Gedanken
zum Gebet des Engels 1916, zur traditionellen Opfertheologie und zur Frage, ob
selbige „theologischen Unsinn“ enthalten
Polemik gegen das Gebet des Engels in Fatima
Unlängst – ich falle gleich mit der
Tür ins Haus - verstieg man sich auf einem Blog, das Gebet des Engels in
Fatima, gerichtet an die Heiligste Dreifaltigkeit, als „theologischen Unsinn“
zu betiteln. Der Blogartikel trägt den Titel „Dogmatik ist wichtiger als Privatoffenbarungen“
und stellt u.a. eine Polemik gegen das fragliche Gebet dar, die erst einmal vorausschickt,
kein Mensch müsse sowieso eine kirchlich approbierte „Privatoffenbarung“
glauben.[1]
Warum dann aber die Aufregung darüber?
Ja, ja, ja, möchte man erst einmal rufen,
natürlich, selbstverständlich steht das Dogma über einer bloßen „Privatoffenbarung“,
aber wenn man den Artikel liest, gerät man mehr und mehr ins Staunen, wie
Dogmatik offenbar ein Feld privater Meinungen oder auch Ignoranzen geworden
ist, die man dann in theologischer Holzfällermanier nicht nur gegen die
„Privatoffenbarung“, die ja besser gesagt eine seit 1930 kirchlich anerkannte,
mit dem „constat de supernaturalitate“
(„die Übernatürlichkeit steht fest“) bestätigte Erscheinung ist, sondern auch mithilfe
einer total missverstandenen dogmatischen Setzung gegen zentrale dogmatische
Sätze des Trienter Konzils ankämpft.
Dogma und Prophetie sind zwei Seiten einer Medaille
Allein an dieser Stelle tritt,
bevor wir weiter über den „theologischem Unsinn“ sprechen wollen, ein logischer
Unsinn zutage:
Die Kirche hat die Erscheinungen
und Offenbarungen an die Seherkinder in Fatima anerkannt. Diese Offenbarungen
sind keineswegs etwas Privates und dienen nicht der persönlichen Erbauung der
Betroffenen. Konkret hat die Muttergottes an den Papst, die Gläubigen und die
ganze Welt über die kleinen Propheten Jacinta, Francisco und Lucia eindeutige
und präzise Forderungen gestellt, die zu erfüllen seien.
Wer eine solche Botschaft als
übernatürlich anerkennt, kann, sofern er nicht schizophren denkt, unmöglich
zugleich behaupten, es müsse sich aber keiner dran halten.
Zu der Behauptung, dass nun jedes
übernatürliche Erlebnis oder Ereignis unter der Rubrik „Privatoffenbarung“
abzuschmettern sei, hat sich Bischof Rudolf Graber 1984 folgendermaßen
geäußert:
„(Wir
weisen) eine irrige Meinung zurück, als ob Gott die große Offenbarung mit dem
Tod des letzten Apostel so abgeschlossen hätte, daß ihm in der nun folgenden
geschichtlichen Periode - fast in deistischer Weise - keine Eingreifmöglichkeit
mehr zur Verfügung stünde. Dabei übersieht man, dass der Kirche Christi der
Heilige Geist gegeben wurde, der die Jünger Christi alles lehren wird (vgl.
Joh. 14, 26) und der Söhne und Töchter weissagen, die Jünglinge Gesichte und
selbst Greise Traumgesichte schauen lässt (vgl. Apg. 2, 17) (…) Wir müssen mit
dem Einbruch des Geistes rechnen und dürfen nicht alles von unserer
menschlichen Vernunft erwarten. Dieser Einbruch des Geistes erfolgt in
vielfältiger Form, nicht zuletzt durch Engel und Heilige, und hier vor allen
durch die Erscheinungen der Gottesmutter, die nach den Worten des Konzils
>>dem wandernden Gottesvolk als Zeichen der sicheren Hoffnung und des
Trostes bis zur Ankunft des Tages des Herrn voranleuchtet<<."[2]
Nun ist Bischof Graber beileibe
nicht der einzige, der das Phänomen von übernatürlichen Wirkweisen des Herrn in
die Geschichte hinein sorgsamer bedacht hat. Laurenz Volken reflektiert in
seinem Buch über „Die Offenbarungen in der Kirche“ von 1964 auf seine Weise die
Gesamtproblematik mit großer Akribie.[3]
Es zeigt sich, dass die Kirche zwar einerseits immer vorsichtig umgegangen ist
mit übernatürlichen Erscheinungen, weil sie besonders gerne exaltierte Geister
anziehen und ein Feld für freies Fabulieren und Wichtigtuerei sein können, deren Realität nur schwer – auch
für das Lehramt - zu kontrollieren ist. Zugleich ist der „Kanal“, auf dem Gott
zu den Menschen spricht, auch der Weg, auf dem der Satan als Lügner und Blender
dem Herrn seine Konkurrenz ansagt und Menschen in die Irre führen kann. Große
Heilige, die selbst mystisch begabt waren, wie Johannes vom Kreuz, haben daher
z.T. strikte davon abgeraten, solche Geistesgaben anzustreben oder gar zu
suchen oder zu erbitten.[4]
Andere, wie Franz von Sales, äußerten sich ähnlich, wenn auch offenherziger,
unterwarfen aber jede Erscheinung einer sorgsamen Prüfung durch das formelle
Lehramt, um hier nicht in Fallen des Satans oder persönlicher Eitelkeiten
abzustürzen.[5] Das
heißt, man folgte der Spur, solche überraschenden und in Demut empfangenen
Geistesgaben voll anzuerkennen, nachdem sie sorgsam geprüft worden waren. Dass
dabei keine neuen oder irrigen Lehren verbreitet werden durften, versteht sich
von selbst und wurde schon in Teil I ausführlich besprochen.
Die Fallgruben, die in der
einbrechenden Übernatürlichkeit für den sündhaften Menschen existieren, sind
jedoch keinerlei Argument dagegen, dass Gott doch auf genau diesem Weg zu
Menschen in die Geschichte hinein redet oder reden lässt: Über die „Grundlehre (dass der Heilige Geist v.a.
durch das formelle Lehramt wirkt, Anm. HJ) dürfen wir nicht vergessen, dass der
Geist der Weissagung, dessen Rolle in der Kirche beträchtlich ist, in ihr
bleibt, wenn auch in etwas untergeordneter Weise. Er ist es, der die großen
Fortschritte und die großen Erneuerungen in der Kirche anregt, und manchmal
auch in den unscheinbarsten Menschen. Und in dieser Form ist das prophetische
Charisma zwar keineswegs an die Priesterschaft gebunden, aber es ist ihr
unterworfen. Es gibt keine Periode in der Geschichte der Kirche, in der sich
diese Anregung durch den Geist nicht erkennen lässt.“[6]
Die Kirchengeschichte weist
überdies immer wieder das Phänomen auf, dass visionär begabte Gläubige verkannt
und durch die Priesterschaft vorübergehend verworfen wurden.[7]
Volken geht dabei einigen Beispielen weit zurückliegender Jahrhunderte nach.
Die schizophrene Haltung der Päpste
gegenüber Fatima ist eines der auffallendsten Probleme des Kirche im 20.
Jahrhundert. Keiner von ihnen hat gewagt, etwa wie die Autorin der genannten
Polemik, die Erscheinungen von Fatima inhaltlich und theologisch öffentlich und
direkt in Frage zu stellen. Die Anforderung an den Papst, die in der Botschaft
enthalten ist, haben sie allerdings entweder gar nicht oder eigenwillig oder
nur halb erfüllt. Oder, sie haben wie Johannes XXIII., die Gottesmutter von
Fatima, die sich mit Ihrer Sorge im Verein mit den antimodernistischen Päpsten
befindet, als einen der vaticinatores rerum adversarum, der
„Unglückspropheten“, abgetan. Noch perfider ist die Strategie, der Gottesmutter
lehramtliche Worte zu widmen, die ihr Bild so nuancieren, dass ihre reale
Erscheinung und Präsenz im Leben der Kirche – zum Beispiel die in Fatima - verdeckt
oder sogar verneint wird, obwohl man andererseits ja die Befugnis erteilt hat,
über diese Erscheinung zu predigen und zu schreiben. Man setzt Marientexte
gegen die Gottesmutter ein, wie Sie glaubhaft und approbiert selbst geredet
hat. Diese These ist einen eigenen Aufsatz wert, den ich hier an dieser Stelle
jedoch noch nicht präsentieren werde.
Angeblich unsinnige Formulierung im Gebet des Engels
Doch zunächst zurück zum
„theologischen Unsinn“ des Engelgebetes. Hören wir uns doch erst einmal den
Stein des Anstoßes vollständig an. Der Schutzengel Portugals lehrte die Kinder folgendes
Gebet:
Allerheiligste
Dreifaltigkeit,
Vater,
Sohn und Heiliger Geist,
in
tiefster Ehrfurcht bete ich Dich an,
und
opfere Dir auf
den
kostbaren Leib und das Blut,
die
Seele und die Gottheit unseres Herrn Jesus Christus,
gegenwärtig
in allen Tabernakeln der Welt,
zur
Sühne für alle Lästerungen, Sakrilegien und Gleichgültigkeiten,
durch
die Er selbst beleidigt wird.
Durch
die unendlichen Verdienste Seines Heiligsten Herzens
und
des Unbefleckten Herzens Mariens bitte ich Dich
um
die Bekehrung der armen Sünder.“[8]
F. Küble argumentiert
hinsichtlich dieses Gebetes und seiner Formel von der „Aufopferung des kostbaren
Leib und das Bluts, der Seele und der Gottheit unseres Herrn Jesus Christus“, die
auch im Barmherzigkeitsrosenkranz (und weiteren
Sonderrosenkränzen), der an Sr. Faustyna Kowalska offenbart wurde, vorkommt,
folgendermaßen:
„Am 6. März dieses Jahres haben wir über
einen visionären Sonder-Rosenkranz “zum einladenden Herzen” berichtet, der eine
theologisch eindeutig falsche Formel enthält, denn dort ist die Rede davon, daß
der Betende dem ewigen Vater die “Gottheit” Christi aufopfert. Das allerdings
ist nicht möglich, denn man kann Gott nicht die Gottheit aufopfern, weil diese
unsterblich und zudem nicht leidensfähig ist. Wir haben ausführlich
- auch anhand dogmatischer Lehrbücher - dargelegt, daß diese
Gebetsaussage logisch und theologisch unsinnig ist.“[9]
Abgesehen
davon, dass Küble lediglich Sätze aus Lehrbüchern und von Theologen anführt,
teilweise nicht einmal ordentlich und nachvollziehbar zitiert, deren Aussagen
jedoch in keiner Weise ordentlich, wie es üblich ist, diskutiert oder im Rahmen
einer bestehenden theologischen Debatte referiert, sondern als „Totschläger“
einfach ihrer These beifügt, widerspricht Kübles doch sehr großspurig vorgetragene
Meinung einer zentralen Aussage der katholischen Dogmatik, die allerdings seit
dem 19. Jahrhundert und schließlich mit dem Vaticanum II von immer mehr
Theologen klammheimlich über Bord geworfen wurde – unbemerkt für viele, gerade
auch konservative Katholiken.
Es
geht um die Frage der Opfertheologie, wie sie das Konzil von Trient ein für
allemal ausgesprochen hat. Kübles rhetorischer Hinweis darauf, ein Kritiker
dieser Formulierung – Konrad Algermissen - sei nicht nur angesehen, sondern
auch „konservativ“ gewesen, ist daher leerlaufende Propaganda für eine
Position, die auf ihren Sachinhalt hin und nicht daraufhin, wer sie
ausgesprochen hat, befragt werden muss. Leider ist mir die fragliche Kritik
Algermissens nicht zugänglich, und folglich kann ich nicht über sie urteilen.
Ich
möchte aber anhand eines anderen Beispiels zeigen, dass die Debatte um das
Gebet des Engels Anzeichen des Glaubensabfalls durch die Theologie seit
mindestens 100 Jahren sein dürfte, der sich inzwischen – gespiegelt auch im
Novus Ordo Missae - flächendeckend ausgebreitet hat.
Häretische Opfer-Theologie am Beispiel Joseph
Ratzingers
Nicht
zuletzt hat der angesehene und für konservativ gehaltene Joseph Ratzinger, der
nachmalige Papst Benedikt XVI. in seiner „Einführung in das Christentum“ eine merkwürdig
verwaschene Theologie des eucharistischen Opfers präsentiert, die er der
Erklärung Anselms von Canterbury (1033-1109) in dessen Dialog „Cur Deus homo“ und - ohne dies ehrlich zuzugeben - vor allem dem Tridentinum entgegensetzt.[10] Anselm
hatte ausführlich einige Implikationen des christlichen Glaubens diskutiert,
die aus der Sicht eines Ungläubigen anstößig wirken, darunter zentral die
Inkarnation Gottes ins Fleisch als notwendige Voraussetzung für die Erlösung
des sündhaften Menschen und die komplexe Theologie des Opfers. Ein Ungläubiger
wird fragen, wieso Gott, wenn er den Menschen retten und erlösen will, dies
nicht rein geistig tut und stattdessen die Mühe auf sich nimmt, in die leibhaftige
Niedrigkeit des Menschen herabzusteigen und an seiner Stelle zu leiden und zu
sterben und auf diese Weise sich selbst anstelle des Sünders als ein Sühneopfer
darzubringen und den Menschen dadurch zu retten und zu erheben?[11] „Durch Gottes gerechtes Urteil nämlich war
beschlossen und gleichsam durch eine Urkunde bekräftigt worden, daß der Mensch,
der freiwillig gesündigt hatte, aus sich weder Sünde noch Sündenstrafe
vermeiden konnte.“[12]
Es ist
logisch, wenn man sagt, Gott sei inkarniert ins Fleisch, um sich
selbst leidensfähig zu machen. Nun nimmt jedoch der Ungläubige an der Aussage
Anstoß, Gott habe gelitten und sei gestorben, um an unserer Stelle das zu erleiden, was
Folge des menschlichen sündhaften Zustandes sei. Diese Aussage schwäche unseren
Gott doch und nehme ihm gewissermaßen das Gottsein weg. Anselm kontert hier,
dass es bei der Inkarnation Gottes nicht um Seine Erniedrigung, sondern – im
Gott-Menschen – um unsere Erhöhung gehe:
„So nämlich bezeichnen wir keine Erniedrigung
der göttlichen Substanz, sondern zeigen, daß die Person Gottes und die des
Menschen eine sei. (…) So wird folglich
unter der Inkarnation Gottes keineswegs seine Erniedrigung verstanden, sondern
es wird geglaubt, daß die Natur des Menschen erhöht ist.“[13]
Ratzinger
behauptet nun demgegenüber, das „zweite
Jahrtausend der abendländischen Christenheit“ sei entscheidend durch diese
Gedanken Anselms geprägt worden, dass „Christus
am Kreuze sterben musste, um die unendliche Beleidigung gutzumachen, die
geschehen, und solchermaßen die verletzte Ordnung wiederherzustellen.“[14] Wir erkennen
spontan, dass diese alte und traditionell katholische Auffassung auch in den Formulierungen
des Engels von Fatima eine zentrale Rolle spielen. Es geht nicht nur um eine
diffuse „Buße“, sondern um das Anwachsen der Beleidigungen Gottes und die Notwendigkeit
des Opferns und Sühnens.
Ratzinger
gesteht Anselm zwar zu, dass in dieser Theorie auch „entscheidende biblische und menschliche Einsichten eingefangen sind“[15], man
aber „auf der anderen Seite nicht leugnen
könne (…), dass das perfekt logisierte göttlich-menschliche Rechtssystem, das
Anselm aufgerichtet hat, die Perspektiven verzerrt und mit seiner ehernen Logik
das Gottesbild in ein unheimliches Licht tauchen kann.“[16] Diese
Formulierung lässt den Leser für kurze Zeit ratlos zurück. Doch dann fährt
Ratzinger fort, in der Erlösungstat Jesu Christi den „ganz über sich hinausgekommene(n) und so wahrhaft zu sich gekommene(n)
Menschen“[17] zu erblicken.
„Die volle Menschwerdung des Menschen
setzt die Menschwerdung Gottes voraus.“[18] Im Klartext: Ratzinger will die Frucht der Erlösungstat unter Umgehung des konkreten blutigen Opfers ernten. Gott
musste offenbar nur zu dem Zweck Mensch werden, um sich in den sich selbst
behauptenden Menschen liebend hinein zu inkarnieren, damit derselbe endlich
vollgültig Mensch würde. Die Frage, warum der Mensch nicht vollgültig Mensch sei, wird diskret vernachlässigt. Was überhaupt „volle
Menschwerdung“ jenseits der vagen Formulierung „Er (der Mensch) ist (…) ganz er selbst, wenn er aufgehört hat, in sich
zu stehen, sich in sich abzuschließen und zu behaupten, wenn er die reine
Öffnung auf Gott hin ist“[19] sein
soll, verbirgt Ratzinger hinter gelehrtem, aber verschwommenem Wortschwall. Im übrigen gehört das "In-sich-Stehen" des Menschen ja an sich erst einmal zu dessen gottebenbildlicher Personwürde und ist für sich genommen kein Problem und auch keine Sünde. An
späterer Stelle jedoch lässt er die Katze aus dem Sack und verrät seine
Leugnung der tradierten Opfertheologie ausdrücklich: „Wenn (in Hebr. 9,11 ff) gesagt wird, Jesus habe durch sein Blut die
Versöhnung vollzogen (9, 12), so ist dieses Blut nicht wieder als eine
sachliche Gabe zu verstehen, als ein quantitativ zu bemessendes Sühnemittel,
sondern es ist einfach die Konkretisierung einer Liebe, von der gesagt wird,
dass sie bis zum Äußersten reicht.“[20] Das
heißt im Klartext, der „konservative“ Theologe Ratzinger verleugnet hier
ausdrücklich das konkrete Sühneopfer Christi durch sein Blut!
Die unfehlbare Opfertheologie des Tridentinums
Das
Tridentinum hatte dagegen auf der 22. Sitzung im Dekret „Sacrosancta oecumenica
(10)“ im Kanon 1 noch festgestellt: „Wenn jemand sagt, in der Messe werde
Gott nicht ein wahres und eigentliches Opfer oder was aufgeopfert wurde, sei
nichts anderes, als dass uns Christus zur Speise gegeben werde, der sei im
Banne.“ Ein „eigentliches Opfer“
ist ein Opfer im konkreten Sinn: die Zerstörung einer Gabe zur Genugtuung und
zur Wiederherstellung eines Gleichgewichtes. Ratzinger aber will gerade das
nicht hören. An anderer Stelle behauptet er, „Opfer“ sei einfach „Anbetung“
bzw. ein „Exodus des Für, das sich selbst
verlässt“.[21] Er
will das „Blutige“ und Gewaltsame des Opfers ersetzen durch ein bloßes weiches
Hingeben oder gar eine Art sanfte Metamorphose.
Nun hat aber das Tridentinum folgendes festgehalten:
„Obwohl also dieser unser Herr und
Gott sich selbst (Hebr. 7, 27 und 9, 28) einmal auf dem Altare des Kreuzes,
durch Dazwischentretung des Todes, Gott dem Vater aufopfern wollte, um
daselbst die ewige Erlösung zu bewirken. So hat er doch, weil sein Priestertum
durch den Tod nicht getilgt werden sollte, am letzten Abendmahle, in der Nacht,
in welcher er überantwortet wurde – um seiner geliebten Braut, der Kirche, nach
dem Bedürfnisse der menschlichen Natur, ein sichtbares Opfer zu hinterlassen,
durch welches jenes Blutige, das einmal am Kreuze vollbracht werden musste,
vergegenwärtigt, (1 Kor. 11, 24 du 26) sein eigenes Andenken aber bis zum Ende
der Zeit verbleiben und desselben heilsame Kraft der Verzeihung der Sünden,
deren wir uns täglich verschulden angeeignet würde – sich als den für ewig (Psalm
109, 4) Priester nach der Ordnung des Melchisedechs erklärt und seinen Leib und
sein Blut unter den Gestalten des Brotes und des Weines Gott dem Vater
aufgeopfert und unter den Symbolen der nämlichen Dinge den Aposteln, die er
damals zu Priestern des Neuen Bundes einsetzte, zum Genusse übergeben und ihnen
und ihren Nachfolgern im Priestertum dasselbe aufzuopfern mit den Worten
befohlen (Lk 22,19; 1 Kor. 11,24): „Tut dies zu meinem Gedächtnis“, wie die
Katholische Kirche diese immer verstand und lehrte.“[22]
Was lässt dagegen Joseph Ratzinger verlauten?
„Das Wesen
des christlichen Kultes besteht demnach nicht in der Hingabe von Dingen, auch
nicht in irgendeiner Zerstörung, wie man seit dem 16. Jahrhundert immer wieder
in Meßopfertheorien lesen kann – auf diese Weise müsse die Oberherrschaft
Gottes über alles anerkannt werden (…). Alle diese Denkbemühungen sind durch
das Christusgeschehen und seine biblische Auslegung einfach überholt.“ [23]
Dieser Satz sagt nichts weniger als die Verleugnung
und Aufgabe der unfehlbaren Lehre von Trient, die ihrerseits auf einen ganz präzisen und konkreten Auslegung der biblischen Texte beruht. Wer allerdings die
„Messopfertheorie“ des Tridentinums verleugnet oder ihr widerspricht, ist
automatisch im Bann.
Denn die Dogmen, die Dekrete und die Verwerfungen
vorangegangener Konzilien stehen niemals mehr zur Disposition – auch nicht
einer privaten Meinung eines Theologen, von denen es allerdings seit 150 Jahren
in der Kirche so sehr wimmelt, dass sie aufgrund ihrer Mehrzahl den Anschein
der Rechtgläubigkeit vorgaukeln, der Sache nach aber bleiben, was sie sind:
Häretiker.
Einpoliges
Verständnis eines zweipoligen Lehrsatzes
Die
Autorin des polemischen Artikels gegen das Gebet des Engels von 1916 in Fatima
zerpflückt im Verbund mit Fatima-Kritikern, deren Treue zum Tridentinum jedoch
fraglich ist, die Formulierung von der Aufopferung der „Gottheit Jesu Christi“
und unterlegt ihr eine angeblich häretische Bedeutung: „Das allerdings ist nicht möglich, denn man kann Gott nicht die
Gottheit aufopfern, weil diese unsterblich und zudem nicht leidensfähig ist.“[24] Es
wird eine Differenz konstruiert zwischen der göttlichen Persönlichkeit Jesu
Christi, die sich sehr wohl für uns geopfert hat als das Opferlamm und der
„Gottheit“ Jesu Christi, die leidensunfähig sei und daher auch nicht sterben
konnte. Küble doziert noch ein wenig weiter und verstrickt sich in
ausgesprochen spekulative Differenzierungen, die zu treffen die Kirche aus
Ehrfurcht und im Wissen um die Unvorstellbarkeit der Heilstat Jesu Christi
stets vermieden hat:
„Die Gottheit Jesu kann gar nicht Gegenstand
des Opfers sein, denn opfern heißt, so schreibt der bewährte “Grüne
Katechismus”, Gott eine sichtbare Gabe darbringen, um ihn als den höchsten
HERRN zu ehren. Darum ist der ewige Sohn Gottes Mensch geworden, damit ER sich
dem himmlischen Vater zum Opfer darbringen konnte zur Erlösung der Welt. Was natürlich nichts daran
ändert, daß Jesu Heilstat gleichwohl in Wert und Bedeutung ein “göttliches”
Opfer darstellt , insofern Christus eben GOTT(-Mensch) ist und der “Träger” der
Person Christi seine Gottheit ist (welche schon vor seiner Menschwerdung ewig
existiert). Unser Heiland ist auch in seiner himmlischen Herrlichkeit Gott und
Mensch zugleich (mit seinem verklärten Auferstehungsleib). Aber konkret “geopfert” hat ER nicht seine
Gottheit, die ja nicht leidensfähig ist und die ihrem Wesen nach nicht sterben
kann. Der Sohn Gottes ist vielmehr Mensch geworden vor allem deshalb, um so
sein Opfer vollziehen zu können.“[25]
Man
muss sich fragen, wie sich Küble samt den Kritikern, hinter denen sie sich
verschanzt, das „Gottmenschentum“ Jesu eigentlich vorstellen, was sie unter
„Gottheit Jesus Christi“ verstehen und ob sie überhaupt noch bereit sind, die
Beschlüsse des Trienter Konzils anzuerkennen. Ihre Differenzierungen erreichen
den Tatbestand des Absurden. Wenn „unser
Heiland (..) auch in seiner himmlischen Herrlichkeit Gott und Mensch zugleich“
(ebenda) ist, dann ist es abwegig zu behaupten, seine Göttlichkeit habe mit
seinem Opfer gewissermaßen nichts zu tun, sondern nur sein Menschsein. Das
würde ja bedeuten, dass man den Gottmenschen zerteilt in den Menschen
einerseits und den Gott andererseits und seine Göttlichkeit aus seinem
Heilshandeln ausschneidet, wie etwas, das nicht dazugehören kann. Damit wird im
übrigen der alte nestorianische, als Häresie verworfene Standpunkt wieder
aufgewärmt. Wie wir zusätzlich nachgewiesen haben, hat das Tridentinum sogar
ausdrücklich festgehalten, dass die Gottheit sich sich selbst opfert (s. Anm.
22).
Die
Problematik solch zwanghaften Differenzierungswillens („Konkret geopfert hat ER nicht seine Gottheit, die ja nicht
leidensfähig ist…s.o.) benennt übrigens auch Pohle ganz glasklar, auf
dessen Dogmatik-Lehrbuch sich Küble (was die dogmatische Begründung betrifft)
ausschließlich bezieht:
„Die erste Frage (inwiefern Christus zugleich
Priester und Schlachtopfer war) ist nach den christologischen Grundsätzen dahin
zu beantworten, dass es der Gottmensch oder noch schärfer der Logos in Person
gewesen, welcher zum Schlachtopfer (…) auserkoren war, freilich nicht durch die
Funktion seiner göttlichen, sondern nur durch seine menschliche Natur.“
Pohle
bemerkt jedoch selbst, und man muss annehmen, dass Küble dies nicht
weitergelesen hat, dass eine solche Zuspitzung der Formulierung im letzten
Satzteil, der den ersten Teil möglicherweise bei voreingenommener Lesart gleich
wieder vergessen lässt, äußerst missverständlich ist und den Erlöser all jenen
in die Hände spielt, die seine Göttlichkeit bzw. sein konkretes, göttliches
Schlachtopfer hintansetzen oder gar bestreiten wollen, was ja eines der
Hauptprobleme moderner Theologie ist. In der Reduktion Christi als Opferlamm
auf seine „Funktion als Mensch“ hat zu einer grenzenlosen Gottvergessenheit und
zur Selbstüberhebung des Menschen in der modernen Menschenmachwerkskirche
geführt.
Pohle
fährt daher kleingedruckt fort:
„Denn wie die Behauptung, nur die
menschliche Natur sei geopfert worden, auf Nestorianismus hinausliefe, so
wurde die andere, die Gottheit als solche sei gekreuzigt und geopfert worden,
offenbar auf den theopaschitischen Monophysitismus hinaussteuern. Beide häretischen
Extreme werden vermieden durch Einhaltung der „wahren Mitte“, indem man
einerseits zwar lehrt, der Logos selber als das principium quod sei
geschlachtet worden, aber andererseits sogleich hinzufügt: nur seiner
alleine leidensfähigen Menschheit als dem principium quo. Die Richtigkeit
dieser Auffassung ergibt sich in unmittelbarer Folgerung aus dem Dogma von der
hypostatischen Union.“
Küble
erfasst offenbar die Zweipoligkeit dieser Analyse nicht. Möglicherweise ist ihr
Problem auch, dass sie das Gebet des Engels in seiner Zweipoligkeit nicht
erkennt.
Analogie des Opfers Christi in einer
Märchengeschichte
Jedermann
kennt diese Märchenerzählungen, in denen ein Fürst, um die Lebenswelt der Armen
kennenzulernen und für sie zu erdulden, in deren Kleider schlüpft, sich inkognito
unter sie mischt und in der Folge all die Schmach und Fron ihrer
Lebenssituation ganz genauso und unter der Meinung, er sei einer von ihnen,
wobei er ja auch tatsächlich einer von ihnen geworden ist (!), erduldet. Als Fürst im Fürstengewand hätte er diese
Situation niemals „authentisch“ erdulden können, eben weil er kein Armer ist.
Es wäre ein hohles Spiel geblieben. Dennoch kann man nicht behaupten, er würde
nun die Schmach und Fron, die er, weil er sich für die Armen zum Armen gemacht
hat, nicht auch voll und ganz als Fürst erdulden. Würde man sagen, dass er die
Schmach der Armut nur der angenommen Natur als Armer nach erdulde, würde man
den Kern dessen, was da geschieht, ebenso verfehlen, wie wenn man sagen würde,
er erlebe, weil er ja im Wesen doch vor allem der Fürst ist, die Schmach des
Armen ausschließlich als Fürst.
Einerseits
erduldet zwar tatsächlich mit einem gewissen Vorrang der Fürst die Schmach, allein weil er die Aktion zu den Armen hin
willentlich und initiatorisch sucht. Die Expansion in den Stand des Armen ist
eine fürstliche Intervention – keineswegs eine der Armen. Würde der Fürst nur
der angenommen Lage nach das Los der Armen erdulden, wäre dieses Opfer sinnlos,
weil es den Armen nicht erheben könnte aus seinem Elend. Der Sinn dieses Opfers
besteht tatsächlich andererseits darin, dass die Erhebung des Armen nur
geschehen kann, wenn der Fürst sich als
Fürst hinab begibt in dessen Zustand, um ihn von dort aus abzuholen.
« Per viscera
misericordiae Dei visitavit nos oriens ex alto »
Großartig
drückt dies das Benedictus aus mit
der Formel:
« Per
viscera misericordiae Dei nostri in quibus visitavit nos oriens ex alto
illuminare his qui in tenebris et in umbra mortis sedent. »
Per viscera misericordiae Dei – ein
poetischer Ausdruck, der bedeuten kann „durch
das Fleisch der Barmherzigkeit unseres Gottes“ (viscera = Fleisch) oder „durch
das Innerste, das Mark der Barmherzigkeit unseres Gottes hat uns besucht der
Morgenstern aus der Höhe, damit die erleuchtet würden, die in Finsternis und
Todesschatten sitzen.“
Die
Innigkeit der Verschränkung Gottes mit dem Menschen in der hypostatischen Union
kommt hier perfekt zum Ausdruck. Die
Fleischwerdung, die Inkarnation Gottes ist nicht bloß eine Auslagerung in einen
ihm fremden Zustand, sondern andersherum eine Hineinnahme unseres Fleisches in
sein „Mark“.
So
kann M.J. Scheeben in seiner Dogmatik schreiben, man dürfe sich nicht dazu
verleiten lassen, bei Christus und Maria den Gesichtspunkt der bloßen
menschlichen Frucht in den Vordergrund zustellen: „Das verbietet schon der Wesensbegriff Christi als des fleischgewordenen
Wortes; denn dieses ist an erster Stelle eine göttliche Person, welche
die menschliche Natur sich einverleibt und besitzt, und erst an zweiter
Stelle ein die Gottheit besitzender Mensch.“[26] Er leitet diese Sicht aus den
Ergebnissen des Konzils von Ephesus 451 ab, die Maria eben nicht vorrangig als die
Mutter der Menschheit Jesu Christi betrachten, sondern als die der
Gottheit Jesu Christi. Und Scheeben argumentiert weiter: „Wie daher die Person Christi, formell betrachtet, eine rein
göttliche, nicht eine menschliche oder auch nur gottmenschliche ist, so
kann man auch die Mutterschaft ihr gegenüber nicht als eine gottmenschliche
bezeichnen, was in der Tat unerhört ist, sondern muss sie schlechthin als eine göttliche
charakterisieren.“ (a.a.O)
Wörtliche
Übereinstimmung zwischen dem Engelsgebet und einem Kanon von Trient!
Welche Probleme auch immer
modernistische Theologen und nachkonziliare Laien mit dem Gebet des Engels 1916
in Fatima vorbringen, sind doch, gemeinsam mit allen christologischen Dogmen
älterer Konzilien, vor allem die Konzilsbeschlüsse von Trient eindeutiges
Zeugnis für die theologische Richtigkeit der Formulierung des Engels. Auf
diesem Konzil (1545-1563) wurde die durch den Protestantismus total in Frage
gestellte und verdorbene, in große Verwirrung gestürzte Opfertheologie der
Heiligen Kirche ein für allemal in festen Formeln ausgesprochen und jeder, der
ihnen widerspricht, unter Anathema gestellt.
Die fragliche Formulierung des
Engels aus Fatima ist die wortwörtliche Wiedergabe des 1. Kanons der 13.
Sitzung auf dem Konzil von Trient:
„Si quis negaverit, in
sanctissimae Eucharistiae Sacramento contineri vere, realiter &
substantialiter Corpus & Sanguinum una cum anima & divinitate Domini
nostri Jesu Christi, ac proinde totum Christum, sed dixerit tantummodo esse
in eo, ut in signo, vel figura, vel virtute; anathema sit.“
Zu Deutsch:
„Wenn jemand leugnet,
(oben, Kap 3) dass in dem heiligsten Altarsakrament, wahrhaft, wirklich und
wesentlich der Leib und das Blut, zugleich mit der Seele und der Gottheit
unsers Herrn Jesu Christi und folglich Christus ganz enthalten sei, sondern
sagt, er sei in demselben nur, wie in einem Zeichen oder Bilde oder der Kraft
nach, der sei im Bann.“[27]
Und
nun noch einmal die anstößige Formulierung im Gebet des Engels:
„in tiefster Ehrfurcht bete ich Dich an,
und
opfere Dir auf
den
kostbaren Leib und das Blut,
die
Seele und die Gottheit unseres Herrn Jesus Christus,
gegenwärtig
in allen Tabernakeln der Welt (…)“ (s.o.)
Felizitas Küble ebenso wie allen
vollmundigen Kritikern Fatimas sei ans Herz gelegt, doch bitte ganz genau zu
lesen und zu rezipieren, was die Kirche lehrt und was sie verwirft – die wahre
Kirche, nicht die Kirche, die wir seit 50 Jahren erleben, in der alles und
nichts mehr möglich ist.
Nach dem Konzil von Trient wurde
durch Pius V. ein neuer Katechismus herausgegeben, der „Römische Katechismus“,
der bis ins 20. Jahrhundert hinein noch maßgeblich war, der die fragliche
Problematik noch einmal ausdrücklich und eindeutig klärt:
„Denn, wie Damascenus erklärt hat, dieses
Sakrament (der Eucharistie) verbindet uns mit Christus, und macht uns seines
Fleisches und seiner Gottheit teilhaftig.“[28]
Vollends spricht folgende Bemerkung aus dem Römischen Katechismus die
gedankliche Problematik in folgendem Satz aus:
„Auch in anderer Hinsicht nennen wir das Blut
Christi Geheimniss des Glaubens, weil nämlich darin die menschliche Vernunft
die grösste Schwierigkeit und Anstrengung findet, da uns der Glaube für wahr zu
halten vorstellt, Christus der Herr, der wahre Sohn Gottes, und zugleich Gott
und Mensch, habe für uns den Tod gelitten, welcher Tod durch das Sakrament des
Blutes bezeichnet wird.“[29]
Zu beachten ist hier auch, dass eine Differenzierung, wie sie Pius X. in
seinem Katechismus vornimmt, hier ausdrücklich ausgeschlossen wird. Pius X.
schreibt lapidar – zu lapidar – wie man an den Folgen sieht:
„Jesus Christus starb als Mensch, weil Er als
Gott weder leiden noch sterben konnte.“ (§ 89)
Küble stützt sich auf diesen Paragrafen, unterschlägt jedoch, dass Pius
X. in anderen Lehrsätzen diese Aussage erst präzisiert. Pius X. hat damit
offenkundig nicht sagen wollen, dass Christus unter Zurücklassung seiner
Gottheit Mensch wurde und starb. Auch Pius X. stimmt der Akzentuierung
Scheebens voll und ganz zu, indem er in § 77 schreibt:
„Indem der Sohn Gottes Mensch wurde, hörte Er
nicht auf Gott zu sein. Vielmehr begann Er, während Er wahrer Gott verblieb,
auch wahrer Mensch zu sein.“[30]
Die Differenzierung, die mancher modernistische Theologe mitsamt
fatimakritischen Laien glaubt tätigen zu müssen, ist demgemäß unzulässig. Wenn
er auch im Geopfertwerden nicht aufhörte, Gott zu sein, ist ein Gebet, das die
Gottheit (besser: „Göttlichkeit“/divinitas)
Jesu Christi aufopfern möchte, einfach nur gut katholisch. Wie der Römische
Katechismus es sagt, übersteigt diese Glaubenswahrheit, an der unsere ganze
Rettung hängt, unsere Vernunft.
Es ist vielleicht bezeichnend, dass im traditionellen Messkanon, in dem
die Einsetzungsworte Jesu in der einzig rechten Weise stehen, die Worte MYSTERIUM
FIDEI wie ein großes Stoppschild in das Kelchwort eingeschoben sind. In der
verunstalteten Messe durch Paul VI. ist genau diese Formel aus dem Kelchwort
herausgenommen und an eine spätere Stelle platziert worden. Es geht aber
wirklich um das Geheimnis, wie das Blut Jesu Christi, als „göttliches Blut“ –
obwohl Gott eigentlich für sich selbst und ohne Inkarnation ins Menschsein nicht
bluten kann – uns zur Rettung vergossen wurde.
Dieses Geheimnis, in dem sich Gott uns geschenkt hat, sollte uns erschauern
und erschüttert schweigen lassen.
Das Gebet des Engels betont vor allem anderen das wahre und echte
Gottmenschentum des Erlösers. Der Beter soll aufopfern „Leib und Blut des
Sohnes Gottes“, also seine menschliche Seite und eben auch die Gottheit/divinitas Jesu Christi, ohne die das
Kreuzesopfer seinen Sinn niemals hätte erfüllen können. Dass divinitas hier nicht die rein geistige
göttliche Natur meint, sollte vor dem Hintergrund der Formel „wahrer Gott und
wahrer Mensch“ eigentlich selbstverständlich sein. Wer wollte denn im Ernst die
Göttlichkeit des geopferten Agnus Dei
bezweifeln?!
Geheimnis des Glaubens: die Gottheit hat sich, indem sie Mensch wurde, opferbar gemacht hat
Die Autorin des genannten polemischen Artikels gegen das Engelsgebet aus Fatima ebenso wie alle Kritiker, die ihr zustimmen, bestreiten das Geheimnis unserer Erlösung:
Dieses Geheimnis, das weit über unseren Verstand geht, dass Gott sich
nämlich als Gott, in dem er Mensch wurde, opferbar
gemacht hat. Ja, die Gottheit hat sich opferbar gemacht, indem sie
Mensch wurde! Unser
Zustand, in den wir willentlich und von unserer Seite her irreversibel geraten
sind, beleidigt die große Gottheit, die sich an uns gebunden hat
wie sich ein Ehemann an seine Frau bindet. Wenn die Verbindung zwischen Gott und
Mensch der Gottheit wirklich „ins eigene Mark“ geht, weil er uns so liebt und ganz in sich und bei haben will, dann ist
das biblische Bild des „Ehebruchs“ für das Elend des Menschen vor Gott wahrhaftig treffend. Wie
ein betrogener Mann oder eine betrogene Frau nicht einfach sagen kann: „Schwamm
drüber!“, so wäre eine rein geistige Amnestie von seiten Gottes seiner tiefen Liebe zu uns nicht angemessen. Ein verletztes Eheband kann auch immer nur mit
großer Mühe auf beiden Seiten und einem unermesslichen Opfer aufseiten des betrogenen Teils wieder geheilt werden… Gott musste sich als
Gottheit opferbar machen, weil er uns liebt wie sein eigenes Mark.
In dieser
Erkenntnis liegt im übrigen auch beschlossen, warum ein Christ sich zu
Lebzeiten seines wahren Ehegatten nicht wieder verheiraten darf, ohne sich von
Gottes Liebe erneut einseitig zu trennen: das abgrundtiefe Geheimnis der Liebe
Gottes zu uns wird mit Füßen getreten. Wie Schuppen fällt es uns von den Augen:
eine Theologie, die abstreitet, dass die Gottheit sich als Gottheit zum
Menschen und damit opferbar machte, ruft auch den Wunsch nach einem „Recht“ auf
Zulassung der wiederverheirateten Geschiedenen zur Heiligen Kommunion auf den
Plan.
Wenn wir in die Kirche sehen, finden wir kaum noch Glauben an die
Göttlichkeit Jesu Christi. Das Gebet des Engels in Fatima in seiner zweipoligen
Anlage, die die Menschheit und Gottheit des Erlösers betont, weist auf einen
verloren gegangenen und verdunkelten Glauben hin. Wir sollten innehalten und
diese Worte dankbar wie ein kostbares Geschenk annehmen.
Artikel wurde auch auf www.katholisches.info veröffentlicht. Die Diskussion findet sich dort im Kommentarbereich.
[1] http://charismatismus.wordpress.com/2014/03/09/fatima-fragen-zum-gebet-des-engels/,
abgerufen am 2.4.2014
[2]
Rudolf Graber, Marienerscheinungen. Würzburg 1984, S. 10
[3]
Laurenz Volken, Die Offenbarungen in der Kirche, Innsbruck 1964
[4]
Volken, S. 234
[6]
Volken, Die Offenbarungen in der Kirche, S. 239
[7]
Volken, S. 240
[8]
Mura/Huber: Fatima – Rom – Moskau, S. 22
[9] http://charismatismus.wordpress.com/2014/03/06/korrektur-an-einem-sonder-rosenkranz-die-gottheit-christi-wurde-nicht-geopfert/
[10]
Joseph Ratzinger: Einführung in das Christentum, München 2005, S. 218
[11]
Anselm: Cur Deus homo. Liber primus, XI+XII
[12]
Anselm: Cur Deus homo. Liber primus, VII, 7
[13] Original: „quapropter
cum dicimus Deum aliquid humile aut infirmum pati non hoc intelligimus secundum
sublimitatem impassibilis naturae sed secundum infirmitatem humanae substantiae
quam gerebat et sic nostrae fidei nulla ratio obviare cognoscitur (…) sic enim
nullam divinae substantiae significamus humilitatem sed unam Dei et hominis
monstramus esse personam (…) non ergo in
incarnatione Dei ulla eius humilitas intelligitur facta sed natura hominis
creditur exaltata“ Anselm von Canterbury: Cur Deus homo? (Liber primus
VIII, 8 ). Lateinischer
Text nach der Edition von F.S. Schmitt, S. Anselmi Opera omnia (Edinburgh
1940), übersetzt und in Teilsatzgliederung ins Netz gestellt von Hans
Zimmermann (Görlitz 2006)
[14]
Ratzinger a.a.O. S. 219
[15]
Ratzinger a.a.O. S. 219
[16] Ratinger a.a.O. S. 220
[17] Ratzingera.a.O. S. 221
[18] Ratzinger a.a.O., S. 221
[19] Ratzinger a.a.O. S. 221
[20] Ratzinger a.a.O. S. 270
[21]
Ratzinger a.a.O., S. 271
[22] http://www.kathpedia.com/index.php?title=Sacrosancta_oecumenica_%2810%29_%28Wortlaut%29,
abgerufen am 4.4.2014
[23]
Ratzinger a.a.O., S. 270
[24]
http://charismatismus.wordpress.com/2014/03/09/fatima-fragen-zum-gebet-des-engels/
[25] ebenda
[26] M.J.Scheeben: Die
bräutliche Gottesmutter. Aus dem Handbuch der Dogmatik hrsg. und für weitere
Kreise bearbeitet von Carl Feckes. Freiburg 1936 (Herder), S. 43f
[27] http://www.kathpedia.com/index.php?title=Sacrosancta_oecumenica_%283%29_%28Wortlaut%29,
abgerufen am 4.4.2014
[28] Pius V.: Römischer Katechismus nach den
Beschlüssen des Konzils von Trient, Passau 1839, S. 227 oder 4. Hauptstück, IV
[29]
a.a.O.,
S. 239 oder 4. Hauptstück, XXIV
[30]
Katechismus der Katholischen Lehre des hl. P. Pius X., Kirchen/Sieg 1974