Fake Heavens (II) — Zur Problematik der modernen Kosmologie als antichristlicher Utopie ("Ortlosigkeit")
1.
Das Olberssche Paradoxon oder warum jede irdische Macht auch Sternwarten und
Observatorien unterhält und es doch dunkel bleibt
Nachdem ich in einem ersten Teil
die vorhandene Debatte um die „Flache Erde“ dargestellt und untersucht habe,
was denn die heidnische, europäische Antike über den Kosmos dachte und
„wusste“, möchte ich mich in diesem zweiten Teil mit den geistigen Konsequenzen der modernen Kosmologie beschäftigen und danach in einem weiteren Artikel die biblische Kosmologie genauer beleuchten.
Wenn nun manch einer, vor allem
mancher Christ, sagen mag (wie dies einige Kirchenväter taten), es sei doch
letztendlich ganz egal, wie das All und die Gestalt der Erde aussehe, es komme
doch nur auf den rechten Glauben an, so möchte ich dem widersprechen und
vorausschicken, dass nicht nur der christliche Glaube mit seinem Zeit-,
Schöpfungs- und Himmelsbegriff steht und fällt, — denn alle heilsgeschichtlichen
und apokalyptischen Aussagen nehmen direkten oder indirekten Bezug auf die
Kosmologie — , sondern unser aller seelisches und politisches, geistiges und
ökonomisches Schicksal auf dieser Welt hängt davon ab. Machtpolitik war niemals
von der Kosmologie zu trennen, und jeder sehe sich vor, wo er sich hier
verortet. Es gab nie eine irdische Macht, die nicht die Sterne und das All für
sich beansprucht hätte. Jeder Hof unterhielt Sternkundige und Astronomen, und
auch der Vatikan unterscheidet sich hier auf keine Weise. Wozu, wenn das für
den Glauben unwichtig sein soll, bräuchte sonst unsere Kirche eine „Sternwarte“
in den Albaner Bergen? Wozu unterhält der Heilige Stuhl eine Bildungs- und
Forschungseinrichtung namens „Specola Vaticana“? Keine Sternwarte auf dieser
Welt sieht davon ab, über die Himmelsgeschehnisse zu wachen und die
Deutungshoheit über sie zu beanspruchen. Eine fromme Vogel-Strauß-Politik ist
eines Christen alleine schon im Rahmen dieser Vorbemerkung in einer so
wichtigen Frage also nicht würdig und konnte und könnte weiterhin der
Ausgangspunkt einer großen Irrtumsanfälligkeit und Verkennung der Zeichen der
Zeit werden. An der Kosmologie hängt förmlich alles, denn sie ist es, die die
Fähigkeit, den wiederkommenden Herrn zu erkennen oder eben auch zu verstehen,
dass er es nicht ist, von dem uns einige sagen, er sei es, wesentlich fundiert.
Doch fangen wir am Anfang an:
Der Glaube „fühlt sich“ anders an,
wenn Gott in einem unendlichen Vakuum-All mit Myriaden herumsausender (Leucht-)Kugeln
und Schwarzer Löcher nirgends zu
finden ist und in einer „rein geistigen“ Sphäre jenseits dieses von uns
vorgestellten, grenzenlosen Alls in einem „Außen“ angenommen wird und wir — wie
von Blaise Pascal ausgesprochen (s. „Fake Heavens I“) — unendlich einsam und
verloren als Staubkörner in diesem „All“ taumeln und nicht wissen, wo da dieser
Gott sein soll. Gott ist unendlich weit entfernt und völlig un-offenbar
geworden. In einer solchen Kosmologie wird unweigerlich Gott, aber auch Gut und
Böse zu einer relativistischen Abstraktion, der Mensch ist bedeutungslos,
wertlos und verloren. Es gibt in einem so gedachten „All“ nichts, woraus sich
ein Wert des Menschen ableiten ließe.
Oder aber, man ist konsequent und verfolgt
wie Giordano Bruno einen pantheistischen Ansatz. Gott muss dann mit diesem
unendlichen All identisch sein. Diese Position hat die Kirche verfolgt und
Bruno dafür auf den Scheiterhaufen geschickt. Brunos Ansatz wäre aber in dem
kosmischen Modell der einzig schlüssige gewesen. Man kann nicht „zweien Herren
dienen“. Lehnt man den pantheistischen Ansatz ab, müsste man das gesamte Modell
ablehnen, denn wie soll man sich Gott jenseits einer unendlichen Schöpfung
denken? Die logische Problematik des heutigen kirchlichen Denkens werde ich
später anhand eines Kant-Zitates genauer beleuchten. Johannes Paul II. hat zum
Glück im Jahr 2000 zugestanden, dass die Art und Weise, wie die Kirche mit dem Dominikaner
damals verfahren war, Unrecht war, aber den mit diesem Weltbild, das er
bejahte, notwendigen pantheistischen Ansatz lehnte er nach wie vor ab. Gewiss:
das Gottesbild der Heiligen Schrift kann unmöglich pantheistisch und vor allem
nicht a-personal verstanden werden. Aber wenn das wahr ist, kann die Kosmologie andererseits
nicht stimmen, der die Kirche anhängt und die ihre Kleriker maßgeblich
befördert haben… Die Kirche befindet sich, wie ich behaupte, demnach in einer
beißenden Schizophrenie an einem Punkt, der merkwürdigerweise nur von ganz
wenigen als der tatsächliche Ausgangspunkt der postmodernen Glaubenskrise
wahrgenommen wird.
Anders ist das „Lebensgefühl“ eines
Menschen, der die Überzeugung hat, dass die Erde zu Füßen Gottes oder unter den Himmeln ist und der Allmächtige sie
und alles, was ihr gegeben ist, einschließlich der Gestirne, „von allen Seiten umgibt“ (Ps 139, 5).
Ja, es ist etwas anderes, wenn man sich darüber gewiss ist, dass er da oben
über uns ist und um uns und auf alles und jeden aufmerkt, selbst die Lilien auf
dem Feld liebevoll einkleidet und den Spatzen, die nicht säen und nicht ernten,
täglich ein üppiges Mahl auftischt (Mt 6, 26 ff). Und es würde uns anders
ausrichten, wenn wir von daher die Aussagen des Glaubens verstünden, die von
einem apokalyptischen Kampf sprechen, der vom Himmel her auf die Erde fiel und
den Menschen, der in diesem Kampf eine zentrale Rolle spielt, zur
Positionierung auffordert, seine Potenz fürs Himmlische aktiviert, zur
Schärfung der Augen und Ohren und zum geistigen Kampf aufruft. Zu einem Kampf,
in dem der Fürst der Welt und seine fanatischen Anhänger, die die liebevolle
Einkleidung und Speisung der Lilien und Spatzen hassen, den einen das letzte
Hemd rauben und das letzte Eckchen Brot aus dem Munde reißen und deren bitter
werdende Seele dem Verderben ausliefern, den anderen deren Gut aufdrängen und
ihre Gier entfachen und sie ersticken lassen in der Diebesware. Zu einem Kampf,
in dem der Mensch gehalten ist, dies in der Kreuzesnachfolge zu ertragen, sich an
der Beraubung der Lilien und Spatzen ebenso wenig zu beteiligen wie an der des
Menschen und diese Verwüstung zu überschreiten mit Gottes Hilfe auf ihn, den
Schöpfer hin.
Anders gesagt:
In einem unendlichen schwarzen,
leeren, nächtlich wesentlich unseren Augen trotz der Sterne lichtlos
erscheinenden All, das trotz so vieler behaupteter Stern-Sonnen primär dunkel
bleibt, wie das Olberssches Paradoxon es ausdrückt, eigentlich aber doch
taghell sein müsste[1], wird
eine institutionalisierte Machtkirche zu einem paradoxen Pendant, zu einem kraftlosen,
starren Gebilde, ja, es nimmt den Charakter dieses unendlich finsteren Raumes
menschlicher Täuschung an, die durch kein noch so aufgebläht gedachtes „Licht“ vieler
kleiner selbstdefinierter Sonnen (Hierarchen) hell wird, auch dann nicht, wenn
man sich Myriaden solcher Sonnenlichter einbildet, sondern finster bleibt und
abstrakt, leblos und kalt, und einen mörderischen Unterdruck erzeugt wie das
von ihr erdachte Hochvakuum da draußen, in dem alles verdirbt und zugrunde
gehen muss. Eine Kirche, die mithilfe ihrer selbsterdachten Sonnen den Heiligen
Geist einfangen will, ähnlich wie die Schildbürger einen fensterlosen Turm mit
dem Licht, das sie draußen in Mausefallen eingefangen hatten, illuminieren
wollten, spiegelt diese Verfinsterung des Alls wieder, macht verständlich, warum
Oben und Unten nicht mehr klar sind, alles plötzlich relativ wurde: es war die
Kirche selbst, die mit der Ausbildung ihres Machtapparates und der konsequenten
Verleugnung der biblischen Kosmologie Oben und Unten verwechselt und
relativiert hat. Mit der Etablierung einer fast gottgleichen Hierarchie und dem
Machtanspruch des Papsttums kam es folgerichtig zur Verfremdung der biblischen
Kosmologie zur „Revolution“ von Kalendern und Weltbildern, und es war
folgerichtig insbesondere der nachreformatorische, programmatisch das irdische
Papsttum stützende Jesuitenorden, der die Astronomie als sein Herrschaftsgebiet
entdeckt hat und das kopernikanische Weltbild von Anfang an in alle Welt
missioniert hat, auch wenn beileibe nicht jeder Kirchenmann, wie etwa Kardinal
Bellarmin SJ, das anfangs so wollte. Was
das frühe Christentum hinter sich gelassen hatte, wurde durch tausend
Schattentüren wieder eingelassen. Doch dazu später.
Das vom Menschen erdachte All ist
am Tage unsichtbar, nur die Finsternis, die Gott „Nacht“ nannte, lässt dieses
Gespinst der Hybris zu und vergewaltigt die wirklichen Gestirne, deren
Geheimnis wir heute weniger erfassen als die alten Astrologen. Warum leuchten
sie, und warum ziehen sie ihre Bahnen? Wie weit sind sie wirklich entfernt, und
wie ist ihre wahre Gestalt und Leuchtkraft beschaffen? Wer sind sie, die selbst
im Alten Testament manchmal metaphorisch oder womöglich doch direkter mit den
„Göttersöhnen“ in eins gesetzt werden?[2]
In einem ewigen, lichten All aber,
das „hinter“ dem geostationären und unseren Augen endlichen Nachthimmel liegt,
in dem die „caeli“ (oder „caela“),
„die Himmel“ sind und Gott, handgreiflich, aber unfassbar, buchstäblich und
lebendig, ist Glaube weder abstrakt noch starr, sondern lebendig und mild,
weder eiskalt noch mörderisch heiß, nur dem ein Schrecken, der den
Allerhöchsten, dem dies alles gehört, ablehnt, ein Paradies aber dem, der
dessen Schöpferkraft anerkennt und ihm sein ganzes Sein zu Füßen legt. Die
Vorstellung hier ist „andersherum“: Über uns ist eine andere unbegrenzte
Sphäre, aber sie ist erfüllt vom Licht, von dem uns mindestens das Firmament
trennt und unsere Augen, von denen es immer wieder heißt in der Schrift, sie
seien „gehalten“, damit wir nicht alles sehen, was ist, sind in einer
horizontalen Perspektivität gefangen. Das sterbliche Auge hat nicht die
Sehkraft fürs Ewige. Eine geheimnisvolle Trennwand steht zwischen uns und
diesem lichten, ewigen „Raum“ um uns, der weniger ein oder gar kein geometrisch
zu verstehender „Raum“ als ein Bereich ist, dessen Dimensionalität uns nicht fassbar
ist.
Während die unendlichen, leeren,
vom sterblichen Menschen erdachten Räume, die Blaise Pascal schaudern machten, den
Menschen verloren gehen lassen in seiner eigenen inneren Wüste und auf Gott
nicht verweisen, ergibt sich aus der biblischen Vorstellung von Himmel und Erde
ein ganz anderer Eindruck: diese Welt ist in jedem Fall, trotz aller
Finsternisse, die wir doch erleben, umgeben von wirklicher, lebendiger Weite
und Licht. Wären die Augen nicht geschwächt und gehalten, sie würden uns
übergehen über all dem, was uns umgibt und durchwirkt.
2.
Die Analogieproblematik zwischen Schöpfer und Geschöpf als kosmologische
„Falle“
Ein Glaube unter einem solchen
Himmel bedürfte an sich keiner Dogmen, er ist selbstevident, und es ist
auffallend, dass der Hang zur Dogmatisierung und Moralisierung des Glaubens in
der westlichen Kirche nicht nur unserer Schwäche und Irrtumsanfälligkeit
geschuldet ist, sondern tatsächlich erst mit der Sonnenherrschaft Konstantins
anbrach und mit dieser spätantiken Verfremdung der christlichen Kosmologie auch
der Glaube mit Hammer und Meißel in die Herzen gebracht werden musste. Nun, da
man sukzessive das ewige Licht um uns als eine buchstäbliche Wirklichkeit ausschloss,
folgte die Astronomie und Kosmologie einer Abwärtsentwicklung. Am Ende
bedeutete der Eintritt der „Neuzeit“ eine totale Verschiebung der himmlischen Perspektive
zugunsten der unendlichen Finsternis da draußen, die ihr weniges Licht alleine
von den behaupteten „Sonnen“ beziehe, die in einem unerklärlich stockdunklen
Universum doch nicht so hell leuchten, wie man es sich ausgedacht hatte...
Nachdem diese Schieflage seit der
„kopernikanischen Wende“ weit gediehen war und man aus der Abgründigkeit des
menschlichen Bewusstseins ein nach außen verlagertes „leeres“ und dunkles „All“
gemacht hatte, in dem einsame Kugeln um einsame, aber angeblich hell leuchtende
„Sonnen“ taumeln, konnte ein großer Philosoph wie Kant die Sache so sehen und
dabei (unausgesprochen) auf die alte Auseinandersetzung zwischen Giordano Bruno
und der Kirche zurückkommen:
„Wo
wird die Schöpfung selbst aufhören? (…) Man merkt wohl, dass, um sie in einem
Verhältniss mit der Macht des unendlichen Wesens zu denken, sie gar keine
Grenzen haben muss. Man kommt der Unendlichkeit der Schöpfungskraft Gottes
nicht näher, wenn man den Raum ihrer Offenbarung in eine Sphäre, mit dem Radius
der Milchstrasse beschrieben, einschliesst, als wenn man ihn in eine Kugel
beschränken will, die einen Zoll im Durchmesser hat. Alles, was endlich ist,
was seine Schranken und sein bestimmtes Verhältniss zur Einheit hat, ist von
dem Unendlichen gleich weit entfernt. Nun wäre es ungereimt, die Gottheit mit
einem unendlich kleinen Theil ihres schöpferischen Vermögens in Wirksamkeit zu
versetzen, und ihre unendliche Kraft, den Schatz einer wahren Unermesslichkeit
von Naturen und Welten unthätig und in einem ewigen Mangel von Ausübung
verschlossen zu denken. Ist es nicht vielmehr anständig, oder besser zu sagen,
nothwendig, den Inbegriff der Schöpfung also anzustellen, als er sein muss, um
ein Zeugniss von derjenigen Macht
abzugeben,
die durch keinen Maassstab kann abgemessen werden? Aus diesem Grunde ist das
Feld der Offenbarung göttlicher Eigenschaften eben so unendlich, als diese
selber sind. Die Ewigkeit ist nicht hinlänglich, die Zeugnisse des höchsten
Wesens zu fassen, wenn sie nicht mit der Unendlichkeit des Raumes verbunden
wird."[3]
Dieser Gedankengang Kants ist aus
verschiedenen Gründen bemerkenswert.
1.
Die antike und mittelalterliche
Argumentation, der auch Kopernikus noch ausdrücklich anhing, besagte, dass die
Kugelform die Form der Vollkommenheit sei und daher alles, was Gott geschaffen
habe im All, die Form einer Kugel haben müsse, auch der Kosmos selbst. Es
stellt sich dann aber die Frage, was außerhalb dieser Kugel ist. Diese Frage
trieb auch Augustinus um:
„Capiunt ergone te caelum et terra,
quoniam tu imples ea? An imples et restat, quoniam non te capiunt? »
— « Fassen sie Dich also, Himmel und Erde, da Du sie erfüllst ? Oder
erfüllst Du sie und bleibt etwas über, weil sie Dich nicht fassen?“[4]
Er konnte die Frage nicht
beantworten, aber er formulierte die Problematik für unser menschliches Denken.
Er wendet sich von ihr an dieser Stelle ab und sucht nach seiner subjektiven
Position in dieser Konstellation.
2.
Kant argumentiert zunächst wie
Bruno so, dass ein unendlicher Schöpfer auch eine unendliche Schöpfung
erschaffen haben müsse.
Aber Kant setzt sich mit einer anderen
Frage auseinander, die im Hochmittelalter diskutiert und von der Kirche in
einer ganz bestimmten Weise beantwortet wurden, nämlich die Frage nach der
Analogie zwischen Schöpfer und Geschöpf:
Grundsätzlich ist es eine logische
Aussage, wenn Kant sagt, alle endlichen Gegenstände seien vom Unendlichen
gleich weit entfernt. Die Unendlichkeit weicht vor jedem endlichen Zugriff
zurück und wirft das Endliche immer zurück auf die vorige Position, die es
glaubte, eben siegreich verlassen zu haben. Angesichts der Unendlichkeit finde ich
keinen „Ort“, keinen Raumpunkt, denn ein Raum ohne Koordinaten, die mir
ermöglichen, Raumpunkte zu bestimmen, ist absurd. Der Navigationspunkt der
fortschreitenden Erkenntnis vom Standpunkt des Endlichen aus müsste demnach
„mitwandern“, behielte aber den Stand der endlichen Blindheit immer bei. Es
wäre hinsichtlich der Religion eine Sisyphusarbeit und der Mühe kaum wert: was
immer ich erkenne — es bleibt von dem, der erkannt werden sollte und wollte,
immer gleich weit entfernt und ist völlig beliebig, ob ich „erkenne“ oder
nicht. ja, es ist fraglich, ob man in einer solchen Lage überhaupt von
„Erkenntnis“ sprechen darf und nicht eher von „Fabeln“, die man selbst ersinnt.
Was immer ich in einem solchen kosmologischen Konzept glaube und erkenne, es
kann gradlinig sein oder nicht, bleibt relativ in einem absoluten Sinn. Es ist
nicht einfach nur „unvollkommen“, „unvollständig“ oder „bruchstückhaft“, was
ich erkenne, sondern absolut beliebig und solitär. Es darf nicht verwundern,
dass im 20. Jh manche existenzialistische Position diesen Denkansatz, der auf
mittelalterliche dogmatische Weichenstellungen der Kirche zurückgeht, radikal
zu Ende führte.
Offen bleibt uns in einer solchen
Vorstellung die Erfindung eines „Innen“-Raumes mit Koordinaten, die aber das Unendliche „drumherum“ bewusst
ausblenden muss, um sich nicht in einer abgründigen Unordnung zu verlieren, die
nicht mehr relative Maße kennt, sondern konsequent bedacht gar keine. Wo sollte
man in diesem unendlichen „Raum“ noch Maß anlegen? Wie weit ist es von A nach
B? Wie kann ich beschreiben, wo genau A und B überhaupt liegen? Wo ist oben, wo
unten? Was bedeutet die Rede von „Himmelsrichtungen“ im unendlichen „Raum“? Für
ein unendliches All gilt „Anything goes“ oder „Nothing goes“. Was im einzelnen
geht, kann nur noch subjektiv bestimmt werden für den Moment, um sogleich
wieder zu entschwinden in der Maßlosigkeit.
In diesem Zusammenhang steigt die
mittelalterliche Auseinandersetzung zwischen positiver und negativer Theologie
auf. Auf dem IV. Laterankonzil von 1215 hieß es, „quia inter creatorem et creaturam non potest tanta similitudo notari,
quin inter eos maior sit dissimilitudo notanda“ (DH 806), „dass zwischen
dem Schöpfer und dem Geschöpf keine so große Ähnlichkeit bemerkt werden kann,
dass nicht zwischen ihnen eine größere Unähnlichkeit bemerkt werden könnte.“
Das Laterankonzil stellte diesen
Satz in den Zusammenhang einer Analogiedebatte. Der Satz enthält in sich schon
im Ansatz eine gewisse Absurdität und Hybris, denn er formuliert so, als sei
eine Außenansicht auf die Konstellation Schöpfer-Geschöpf möglich, von der aus
man immer bestimmten könne, inwiefern der Schöpfer dem Geschöpf unähnlicher als
ähnlich sei. Bevor das Konzil zu seinem Schluss kam, zitierte es aus dem
Matthäus-Evangelium die Bitte Jesu: „Ihr
sollt vollkommen sein, wie auch euer himmlischer Vater vollkommen ist“ (Mt
5, 48), um zu zeigen, dass es hier nicht darum gehen könne, dass ein Mensch in
der Natur Gottes vollkommen sein könne, sondern nur in seiner eigenen. Und
Vollkommenheit komme ihm dann nur als Mensch, nicht in derselben Weise wie Gott
zu. Die Analogie zwischen Schöpfer und Geschöpf besteht demnach nur darin, dass
jeder seiner zum anderen absolut unähnlichen Natur nach bestimmte ähnliche
Potenzen aufweisen könne.
So sehr dies einleuchtet und die Gottesfurcht
zu gebieten scheint, so sehr hat diese Argumentation doch einen logischen
Haken, denn die „similitudo“
(Ähnlichkeit) des Menschen zu Gott ist vom Schöpfer laut biblischer Aussage zum
einen gewollt, als er Mann und Frau als „imago
Dei“ (Gott-Ebenbild) schuf. Zum andern muss man fragen, ob denn Potenzen
nur deswegen um ein Unendliches verschieden sein können, weil die, in deren
Natur sie liegen, verschieden sind. Anders: Ist Vollkommenheit, wenn sie Gott
als Attribut zukommt, wesentlich etwas anderes als wenn sie einem Engel oder
einem Menschen zukommt? Gibt es drei verschiedene Formen der Eigenschaft
„Vollkommenheit“? Ist Vollkommenheit überhaupt eine „Eigenschaft“? Und kann man
sagen, dass das Geschöpf, das sich endlich, begrenzt vorfindet, als ein solches
Endliches überhaupt Vollkommenheitscharakter erreichen kann? Schließt die
Endlichkeit die Vollkommenheit aus? Man argumentiert hier, wie es scheint, mit
einer „Intaktheitsvorstellung“: was seiner Möglichkeit nach intakt ist, ist
vollkommen. Das ist schlüssig, passt aber mit anderen Glaubenssätzen nicht
zusammen. Nach einer solchen Argumentation sind auch Killerviren „vollkommen“,
sofern sie ihre Möglichkeiten voll ausschöpfen können. Man stünde so in der
Gefahr eines Dualismus, den die Kirche doch auch immer abgelehnt hat. Oder aber
man nimmt an, das Killervirus lebt seine Potenzen pervertiert aus und hätte
eine ganz andere Natur als die, die wir sehen. Woher kann man sie wissen, wenn
sie offenbar total verdorben ist?
Das Konzil übergeht, dass Jesus von
„eurem himmlischen Vater“ spricht,
und Väter sind den Kindern nie ferner
als näher…
Ein weiteres Problem stellt sich im
Rahmen biblischer Aussagen: „Vollkommenheit der eigenen Natur nach“ kommt allen
Dingen zu, auch denen, die nicht ausdrücklich als „imago Dei“ geschaffen sind. Sie kommt den Engeln, den Gestirnen,
dem Gestein, den Gräsern, Elefanten und Katzen, Vögeln und Fischen, Spinnen und
Amöben zu. Gott hat alles „gut“ geschaffen. Inwiefern unterscheidet sich also
die spezifische Vollkommenheit eines „Gott-Ebenbildes“ von der anderer,
nicht-ebenbildlicher Naturen?
Andererseits muss man fragen, von
welcher „Vollkommenheit“ Jesus hier sprach. In der Vulgata heißt es „Estote perfecti“, nachdem Jesus zur
Feindesliebe und Lauterkeit aufgefordert hat. Der Christ soll den Vater im
Himmel in seinen wesenhaften Attributen
abbilden. Er soll ein Attribut Gottes bewusst als solches annehmen und leben. Angesichts
der vorausgehenden Aufforderung zur Feindesliebe, Wahrhaftigkeit und
Lichthaftigkeit („Ihr seid das Licht der Welt“) fällt es schwer, diese
Vollkommenheit Gottes wesenhaft abgetrennt von der zu sehen, mit der der Mensch
Gott nachahmen soll. Das kann im Kontext an sich nicht gemeint sein. Der Mensch
wird hier ja nicht aufgefordert, für sich selbst und in sich selbst perfekt zu
sein, eine Art „Gottesliebe light“ zu praktizieren, sondern sich wirklich und
wahrhaftig formen zu lassen und dabei an der wesenhaften Perfektion Gottes zu
orientieren. Nach der mittelalterlichen Lehre fallen in Gott Akt und Potenz
ineinander, und seine Liebe und sein Erbarmen sind nicht bloß Eigenschaften,
sondern seine Natur.
Doch nehmen wir an, es wäre 1215 richtig
gesehen worden, so wurde neben den eben formulierten Fragen weiterhin ausgespart,
dass Gott selbst diese Unähnlichkeit überschritten hat, insofern er in Jesus
Christus Mensch wurde, also unsere „Unähnlichkeit“ annahm. Er hat diese
Unähnlichkeit ja bis heute nicht wieder aufgegeben, sondern als auferstandener
verklärter Gottmensch mit zurück in die Himmel genommen („Ascendit in caelum“) und in die Gottheit inkludiert. In Christus
muss folglich diese Unähnlichkeit überschritten sein, wobei es mir unmöglich
ist, dies präzise weiterzudenken.
In jedem Fall ergibt sich doch aus
der Lehre der Kirche, dass Gott durch Jesus Christus die menschliche Natur in
sich aufgenommen hat, zwar nicht so, als hätte er seine mit der unseren zu
einem „Einheitsbrei“ vermischt, aber die beiden Naturen sind der dogmatischen
Aussage nach im Gottmenschen, der 2. trinitarischen Person, ebenso „ungetrennt“
wie sie andererseits „unvermischt“ sind. Die Betonung der „Unvermischtheit“ und
„Unähnlichkeit“ wird durch die Einheit der gottmenschlichen Person Christi
(„hypostatische Union“) überstrahlt, denn sie ist im Fazit eine göttliche Gesamtperson
mit einer menschlichen Natur in der göttlichen. Umgekehrt ist es nicht denkbar
ohne einer Hybris zu verfallen.
Die Überbewertung der
„Unähnlichkeit“ würde sich der nestorianischen Position annähern, die einen
unüberschreitbaren Abgrund zwischen göttlicher und menschlicher Natur annahm.
Diese Position wurde auf dem Konzil von Chalkedon 451 verurteilt. Wenn der
Abgrund aber eben nicht unüberschreitbar ist, ist es schwierig, andererseits
aufgrund des unendlichen Abstandes des Ewigen zum Endlichen doch darauf zu bestehen,
dass das Endliche immer und grundsätzlich dem Unendlichen unähnlicher als
ähnlich ist.
Ist es logisch hier nicht notwendig
zu sagen: entweder ist der Abgrund überbrückbar oder er ist unüberbrückbar? Tertium non datur! Das Endliche kann
logisch betrachtet nicht ein „bisschen“ unendlicher werden. Und das Unendliche
kann nicht ein „bisschen“ endlicher werden. Etwas ist entweder endlich oder ewig.
Nestorius und andererseits die Monophysiten sprachen im 4. Jh ein echtes
gedankliches Dilemma aus, damals hinsichtlich der Inkarnation Gottes ins
Fleisch, auf lange Sicht aber sollte uns dieses Dilemma vor weitere Probleme
stellen, etwa in der Kosmologie.
Die Jahrhunderte lange
Auseinandersetzung liegt sachlich nicht in hartnäckigen Häretikern begründet, wie
die Kirche es gerne darstellen lässt, sondern in dem logischen Dilemma selbst,
das auch durch sophistische „Kompromissformeln“ nichts an Brisanz verloren hat.
Die Unbescheidenheit der damaligen Akteure (auch der rechtgläubigen) ist
angesichts des wirklichen gedanklichen Problems mehr als erstaunlich. Wir
können bei Lichte besehen von uns aus weder sagen, wir seien Gott ähnlich noch,
dass wir ihm immer unähnlicher als ähnlich seien. Uns fehlt ein Maß — wir
wissen nur, dass wir aus reiner Gnade von Gott als Kinder angenommen sind und
er, nach dem Zeugnis des Paulus, „keinem
von uns fern ist“. Die Schrift spricht in der Tat hier eine andere Sprache
als das Laterankonzil von 1215 , und ich möchte es vollständig zitieren:
„24 Gott,
der die Welt erschaffen hat und alles in ihr, er, der Herr über Himmel und
Erde, wohnt nicht in Tempeln, die von Menschenhand gemacht sind.
25 Er
lässt sich auch nicht von Menschen bedienen, als brauche er etwas: er, der
allen das Leben, den Atem und alles gibt.
26 Er
hat aus einem einzigen Menschen das ganze Menschengeschlecht erschaffen, damit
es die ganze Erde bewohne. Er hat für sie bestimmte Zeiten und die Grenzen
ihrer Wohnsitze festgesetzt.
27 Sie
sollten Gott suchen, ob sie ihn ertasten und finden könnten; denn keinem von
uns ist er fern.
28 Denn
in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir, wie auch einige von euren
Dichtern gesagt haben: Wir sind von seiner Art.
29 Da
wir also von Gottes Art sind, dürfen wir nicht meinen, das Göttliche sei wie
ein goldenes oder silbernes oder steinernes Gebilde menschlicher Kunst und
Erfindung.“
„Da
wir also von Gottes Art sind“, sagt der Apostel…“Ipsius enim et genus sumus“, da wir von seinem „genus“ sind, seinem „Adel“, seiner
„Herkunft“, seiner „Abstammung“ in dem Sinne sind, wie man von einem Menschen
sagt, er sei vom „genus“ seiner
Mutter oder seines Vaters, in genau diesem begrifflichen Sinne schreibt Paulus.
Es ist zwar verständlich, dass man
1215 bestimmten Auswüchsen und Überhebungen einiger Theologen und Enthusiasten
Einhalt gebieten wollte, aber man hat dabei in anderer Hinsicht am Ziel
folgenreich vorbeigeschossen.
Es wäre etwa zu fragen, wie sich
Unähnliches in einer einzigen Person (Jesus Christus) stabil hätte durchwirken können. Genauso schwierig ist zu verstehen,
wie bei der Ausgangslage von 1215 auch die Glaubenstatsache, dass die damals
doch seit fast 800 Jahren dogmatisch definierte „Dei Genetrix“, die Gottesgebärerin Maria, die ein zwar reiner, aber
dennoch nur menschlicher Mensch war, vom göttlichen Logos ihn selbst leibhaftig
ja irgendwie willentlich mitzeugend empfangen und gebären konnte, wenn die
Unähnlichkeit größer als die Ähnlichkeit gewesen wäre. Ist es nicht unmöglich,
dass mehr Unähnliches als Ähnliches miteinander etwas hervorbringt? Selbst wenn
man sagt: „Das ging alleine von Gott aus, der sich herabließ“ (und damit
zweifellos recht hat!), wäre doch eine solche Herablassung bei unendlicher
Unähnlichkeit nicht denkbar. Es hat also einen tieferen und geheimnisvolleren Sinn
als es uns denkmöglich und bewusst ist, wenn es in der Genesis heißt, wir seien
das „Abbild“ oder „Ebenbild Gottes“. Auch die Rede davon, dass Gott „in“ uns wohnen wolle, dass wir uns
andererseits „in ihm bewegen“, wie es
Paulus oben sagt, ergäbe keinen Sinn, wenn da eine unüberbrückbarere
Inkompatibilität als Kompatibilität wäre. Da ein „tertium“ zwischen Ähnlichkeit und Unähnlichkeit
(similitudo/dissimilitudo) fehlt, stehen wir hier vor einem wahren Mysterium. Das
Bekenntnis, dass dies von Gott ausgehe, ändert daran auf einer logischen Ebene
nichts. Auch Petrus schreibt (2. Petr 1, 4), dass wir Anteil an der „göttlichen
Natur“ erhalten würden: „…ut per hæc
efficiamini divinæ consortes naturæ : fugientes ejus, quæ in mundo est,
concupiscentiæ corruptionem.“ — „…durch diese (die göttliche Macht) lasst
uns erwirken, dass wir Teilhaber an der göttlichen Natur werden („divinae
naturae consortes“) : der Korruption durch die Gier fliehen, die in der Welt
ist.“
In diesem Zusammenhang muss auch
auf Gen 6 verwiesen werden, wo eine leibliche Vereinigung zwischen Engeln und
Menschen bezeugt wird, die im NT als zwar unrechtmäßige „Selbstherabstufung“
der Engel bezeichnet, aber eindeutig als möglich bestätigt wird (2. Petr. 2, 4
und Judas 6).
Diese Schriftaussagen weisen darauf
hin, dass zwischen Gott, Engeln und Menschen eine markante Ähnlichkeit und
Kompatibilität besteht, die eine wie immer beschaffene stoffliche Komponente
oder Potenz haben muss aufgrund dieser biblischen Aussagen und
Glaubensüberzeugungen. „Reine Geister“ ohne jegliche stoffliche Potenz könnten
aus und mit Menschen ja nichts zeugen. Falls einer einwenden wollte, Gott
könnte doch bei der Zeugung Jesu in Maria einfach das Fleisch als Verkleidung
gewählt haben, also gewissermaßen in ein „wesensfremdes“ Gewand geschlüpft
sein, so muss man auch hier darauf verweisen, dass dieser scheinbar so erhabene
und fromme Gedanke („Monophysitismus“) von der Kirche in einem längeren Prozess
bis ins 7. Jh hinein vollständig aufgegeben wurde, zumal man in Chalkedon
eigentlich bereits eine Formel gefunden hatte, die die Abwertung der
menschlichen Natur in Christus abgewendet hatte. Man müsste in diesem Fall auch
fragen, wozu diese Zeugung aus und mit der Menschheit in Maria hätte dienen
sollen: für eine bloße „Verkleidung“ wäre diese „Vereinigung“ mit dem Menschen
nicht notwendig gewesen und hätte überdies die Versuchung, die „similitudo“ des Menschen zu Gott als
eine große anzunehmen, verhindert... Die Wertung der menschlichen Erscheinung
Jesu Christi als bloßes äußerliches Kleid, das nicht als eigenständige Natur
mit der Gottheit verbunden wurde, würde die Frage nach der Gültigkeit und
Möglichkeit seines Opfertodes als Mensch
andererseits fraglich machen und kann im Rahmen des Glaubens daher aus
logischen Gründen ebenfalls nicht angenommen werden, ohne den ganzen Glauben
überflüssig zu machen.
3.
Kosmologie muss für Christen immer Christologie sein
Manch ein Leser mag sich fragen,
was diese Abschweifung in die christologische Dogmatik mit der Kosmologie zu
tun hat. Es ist leicht zu beantworten, aber vielleicht auf den ersten Blick
nicht erkennbar oder schwer zu verstehen: Mich leitet die Aussage im NT, dass
durch den Sohn alle Dinge gemacht sind und ohne ihn nichts ist. Die Schöpfung
steht und fällt mit Christus. Wahre Kosmologie kann nur durch und in Christus
verstanden werden.
„1 Im
Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.
2 Im
Anfang war es bei Gott.
3 Alles
ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.
4 In
ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen.“
Diese berühmten Worte aus dem
Johannes-Prolog haben wir einst als Schlusslesung nach jeder Heiligen Messe
gehört. Trotz mancher Verirrung hielt die Kirche so doch noch fest an einer
prinzipiell christologischen Kosmologie. Seit der Liturgierefom 1970, zur Zeit
der medialen Mondlandungen, hat man diese Lesung abgeschafft.
Im Kolosserbrief (Kol 1) singt
Paulus in einem ebenfalls berühmten Christus-Hymnus:
„15 Er
ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen
Schöpfung.
16 Denn
in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das
Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten; alles ist durch ihn
und auf ihn hin geschaffen.
17 Er
ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand.“
Oder im Römerbrief (Röm 11) preist
Paulus den Schöpfer mit folgenden Worten:
„34 Denn
wer hat die Gedanken des Herrn erkannt? Oder wer ist sein Ratgeber gewesen?
35 Wer
hat ihm etwas gegeben, sodass Gott ihm etwas zurückgeben müsste?
36 Denn
aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist die ganze Schöpfung. Ihm sei Ehre in
Ewigkeit! Amen.“
Und in Epheser 1 bricht der Autor
in ein weiteres Jubellied aus über die Schöpfung in Christus und durch
Christus:
„3 Gepriesen
sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen
seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel.
4 Denn
in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und
untadelig leben vor Gott;
5 er
hat uns aus Liebe im Voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus
Christus und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen,
6 zum
Lob seiner herrlichen Gnade. Er hat sie uns geschenkt in seinem geliebten Sohn;
7 durch
sein Blut haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum
seiner Gnade.
8 Durch
sie hat er uns mit aller Weisheit und Einsicht reich beschenkt.
9 und
hat uns das Geheimnis seines Willens kundgetan, wie er es gnädig im Voraus
bestimmt hat:
10 Er
hat beschlossen, die Fülle der Zeiten heraufzuführen, in Christus alles zu
vereinen, alles, was im Himmel und auf Erden ist.
Das alles sind heilige und
ungeheuerliche Worte, weil uns etwas zugedacht ist, das wir noch nicht ermessen
können.
Angesichts solcher Worte sollte
jedem wie mit Schuppen von den Augen fallen, warum die Kosmologie und die
Christologie eine und dieselbe Frage sind!
Kosmologie geht aus christlicher
Sicht zwangsläufig mit dem Schöpfer um und dem, durch den alle Dinge geschaffen
sind. Bei einer riesenhaft und unendlich angenommenen „dissimilitudo“ (Unähnlichkeit) zwischen Schöpfer und Geschöpf,
wird unweigerlich auch die Kosmologie aus den Fugen geraten und den Menschen in
der Folge aussetzen „auf den Bergen des
Herzens“, wie Rainer Maria Rilke vor 100 Jahren dichtete:
„Ausgesetzt
auf den Bergen des Herzens. Siehe, wie klein dort,
siehe: die letzte Ortschaft der Worte, und höher,
aber wie klein auch, noch ein letztes
Gehöft von Gefühl. Erkennst du's?
Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens. Steingrund
unter den Händen. Hier blüht wohl einiges auf; aus stummem Absturz
blüht ein unwissendes Kraut singend hervor.
Aber der Wissende? Ach, der zu wissen begann
und schweigt nun, ausgesetzt auf den Bergen des Herzens.
Da geht wohl, heilen Bewußtseins,
manches umher, manches gesicherte Bergtier,
wechselt und weilt. Und der große geborgene Vogel
kreist um der Gipfel reine Verweigerung. - Aber
ungeborgen, hier auf den Bergen des Herzens....“[5]
siehe: die letzte Ortschaft der Worte, und höher,
aber wie klein auch, noch ein letztes
Gehöft von Gefühl. Erkennst du's?
Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens. Steingrund
unter den Händen. Hier blüht wohl einiges auf; aus stummem Absturz
blüht ein unwissendes Kraut singend hervor.
Aber der Wissende? Ach, der zu wissen begann
und schweigt nun, ausgesetzt auf den Bergen des Herzens.
Da geht wohl, heilen Bewußtseins,
manches umher, manches gesicherte Bergtier,
wechselt und weilt. Und der große geborgene Vogel
kreist um der Gipfel reine Verweigerung. - Aber
ungeborgen, hier auf den Bergen des Herzens....“[5]
„Ungeborgen,
hier auf den Bergen des Herzens…“ — das Lebensgefühl des modernen Menschen.
Mit der angenommenen bedeutsameren „dissimilitudo“
rückt man ab vom „göttlichen Fünklein“ der Mystiker. Es kommt nicht von
Ungefähr, dass die Kirche gerade zur Zeit des 4. Laterankonzils begann, ihre
Mystiker jahrhundertelang zu verfolgen. Spektakulär war zu Beginn des 14. Jh
der brutale Prozess gegen die bereits betagte Beghine Marguerite Porête, die
samt ihrem Werk verbrannt wurde, ein Werk, das bis heute rezipiert wird und
seinesgleichen an biblisch orientierter Gottessuche und Gottesliebe sucht. Aber
wie alle Mystiker stand sie der Hierarchie mit Distanz gegenüber, ein Faktum,
das auch den tief gläubigen Jan Hus in Konstanz 1418 auf den Scheiterhaufen
brachte. Andere Mystiker wie Mechthild von Magdeburg oder Meister Eckhardt
konnten sich irgendwie retten, aber immer stand man ihnen mit Misstrauen und
sogar Hass entgegen, weil im Denken der Mystiker die „similitudo“ beim Wort genommen wird und zugleich der
Herrschaftsanspruch der Hierarchen vermindert wird.
Nach dem Konzil von Trient und
Teresa von Avila und Johannes vom Kreuz gab es keine Mystiker dieser Art mehr
in der katholischen Kirche… Zurück bleibt also ein ausgehöhlter, erloschener,
auf blanke Unterwerfung und Menschenfurcht (gegenüber der „Hierarchie“) getrimmter Mensch, der nur noch durch die
Knochenhand der Kirche vermittelt Sakramente empfängt, rüde belehrt wird und
ansonsten selbst zu schweigen hat, weil er in seiner Seele einer direkten
Gottesbeziehung aus Machtgier der Institution, aber auch aus der Panik der
Hierarchen vor der Auseinandersetzung mit möglichen Häretikern vollkommen
entfremdet wird… Anstelle einer gesunden und tiefen Mystik entstand ein devoter
Erscheinungsmystizismus, der bis in unsere Tage schauerliche Blüten treibt und daneben
ein formalistischer und fanatischer Glaubenskult. Nicht alle Kleriker und
Ordensfrauen folgten diesem furchtbaren Absturz, aber sie waren stets
gefährdet, von dieser Krankheit befallen oder angefallen zu werden. Mancher mag
einwenden, dass aber doch nicht alle so seien und doch auch so viel Gutes in
der Kirche zu finden sei. Das bestreite ich nicht. Aber der große Trend an der
Spitze in Rom ging deutlich erkennbar andere Wege, und nur ganz wenige Päpste
erkannten, in welch ungutes Fahrwasser man sich begeben hatte. Einer davon war
Hadrian VI., der 1523 durch seinen Legaten auf dem Reichstag in Nürnberg ein
umfangreiches Schuldbekenntnis für die gesamte Kirche, vor allem aber die
Hierarchie ablegen ließ. Dieses Schuldbekenntnis blieb aber wegen des bald
danach eintretenden Todes Hadrians ohne die segensreichen Folgen, die daraus
hätten hervorgehen können, wenn Einsicht vorhanden gewesen wäre.
Die Kirche benötigte mit dem
Absturz in den immer irrsinnigeren Machtwahn einen anderen Christus. Der
überlieferte, der, der sich jedem gesondert und persönlich zuwandte, wie uns
die Evangelien vor Augen führen, war ihr und ihren Interessen gefährlich
geworden. Und wer einen anderen Christus benötigt, wird bald eine neue
Kosmologie erfinden müssen.
Es kommt nicht von Ungefähr, dass
sich im 16. Jh nicht nur die Reformation vollzog, sondern auch die
kosmologische Revolution, aber sie geht auf das Konto der römischen Kirche. Die
Protestanten lehnten sie erstaunlicherweise lange ab. Wen wundert also die
trotzige Verlagerung des Kosmos in eine schweigende, leere Unendlichkeit, in
der kein Gott mehr sein kann, aber eben auch keines seiner „Ebenbilder“, ist er
doch ohnehin immer nur der große „Dissimilis“…
Die Kirche hat sich im 16. Jh durch ihre Selbsterhebung vorläufig und dem
Anschein nach noch einmal gerettet, aber die Seelen hat sie Gott so ein
Stückchen mehr entfremdet. Was sie sich selbst als „katholische Reform“
hochpries, darf durchaus kritisch hinterfragt werden. Man hat die Menschen
wieder „Gewehr bei Fuß“ gebracht, konnte sich aufgrund der Siege über die
Türken auf die Schulter klopfen, und natürlich waren weite Teile des Volkes
wirklich gläubig, aber man überhob sich doch faktisch immer mehr und ruinierte
in wenigen Jahrhunderten die gesamte Kirche und das Abendland, die in
Revolutionen und Chaos stürzten, die Hoffnung auf immer neue Utopien setzten
und heute nicht mehr weiterwissen.
Die römisch-katholische Kirche war es,
die nach Konstantin erneut im Rahmen
einer Kalenderreform (durch Gregor XIII.) „die Zeiten änderte“ (Dan 7, 25), in
deren Umfeld und Interesse dann auch der vollständige Bruch mit der biblischen
Kosmologie eingeführt wurde. Sowohl die Orthodoxen als auch die Protestanten
wollten das lange nicht mitmachen, erlagen aber am Ende doch und gaben klein
bei.
Kopernikus widmete sein Hauptwerk
dem Papst Paul III. Leo X. hatte zu Beginn des 16. Jh eine Diskussion über die
notwendig erscheinende Kalenderreform angeregt. Kopernikus, damals Domherr zu
Frauenburg, äußerte sich dahingehend, eine solche sei erst sinnvoll, wenn man
die astronomische Theorie „korrigiere“. Auch wenn er sein Hauptwerk lange
zurückhielt, zeigen schon seine ersten Worte darin, dass er von einem Modell
ausgeht, das alleine auf unbeweisbaren Prämissen und philosophischen Annahmen
darüber beruht, wie die „Vollkommenheit“ der Schöpfung auszusehen habe nach
seiner Ansicht:
„Erstlich
soll jnn acht genohmmen werden, das die welt kugelrundt , entweder weill solche
gestallt die alleruollkömlichste, unndt welche keiner zusamfugung uonn Nöten,
sondern ganz aneinander: Oder dieweil dieselbe am bequemsten allerley gestalt
unndt form in sich zue fassen, weilln sie alles in sich behalten undt erhalten
mus, oder auch dieweil im augenschein, das die aller uollkommesten theil der
welt, alls die Sonn, Mondt und Stern rundt unndt in obgenanter form bestehen.“[6]
Für alle, die sich darüber
weiterhin Illusionen machen wollen, sei gesagt, dass alleine schon diese ersten
Worte in „De revolutionibus“
offenbaren, dass auch Kopernikus, nicht anders als die alten Heiden,
eigenmächtig bestimmen wollte, in welcher Weise die Schöpfung „vollkommen“ zu
sein habe: nämlich in Kugelkörpern. Es ist und bleibt dies jedoch objektiv und
unleugbar eine bloße Annahme. Keiner konnte sie je beweisen.
Ein beispielloser logischer Fauxpas
ist bei Kopernikus der Fehlschluss, weil die Sonne und der Mond rund
erschienen, müssten Himmel und Erde ebenfalls rund sein — wobei er nicht einmal
klärt, dass wir Sonne und Mond nicht als Kugeln (dreidimensional rund) sondern
als Scheiben am Firmament (zweidimensional rund) wahrnehmen, was einem Mann,
der sich für einen großen Mathematiker hielt, nicht hätte unterlaufen dürfen.
Es wäre ein gewaltiger Unterschied, ob ein Ding eine kreisförmige Scheibe oder
eine Kugelsphäre ist, obwohl beides „rund“ ist. Aber davon abgesehen muss die
Erde nicht „rund“ sein, nur weil Gestirne „rund“ sind. Das berühmte Werk fängt
also schon mit einem Zirkelschluss an…
Diesen Autor interessierte
sichtlich weder das, was man wahrnahm noch die biblische Überlieferung, sondern
ausschließlich seine tautologische Ableitung aus heidnischen Vor-Annahmen und
persönlichen Meinungen, an deren Endergebnis die Entrümpelung der Gottheit aus
dem Kosmos stand. Und niemand kann mir weismachen, dass er das selbst nicht
sehr genau wusste, denn er war Priester der römischen Kirche und wurde nicht behelligt.
4.
„Utopia“ oder die Wohnstatt der „unähnlichen Abbilder“?
Die Frage ist, wie man sich das
endliche und begrenzte Sein umschlossen, aber distanziert, vom ewigen Sein
denken kann und in diesem Rahmen von „Entfernungen“, von „Ähnlichkeit“ oder
„Unähnlichkeit“ zum Endlichen sprechen kann.
Das endliche Sein kann vom
„räumlichen“ Standpunkt Kants aus mit logischer Berechtigung nicht unendlich
weit entfernt sein vom unendlichen Sein, wenn es doch in dieses eingeschlossen
ist. Wenn es aber nur der „Natur nach“ vom unendlichen Sein immer gleich weit
entfernt gedacht wird, wie es 1215 definiert wurde, ergibt sich das Problem,
wie ein solches Gespinst im Falle des Menschen sogar „Ebenbild“ sein kann.
Ebenbilder spiegeln nicht bloß „irgendwie“ und „unscharf“, sondern präzise den
Wesenkern eines Urbildes wider. Ein Abbild sollte intentional dem Urbild stets
so nahe wie möglich kommen bis hin zur täuschenden Verwechslungsmöglichkeit. Andernfalls
wäre die Rede von der „imago“
deplatziert. Wir würden selbst im rein menschlichen Bereich niemals sagen „Er
ist das Ebenbild seiner Mutter“, wenn wir dabei nicht meinten, dass er ihr fast
zum Verwechseln ähnlich sei. Wenn der so Beschriebene der Mutter unähnlicher
als ähnlich wäre, ergäbe die Rede vom Ebenbild wenig Sinn, und es wäre
vernünftiger zu sagen „Er hat leider nur wenig Ähnlichkeit mit seiner Mutter“. Die
mittelalterliche Argumentation, die analoge Rede von der „Ähnlichkeit“ schließe
stets die gewichtigere „Unähnlichkeit“ ein, berücksichtigt hier den Faktor,
dass selbst bei einer maximalen menschlichen Ähnlichkeit zu Gott er immer der
Ewige und der Mensch immer der Endliche bleibt. Dennoch ist die Rede vom
„Ebenbild“ oder „Abbild“ auch in diesem Rahmen nur dann sinnvoll, wenn die
Ähnlichkeit markant und in irgendeiner Weise so gravierend ist, dass angesichts
einer starken Unähnlichkeit überhaupt von Ähnlichkeit gesprochen werden kann
und muss. Die mittelalterliche Feststellung der größeren Unähnlichkeit aufgrund
der immer gleichen Entfernung zur Unendlichkeit führt zur „negativen“
Theologie, die die Kontemplation auf Gott hin mithilfe von Aussagen darüber,
wer oder was er nicht ist, versucht.
Die negative Theologie führt aber im letzten Ende, wiederum logisch betrachtet,
dazu, Gott in einem „Außen“ anzunehmen, zu dem grundsätzlich der Zugang von
unserem „Innen“ her verwehrt scheint. Der Mensch kann an diesem „Außen Gottes“
immer nur scheitern. Er wird sich seine Innenwelt irgendwann folgerichtig ohne
weitere Beachtung dieser undurchdringlichen göttlichen Außenwelt denken.
Hinzukommt, dass die Kirchenhierarchie sich selbst an ihre über die Herde
verhängte Maxime nicht im mindesten gehalten hat. Karl Rahner bemerkte völlig
zu Recht, dass die Kirche dieser Definition, die bedeutet, dass man positiv
über Gott nichts aussagen könne, nicht im Traum selbst gefolgt ist, sondern
sich permanent aufgefordert sah, Gottes „Sicht“ der Dinge zu definieren und
sich selbst in wachsendem Maße die alleinige Deutungshoheit darüber
hinzuzudefinieren. Am Ende sprach sich der Papst alleine eine maximale Nähe zur
Unfehlbarkeit zu, die der Gottes naturgemäß entsprechen muss, andernfalls
könnte man nicht von Unfehlbarkeit sprechen:
„Das
vierte Laterankonzil sagt ausdrücklich, man könne über Gott von der Welt aus,
also von jedwedem denkbaren Ausgangspunkt der Erkenntnis aus nichts an
Inhaltlichkeit positiver Art sagen, ohne dabei eine radikale Unangemessenheit
dieser positiven Aussage mit der gemeinten Wirklichkeit selbst anzumerken. (…)
(Wir vergessen) dann meistens, daß eine solche Zusage nur dann einigermaßen
legitim von Gott ausgesagt werden kann, wenn wir sie gleichzeitig auch immer
wieder zurücknehmen, die unheimliche Schwebe zwischen Ja und Nein als den wahre
und einzigen festen Punkt unseres Erkennens aushalten und so unsere Aussagen
hineinfallen lassen in die schweigende Unbegreiflichkeit Gottes selber (…). Wie
(…) sehr klingen unsere Aussagen von den Kathedern und auch von den Kanzeln und
aus den geheiligten Dikasterien der Kirche so, daß man nicht gerade deutlich
merkt, sie seien durchzittert von der letzten kreatürlichen Bescheidenheit, die
weiß, [...] daß alles Reden nur der letzte Augenblick vor jenem seligen
Verstummen sein kann, das auch noch die Himmel der klaren Schau Gottes von
Angesicht zu Angesicht füllt. (…) Ich möchte (…) die Erfahrung bezeugen, daß
der Theologe erst dort wirklich einer ist, wo er (…) die analoge Schwebe
zwischen Ja und Nein über dem Abgrund der Unbegreiflichkeit Gottes erschreckt
und selig zugleich erfährt und bezeugt.“[7]
Kant will nicht gelten lassen, dass
der ewige Gott ein räumlich Begrenztes hätte schaffen können, platziert aber
seine Gedankenarbeit bereits im heliozentrischen Modell, als sei dies
beschlossene Sache. Auch scheint mir nicht klar zu sein, ob er — hier war
Giordano Bruno ganz klar! — Gott innerhalb oder außerhalb dieses „Alls“
annimmt.
Mit diesem Argument müsste man,
wenn man konsequent denkt wie Bruno, in jedem Fall auch den Mikrokosmos des
Menschen als unbegrenzt ansehen. Unter der Ambition des „Anstandes“ gegenüber
dem ewigen Schöpfer erhebt Kant einen unanständigen Anspruch auf ein Stückchen vom Kuchen dieser Ewigkeit,
wenn auch in der Idee, es könnte noch ungezählte solcher Welten geben wie die
unsere. Der ewige Schöpfer wird zu einem „unendlichen
Wesen“ umgedeutet, das nach dieser Definition unspezifisch in die Weite
zerfließen müsste, kontur- und gesichtslos wäre und unzugänglich bliebe. Gott
wäre wie ein unendlicher Raum ohne Raumpunkte, ohne Koordinaten, unendlich
fern. Ist aber die Schöpfung inklusive des Menschen genauso gedacht, führt sich
auch eine Philosophie um die Grenzen der Vernunft, wie Kant sie entwarf, ad
absurdum. Wenn die Schöpfung im Ganzen unbegrenzt gedacht werden müsste, kann
man keines der Geschöpfe darin als begrenzt denken.
„Nun wäre es ungereimt, die Gottheit mit einem unendlich kleinen Theil
ihres schöpferischen Vermögens in Wirksamkeit zu versetzen, und ihre unendliche
Kraft, den Schatz einer wahren Unermesslichkeit von Naturen und Welten unthätig
und in einem ewigen Mangel von Ausübung verschlossen zu denken.“
Kant verheddert sich in der
Problematik, die sich durch das nachkopernikanische Weltbild ergeben hat: Hört
man Kopernikus oder später Newton, hat man den Eindruck, man könne den Schöpfer
in seinem Werk nur noch bewundern, indem man ihn „ausmisst“, ihm unterlegt, er
sei ein Baumeister, der mit Winkelmaß und Zirkel gearbeitet hat und sich darin
einfangen lassen müsste. Der Philosoph und Mathematiker geht gewissermaßen mit
einem „Schmetterlingsnetz“ auf Gottesfang. Der geschaffene Raum müsste demnach
endlich sein. Wenn der Raum aber eben doch im kantischen Sinne „unendlich“ sein
muss, weil sein Schöpfer ewig ist, was für ein Raum soll das dann sein?
Nota bene und wie schon oft gesagt:
ein Raum ohne Maße, ohne Koordinaten ist
absurd oder ein „Nicht-Raum“. Nur wenn man ihn hypothetisch annimmt oder gar
behauptet ohne weiteren Beweis, nur weil man vermeint, durch ein Teleskop einen
solchen wahrzunehmen (was eine besonders absurde Argumentation darstellt), nur
deswegen stellt sich überhaupt das Problem. Der ewige Gott müsste dann
tatsächlich, wie Kant sagt, auch einen „unendlichen Raum“ in seiner Schöpfung erzeugt haben, aber genau das ist ein
selbstaufhebender Begriff. „Raum“ ist durch die Möglichkeit der
dreidimensionalen Beschreibung definiert. Ein „anderer Raum“ ohne Koordinaten
gleich da draußen, jenseits der Erdatmosphäre, wäre kein Raum wie der der Erde,
sondern ein undenkbares Gebilde. Gewissermaßen wäre da draußen nichts — wenn
man es nicht mit herumtaumelnden (Leucht-)Kugeln bestückt hätte, die angeblich
aus handfester Materie bestünden und deren Kugelradius aus der Ferne von
Hunderttausenden von Kilometern bestimmt werden könnte… Neuzeitliche Kosmologie
denkt sich aber einen Raum im irdischen Sinne, nur ist dieser irdische Raum ins
Unendliche verlängert, eine menschliche Über-Raum-Hybris, und Kant stolpert
über die Verwegenheit dieser Idee, sollte
man sie begrenzt denken und wechselt die Ebenen ohne sich klar zu machen, dass
er in all dieser mangelnden Vernunft und Ehrfurcht vor dem Allerhöchsten „aus
Anstand“ etwas denken will, das in sich absurd ist. Der Mensch, der „Gott
denken will“, landet am Ende in der Absurdität. Die Vorstellung, dass es beim
Blick ins Leere immer weiter geht, weiter und weiter, immer weiter, und unter
mir, über mir und hinter mir ebenso, führt dazu, dass ich ortlos und im Grunde
nicht bin. Mein Standort ist per definitionem eine „Utopie“, eine
Nicht-Örtlichkeit. Wer sollte ich in einem leeren, unbegrenzten Raum sein? Die
Leere wird durch taumelnde Kugeln alle paar hunderttausend Meilen nur scheinbar
„voller“. Die neuzeitliche Kosmologie trägt im Ansatz unfreiwillige buddhistische
Züge, führt sie aber nicht konsequent zu Ende, sondern konterkariert sie: man
hält die selbsterschaffene Leere nicht aus und füllt sie mit „Maya“, Illusion,
die man auf bunten computergenerierten Animationen und „Fotos“ dem ahnungslosen
Zeitgenossen präsentiert: „So, liebe Mitmenschen, sieht es im Vakuum aus… und
so sieht der Mars aus … und so der Saturn … und so die Sternenebel… und die
schwarzen Löcher“, und manch ein postmoderner Christ ist so selbstvergessen, ob
dieser menschengemachten Widersprüchlichkeit auszurufen: „Ist Gott nicht groß?
Wie wunderbar, Herr, sind deine Werke!“ Es trägt unfreiwillig satirische Züge…
Der in einen unendlichen Raum
verlagerte Himmel von Myriaden gleisender Sonnen, der in dieser Logik gedacht,
wie Olbers feststellte, taghell sein müsste, bleibt dennoch verstörend dunkel.
Unsere Hybris ist zu weit gegangen. Was immer sie sich an überdimensionalen
Lichtern ausgedacht hat — es wurde nicht licht in dieser Finsternis. Unser
kosmologisches „utopia“, unsere
Ortlosigkeit, erzeugte im Fieberwahn eine Utopie nach der anderen und blieb
verstörend und ernüchternd schwarz.
Es erstaunt sicher niemanden, das
der erste utopische Roman, der den Titel „Utopia“
bzw voll „De optimo rei publicae statu deque nova insula Utopia – „Vom
besten Zustand des Staates und der neuen Insel Utopia“ trägt, vom späteren Märtyrer
für die Unauflöslichkeit der Ehe, Thomas Morus, zu Beginn des 16. Jh geschrieben und veröffentlicht wurde,
zu der Zeit, zu der auch Kopernikus seine Ideen entwickelte.
Je verlorener und ortloser, desto
rabiater muss in einem solchen Gebilde der Glaube „definiert“ oder aber eben
aufgegeben werden: der Hang zur Dogmatisierung korrespondiert faktisch dem
Unglauben. Die utopische Ortlosigkeit korrespondiert der unfreiwilligen,
systematisch erzeugen Gottlosigkeit.
Hätte man sich diese Problematik nicht
sparen können?
In der biblischen Kosmologie sind
solche Winkelzüge nicht nötig. „Raum“ ist nur da, wo die Welt ist, beim
Menschen und für den Menschen, im „Irdischen“ und „Zeitlichen“, der
selbstverständlich gemessen werden kann, weil es ihn sonst für uns nicht geben
könnte. „Die Himmel“ aber sind uns nur in prophetischen Visionen bekannt
geworden und als etwas Zukünftiges erschlossen, ihre Koordinaten sind so real
wie sie unfassbar sind, den Menschen muss es nicht kümmern, denn es ist noch
nicht sein Terrain, solange die Erlösung nicht offenbar geworden ist. Es liegt
kein selbsterdachter unendlich schwarzer „Weltraum“ zwischen ihm und den
Himmeln, der das Ergebnis eines auf sich gestellten, Gott so unähnlichen
Menschen ist, dass er sich den Gott meint sparen zu können. Es gibt für ihn in
der biblischen Perspektive nur Himmel und Erde. Und die sind ein Ganzes, wenn
auch durch die Sünde durcheinander geraten.
Die „Vermessung der Himmel“ aber,
wie sie in einigen prophetischen Visionen, die das AT und das NT berichten,
vollzogen wird — das ist ein eigenes Thema, dem ich später nachgehen will.
[1]
Olbers formulierte: „... Sind wirklich im
ganzen unendlichen Raum Sonnen vorhanden, sie mögen nun in ungefähr gleichen
Abständen von einander, oder in Milchstrassen-Systeme vertheilt sein, so wird
ihre Menge unendlich, und da müsste der ganze Himmel eben so hell sein wie die
Sonne. Denn jede Linie, die ich mir von unserem Auge gezogen denken kann, wird
nothwendig auf irgend einen Fixstern treffen, und also müsste uns jeder Punkt
am Himmel Fixsternlicht, also Sonnenlicht zusenden...“, zitiert nach:
Schilling: Wilhelm Olbers, sein Leben und seine Werke im Auftrage er
Nachkommen. S. 135
[2] Job 38, 6 f: „Oder wer hat ihren Eckstein gelegt, als
alle Morgensterne jauchzten, als jubelten alle Gottessöhne?
[3]
Zitiert nach a.a.O., S. 134
[4]
Augustinus: Confessiones — Bekenntnisse. Lateinisch und Deutsch. Darmstadt
1984. S. 14 f
[5]
Rainer Maria Rilke: Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens. Gedichte aus den
Jahren 1906 bis 1926. Frankfurt am Main 1978 (3. Auflage). S. 89
[6]
Andreas Kühne et al. (Hg.): De Revolutionibus. Die erste deutsche Übersetzung
in der Grazer Handschrift. Kritische Edition. Berlin 2007. S. 3
[7] Rahner, Karl, Erfahrungen eines katholischen
Theologen. In: Karl Lehmann (Hg.): Vor dem Geheimnis Gottes den Menschen
verstehen : Karl Rahner zum 80. Geburtstag. München 1984, 106ff.