Unitarische Zerklüftungen und Gedanken zu Phil 2,
6—11
Lieber Unitarier, lieber
Trinitarier,
Es gibt nichts Neues unter der
Sonne!
Die postmoderne Frage nach der
Gottheit Jesu ist nichts als neuer Wein in alten Schläuchen, und es ist klug,
wenn man nicht nur Bibel liest, sondern auch gelegentlich ein Geschichtsbuch
aufschlägt und schlichte Geschichtsforschung betreibt.
2. Dreier-Algorithmen
Es gibt seit einiger Zeit eine Art „Wahrheitsbewegung“
hinsichtlich der Gestalt Jesu und einen tiefen Zweifel an der Trinitätslehre,
aber nicht jeder, der eine unitarische Position vertritt, tut dies aus
denselben Gründen und Motivationen.
Bei manchen ist der Unitarismus mit
Haltungen vermischt, die mich zurückweichen lassen. Wie im vorigen Brief-Aufsatz
bereits ausgeführt, gibt uns die Schrift sehr wohl für den Christus eine
außerordentliche Position vor, und eine Meinung, die ihn zu einem schnöden
Menschen macht „wie wir“, kann aus mS so auch nicht richtig sein, obgleich ich
das Trinitätsmodell aufgrund seiner Schriftferne und Angleichung an triadische
Gottmodelle v.a. okkulter Mysterienreligionen der Spätantike nur abweisen kann:
dieses Modell hat ja heidnische Gussformen, die man aufzeigen kann, etwa das
pagane „Corpus hermeticum“ oder hermetische chaldäisch-zoroastrische
Trinitätslehren oder die ägyptische Trinität von Isis-Horus-Osiris. Letzteres
wurde zur Zeit des Aufstiegs des Christentums im römischen Reich weit
verbreitet und fand als „Heilige Familie“ große Bekanntheit. Man kann
schwerlich so naiv sein zu glauben, dass die zeitgleiche Entstehung der
kirchlichen Trinitätstheologie mit diesem wirklich extrem starken
religiös-philosophischen Modell rein gar nichts zu tun haben soll. Die (in sich
mystisch verbundene) Dreizahl kommt als mystische Zahl in der Schrift so gut
wie gar nicht vor, und wenn sie es tut, tut sie es negativ. Die Nennung von
Vater, Sohn und Heiligem Geist im Missionsauftrag Jesu betrachte ich nicht als
echte trinitarische Formel.
Ich habe oft tief in mir eine
Sperre gegen das Trinitätsmodell empfunden, weil ich dachte, die apokalyptische
„Zahl eines Menschen“, die Zahl 666 für den „Antichristen“, könnte damit
irgendwie zusammenhängen. Diese drei „wesensgleichen“ und numerisch identischen
Zahlen haben mich stark an eine trinitarische Anlage erinnert. Aber ich war
unsicher, ob das nicht ein vermessener Gedanke ist. Die Zahl 6 als doppelte 3
stieß mich ab und in mir bohrte die Angst, dass man der göttlichen Trinität so
etwas wie irdische Machttriaden in Dreier-Algorithmen beigesellen könnte, nach
denen man die komplette Matrix unseres Lebens strukturieren wird.
Algorithmisches Denken ist zutiefst Gesetzesdenken, geht auf die Euklidsche
Geometrie zurück und seine „elementa“
(Paulus spricht von ihnen in Gal 4) ersonnene Gesetzmäßigkeiten, die man
anstelle der erhabeneren, lebendigen, vitalen und dynamischen …und: freien (!)
… Ordnungen Gottes setzt, der nicht in Zahlen und Zahlenrelationen, denen seine
Geschöpfe unterliegen, gebannt werden kann und darf: so hoch der Himmel über
der Erde ist, so hoch sind seine Ordnungen über dem angesiedelt, was wir unter
diesen angeblich göttlichen „elementa
egena“ (Paulus: den „erbärmlichen Gesetzmäßigkeiten“) nach den Traditionen
der Menschen verstehen.
Auch stieß mich als Katholikin die
neuzeitliche Entwicklung der Verehrung der „Heiligen Familie“ zutiefst ab. Während
man in früheren Zeiten Maria verehrte, weil sie die Mutter Christi war und
damit auch biblisch begründet selig zu preisen ist (!), zunächst als
„Anna-Selbsdritt“-Darstellung (mit ihrer Mutter Anna und Jesus), forcierte man
in der katholischen Kirche die Josefsverehrung. Plötzlich verschob man die
heilsgeschichtlich eindeutig untergeordnete Rolle des Josef hin zu einer
Überspannung: er sei als einziger Mann dieser Welt Repräsentant und Abbild
Gottvaters gegenüber dem Jesuskind gewesen. Nun ist die Rolle Josefs im NT aber
eindeutig eine untergeordnete und wirklich demütige: er stand völlig im Dienst
dessen, was an seiner Frau geschah. Dafür verdient er mE große Beachtung und
Dankbarkeit. Aber eine Verehrung der „Heiligen Familie“ berührte mich dennoch ungut.
Die besondere und überdimensionale Verehrung der „Heiligen Familie“ kam am Ende
des 19. Jh auf unter Leo XIII. In zahlreichen Kirchen entstanden plötzlich
„Josefsaltäre“, die anrührende Bilder der Trias von Jesus-Maria-Josef in der
heimischen Werkstatt oder Küche zeigten. Es ist mir nicht entgangen, dass diese
Darstellungen frappierend den antiken Darstellungen von Isis-Horus-Osiris
ähnelten und typologisch sicher auch von ihnen abgeleitet werden können und
müssen. Es kam in Mode, Briefe etwa mit der Kurzformel „J-M-J“ zu
überschreiben: „Jesus-Maria-Josef“. Mit der Neuzeit prangten wundersamerweise
plötzlich in vielen Kirchen, Synagogen und sogar Moscheen Bilder des
„allsehenden Auges“, das ursprünglich das „Horus-Auge“ aus paganem Hintergrund
war. Leo XIII. führte die Verehrung der Heiligen Familie auf einer
vordergründigen Ebene wegen des angeblichen Verlustes des rechten
traditionellen Familienbildes durch die Säkularisierung ein. Ich habe
allerdings immer Zweifel daran gehabt, dass dies eine echte Begründung für den
„Heilige-Familie“-Kult sein konnte, denn ich weiß als Historikerin, wie es um
die Familie im Feudalismus bestellt war… das war ganz gewiss nicht eitel
Sonnenschein und in ganz anderen Hinsichten zutiefst ungerecht und grausam…
aber das ist ein anderes Thema.
Wie gesagt: Ich habe instinktiv
eine große Abneigung gegen das alles empfunden und mich dagegen innerlich
gewehrt.
Eine Diskussion über die wahre
Herkunft des christlichen Trinitätsdenkens fand in der Renaissance und in der
frühen Neuzeit bereits ausführlich statt und trat anfangs im Gewande der
Reformation auf, wurde von Reformatoren wie Luther und Calvin erbittert
bekämpft und aus ihrem Machtbereich vertrieben und sogar verfolgt.
In Ostmitteleuropa aber konnte der
Unitarismus im 16. Jh weite Verbreitung finden und eine unitarische
siebenbürgische Kirche, v.a. unter der ungarischen Bevölkerung, existiert mW
bis heute. Eine weitere Hochburg war Polen mit den „Polnischen Brüdern“.
Der Unitarismus der frühen Neuzeit
gehört zur Bewegung der Sozianer.
Aus diesem Unitarismus und
Sozianismus folgten logisch aber am Ende die säkulare Aufklärung und die
Verwerfung der Schriftinspiration. Man tat sich schwer mit allem, was
vielleicht echter prophetischer und mystischer Natur war und neigte einem allzu
großen Rationalismus zu.
Der Islam, weil er die
Mittlergestalt Jesu leugnet und unbewusst geradezu ein Pool an gnostischen
Irrungen ist, ist ebenfalls eine unitarische Religion, die sich aus dem
Christentum entwickelt hat. Es wäre einen Aufsatz, ja eine ganze Untersuchung
für sich selbst wert, das darzulegen, kann hier also nicht weiter verfolgt
werden.
Eine offen unitarische Position
vertreten auch die Zeugen Jehovas und verknüpfen damit wiederum alle möglichen
Lehren, die mehr als problematisch sind und auf mein Unbehagen und mein
Befremden stoßen.
Ich habe den Eindruck, dass die
Konfrontation mit dem Islam offener oder geheimer Ausgangspunkt vieler postmoderner,
unitarischer Denkanstöße ist. Selbst Papst Franziskus betet in den
weltökumenischen Begegnungen mit Muslimen grundsätzlich nur noch den einen Gott
an. Er gibt also den demonstrativen Trinitarismus zugunsten einer globalen
religiösen Einigung auf.
Ein anderes Beispiel ist Sir Isaac
Newton: er war Unitarier mit sogar guten Argumenten, aber andererseits
vermischte er diesen Unitarismus mit Okkultismus und Alchemie, denen er sich
extrem ausführlich widmete, und die auch der Hintergrund für seine
Naturphilosophie waren. Das ist insofern kurios, als sonst gerade Okkultisten
und Hermetiker eigentlich viel übrig haben für den Trinitarismus. In einem
gewissen Sinn erinnert Newton an die islamische Mischung hellenistischen
Gedankenguts mit einem rigorosen Unitarismus.
Ich bin daher skeptisch, wenn etwa
Sir Anthony Buzzard alles und jeden zitiert, der irgendwie eine unitarische
Position vortrug, um seine eigenen unitarische Position zu stützen. Ich habe
das Bedürfnis, mich hier nicht auf Positionen zu stützen, mit denen ich mir
noch ganz andere Probleme einhandeln könnte, als sie ohnehin schon vorhanden
sind, sondern darauf zu hoffen, dass Gott mir die richtige Erkenntnis schenkt
auch über den rechten Zusammenhang, in dem ich Jesus verstehen soll.
Wie ich im letzten Brief schon
schrieb, nimmt Jesus eine besondere Stellung ein in der Schrift. Er ist Mittler
zwischen dem Vater und der Menschheit. Er wird in der Tat „Gottes Sohn“ und
„Menschensohn“ genannt.
Aber alleine schon bei diesem „Hendiadyoin“
(einem rhetorischen und stilistischen Mittel, einen (griech. „hen“) durch („dia“)
zwei („dyoin“) Begriffe zu beschreiben, das das hebräische Denken auszeichnet)
kann man vielen falschen Impulsen erliegen.
Man kann zB dem Impuls erliegen,
diese beiden Begriffe symmetrisch zu verstehen: die Sohnschaft Jesu wäre dann
streng analog zu verstehen. Gott hat ihn dann ebenso gezeugt wie Maria dies
tat. Gegen diese Vorstellung opponiert besonders der Islam. Nun ist aber
tatsächlich in diesem Hendiadyoin eine solche Deutung nicht schon genuin
inklusiv. Man ist verpflichtet, sich darüber sehr genaue und abwägende Gedanken
zu machen: was ist ein „Menschensohn“, und was ist ein „Gottessohn“ im
biblischen Kontext? Man bemerkt sehr schnell, dass Aussagen: „Es ist nicht so,
sondern so“ nicht mehr möglich sind. Die Begriffe werden in der Schrift zu weit
gefasst verwendet, als dass das so eindeutig wäre, wie manche es behaupten. Und
vor allem gibt es zwar viele Menschensöhne bzw -kinder in der Schrift und viele
Gottessöhne (hebr „b’ne elohim“), aber es gibt mW keine Kombination von beidem —
und das macht es umso schwerer, sich hier nicht zu verrennen. Auch sind die
„Gottessöhne“ in der Schrift niemals gezeugte Wesen, sondern geschaffene Engel.
Aber in der Tat sind sie nicht Gott. Da aber der Sohn Gottes Jesus als „heute
gezeugt“ (wann immer man das ansetzen will) beschrieben wird, ist er nicht
dasselbe wie ein Engel, sondern dem Vater näherstehend. Andererseits kam einem
Menschen niemals der Status eines Engels zu und umgekehrt. Als sich beide
Wesenheiten vermischten auf Initiative gefallener Engel hin (Gen 6) erfolgte
ein solcher Verfall, dass Gott die Welt vernichtete (Sintflut).
Man dreht sich im Kreis und merkt
schnell, dass hier mit dem Christus ein einmaliges Faktum ohne jedes vollständig
angemessene Vorbild vorliegt.
3. Betrachtung zu Phil 2, 6-11
Ich möchte auf eine Schriftstelle
eingehen, und an ihr beißt man sich bereits die Zähne aus. Ich zitiere erst aus
der Vulgata, weil sie mE klarer übersetzt als jede deutsche Übertragung, danach
zitiere ich die Elberfelder:
„6 qui cum in forma Dei esset, non
rapinam arbitratus est esse se æqualem Deo :
7 sed semetipsum exinanivit, formam
servi accipiens, in similitudinem hominum factus, et habitu inventus ut homo.
8 Humiliavit semetipsum factus
obediens usque ad mortem, mortem autem crucis.
9 Propter quod et Deus exaltavit
illum, et donavit illi nomen, quod est super omne nomen :
10 ut in nomine Jesu omne genu
flectatur cælestium, terrestrium et infernorum,
11 et omnis lingua confiteatur, quia
Dominus Jesus Christus in gloria est Dei Patris.
6 der
in Gestalt Gottes war und es nicht für einen Raub hielt5, Gott gleich zu sein.
7 Aber
er machte sich selbst zu nichts6 und nahm Knechtsgestalt7 an, indem er den
Menschen gleich geworden ist8, und der Gestalt nach9 wie ein Mensch befunden,
8 erniedrigte
er sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz.
9 Darum
hat Gott ihn auch hoch erhoben und ihm den Namen verliehen10, der über jeden
Namen ist,
10 damit
in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge, der Himmlischen und Irdischen und
Unterirdischen,
11 und
jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.
Wir sehen (ich hab das nicht
eliminiert!), dass in der Elberfelder in V 6+7+10 außergewöhnlich viele
Anmerkungen sind, weil es offenbar nahezu unmöglich ist, diesen Text
verständlich oder überhaupt korrekt zu übersetzen.
Auf jeden Fall klingt dieser Hymnus
absolut nicht danach, als handle es sich hier um einen einfachen, normalen
Menschen! Auch die häufige Ausflucht, Jesus sei halt ein Prophet oder Gesandter
Gottes gewesen, wird einem solchen Text niemals gerecht!
Ich muss spontan auch an die
Formulierung des heidnischen Juristen Plinius secundus denken, der an Kaiser
Traian schrieb, er habe bei seinen Verhören von ehemaligen Christen erfahren,
dass sie in den frühen Morgenstunden „carmen
Christo quasi Deo dicere“, „dem Christus
gewissermaßen wie einem Gott ein Loblied singen“.
Über diese Formulierung wurde in
der Fachliteratur schon viel geforscht, allerdings nicht hinsichtlich der
Wendung „quasi Deo“, denn das zeigt
auf, dass aus der Sicht des Heiden Plinius oder auch seiner christlichen
Informanten dieses Christus in eine unmittelbare Nähe zu einer göttlichen Gestalt
gesetzt wurde, aber eben definitiv nicht direkt als der eine Gott gepriesen
wurde.
Ich spüre den Sätzen nach:
V6:
— …qui cum in forma Dei esset, non rapinam
arbitratus est esse se æqualem Deo : —
„…der in der „Form Gottes“,
griechisch der „morphe theou“, war…“
King James Version: „…who, being
in the form of God…”
Man muss das nicht zwingend so
verstehen, als sei Jesus gewissermaßen eine Art “Heraustritt” Gottes aus seiner
Gottheit, eine Art verdoppelnde Spiegelung Gottes. Modern gesprochen so, als
habe man ihn als Hologramm an einen anderen Ort projiziert, ähnlich, wie es
inzwischen Politiker tun, die an einem Ort eine Wahlkampfrede halten, sich
selbst aber holografisch in andere Städten auf einer Bühne zeitgleich vor
Publikum auftreten zu lassen? Das ist zugegebenermaßen ein faszinierender
Gedanke. Er hat nur den Haken, dass ein Hologramm niemals lebendig und echt,
sondern nur ein Idol einer Person sein kann. Jesus ist aber kein Götterbild des
Vaters…
Was ist also mit einer „morphe theou“ oder einer „forma Dei“ gemeint? Meint das die „Gestalt Gottes“ in einem ontologischen,
seinshaften Sinn? So also, als stehe die „forma
Dei“ für das Sein Gottes?
Das kann an sich kaum sein.
Warum nicht?
Eben weil der biblische eine Gott
in sich doch schwerlich verspiegelt gedacht werden kann. Die Inder tun
dergleichen: sie stellen sich Millionen Götter als Spiegelungen der einen
Gottheit Brahma vor, die so ungreifbar und abstrakt, so unsichtbar und
unerkennbar ist, dass sie aus Erbarmen dem Menschen in Gestalt vieler Götter
entgegenkommt, jedem und jeder so, wie es ihm oder ihr am besten liegt…
Und man kommt nicht umhin, darin
einen Anklang an das zu hören, was auch im christlichen Duktus gelegentlich
gesagt wird, etwa so: „Schließlich wurde der Gott, der in einem Licht wohnt, zu
dem niemand kommen kann, selbst Mensch, um uns
etc. etc.“
Die trinitarische Rede steht daher
dem hinduistischen Gedankengang nicht wirklich fern.
Nun ist es aber eindeutige Rede im
AT, dass Gott geradezu rigoros „einer“ ist, „eins“ nicht nur für unsere
irdische Wahrnehmung in einer Raumzeit, die durch Zahlenrelationen strukturiert
ist, sondern auch „eins“ insofern, als wir ihn, wer immer er ist, nicht in
Zahlenrelationen strukturieren sollen! Genau das sollen wir nicht tun! Was
gezählt oder durch Zahlenrelationen geteilt wird, ist und bleibt unvollkommen
und kann nicht Gott sein!
Hat Paulus sich darüber
hinweggesetzt?
Das wäre grundsätzlich zwar möglich,
aber ich habe nicht den Eindruck, dass er es getan hat.
Man kann diese Rede von der „morphe theou“ auch so verstehen, dass
der Christus in der für ihn von Gott vorgesehenen menschlichen Gestalt perfekt
und ungetrübt war.
Meine Leser kennen vielleicht den
Unterschied zwischen dem „Genitivus objectivus“, dem „Genitivus subjectivus“,
dem „Genitivus possessivus“ etc.
„Morphe
theou“ kann daher Verschiedenes heißen:
- „Form Gottes“ (iS von „so sieht Gott aus“)
- „Form nach dem Willen Gottes“
- „zu Gott gehörige Form“, sogar iS von „von Gott
gemachte Form“ oder von ihm abgeleitete Form
- „Abbild Gottes“ iS einer abbildenden „forma“ eines
Vorbildes oder Urbildes, Gott ist hier als Gussform für ein Geschöpf zu
denken
Letztere Interpretation wird durch
die folgende Passage nahegelegt:
V6:
„— …non rapinam arbitratus est esse
se æqualem Deo…—“
„…(er)
hat es nicht als Raub angesehen, dass er Gott gleich war…“ Es könnte
sogar zugespitzt gesehen werden:
„…(er) hat es nicht als Raub beobachtet/verfolgt, dass er Gott gleich
war…“
Etwa in dem Sinn, dass er die
Gottgleichheit nicht wie einen Raub an sich gerissen hat.
Das ergäbe Sinn insofern, als Adam
und Eva genau dies getan haben: sie waren „imago
Dei“, gottgleich (iS von ähnlich) und differenzierten diese Gottähnlichkeit
von Gott und wollten sie ablösen, „rauben“ und für sich behalten. Ich denke
aber noch viel mehr als an diese beiden „dummen“ Menschen an den, der sie
verführte: er wollte Gott die Schönheit Gottes, die er in großer Fülle besessen
haben soll, wie man es aufgrund der Propheten meint, rauben und für sich
behalten. Gott teilt seine Göttlichkeit mit seinen Geschöpfen nach seinem Maß,
und wehe dem Geschöpf, das sich mit dieser Teilhabe einfach davonmachen will
und ein Gegenreich gegen den Geber aller Dinge aufbauen will… Weil diese
Teilhabe zwar unermesslich groß ist, bei Gott aber immer nur klein, weil er
„ewig groß“, überfließende, nie versiegende Fülle ist, täuscht sich das
Geschöpf und meint, ein solcher Gegenpol könne geschaffen werden. Dennoch sprechen
manche Formulierungen Gottes dafür, dass er in sehr hohem Maße mit seinen
Geschöpfen geteilt hat und sie darum auch immer weiter geschwächt werden
mussten (Gen 3,22; Gen 6,7; Gen 11,6), um überhaupt noch erlösbar zu bleiben.
Der Christus hat diesen Raub nicht
getan! Man kann ihn also als Menschen deuten, mit dem Gott noch einmal von
vorne anfängt und der nicht das tut, was Adam tat: Jesus beraubte Gott nicht,
indem er seine Gottähnlichkeit als Mensch für sich absondern wollte, sondern
beließ sie als „Kanal“ zu Gott bestehen und zerstörte die Innigkeit nicht, die
zwischen Gott und Geschöpf sein sollte.
Beachtlich ist für mich der Begriff
„isa“ (griech.) bzw „aequalis“ (lat.): Das bedeutet
„gleich“, aber nicht identisch.
„aequalis“ meint immer ein „Similis“, ein Ähnliches: der Mensch ist als Mann
und Frau Gott „similis“, die Frau ist dem Mann „similis“. Im Begriff der
Ähnlichkeit liegt keine Rangfolge beschlossen, sondern lediglich ein
Strukturelement. Ähnliches kann, muss aber nicht gleichrangig sein. Es ist an
sich nicht zur Intention des Begriffes gehörig, und es spricht gegen uns, dass
wir sofort damit operieren seit dem Sündenfall: wir halten Ähnliches in Schach
aus Neid und Eifersucht und räuberischer Gesinnung.
Christus war also Gott gleich, aber
nicht Gott selbst. Er war ihm aequivalent
in der von Gott vorgesehenen Weise, durchbrach diese Äquivalenz nicht
eigenmächtig und in räuberischer Gesinnung, sondern lebte sie innig.
Ich muss spontan an Abschalom
denken, den Sohn Davids, der seinem Vater das Königtum entreißen wollte und
einen Putsch gegen ihn versuchte: Abschalom war dem David „similis“ und wollte sein Erbe an sich reißen.
So etwa kann man den Menschen nach
dem Fall sehen.
Und genauso war der Christus nicht.
Wenn es in V7 heißt:
„…— sed semetipsum exinanivit, formam servi accipiens, in similitudinem
hominum factus, et habitu inventus ut homo… —“
Dann meint das nicht, dass er nun
als „Gott“ die „forma“ des ursprünglichen Menschen annahm. Genau das steht da
ja nicht!
Da steht:
„…
sondern er machte sich leer (oder „dürftig“), nahm die Form eines Sklaven an,
er wurde einem Menschen ähnlich gemacht, und er wurde wahrgenommen wie ein
Mensch…“
Was heißt das?
Steht da, dass der vormalige Gott
nun herabstieg in die generalisiert niedrige Form des Menschen?
Nein, das steht nicht da. Der
Mensch war von Gott nicht niedrig gedacht!
Es steht da, dass dieser in
Innigkeit mit Gott verbundene Mensch einverstanden damit war, dass er die „forma servi“ annahm, also nach der
Gussform des in die Sklaverei der Sünde geratenen Menschen nach dem Fall
geschaffen („factus“) wurde. Wie Gott
mit diesem Menschen kommunizieren konnte, bevor er ihn in die Gestalt des
Sklaven schuf, muss im Dunkeln bleiben. Es ist in jedem Fall nicht völlig
abwegig, dass hier doch eine gewisse Präexistenz gedacht werden kann, wenn auch
nicht im kirchlichen Sinne. Irgendwie muss hier eine Kommunikation
stattgefunden haben, bevor das alles geschah, ebenso wie auch die Mutter Jesu,
Maria, bevor das alles geschah, gefragt wurde, ob sie sich in Dienst stellen
lässt.
Mit „homo“ wird hier der „Mensch
als Sklave der Sünde“ benannt.
Und die anderen Sklaven der Sünde
sahen in ihm einfach nur sich selbst, obwohl er eigentlich, in Wahrheit, „in
forma Dei“, also in der von Gott vorgesehenen Form eines vollkommenen Menschen
als Ebenbild Gottes war.
Den Rest müssen wir nicht mehr
genauer untersuchen, weil klar wurde, was er aussagen kann in meiner
Verstehensweise.
Und wieder erstaune ich mit
Schaudern darüber, dass der große Gott im Himmel ihn, den Christus, überreich
für diese Hingabe belohnt und erhebt — als Menschen erhebt über alle Dinge,
also eine gewisse göttliche Entäußerung, eine noch größere Teilhabe, als sie
schon vorher bestand schenkt, um dieses Menschen willen, der es um
unsretwillen, aber nach dem Wunsch des Vaters tat, um die erbärmliche und
verzweifelte Lage der Welt und ihrer Menschen zu heilen, wenn auch nur mit
knapper Not, denn es war ein „Drahtseilakt“, ein enormes Risiko, um es
menschlich zu sagen, und darum versteht man diese Sätze auch nur so schwer.
Ein großer Rest an Nichtverstehen
muss übrigbleiben, wenn wir Gott nicht erneut die Ehre rauben wollen.