anderes meint diese Rede des
„Früchtezuwendens“) dann auch alles, was in der Hostie steckt, aufgeopfert,
also in seiner Frucht zugewandt wird, auch die Gottheit Christi. Frau Küble
wies alle Gegenargumente gegen die ihren ab, die ihr zeigen sollten, dass
Fatima nicht im Widerspruch zur Lehre der Kirche über die Eucharistie steht, wie
sie oft meint, wohl aber natürlich im Gegensatz zu jedem nüchternen Glauben.
Man kommt hier in eine Zerreißprobe: Entweder man glaubt die sperrige,
mechanistische und das Mysterium zerstörende philosophische Krücke, mit deren
Hilfe die Kirche sich erlaubt, ein Mysterium zu entschleiern, oder man hält am verschleierten
Mysterium fest und muss zugeben, dass das Engelsgebet aus Fatima unsinnig
wirkt. Man kann aber kaum an beidem festhalten. Und dieser Umstand sollte jedem
Katholiken, der selbständig denkt, unheimlich sein. Unweigerlich quellen Fragen
empor. Quälende Fragen des denkenden Menschen, der noch dazu auch sehr wohl die
neutestamentlichen Texte kennt.
Warum versuchte die weströmische
Kirche, auf Biegen und Brechen ein Mysterium begrifflich gewissermaßen „maximal
präzise“ zu fassen, versuchte sich also an etwas, das in sich selbst zum
Scheitern verurteilt ist? Was ein Mysterium ist, wird sich nun einmal nicht in
philosophische Begriffssetzungen bannen lassen. Warum hat sie es nicht beim
Mysterium belassen und einfach nur gesagt: was immer hier geschieht, es ist ein
Mysterium, in dem der wahre Christus auch (aber nicht nur) gegenwärtig ist und
uns nährt? Warum blieb man nicht dabei, das zu tradieren, was in den restlichen
alten Kirchen überliefert wird, dass nämlich Christus in Brot und Wein auf dem
Opferalter „nach der Ordnung Melchisedeks“ anwesend ist, und die Gaben auf das Gebet der Kirche hin
durch die Assistenz des Priesters gewandelt werden? Warum hinsichtlich des
Priestertums der Austausch des dienenden Hirtenkonzeptes durch ein
„Stellvertreter Christi“-Konzept?
Was ist geschehen, dass heute Orthodoxe
schreiben:
„Die
Orthodoxe Kirche glaubt, wie auch die Katholische Kirche, an die Realpräsenz
Christi im eucharistischen Brot und Wein. Die von den Gläubigen dargebrachten
Elemente Brot und Wein werden durch das Herabkommen des Heiligen Geistes als Antwort
auf das Gebet der Gläubigen mit dem Bischof (oder in seiner Abwesenheit dem
Priester) an der Spitze zum Leib und Blut des Herrn. Dies ist ein Sakrament
(Geheimnis, Mysterium), das unser Verstand nicht begreifen kann, das wir aber
im Glauben annehmen. Versuche der
verstandesgemäßen Erklärung („Rationalisierung“) der Sakramente haben stets zu
Häresien und zur Spaltung der Gläubigen geführt. Wir müssen das glauben, was
Christus uns dazu gesagt hat, und zwar dass die in der gottesdienstlichen Versammlung
konsekrierten Elemente Brot und Wein Sein Leib und Blut sind.“ (http://www.mitropolia-ro.de/index.php/2013-11-26-15-28-18/lehrreiche-worte/261-die-eucharistie-in-der-orthodoxen-tradition)
Sofort erkennt man, dass auch die
Orthodoxen Stillmessen ablehnen und die Dominierung der Gemeinde durch das
Opferpriestertum ausdrücklich ablehnen. Es ist die Gemeinde, die anwesend ist,
im Messkanon der tridentinischen Liturgie wird sie ja korrekt immer noch als
die „circumstantes“ benannt, die die
eigentlichen „Auftraggeber“ des Priesters sind. Die Liturgie Trients offenbart
uns jedoch nicht, welche Lehren an ihr hängen. Äußerlich gesehen ist sie der
orthodoxen nicht fremd, sehr wohl aber von der theologischen Deutung her.
Kriecht nicht der Verdacht in uns hoch, dass nicht die gebannten und als
Häretiker und Schismatiker beschimpften anderen, sondern die katholische Kirche
selbst durch ihre — gemessen am Mysterium — intellektualistischen, aber dennoch
vulgären Rationalisierungsversuche die ganze Kirche durcheinandergerüttelt und gespalten
hat, genauso, wie es das orthodoxe Zitat ausdrückt? Die Frage stellt sich
unweigerlich, wenn man ernst nimmt, dass die Eucharistie ein echtes Mysterium
ist.
Und was kam von dieser katholischen
Lehre bei den einfachen Gläubigen an? Was stellten sie sich vor, wenn sie
kommunizierten oder einer Hl. Messe beiwohnten oder vor einem Tabernakel
beteten? Lag es nicht in der Natur der Sache, dass sich am Ende ein magisches,
versinnlichtes Verständnis bei den Laien einstellte? Und was stellten sich die
Philosophen vor, die Priester und Gelehrten? Wie viele glauben denn wirklich
daran?!
Wie unklar die Transsubstantiationslehre
letztendlich die Frage nach der Realität der Eucharistie ließ, offenbaren
spätere Erklärungsversuche, die Rom nicht billigte. Etwa legten die Jesuiten
Josef Bayma SJ und der General Pierre Beckx SJ 1875 Anfragen an das Hl.
Offizium Erklärungsversuche vor, die das Unverständliche verständlicher machen
wollten, allerdings ohne Erfolg. In einem Dekret vom 7. Juli 1875 wurden die
Erklärungsversuche verworfen (ASS 11 (1878/79) 606f). Die Anfrage versuchte die
unverständliche Lehre, dass eine Substanz ausgetauscht werde, während sie unter
einer dem Anschein nach wesenfremden Gestalt bliebe, philosophisch im Rahmen
neuscholastischer Winkelzüge zu erhellen, indem sie auf eine Theorie des „Selbststandes“
eines Gegenstandes hinauswollte. Da Brot und Wein keinen Selbststand als Leib
und Blut Christi haben könnten, könnten sie nur im Sinne des Selbststandes
Christi als sein Leib und Blut aufgefasst werden. Auch der Mensch in Christus
stehe ja nicht in sich selbst als solcher, sondern nur aus der Substanz
Christi. Die Erklärung wirkt hilflos. Roms Ablehnung erfolgte wie üblich autoritär
und ohne Begründung.
In der neueren römischen Theologie
wurde der Begriff des „Pascha-Mysteriums“ eingeführt, der auf Odo Casel OSB
zurückgeht und das Mysterium wieder betonen wollte. Angesichts der Zustände in
vielen Kirchen kann man bezweifeln, dass durch diese neue und interessante
Theologie ein Verständnis erwachsen ist. Casels liturgietheologische Gedanken
sind tiefschürfend, fordern die Bereitschaft zu einer verantwortliche
Reflexion. Durch die jahrhundertealte Entmündigung des Gläubigen wirkt sich die
Trägheit der Katholiken hier tödlich aus: die Sammlungen von den „horrores
missae“ sind Legion, in denen alles, nur nicht dieses „Pascha-Mysterium“
aufscheint. Man hat verschwommene Vorstellungen von einem Gemeinschaftsmahl,
von sozialer Gerechtigkeit und Hilfsbereitschaft, dem pathetischen
Friedensgruß, aber ein lebendiger Bezug zum Leib Christi scheint weniger
vorhanden.
Was aber soll dieses Mysterium denn
darstellen?
Wenn Christus immer mit uns auf
geistige Weise verbunden ist, warum dann extra noch einmal die Eucharistie?
Ist es nicht doch einfach nur das,
was im Novus Ordo missae gesagt wird:
Priester:
Geheimnis des Glaubens.
Gemeinde:
Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du
kommst in Herrlichkeit.
Ist es nicht doch die orthodoxe
Vorstellung, dass in diesem zentralen Akt der Kirchenversammlung der Gläubigen
der Leib Christi, der die Kirche ja sein soll, aufgebaut wird? Es also nicht um
das persönliche und ganz private Seelenheil oder eine private Seelenspeise
geht, sondern die des Individuums in der Gemeinschaft des Leibes Christi, des
Herrn, der geopfert wurde und bereits auferstanden und verklärt ist, und dem
wir aus dem Opfer hier auf Erden hinauffolgen, dies aber niemals einsam? Geht
es nicht vor allem um die Repräsentanz des Erlösers, der am Kreuz starb durch
die Communio? Wie aber geht das zusammen mit den römischen
„Stellvertreter“-Phantasien? Waren Luthers tiefe Bedenken nicht doch gerecht
und zutreffend? Hat er nicht doch intuitiv erfasst, was an der römischen Praxis
völlig pervertiert war? Und treten wir nicht auf der Stelle und haben in einem
halben Jahrtausend nicht geschafft, von hier bis um die nächste geistliche Ecke
zu kommen?
Man kann der tridentinischen
Liturgie nicht vorwerfen, dass sie diese Grundgedanken verändert hätte, genauso
wenig wie man dies dem Novus Ordo vorwerfen kann. Unser Problem ist eine
heillose theologische Verwirrung hinter der Liturgie. Es ist der ideologische
Wahnsinn, der sich an liturgische Vorgänge und Reformen geknüpft hat und aus
dem Leib Christi, zumindest was die katholische Kirche betrifft, ein
verwüstetes Schlachtfeld gemacht hat.
Ich breche meine Gedanken hier ab.
Es sind fließende Gedanken, die keine Proklamation von etwas sein sollen,
sondern der Versuch zu verstehen, in welcher Krise wir eigentlich wirklich sind
und warum kaum einer versteht, was in einer Eucharistiefeier wirklich vor sich
geht. Ich möchte an Luthers Angst erinnern, dass das Sakrament in einem
apokalyptischen Szenario so verzerrt worden sein könnte in der weströmischen
Tradition, dass es nicht mehr den Auftrag Christi erfüllt, sondern pervertiert.
Er wurde schon vor 500 Jahren von dieser Angst erfasst. Wie viel mehr könnten
wir heute besorgt darüber sein, ob wir nicht in einen großen Irrtum hinein
erzogen wurden, der nur aufgrund eines läppischen Autoritätsargumentes immer
weiter wirkt und nicht mehr gesunden kann.
Wie gesagt: Ich proklamiere hier
nichts, sondern es sind quälende Fragen, die aufsteigen und ausgesprochen
werden.
Ich freue mich über Mitdenkende und
Mitdiskutanten.