Dienstag, 21. Oktober 2014

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel - Gedanken nach der Synode im Oktober 2014



Mit dem Rücken zur Fahrtrichtung oder andersherum



Auch wenn Bergoglio alias F. nun samt seinen ins Rennen geschickten Handpuppen, dem Kasperl, dem Seppl und dem Krokodil, auf dieser „Familiensynode“ einen Dämpfer erhalten hat – na und?
Die Konservativen und Traditionalisten reiben sich wieder mal hämisch die Hände, wie sie dies auch bei Benedikt und seinem Motu proprio „Summorum pontificum“, seiner Rede von der „Entweltlichung“ und anderen gut klingenden Äußerungen so ausgiebig taten. Oder sie klammern sich an das aktuell-synodale Verfehlen der Zweidrittelmehrheiten bei vorhandener einfacher Mehrheit für progressive Auflösungen der Ehelehre wie an einen Strohhalm: Uff, Gott sei Dank, noch ist Rom nicht ganz verloren. Dass die Bigband des gekaperten und sinkenden Schiffs noch ein paar gerade Takte zu spielen weiß, sollte man schwerlich als Hoffnungszeichen ansehen.
Auf zur nächsten Runde, les jeux sont faits! Und: was interssiert uns 2015 das dumme Geschwätz von 2014? De nouveau – Messieurs dames, faites vos jeux!
Diese Scheinkirche, dieser Wolf in den herrlichen Gewändern der Braut Christi, ist eine Spielbank, ein riesiges Roulettespiel, bei dem am Ende alle Suchtspieler immer nur verlieren können. Die Spieleinsätze, Millionen lebendiger Seelen, werden bereits offen in der Hölle verwaltet. So oder so – auch wenn die Aufstellung auf dem Schachbrett Progressive, konservative Modernisten und schizophrene papsthörig-papstungehorsame Traditionalisten vorsieht. Merkmal all dieser Spielfiguren ist, dass sie sich um sich selbst und um ein sinnloses, leeres Zentrum drehen und die absurde Rolle, die ihnen immanent ist, in einer beispiellosen Torheit bis zum bitteren Ende durchfechten.
Die Progressiven labern seit Jahrzehnten mit ihrer altbackenen Ikone Karl Rahner von der „drängenden Zeit“, die konservativen Modernisten leicht verfremdet und etwas pathetischer von den „Zeichen der Zeit“, die Traditionalisten dagegen setzen seit über 150 Jahren einen kindischen Kontrapunkt mit der sinnleeren Formel, dass sie „reaktionär“ seien. Merkmal aller ist jedoch, dass sie sich – die einen bewusst und gewollt, die anderen unbewusst - historisch definieren. Sie sind nichts weiter als Spielfiguren in ein und demselben historischen Spiel. Die einen spielen die Rolle der als Revoluzzer kostümierten Spießbürger, die andern die Rolle der als Spießbürger kostümierten Spießbürger, und die letzten, die Statisten, die sich im Größenwahn des kleinen Geistes für das Zünglein an der Waage halten (an welcher Waage überhaupt?), spielen ein Bataillon angeknackster, standunfähiger „standhafter Zinnsoldaten“.
Auch die Selbstzuschreibung „Tradition“ bei den Traditionalisten offenbart, dass man nicht zuerst dem Herrn und der Wahrheit, sondern einem historischen Kostüm verpflichtet scheint. Wer, wie es in der Offenbarung heißt, „den Geboten Gottes gehorchen und an dem Zeugnis für Jesus festhalten“ (Off. 12, 17) will, kann sich nicht als „die Tradition“ bezeichnen, denn das, woran er festhält, ist nichts Historisches, sondern etwas Objektives, Logisches, Ewiges. Der ungeklärte, zunächst rein geschichtskulturelle Begriff „Tradition“ animiert dazu, allen möglichen historischen, teilweise sogar irrigen und sündhaften Ballast mit der objektiven Glaubenshinterlage zu verwechseln. Wer aber wagt, sich selbst ohne Bevollmächtigung und anmaßend „ewig“ oder „objektiv“ zu nennen? Und dies unter dem quälenden Mangel eines funktionsfähigen Lehramtes, das die regula fidei proxima bietet, eben diese objektive Übersetzung der immer gleichen Lehre, der regula fidei remota, ins Hier und Jetzt?
Die Lefebvristen samt ihren manierierten Fortsetzungen wie Bischof Williamson spielen zwar unter vorgeschützter Anerkennung des Papstes selbst Lehramt, aber sie drücken sich doch drumherum, schonungslos auszusprechen, was sie sich angemaßt haben. Sie formulieren die regula fidei proxima, obwohl dies niemandem zustünde als dem Papst, dessen Lehren sie aber nicht anerkennnen, obwohl sie ihn als Spielfigur sehr wohl in seiner Rolle anerkennen. Der Papst spielt seine Rolle als Lehramt und Fels Petri, und „die Tradition“ liefert ihm den Inhalt, obwohl er ihn ausschlägt. Wie soll auf diesem Irrsinn Segen liegen? Sie nennen sich daher lieber euphemistisch und etwas dumpf „die“ Tradition, die Vernichtung aller anderen Ansprüche, die Tradition zu erforschen und zu leben, inklusive. Aber damit wird auch ungewollt auf den Tisch gebracht, um was es geht: man hängt an den Requisiten der Kirchengeschichte mehr als man Herrn selbst. Und so nimmt es auch nicht wunder, dass eines Tages in „der“ Tradition immer weniger die Rede von der Gottesmutter war, deren Zeichen so mächtig angeschwollen war bis in die Mitte des 20. Jh hinein, und auf wundersame Weise verschwand damit auch Jesus Christus aus den Gedanken. Man hat sich aufs reine Politisieren und Moralisieren verlegt. Der Kampf um die "Messe aller Zeiten" hat sein Gesicht verloren. Es ist das Gesicht der lebendigen Person Jesus Christus.
Manche Heilige der vergangenen Jahrhunderte sprachen einfach von „Marienkindern“, denen, die zu dieser Frau gehören, die das Kind geboren hat, von der an derselben Stelle in der Offenbarung die Rede ist. Was tun aber unsere Traditionalisten? Sie setzen sich in die Fortschrittsblase wie in ein Karussellkütschlein, und dies wacker mit dem Gesicht nach rückwärts und bilden sich ein, damit sei es getan. Auf dem engstem Raum ihres Karusselwägelchens eingepfercht, der katholischen Weite verlustiger als alle anderen, erfinden sie die Tradition einfach neu und schwören ihre Anhänger durch eine strenge Literaturauswahl darauf ein, nur nicht selbst etwa das depositum fidei ein wenig zu durchforsten. Was sie sich selbst anmaßen, verbieten sie den anderen. Hauptsache, man feiert dabei die „Messe aller Zeiten“, „heiligt sich“ und trauert den Irrtümern und Missständen der guten alten Zeit nach, die man inzwischen bunt und schön angemalt hat, jedenfalls in den unteren Stockwerken. So wie die DDR-Staatsratsvorsitzenden ihre ausländischen Gäste im Panzerwagen durch derart im Parterre aufgeputzte Straßen defilieren ließen und alles taten, um ihnen den Blick über die Erdgeschosse hinaus nach oben, in die vergammelten oberen Etagen mit den gähnenden Fensterlöchern, zu verwehren…
Wenn einer den Traditionalisten sagt: Hey, Leute, auch ihr fahrt in dieselbe Richtung wie alle andern auch, schlagen sie ihn tot.
Nur – es fährt niemand vor und niemand zurück! Sie fahren allesamt im Kreis, die einen im Wahn fortzuschreiten, die andern im Wahn, tapferen reaktionären „Widerstand“ zu leisten. Dass dieser „reaktionäre“ Widerstand schon vor Jahrzehnten ein verbrecherisch-katholisches Zombietum in Form faschistischer Führerkulte hervorgebracht hat, aber keineswegs den Erhalt des wahren Glaubens an Jesus, übertünchen sie mit weiterer Geistesverengung. Einstmals noch auf dem „Monarchietrip“ begnügte man sich inzwischen mit Generälen und Diktatoren, deren Verbrechen man damit entschuldigte, dass die Roten ja schließlich noch schlimmer gewesen seien. Der Zweck heiligte wieder einmal die sündhaften Mittel. Ist man dann aber so weit weg von den Roten, den Grünen, den Islamisten, den bösen Zionisten und Freimaurern, denen man genau jene Doppelmoral vorwirft? Und am meisten: hat uns Jesus nicht gewarnt davor, zu glauben, in der Welt irgendwo den Christus zu finden? „Hier ist Christus, da ist Christus“ wird es heißen, wir aber sollen diesen Stimmen nicht glauben und nicht folgen.
Welcher Wahn ist nun der „bessere“?
Zeitgeist ist beides!

Unweigerlich schiebt sich mir die Geschichte vom Propheten Jona ins Gesichtsfeld:
Nachdem Jona endlich nach Ninive ging, selbstverständlich ohne Glauben, dass man dort aussteigen könnte aus dem Karussell der Sünde, weil er selbst mitfuhr (!), geschah etwas Unerhörtes:
Zuerst horcht das Volk auf (Jona 3, 5), zerreißt seine Kleider und fastet. Dann erreicht den König das Geschehen und auch er tut Buße. Der König weitet die Buße auf alles aus, was lebt, sogar auf Rinder und Ziegen! Es ist unglaublich: der König befiehlt tatsächlich, auch Tiere in Bußgewänder zu kleiden. Der König befiehlt allen, vom Unrecht abzulassen!
Es ist echte Buße: man hofft, Gott könnte seinen glühenden Zorn wieder zurücknehmen, von dessen Vorhandensein offenbar alle überzeugt waren, wenn man sich total in den Staub wirft vor IHM, vor dem niemand ein Wort weiß!
Der einzige Unbußfertige ist …Jona!
Selbstgerecht und hämisch setzt er sich auf den Berg, um dem Spektakel des Gottesgerichtes zuzuschauen. Er, der sich auf der sicheren Seite wähnt, ist am Ende derjenige, der die schlimmste innere Verwirrung aufweist.
Die Anmaßung und Halsstarrigkeit im Buch Jona liegt nicht bei den Sündern, sondern bei dem, der der Meinung ist, er sei als einziger gerecht – beim Propheten selbst!
Bestürzend ist der letzte Satz des Buches Jona, denn in diesem Satz wird deutlich, dass Gott die Menschen so sehr liebt, und dass alle eigentlich sein Eigentum sind und der Verlust sogar der Tiere durch die Sünde IHM einen unendlichen Schmerz zufügt:
„Mir aber sollte es nicht leid sein um Ninive, die große Stadt, in der mehr als 120 000 Menschen leben, die nicht einmal rechts und links unterscheiden können – und außerdem so viel Vieh?“ (4, 11)
Das ist das letzte Wort Gottes.
Das ist das Wort „Jesus“, der „Gott-mit-uns“, der Immanuel, der in sein Eigentum kommt, um es wiederzugewinnen und dabei nicht zurückschaudert vor dem Uterus der reinen Frau, um sich mit uns so eng zu verbinden, wie es gar nicht auszudenken ist!
Das letzte Wort des Propheten ist jedoch:
„Ja, es ist recht, dass ich zornig bin und mir den Tod wünsche!“ (4,9)
Die Gestalt des Jona birgt die Tragik unser Tage in sich. Der Prophet ist auch heute der, der am meisten verirrt ist!
Die Frage nach der Buße aber steht im Raum: zwar tönen die Fatimakritiker ständig, dazu bräuchte man keine Marienerscheinung, um zu wissen, dass Buße das einzige und letzte Heilmittel sei.
Aber sagen wir es doch offen – diese Tönespucker brauchen es deswegen nicht, weil sie ohnehin nicht Buße tun wollen – ob mit oder ohne Erscheinung. Insofern haben sie natürlich recht.
Faktum aber ist, dass weder diese Großsprecher noch sonst einer offen und ehrlich vor aller Augen seine „Kleider zerreißt“, so wie das Volk von Ninive damals und sein König, niemand ruft „ich habe gesündigt“ (sondern: die Freimauerer, die Progressiven, die anderen, die Frauen, die Juden, die Modernisten und Demokraten, „der“ Westen, die Homos und die Genderer – ja, die alle sind das Sammelbecken der Sünde, aber wir halten dagegen „die“ Tradition hoch…welch eine grauenhafte Entstellung wahrer katholischer Gesinnung!), niemand leistet Sühne oder spräche gar davon. Wie man überhaupt kaum etwas von Glaube, Hoffnung, Liebe hört.
Das ist aber das einzige, was aussteht: eine allgemeine Buße, so wie in Ninive! Und wenn es die andern nicht tun, dann eben ich alleine!
War es nicht das, wozu Maria aufrief?
Und warum, wenn man das auch ohne ihren Appell sowieso auch so wusste und weiß – warum tut man es dann nicht, sondern irrt weiter auf den bösen Wegen? Und dies seit 100 Jahren, in denen immer verheerendere Dinge passieren?
Ein tiefes Problem der Traditionalisten liegt in ihrer Fixierung auf Pius X. Er wurde von Pius XII. heiliggesprochen, aber dennoch beschleichen mich viele Zweifel an seinem Handeln. Ein guter Baum, so heißt aus dem Munde Jesu, muss auch gute Früchte tragen. Die strategischen Maßnahmen Pius X. aber sind total ins Leere gelaufen. Er starb ohne den Erfolg, den er hätte haben müssen, wenn dieser Baum wirklich so fraglos recht gehandelt hätte. Man kann der Frage nicht ausweichen: was nützen administrative und zwanghafte Maßnahmen wie der „Antimodernisteneid“, wenn man doch selbst analysiert hat, dass ein Modernist jeden Meineid schwört? Warum ließ sich Pius X. nicht warnen vom Wort Jesu, dass die Rede des wahren Jüngers immer „Ja“ oder „Nein“ sein solle? Die Strategie Pius X. war aber – bei sicherlich bester Absicht – totalitär: er wollte dem, der eigentlich „Nein“ sagen würde, durch ein erpresstes „Ja“ das „Nein“ wie einen Stuhl unterm Hintern wegziehen. Wir wissen, dass dieser Eid eiskalt geschworen wurde – egal aus welchem Mund. Bei einer klaren Begleitung angehender Priester hätte man auch ohne diesen Klamauk leicht erkennen können, wo der einzelne Seminarist steht!
Ich frage aber hypothetisch: Was wäre geschehen, wenn Pius X.  anstelle von wirkungslosen Strategien eine allgemeine Buße ausgerufen hätte? Vor allem unter Seminaristen?
Hätte sich nicht leichter die Spreu vom Weizen getrennt?
Faktum ist jedenfalls, dass kurz nach seinem Pontifikat durch die Muttergottes in Fatima der Bußaufruf geschah, den er verfehlt hatte, der aber weiterhin nicht in Erwägung gezogen wurde. Jeder setzte auf seine eigene Weisheit bis zum heutigen Tag.
Was heute in Fatima geschieht, hat mit diesem ursprünglichen Aufruf ja nichts zu tun.
Die Gottesmutter hat uns aber erklärt, dass nur noch drei Heilmittel helfen: der Rosenkranz, die Sühnesamstage, die Russlandweihe.
Muss es nicht merkwürdig berühren, dass Maria dies sagte, nachdem Pius X. das Rosenkranzgebet, das sein Vorgänger Leo XIII. so intensiv empfohlen hatte, bereits wieder „zurückfuhr“?
Hier stehen viele, sehr viele Fragen im Raum, die man ungeniert stellen können muss, ohne von Traditionalisten totgeschlagen zu werden.
An ihnen könnte vielleicht sehr viel hängen.

Wir haben jetzt exakt noch ein Jahr Zeit bis zur Fortsetzung der Synode, diese von Maria empfohlene Buße zu üben, wenn schon das Papsttum inzwischen völlig versagt hat.
Werden wir dieses Jahr für dieses einzig wirksame Heilmittel nutzen?

© Hanna Maria Jüngling