Donnerstag, 19. Oktober 2017

Fake Heavens IV - "Bestand aus Wasser und durch Wasser": Die Urflut in der Heiligen Schrift



Fake Heavens IV -  "Bestand aus Wasser und durch Wasser": Die Urflut in der Heiligen Schrift

Einer Sicht, wie sie heute üblich ist, aber ihre Vorbilder und Initiatoren in der außerbiblischen kirchlichen Tradition hat, die sich an diesem Punkt bewusst der biblischen Überlieferung verweigerte, möchte ich mich aus Achtung vor der Schriftüberlieferung nicht anschließen.
Zur allgemeinen Skepsis gegenüber einer spekulativen, niemals „fertigen“ Wissenschaft kommt, dass eben diese moderne Astrophysik eine ganze Reihe von Annahmen macht, die mir nicht plausibel, tautologisch und darum auch nicht gerechtfertigt erscheinen. Ich schließe mich an dieser Stelle der Haltung von Laktanz aus dem frühen 4. Jh an (s.u.). Wenn man schon mit Augustinus meint, die Schrift sage uns zu wenig Gewisses über die Gestalt des Himmels, dann sollte man auch zugestehen, dass die griechisch-römischen Kosmologien, auch wenn sie viele spekulative Worte machten, noch viel mehr ohne irgendeinen empirischen Anhaltspunkt auskamen.
Einem generellen Vorbehalt gegenüber dem Denken und Wissen der Vorzeit möchte ich entgegenhalten, dass manche Überreste der vorzeitlichen Kulturen uns Fertigkeiten und Kenntnisse offenbaren, die den antiken, mittelalterlichen und heutigen offensichtlich weit überlegen und ein Rätsel sind. Es gehört ein gerüttelt Maß an Selbstüberschätzung dazu, diese Kulturen so herabzustufen und nicht für voll zu nehmen, wie dies in den neueren kosmologischen Annahmen verborgen liegt.
Ich wähle den Weg, das, was da überliefert wird, ganz ernst zu nehmen und im Hinblick auf mein Thema zunächst hinsichtlich der Rekonstruktion des biblisch überlieferten Sachverhaltes zu befragen.

Die gewichtigste Aussage macht naturgemäß der erste Schöpfungsbericht. Wir alle kennen die berühmten Anfangsworte des Alten Testaments (zitiert nach der EÜ) in Genesis 1:

1 Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde;
2 die Erde aber war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser.
3 Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht.
4 Gott sah, dass das Licht gut war. Gott schied das Licht von der Finsternis
5 und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde Abend und es wurde Morgen: erster Tag.
6 Dann sprach Gott: Ein Gewölbe entstehe mitten im Wasser und scheide Wasser von Wasser.
7 Gott machte also das Gewölbe und schied das Wasser unterhalb des Gewölbes vom Wasser oberhalb des Gewölbes. So geschah es
8 und Gott nannte das Gewölbe Himmel. Es wurde Abend und es wurde Morgen: zweiter Tag.
9 Dann sprach Gott: Das Wasser unterhalb des Himmels sammle sich an einem Ort, damit das Trockene sichtbar werde. So geschah es.
10 Das Trockene nannte Gott Land und das angesammelte Wasser nannte er Meer. Gott sah, dass es gut war.
11 Dann sprach Gott: Das Land lasse junges Grün wachsen, alle Arten von Pflanzen, die Samen tragen, und von Bäumen, die auf der Erde Früchte bringen mit ihrem Samen darin. So geschah es.
12 Das Land brachte junges Grün hervor, alle Arten von Pflanzen, die Samen tragen, alle Arten von Bäumen, die Früchte bringen mit ihrem Samen darin. Gott sah, dass es gut war.
13 Es wurde Abend und es wurde Morgen: dritter Tag.
14 Dann sprach Gott: Lichter sollen am Himmelsgewölbe sein, um Tag und Nacht zu scheiden. Sie sollen Zeichen sein und zur Bestimmung von Festzeiten, von Tagen und Jahren dienen;
15 sie sollen Lichter am Himmelsgewölbe sein, die über die Erde hin leuchten. So geschah es.
16 Gott machte die beiden großen Lichter, das größere, das über den Tag herrscht, das kleinere, das über die Nacht herrscht, auch die Sterne.
17 Gott setzte die Lichter an das Himmelsgewölbe, damit sie über die Erde hin leuchten,
18 über Tag und Nacht herrschen und das Licht von der Finsternis scheiden. Gott sah, dass es gut war.
19 Es wurde Abend und es wurde Morgen: vierter Tag.

In dieser Schöpfungserzählung hat die Erde Bestand aus und im Wasser. So bestätigt es auch der heilige Petrus, „dass es einst einen Himmel gab und eine Erde, die durch das Wort Gottes aus Wasser entstand und durch das Wasser Bestand hatte.“ (2. Petr 3, 5). Im Lateinischen klingt es etwas anders: „… quod cæli erant prius, et terra de aqua, et per aquam consistens Dei verbo.“ — „… dass vorher die Himmel waren, und die Erde aus Wasser und durch das Wasser Bestand erhielt durch das Wort Gottes…“. Das Wort „prius“ meint hier nicht, dass diese Schöpfung nicht mehr ist, sondern im weiteren Zusammenhang „vor“ der Sintflut lag.
Aus einem wirren Vorzustand der Urfluten, über denen Gottes Geist schwebte, schuf Gott „die“ Himmel („caeli“ bzw hebr. „schamajim“) und die Erde. Spontan fragt man, ob diese Himmel dieselben sind, in denen Gott mit seinen Heerscharen und Gewaltigen wohnt und ob der Ort Gottes vorher einfach der war, über diesen Urfluten zu „schweben“, oder ob es noch einen anderen göttlichen Ort gab, den der Mensch sich nicht vorstellen kann.
Wir finden in diesen Anfangssätzen der Genesis und im weiteren Verlauf der Kapitel 1 und 2 einige „Doppel- oder sogar Dreifachbedeutungen“ von Dingen:

1. „Licht“
Am ersten Tag spricht Gott, der doch selbst Licht ist, wie Johannes sagt, „Fiat lux!“ — „Es werde Licht!“, aber am vierten Tag erschafft er erst die Leuchten am Himmel, die uns sichtbares Licht spenden. Und bevor die Gestirne da sind, lässt er aus der Erde bereits das Gras sprießen. Der erste Tag ist ein Tag, an dem etwas getrennt wird: das neu erschaffene Licht von der vorhandenen Finsternis. Drei Arten von „Licht“ stehen im Raum: Gott selbst, der das Licht in Person ist, das Licht des ersten Tages und die Leuchten des vierten Tages, die erst den Tag und die Nacht „regieren“. Im Epheserbrief lesen wir, dass alles, was dem Licht Gottes in Christus standhält und sich zeigt, selbst Licht ist: „Omne enim, quod manifestatur, lumen est.“ — „Alles Erleuchtete aber ist Licht.“ (Eph 5, 13b)

2. „Himmel“
Die nächste Doppelbedeutung ist die des Begriffes „Himmel“. Am ersten Tag schafft Gott „die“ Himmel, aber wo war er bis dahin gewesen? Am zweiten Tag schafft Gott das „firmamentum“, ein festes Gewölbe über der Erde, das die Wasser über und unter der Erde begrenzt und einen Luftraum ausspart über dem Erdboden, den er von den Wassern unterhalb des Firmamentes trennt. So ist auch der zweite Tag ein Tag, an dem etwas getrennt wird: „Wasser von Wasser“ und „Wasser und Trockenes“. Und obwohl es vom ersten Tag heißt, Gott habe an ihm „die“ Himmel geschaffen, heißt es am Ende des zweiten Tages, Gott habe das neu geschaffene Firmament ebenfalls „Himmel“ genannt. Vielleicht kann man aber auch den Schluss ziehen, dass „die“ Himmel die Sphäre Gottes sind, seine Gefilde, die über dem „firmamentum“ oder „oben“ sind. Die Himmelsfeste ist dem Menschen Sinnbild und Wegweiser zu den Gefilden Gottes. Wie sie beschaffen sind, wurde visionär von einigen Propheten des AT und NT und vom Diakon Stephanus geschaut. Der Apostel Paulus wurde einmal bis in den „dritten Himmel“ entrückt, in dem er „unaussprechliche Worte“ hörte (2. Kor 12, 1 ff). Und der sterbende Stephanus sah den Himmel plötzlich offen und Jesus Christus zur Rechten Gottes stehen (Apg  7, 56) Diese begnadeten Menschen sahen und hörten etwas, das normalerweise in der Begrenztheit der Sinne nicht wahrgenommen werden kann, für einige Momente. Ein Schleier wurde vor ihren Augen gelüftet. Das spricht dafür, dass das menschliche Bewusstsein für weit mehr ausgelegt wäre als wir ahnen.

3. „Wasser“
Mehrdeutig ist auch das „Wasser“: Es gibt „t’hom“, die „abyssos“, die große Tiefe, die „Urflut“, und „Wasser“ („hamajim“, „aqua“), das Gott im befriedeten Erdkreis „Meer“ nennt. Vom ungenießbaren, stehenden Meerwasser wird lebendiges, frisches, fließendes Wasser unterschieden.
Die Erde war zunächst „Tohuwabuhu“ (wüst und wirr) und von „den“ Wassern bedeckt, der „Urflut“ (hebr „t’hom“), die mit „Finsternis“ verbunden ist. Der Geist Gottes (hebr. „ruach elohim“) „schwebte“ über „den“ Wassern (hebr. „hamajim“).
Aus dieser Urflut, diesen enormen Wassermassen, schuf Gott die Erde. Die Himmel scheinen zuerst gewesen zu sein. Die Beschreibung aus der Genesis, die ich zitiert habe, lässt folgenden Sachverhalt entstehen:
Gott erschafft eine Art „Luftblase“ in den Wassern. Es ist ein Gewölbe mit einem Grund, der zunächst aus überfluteter Erde besteht, oder einem Wasserschlamm, und einem Firmament, also einer Himmelsfeste, die die Wasser davon abhält, in diese „Luftblase“ hineinzufließen. Dieses Firmament trennt uns nicht nur von der Urflut oberhalb der Erde, sondern auch von „den“ Himmeln, in denen Gott, späteren Texten des AT gemäß,  seinen Regierungssitz hat. Gott gebietet dem Wasser, das den Grund der Blase noch bedeckt, sich von dem festen Erdigen zurückzuziehen, damit die Erde als „Trockenes“ Bestand haben kann. Der Grund der Erde besteht aus Land und Urfluten-Wasser, das Gott „Meer“ nennt. Unter dem Erdboden sind ebenfalls Wasser. Aus ihnen speisen sich die Flüsse als „geklärtes“ Wasser und zugleich das wilde, ungeläuterte Meer.
Aus den trockenen Bestandteilen der Urflut, die Gott als „Land“ oder „Erde“ (hebr. „adama“) bezeichnete, schuf er am Schluss Adam und aus dessen bereits geformter Substanz schuf er Eva.
Vom Garten Eden ging ursprünglich ein Hauptstrom aus, um die Erde mit „gutem“, „geläutertem“, „lebendigem“ Wasser zu bewässern, und teilte sich in vier große Flüsse, deren Geografie uns in Gen 2, 10 ff genau beschrieben wird. Dass wir sie dem, was wir heute kennen, nicht mehr genau zuordnen können, liegt daran, dass die Erde, das Land nach der Sintflut zur Zeit des Urururenkels Noachs „geteilt“ (Gen 10, 25), vermutlich als die eine Landmasse auseinandergerissen und im ungeläuterten Meer verteilt wurde.
Die Erzählung von der Sintflut in Gen 7 erklärt den Vorgang dieses Weltuntergangs aus der Beschreibung der Schöpfung in Gen 1:
„11 (b) An diesem Tag brachen alle Quellen der gewaltigen Urflut auf und die Schleusen des Himmels öffneten sich.
12 Der Regen ergoss sich vierzig Tage und vierzig Nächte lang auf die Erde.“
„T’hom“ , die „Urflut“, die „Abyssi“ brachen also auf und entließen ungeheure Wassermassen nach oben auf den Erdboden und füllten die Erde wie eine Wanne „fünfzehn Ellen über die Berge hinaus“ (V 15). Von oben regneten die Wassermassen über dem Firmament in die Erde hinein, und von unten brach die Urflut für 40 Tage ungebremst nach oben. Insgesamt also ein Szenario, das auf einer „Erdkugel mit Atmosphäre und umgebendem Hochvakuum“ schwer vorstellbar sein dürfte. Das ging so lange, bis Gott die „Schleusen“ wieder verschloss:
„2 Die Quellen der Urflut und die Schleusen des Himmels schlossen sich; der Regen vom Himmel ließ nach
3 und das Wasser verlief sich allmählich von der Erde.“ (Gen 8)

Im AT wird 36mal Bezug genommen auf die Urflut, etwa in der Erzählung vom Auszug aus Ägypten, als die Rosse und Streitwagen des Pharaos im Schilfmeer versanken, während die Hebräer trockenen Fußes durch das Rote Meer wandern konnten, das ihnen eine Gasse freigab auf Geheiß Gottes. Die Kraft des Schöpfers, Trockenes und Feuchtes zu scheiden, scheint hier auf. In V 5 taucht die „Urflut“ wieder auf:
 „4 Pharaos Wagen und seine Streitmacht warf er ins Meer. Seine besten Kämpfer versanken im Schilfmeer.
Fluten deckten sie zu, sie sanken in die Tiefe wie Steine.
6 Deine Rechte, Herr, ist herrlich an Stärke; deine Rechte, Herr, zerschmettert den Feind.
7 In deiner erhabenen Größe wirfst du die Gegner zu Boden. Du sendest deinen Zorn; er frisst sie wie Stoppeln.
8 Du schnaubtest vor Zorn, da türmte sich Wasser, da standen Wogen als Wall, Fluten erstarrten im Herzen des Meeres. (Ex 15, 8)

Berühmt auch die Geschichte von Jona, dem Propheten, der nicht prophezeien, und über das Meer vor seinem Auftrag fliehen wollte, und am Ende von seinen Schiffsgenossen, die im Toben der Fluten ein Gericht Gottes über einen der Reisenden erkannten, ins Meer geworfen wurde, um dessen Aufruhr zu beruhigen (Jon 2):
„3 In meiner Not rief ich zum Herrn und er erhörte mich. Aus der Tiefe der Unterwelt schrie ich um Hilfe und du hörtest mein Rufen.
4 Du hast mich in die Tiefe geworfen, in das Herz der Meere; mich umschlossen die Fluten, all deine Wellen und Wogen schlugen über mir zusammen.
5 Ich dachte: Ich bin aus deiner Nähe verstoßen. Wie kann ich deinen heiligen Tempel wieder erblicken?
6 Das Wasser reichte mir bis an die Kehle, die Urflut umschloss mich; Schilfgras umschlang meinen Kopf.
7 Bis zu den Wurzeln der Berge, tief in die Erde kam ich hinab; ihre Riegel schlossen mich ein für immer. Doch du holtest mich lebendig aus dem Grab herauf, Herr, mein Gott.“

In einem Gebet des Propheten Habakuk wird ebenfalls Bezug genommen auf diese Beschaffenheit der Erde und vermutlich den Vorgang der Sintflut (Hab 3):
 „9 (b) Du spaltest die Erde und es brechen Ströme hervor.
10 dich sehen die Berge und zittern, tosender Regen prasselt nieder; die Urflut brüllt auf und reckt ihre Hände empor.“

Und der Psalmist (Ps 77) erinnert sich der Großtaten Gottes, indem er ihn  preist als den Herrn der Urflut, der die Sintflut über alles Fleisch kommen ließ:
„17 Die Wasser sahen dich, Gott, die Wasser sahen dich und bebten. Die Tiefen des Meeres tobten.
18 Die Wolken gossen ihr Wasser aus, das Gewölk ließ die Stimme dröhnen, auch deine Pfeile flogen dahin.
19 Dröhnend rollte dein Donner, Blitze erhellten den Erdkreis, die Erde bebte und wankte.
20 Durch das Meer ging dein Weg, dein Pfad durch gewaltige Wasser, doch niemand sah deine Spuren.“

Gott fragt den klagenden Job herausfordernd (Job 38):
„16 Bist du zu den Quellen des Meeres gekommen, hast du des Urgrunds Tiefe durchwandert?(…)
 30 Wie Stein erstarren die Wasser und wird fest die Fläche der Flut.

Und im Weisheitslied wird gesungen (Job 28):
„12 Die Weisheit aber, wo ist sie zu finden und wo ist der Ort der Einsicht?
13 Kein Mensch kennt die Schicht, in der sie liegt; sie findet sich nicht in der Lebenden Land.
14 Die Urflut sagt: Bei mir ist sie nicht. Der Ozean sagt: Bei mir weilt sie nicht.“

In den Weherufen über Tyrus (Ez 26) heißt es:
„19 Denn so spricht Gott, der Herr: Ich mache dich zur verwüsteten Stadt; dann wirst du wie die Städte sein, die nicht mehr bewohnt sind. Die Urflut lasse ich steigen, sodass gewaltige Wassermassen dich zudecken.“

Traditionell sind die „Städte, die nicht mehr bewohnt sind“, Sodom und Gomorrha. Wo sie einst waren, lag das „Tal Siddim, das heute Salzmeer heißt“ (Gen 14, 3). Dieses Tal war „voller Erdpechgruben“ (Gen 14, 10), in die die bösartigen Könige von Sodom und Gomorrha hineinfielen.
Es gibt sie noch als versunkene Orte. Wo sie einst waren, befindet sich das „Tote Meer“. Sein Wasserspiegel liegt ca. 400m unter dem normalen Meeresspiegel. In seinen Tiefen haben viele schon versteinerte Bäume, Gebäude und Ruinen gesehen und bezeugt.[1] Das „mare mortuum“ („Totes Meer“) oder hebr. „Jam hamelach“ („Salzmeer“) kann man als ein Mahnmal und abgesenktes Tor der lebensfeindlichen Urfluten ansehen. In der Antike nannte man dieses Meer auch „Asphalt-Meer“. Der Salzgehalt liegt teilweise bei 33%, während er bei den Ozeanen nur bei 3% liegt. Alles Meeres-Salzwasser ist für den Menschen ungenießbar. Das Tote Meer verdeutlicht diese Tatsache durch ein Extrem. Es ist kein lebendiges Wasser, dessen Genuss Leib und Seele zu beleben vermag. Das Tote Meer ist eine Pforte des „t’hom“.

In den Weherufen über Ägypten spricht Gott (Ez 31) auch einen Fluch aus, der den totalen Wasserentzug und das Vertrocknen und Verwüsten bedeutet. Aus dem „t’hom“ generiert Gott geläuterte und lebendige Wasser, die durch die Sünde aber versiegen können:
„15 So spricht Gott, der Herr: Wenn die Zeder in die Unterwelt stürzt, dann lasse ich die Flut in der Tiefe versiegen, ich decke sie zu; ich halte ihre Ströme zurück, sodass der Reichtum an Wasser versiegt.“

Dieser Befund ist zunächst, was den Bestand der Erde aus und im Wasser betrifft, eindeutig. Himmel und Erde sind insgesamt umgeben von den Urfluten. Aber die Urflut schwappt auch hinein oder hinauf auf die Erde. Und alles, was auf der Erde ist, wurde aus Bestandteilen dieser Urflut geschaffen. Gott hat schon begonnen, aus ihr segensreiches, lebendiges Wasser zu generieren. Aber das Wasser kann immer wieder zurückfallen in eine negative, chaotische Programmierung oder besser „De-Programmierung“ in diesem Äon. Gott hat aus der Nicht-Ordnung, dem „t’hom“ heraus Ordnungen geschaffen. Im „t’hom“ ist keine Weisheit, heißt es im Buch Job (s.o.). Es bleibt im Geheimnis, warum das so ist und was es uns andeutet. Das Ziel aber wird sein, dass dieses „t’hom“ „nicht mehr sein wird“ (s.u.). Man kann daraus den Eindruck gewinnen, Gott habe den Menschen von Anfang an in einen Erlösungsplan gestellt, der eine weit größere Dimension hat als nur den Sündenfall des Menschen selbst.
Das heißt hinsichtlich der Kosmologie:
Um uns herum ist kein „Vakuum“, in dem andere Gestirne Lichtjahre entfernt herumkreisen, sondern um unsere Schöpfung herum ist die Urflut. Die Gestirne sind, wie ich es aus Gen 1 zitiert habe, von Gott ans Firmament  gesetzt und „Lichter“ oder „Leuchten“. Hebräisch heißen sie „me’orot“. Das bedeutet „Leuchtkörper“. Sie leuchten demnach alle selbst und keiner ist, wie man es so oft behauptet, „Reflektor“ eines anderen. Der hebräische Begriff schließt förmlich aus, dass es sich um Reflektoren handeln könnte. Die oft für einen einzigen Leuchtkörper verwendete Pluralform weist darauf hin, dass es sich um einen Körper handelt, der in sich mehrfältig leuchtet. Wie genau sie leuchten, nach welcher „Technik“, wird uns aber hier nicht weiter ausgeführt.
Diese Ordnung wollten die Menschen vor der Sintflut auch nicht glauben. Sie verlachten Noach und anschließend nützte ihnen der kollektive Spott nichts — alle gingen sie unter und vergingen, als das Wasser, das sie nicht für möglich gehalten hatten, von unten und oben über sie kam. Die Überlieferung, die viele Christen kennen, nach der Sintflut hätten sich Meere vertieft und Berge erhoben, kann man auch in Bezug setzen dazu, dass diese Schlammflut wesentlich mehr „trockene Partikel“ aus dem Schlamm in die Erde hineingespült hat, aber zugleich nach unten in die Tiefen hinein weggebrochen sein könnte.
Nach der großen Flut sagte Gott nach dem Bericht der Genesis (9, 11 ff):

„11 Ich habe meinen Bund mit euch geschlossen: Nie wieder sollen alle Wesen aus Fleisch vom Wasser der Flut ausgerottet werden; nie wieder soll eine Flut kommen und die Erde verderben.
12 Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich stifte zwischen mir und euch und den lebendigen Wesen bei euch für alle kommenden Generationen:
13 Meinen Bogen setze ich in die Wolken; er soll das Bundeszeichen sein zwischen mir und der Erde.
14 Balle ich Wolken über der Erde zusammen und erscheint der Bogen in den Wolken,
15 dann gedenke ich des Bundes, der besteht zwischen mir und euch und allen Lebewesen, allen Wesen aus Fleisch, und das Wasser wird nie wieder zur Flut werden, die alle Wesen aus Fleisch vernichtet.“

Gott verspricht allen Wesen, die durch Wasser vergehen können, dass er nicht noch einmal durch eine solche Entfesselung der Urfluten alles Leben vernichten will. Das Bundeszeichen, der Regenbogen, steht nach wie vor in den Wolken — es hat sich demnach die Beschaffenheit von Himmel und Erde grundsätzlich und die Urflut nicht geändert, andernfalls könnte Gott den Regenbogen ja nun weglassen.

Die Gründe für die Sintflut lagen in einer Vermischung der Engel mit dem Menschen, die ungeheure Sünde und Gewalt nach sich zog, um deretwillen der Bestand der Menschheit sowohl genetisch als auch im Sinne eines Lebens in Frieden gefährdet war. Auch die Beziehung zwischen Tier und Mensch müssen von Grausamkeit geprägt gewesen sein. Gott droht den Tieren nach der Sintflut an, dass sie in Schrecken vor dem Menschen leben müssten, für jeden Mord an einem Menschen ebenfalls geradestehen müssen im Gericht und vom Menschen gegessen werden dürfen mit Ausnahme des Blutes. Den Blutgenuss hat Gott ausdrücklich für die gesamte Menschheit nach der Sintflut verboten (Gen 9). Dieses Urgebot hat die frühe Kirche ausdrücklich auf dem ersten Apostelkonzil noch einmal auch für alle Heidenchristen bestätigt (Apg 15, 20). Die mittelalterliche Kirche meinte, die habe das Recht, dieses Urgebot aufzuheben, obwohl es von den Kirchenvätern (Justin der Märtyrer, Clemens von Alexandrien, Tertullian, Cyrill von Jerusalem, Cassian, um nur einige zu nennen) als allgemeines und absolutes Gottesgebot angesehen worden (selbst noch Papst Calixtus II. wiederholte den Verbot des Blutgenusses 1120 für die ganze Kirche!) und bis zum Beginn der Scholastik in der weströmischen Kirche auch auf mehreren Konzilien bestätigt worden war. Die orthodoxen Kirchen halten daran bis heute fest und einige evangelikale Gruppen.[2] Im Blut, so lehrt das AT, sei „das Leben“. Das Leben gehört nur Gott allein. Wer das Leben eines anderen Wesens aus Fleisch säuft, vergeht sich an Gott selbst. Das Blut gemahnt an die Urflut und die Beschaffenheit der Fleischwesen aus Wasser und trockenen Bestandteilen, die Gott lebendig gemacht hat. Das Urverbot des Blutgenusses hat einen tiefen Sinn und Zusammenhang mit der Urflut, dem Odem Gottes und der Schöpfung des Fleisches aus dem Wasser.

Der Bestand der Urflut im kosmologischen Heilskontext wird an einem kultischen Detail im salomonischen Tempel sichtbar: Im Tempel wird ein „Meer“ als Kultgegenstand genutzt, ein Sinnbild der Urfluten. Im 2. Chronikbuch heißt es in Kapitel 4:

„2 Dann machte er das «Meer». Es wurde aus Bronze gegossen, maß zehn Ellen von einem Rand zum andern, war völlig rund und fünf Ellen hoch. Eine Schnur von dreißig Ellen konnte es rings umspannen.
3 Unterhalb seines Rands waren rundum Bilder von Rindern. In einem Band von dreißig Ellen Länge umsäumten sie das Meer ringsum in zwei Reihen. Sie wurden bei seinem Guss mitgegossen.
4 Das Meer stand auf zwölf Rindern. Von ihnen schauten drei nach Norden, drei nach Westen, drei nach Süden und drei nach Osten. Das Meer ruhte oben auf den Rindern. Ihre Hinterteile waren nach innen gekehrt.
5 Die Wand des Meeres war eine Handbreit dick. Sein Rand war wie der Rand eines Bechers geformt, einer Lilienblüte gleich. Es fasste dreitausend Bat.
6 Auch machte er zehn Kessel, von denen er fünf an die Südseite und fünf an die Nordseite brachte. Sie dienten für die Waschungen; was zum Brandopfer gehörte, sollte man in ihnen abspülen. Das Meer war für die Waschungen der Priester bestimmt. (…)
10 Das Meer stellte er an die Südseite des Hauses gegen Südosten. (…)“

Der Ort des „Meeres“ erhält später einen genaueren Sinn, ebenso auch seine Funktion für kultische Reinigungen der Opfergeräte und der Opferpriester (s.u.).
Die protestantische Theologin Michaela Bauks schreibt dazu:

„Das Urmeer spielt nicht nur beim Weltbeginn, sondern auch im Zuge des Nachdenkens über die Endzeit (…) eine wichtige Rolle. In der Jesaja-Apokalypse findet sich der mit dem ugaritischen Text KTU I 1.5 1ff. verwandte Text Jes 27,1. An einem von JHWH erwählten Tag treten Meer und Chaosdrachen als Feinde Gottes auf, die sich Gottes Herrschaft ergebnislos entgegen stellen, woraufhin eine neue Ära folgt (vgl. Dan 7,1-14; Apk 13,1), in der es das Urmeer in neutestamentlicher Vorstellung nach der erwarteten Neuschöpfung von Himmel und Erde nicht mehr geben wird (Apk 21,1). In Sach 14,6-9 ist die Chaosmotivik verkehrt, indem nämlich hoffnungsvoll davon die Rede ist, dass am Tag JHWHs lebendiges Wasser aus Jerusalem fließen wird (der segensstiftende Charakter der תְּהוֹם təhôm findet sich auch in Gen 49,25).“[3]

Die Wendung, dass aus dieser chaotischen Urflut, dem „t’hom“ auch Segen erwachsen soll, findet sich als Motiv im AT vom „lebendigen Wasser“ oder „frischen Wasser“, von entspringenden Quellen und Flüssen in Gärten und am Tempel Gottes, aber auch im „Gerettetwerden aus dem Wasser“ und im NT in der Taufe wieder. In der rabbinischen Interpretation steht die Urflut, wie sie im AT gezeichnet wird, für die Gottfeindlichkeit und das Chaos, im letzten Ende für das Böse. In den zitierten Schriftstellen in diesem Text steht das Urwasser oder Meer Gott entgegen und muss von ihm gebändigt werden. Es ist Nicht-Ordnung, Nicht-Schöpfung, wird von Gott begrenzt und von der Schöpfung zurückgehalten, versucht aber immer wieder in ihr dann aufzubegehren, wenn Menschen sich von den Ordnungen Gottes entfernen. Die Sünde des Menschen löst unmittelbar die Schöpfungsordnung auf bzw „zerstört die Natur“ (wie man heute sagen würde). Als ein heftiger Wind Jesus und die Jünger auf dem See in den Aufruhr der Wasser geraten ließ und ihr Boot bereits unter Wasser stand und Jesus immer noch schlief, als sei nichts geschehen, erhob sich Jesus zuletzt doch aus dem Schlaf und gebot dem Aufruhr, und die verstörten Jünger fragten: „Was ist das für ein Mensch, dass sogar die Winde und das Wasser seinem Befehl gehorchen?“ (Lk 8, 25) Eine Bevölkerung von Orten, die sich gegen die Ordnungen Gottes stellt, kann auch nach der Sintflut mit einer Flutung durch das „t’hom“ rechnen, wie uns der Untergang Sodoms und Gomorrhas und die Weherufe über Tyrus gezeigt haben. Der Zusammenhang scheint in der Vorzeit allen Menschen bekannt gewesen zu sein. Auch die heidnische Mythologie kennt Mythen von versunkenen Städten („Atlantis“). Das christliche Abendland kennt sogar Mythen von versunkenen Kathedralen.[4] Der buchstäbliche „Untergang“ von Städten und Kulturen gemahnt uns auch in der deutschen Sprache noch an die Sicht unserer Vorfahren auf das, was dabei geschieht: etwas versinkt im Meer, im Abgrund und wird nicht mehr gesehen.

In der jüdischen Tradition ist die Urflut Brackwasser, durchsetzt von lebensfeindlichen Partikeln, Schlammwasser, Salzwasser, ungenießbar und lebensfeindlich. Von größter symbolischer Bedeutung daher, dass die Israeliten durch ein solches Chaosmeer („Schilfmeer“) aufgrund des Befehls Gottes über den Fluten trockenen Fußes hindurch schreiten konnten, gleich danach aber erlebten, wie die Fluten ihre Macht zurückeroberten und die Ägypter verschlangen. Auf einem Schilfrohr reicht man dem sterbenden Jesus später ungenießbare Flüssigkeit, als ihn dürstet — welch eine tiefe Symbolik steckt in diesem einen Detail!
Die rabbinische Literatur stellt dem Brackwasser des „t’hom“ das „lebendige Wasser“ gegenüber, das den Durst der Lebendigen stillen kann und identisch mit dem „Wort Gottes“ ist.[5] Es gibt so etwas wie geläutertes oder geklärtes Wasser, geheiligtes Wasser. Symbolhaft scheint auch die Scheidung von sterblichen Blutpartikeln und Wasser aus der Seite Jesu am Kreuz auf, und der Gesang „Vidi aquam (egredientem de templo a latere dextro…)“ („Ich sah Wasser (hervortreten aus dem Tempel von der rechten Seite…)“), der in der Osterzeit gesungen wird und die Visionen in Ez 47 aufgreift, weist auf das lebendige Wasser hin, das aus der Urflut geläutert wird. Ezechiel sah unter der Tempelschwelle lebendiges Wasser hervorfließen, etwa da, wo im salomonischen Tempel das „Meer“ stand:

 „1 Dann führte er mich zum Eingang des Tempels zurück und ich sah, wie unter der Tempelschwelle Wasser hervorströmte und nach Osten floss; denn die vordere Seite des Tempels schaute nach Osten. Das Wasser floss unterhalb der rechten Seite des Tempels herab, südlich vom Altar.
2 Dann führte er mich durch das Nordtor hinaus und ließ mich außen herum zum äußeren Osttor gehen. Und ich sah das Wasser an der Südseite hervorrieseln.
3 Der Mann ging nach Osten hinaus, mit der Messschnur in der Hand, maß tausend Ellen ab und ließ mich durch das Wasser gehen; das Wasser reichte mir bis an die Knöchel.
4 Dann maß er wieder tausend Ellen ab und ließ mich durch das Wasser gehen; das Wasser reichte mir bis zu den Knien. Darauf maß er wieder tausend Ellen ab und ließ mich hindurchgehen; das Wasser ging mir bis an die Hüften.
5 Und er maß noch einmal tausend Ellen ab. Da war es ein Fluss, den ich nicht mehr durchschreiten konnte; denn das Wasser war tief, ein Wasser, durch das man schwimmen musste, ein Fluss, den man nicht mehr durchschreiten konnte.
6 Dann fragte er mich: Hast du es gesehen, Menschensohn? Darauf führte er mich zurück, am Ufer des Flusses entlang.
7 Als ich zurückging, sah ich an beiden Ufern des Flusses sehr viele Bäume.
8 Er sagte zu mir: Dieses Wasser fließt in den östlichen Bezirk, es strömt in die Araba hinab und läuft in das Meer, in das Meer mit dem salzigen Wasser. So wird das salzige Wasser gesund.
9 Wohin der Fluss gelangt, da werden alle Lebewesen, alles, was sich regt, leben können und sehr viele Fische wird es geben. Weil dieses Wasser dort hinkommt, werden (die Fluten) gesund; wohin der Fluss kommt, dort bleibt alles am Leben.“

In Johannes 7 identifiziert Jesus das geläuterte Wasser mit dem Heiligen Geist. Jeder, der von seinem Wasser trinkt, wird selbst zu einer nie versiegenden Quelle lebendigen Wassers:
„37b Wer Durst hat, komme zu mir, und es trinke,
38 wer an mich glaubt. Wie die Schrift sagt: Aus seinem Inneren werden Ströme von lebendigem Wasser fließen.
39 Damit meinte er den Geist, den alle empfangen sollten, die an ihn glauben; denn der Geist war noch nicht gegeben, weil Jesus noch nicht verherrlicht war.“

In der Episode am Jakobsbrunnen sagt Jesus zu einer samaritanischen Frau die überaus berührenden und unsterblichen, mit der vorigen Stelle übereinstimmenden Sätze:
„10 Wenn du wüsstest, worin die Gabe Gottes besteht und wer es ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, dann hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben.
11 „Sie sagte zu ihm: Herr, du hast kein Schöpfgefäß, und der Brunnen ist tief; woher hast du also das lebendige Wasser?
12 Bist du etwa größer als unser Vater Jakob, der uns den Brunnen gegeben und selbst daraus getrunken hat, wie seine Söhne und seine Herden?
13 Jesus antwortete ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen;
14 wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.
15 Spricht die Frau zu ihm: Herr, gib mir dieses Wasser, damit mich nicht dürstet und ich nicht herkommen muss, um zu schöpfen!“ (Joh 4)

Gott rettet seine Getreuen aus dem Toben der Urfluten — ob Noach, den er aus der Sintflut rettet und zum neuen Stammvater aller Menschen macht, ob es Mose ist, den er aus dem Nil retten lässt (Ex 2, 3) mithilfe einer kleinen Mini-Arche, die seine Mutter Jochebed aus Schilfrohr flocht und am Ende verpichte und dabei Gott nachahmte, der einst selbst die große Arche hinter Noach zuschloss (Gen 7, 16), und dessen Name, den ihm die Tochter des Pharaos gibt, laut Schriftwort heißt „Ich habe ihn aus dem Wasser gezogen“ (V 10), Mose also, der später auf dem Sinai das Gesetz empfangen würde, oder ob es Jona ist (s.o.), oder ob es Job ist, dem sein Freund Eliphas schlimme Sünden unterstellt und dem von trockenen Geschwüren geplagten Mann vor Augen hält:
„10 Deswegen liegen Fallstricke rings um dich her und jäher Schrecken ängstigt dich
11 oder Dunkel, worin du nicht siehst, und Wasserflut, die dich bedeckt. (Job 22)

In Ps 28 (29), 3 lobt David den Herrn folgendermaßen:
Vox Domini super aquas ; Deus majestatis intonuit ; Dominus super aquas multas. (…) Dominus diluvium inhabitare facit, et sedebit Dominus rex in æternum.“ — „Die Stimme des Herrn klingt über den Wassern ; der Gott der Herrlichkeit donnert; der Herr über gewaltige Wasser. (…) Der Herr wohnte über der Sintflut, und der Herr thront als König in Ewigkeit.“
Das „diluvium“, hebräisch „mabul“, bedeutet die „große Flut“, die Sintflut. „Mabul“ hängt etymologisch mit „b’lal“ zusammen, dem Verb für „vermischen/verwirren“. „Mabul“ knüpft auch an das „Tohuwabohu“ des Anfangs an, die „Wirrsal“ (wie Buber sie nennt). Die Wasser, das „t’hom“, bedeutet Verwirrung und Vermischung. Schöpfung aber bedeutete, wie wir bereits sahen: trennen, ordnen. Der Herr ist trotz allem König über das Verwirrte und Vermischte, über das Durcheinander und Chaos.

Zuletzt sehen wir Jesus über das Wasser gehen, und der ängstliche, kleingläubige Petrus, der es ihm nachmachen könnte, versinkt in den Fluten, eben weil er nicht glaubt (Mk 6, 45 ff).

Die Taufe knüpft an all diese Bedeutungen an: sie ist Rettung aus der Flut und zugleich Läuterung von dieser Flut, sie führt zum frischen Wasser Jesu und macht den Getauften zum Empfänger des Heiligen Geistes und infolgedessen zum Quell lebendigen Wassers. Er ist eine erneute Schöpfung aus dem durch den Heiligen Geist lebendig „programmierten“ Wasser.

Am Ende der Zeiten wird das „Tier“, der Antichrist, „aus dem Meer aufsteigen“ (Apk 13, 1). Wenn der Satan und die Seinen überwunden sind, wird es das Meer nicht mehr geben:
„Das Meer ist nicht mehr.“ (Apk 21, 1)
Im nächtlichen Dialog mit dem Pharisäer Nikodemus sagt Jesus den geheimnisvollen Satz:
„Amen, amen dico tibi, nisi quis renatus fuerit ex aqua, et Spiritu Sancto, non potest introire in regnum Dei.“ — „Wahrlich, ich sage dir : wenn einer nicht wiedergeboren wird aus Wasser und dem Heiligen Geist, kann er nicht ins Reich Gottes eintreten.“
Aus dem Wasser als Chaos-Element, das durch den Geist geordnet und zurückgewiesen wird, muss der Mensch, der wie die ganze Schöpfung aus dem Wasser geschaffen wurde, wiedergeboren werden.
Jede Taufe ist eine Neuprogrammierung der Urflut und Begrenzung ihrer chaotischen Macht.

Das Wasser spielt ganz eindeutig eine gewaltige kosmologische und heilsgeschichtliche Rolle. Mit dem derzeit gängigen und auch von der Kirche vertretenen Weltbild wird diese Rolle jedoch so sehr verfehlt, dass wir uns in extreme Verrenkungen versteigen müssen, um all jene Schriftstellen überhaupt noch irgendwie „einordnen“ zu können. Insbesondere die Taufe hat im Grunde ihren tiefen und existentiellen Sinn durch das falsche Weltbild in der Kirche verloren. Wie so vieles hat sie keinen handgreiflichen Sinn mehr und wer nicht oberflächlich ist, mag sich einem oberflächlichen Sinn nicht anschließen und lässt seine Kinder gleich gar nicht mehr taufen. Die Einengung des Verständnisses auf ein „Reinigungsbad“ in einem moralistischen Sinn, erscheint den meisten Menschen mit Recht unannehmbar.

Mit der „kopernikanischen Wende“ ist uns das Verständnis für das, was die Kirche glaubt, immer mehr weggebrochen, und der mittelalterliche, nachträglich zur „zweiten Heiligen Schrift“ aufgebaute Thomas von Aquin hat dafür das „grüne Licht“ gegeben. Versuche, das „moderne wissenschaftliche Weltbild“ mit der tradierten Kosmologie zu versöhnen, obwohl letztere in der katholischen Kirche seit mindestens 1000 Jahren bereits stark in Frage gestellt ist, haben zu grandiosen philosophischen Leistungen geführt, die in der Kirche zunächst misstrauisch beäugt, aber sehr schnell rehabilitiert worden sind. Zentrales Beispiel dafür ist das Werk Teilhard de Chardins SJ, das vor allem von Spezialisten eingehender rezipiert wird. Ob ein solcher Versuch mit seinem gewaltigen Verfremdungsstoff wirklich dem Glauben dient, kann man angesichts der Verwüstungen in der Kirche mit Recht bezweifeln. Es hat neben vielem ähnlichen dazu beigetragen, den Glauben zu demontieren, die Menschen zu überfordern und zu verwirren, konnte aber nichts Stabiles aufrichten.
Wer das Glaubensgut einer jeweiligen wissenschaftlichen Mode unterwirft, nur um die Zeitgenossen nicht zu provozieren oder sich selbst nicht dem Spott auszusetzen, der darf sich nicht wundern, wenn der Glaube verloren geht und quasi „in den Urfluten versinkt“. Hätte Noach so argumentiert wie Thomas von Aquin an dieser Stelle (vgl. Fake Heavens III), wäre er nicht in der Arche gerettet worden.


[1] Sodom und Gomorrha. Suche unter Wasser. In: Der Spiegel, Ausgabe vom 20.4.1960. Online hier: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43065475.html (30.9.2017)
[2] Darüber berichtet knapp Gen 6, 1ff. Ausführlicher finden wir dazu Berichte in den ersten Kapiteln des äthiopischen Henochbuchs. Zum Verbot des Blutgenusses eine Zusammenfassung hier: https://hausgemeinde.files.wordpress.com/2016/03/gilt-das-blutverbot-immer-noch.pdf
[3] Michaela Bauks: Urmeer. Erstellt 2010. Permalink: https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/33915/
[4] Claude Debussys Klavierstück „La Cathédrale engloutie“ (Die versunkene Kathedrale) geht auf einen bretonischen Mythos von der versunkenen Stadt Ker Ys zurück, die bei Douarnenez gelegen haben soll und bei der ein christlicher König seine Tochter dem Aufruhr der Fluten geopfert haben soll — allerdings ohne dauerhaften Erfolg.
[5] Dazu eine lesenswerte Studie von Karl-Heinrich Ostmeyer: Taufe und Typos: Elemente und Theologien der Tauftypologien in 1. Korinther 10 und 1. Petrus 3. Tübingen 2000 , S. 72ff

Fake heavens III - Kosmologischer Wissenschaftsglaube in der Kirche



Woher kommt der Wissenschaftsglaube in der Kirche?

Im Alten Testament finden sich zahlreiche Aussagen zu Entstehung und Gestalt von Himmel und Erde. Es ist heute in der Kirche allgemein üblich zu sagen, man dürfe diese Beschreibungen nicht wörtlich nehmen, sie gäben in gar keinem Fall wissenschaftliche Aussagen her, müssten aus dem Horizont der Antike und Vorzeit verstanden und ergänzt werden etc. Diese Sichtweise ist aus verschiedenen Gründen verwunderlich und unhaltbar. Sie kollidiert alleine schon mit den dogmatischen Grundlagen des weströmischen Christentums, denn sowohl der Protestantismus mit seinem „sola scriptura“-Prinzip, als auch der Katholizismus mit seiner Lehre, das Schriftwort sei „infallibel“, also „irrtumsfrei“[1], dürfte eine solche Herablassung schwerlich erlauben. Weitere wissenschaftsphilosophische Gründe möchte ich hier nicht ausbreiten. Sie sind aber gegeben, denn niemand kann ohne weiteres mit Gewissheit bei Gegenständen, die wir nicht von außen betrachten oder experimentell nachvollziehen können, sagen, was „Mythos“ und was „Wissenschaft“ ist. Selbst wenn die biblischen Berichte und Beschreibungen aus dem Horizont der Vorzeit gesehen wären, wäre damit noch keine Aussage über die Richtigkeit der Sichtweise gemacht. Darüber müsste in jedem Fall etwas weniger oberflächlich nachgedacht werden, als es gemeinhin geschieht.
Auch muss man sich fragen, ob es „Auslegung“ des Schriftwortes geben kann, die dessen Wortsinn durch Über- und Unterinterpretation übersteigt oder unterläuft. Wir werden erstaunt feststellen, dass die Kirche von Anfang an in ihren großen Exponenten bewusst vom Schriftwort abgewichen ist, was die Kosmologie betrifft. In diesem einen, scheinbar so nebensächlichen Punkt wich man fast durchweg ab von dem, was überliefert wurde und hatte dabei fromm wirkende Gründe.
„Ite ad Thomam!“ hieß es lange in der Kirche. Gehen wir also zu Thomas und sehen nach, was er dazu geschrieben hat:
Wir entdecken, dass auch der große Kirchenlehrer Thomas von Aquin hinsichtlich seiner Reflexionen zur Schöpfungsgeschichte vermutlich unter dem Eindruck zu intensiver Lektüre der heidnischen Philosophen nichts als das Zaudern des Unglaubens formuliert:
„Primo quidem, ut veritas Scripturae inconcusse teneatur. Secundo, cum Scriptura divina multipliciter exponi possit, quod nulli expositioni aliquis ita praecise inhaereat quod, si certa ratione constiterit hoc esse falsum, quod aliquis sensum Scripturae esse asserere praesumat.[2] — „Zum ersten muss an der Autorität der Schrift unerschütterlich festgehalten werden. Zum zweiten, weil die göttliche Schrift auf mehrerlei Weise ausgelegt werden kann, darf man nicht einer bestimmten in der Weise anhängen, dass wenn vonseiten der „certa ratione“, der „sicheren Berechnung“ (!) sich herausstellt, diese bestimmte Auslegung sei offenbar falsch, man trotzdem diese selbe Auslegung verteidigen wollte.“
Wir werden später sehen, dass alle kosmologischen Sätze in der Schrift zwar knapp, aber sehr eindeutig und klar sind. Alles, selbst das maximal präzise Formulierte, ist, wenn man denn unbedingt will, Auslegungssache…
Ich möchte die Folgen einer solchen Argumentation anhand einiger Beispiele aufzeigen:
Mit diesem Argument des Thomas dürfte man den Auferstehungsglauben mit weit größerem Recht sofort aufgeben müssen. Er wird aus denselben Gründen heute von vielen, selbst Universitätstheologen, mit durchaus „wissenschaftlichen Gründen“ geleugnet oder „metaphorisch“ verstanden, weil sie sich durch die Hintertür der „verschiedenen Auslegungen“ klarer Sätze und Berichte aus Rücksicht auf die „Wissenschaft“ hier genehmigen, deren eindeutige Bedeutung so lange zu drehen, bis im Extremfall sogar das Gegenteil herauskommt: dass Christus nämlich nicht wahrhaftig und leibhaftig auferstanden sei. Dem philosophisch geschulten, aufgeklärten oder gnostisch geprägten Verstand, der die apodiktischen Behauptungen des transzendentalen Idealismus (im besten Falle!) voraussetzt, erscheint ein solcher Glaube irrational, dualistisch oder sogar „materialistisch“.
Der Apostel Paulus hat uns eindringlich davor gewarnt, zuviel auf die Philosophie zu geben (Kol 2, 8; 1. Kor 1 ganz). Ihre Streitigkeiten sind unendlich weit entfernt von der Selbstoffenbarung Gottes an die Menschheit und können definitiv nur um uns selbst, besser gesagt um das kreisen, was wir glauben, wahrnehmen zu können. Sie will bestimmen, ob sich absolute Wirklichkeit überhaupt im Wahrgenommenen auffinden lässt, und ob es die Dinge als Ideen oder ideale Dinge außerhalb unserer Wahrnehmung und unseres Bewusstseins überhaupt geben kann — aus unserem Horizont gedacht. Das ist alles schön und gut, aber es hilft uns wenig weiter, wenn es um den Ernst der göttlichen Selbstoffenbarung an den Menschen trotz der vermuteten Bewusstseinsgrenze geht. Es folgt kein Erkenntnisgewinn daraus, wenn wir feststellen, welche Grenzen uns welche maximale Erkenntnis erlauben, wenn diese Grenzen vonseiten Gottes für Momente oder dauerhaft verändert werden sollten.
Nur so wird verständlich, wie der Apostel sagen kann, die Botschaft vom gekreuzigten Gottmensch sei „den Juden ein Ärgernis“ und eine „Torheit den Nationen“ (1. Kor 1, 22f). Er schickt daher seinem Brief schon die Überschrift voraus, er sei nicht gekommen, nun weiter zu philosophieren, sondern die Offenbarung zu verkünden, die er selbst empfangen habe:
„Als ich zu euch kam, Brüder, kam ich nicht, um glänzende Reden oder gelehrte Weisheit vorzutragen, sondern um euch das Zeugnis Gottes zu verkündigen.“ (1. Kor 2, 1)
Hat man diese und ähnliche Aussagen im NT ernst genug genommen in der Kirche? Warum diese panisch wirkende Versteifung auf die Philosophie des Thomas, der wiederum zu großen Teilen das Christentum durch heidnische Philosophie „verfremdet“ hat? Was so harmlos nur das scheinbar nebensächliche kosmologische Thema betrifft, hat auf methodischem Weg den ganzen Glauben ins Wanken gebracht.
Ich habe, um an den vorigen Gedankengang der Folgen für das gesamte theologische Denken wieder anzuknüpfen, die Erfahrung gemacht, dass selbst ultrakonservative Universitätstheologen im persönlichen Gespräch die leibhaftige, physische Auferstehung leugnen. Weder habe Maria Magdalena den Auferstandenen als eine objektive Entität gesehen und mit ihm im physikalisch hörbaren Sinn gesprochen, noch habe der Ausruf Jesu „Noli me tangere!“ eine buchstäbliche Bedeutung gehabt, sondern nur im übertragenen Sinne eine „geistige“ oder psychologische Dimension gehabt, noch habe der ungläubige Apostel Thomas die Wundmale des Auferstandenen berührt, noch habe Jesus in seinem verklärten Leib einen Fisch bei den Jüngern gegessen oder das Brot in seine Hände genommen und bei den Emmausjüngern gebrochen, wie es uns die Evangelien doch berichten. All das könne nicht sein, weil der verklärte Leib ein „Geistleib“ sei und ihm jede uns vorstellbare Stofflichkeit fehle. Die Frage, was ein „Geistleib“ sei, dem „jede uns vorstellbare Stofflichkeit“ fehlt, können sie nie beantworten. Die Tatsache, dass diese verklärte Stofflichkeit nach dem NT sogar vielen Zeugen wahrnehmbar war, wehren sie ab. Auch bleiben sie die Antwort auf die Frage schuldig, wieso man dann nicht nur von einem „Geist“ spricht, wenn es keinen stofflichen Leib gibt. Ja: was ein „Leib“ überhaupt sein soll? In der Regel werden platonische Gedankenwindungen bemüht, etwas von „reinen (nicht-physischen) Formen“ und dergleichen. Aber die bedürfen weder der Stofflichkeit noch eines „Leibes“, können also den Begriff „Leib“ in diesem Zusammenhang nicht erklären, wenn man konsequent denkt. Die Behauptungen der klugen Theologen lassen mehr offen, als dass sie etwas klären würden und verwirren noch dazu den Glauben über jedes erträgliche Maß hinaus. Wegen solcher Winkeltheologie haben viele den Glauben ganz verloren. Unglaube ist manchmal redlicher als ein verzerrter Glaube.
Manche Theologen versuchen es auf der Psychoschiene: Die betreffenden Zeuginnen und Zeugen hätten hier „innere Erlebnisse“, also Imaginationen in den Grenzen des eigenen Bewusstseins gehabt, denen keine physische Erscheinung des Auferstandenen korrespondiert haben könne. Man argumentiert so, als könne es den physisch Auferstandenen nur deshalb im Bewusstsein der Zeugen geben, weil die eben wie alle Menschen räumlich strukturiert seien. Deshalb müsse aber der Geschaute kein realer und absoluter Leib an sich gewesen sein, ja, er könne das gar nicht gewesen sein. Immerhin sei er ja meist denen, die ihn sahen, aus dem Blick geraten und plötzlich wieder verschwunden gewesen. Keiner dieser Leute, die so argumentieren, zieht in Erwägung, dass die Augen der Zeugen für eine bestimmte gnadenhafte Zeit geöffnet worden sein, danach aber wieder in die Grenzen der Wahrnehmung aufgrund der Sünde zurückgefallen sein könnten. Ihr Stolz geht so weit, dass sie verkennen, dass etwas Unsichtbares tatsächlich jenseits der menschlichen Wahrnehmung absolut existiert und nicht das Unsichtbare in seiner Existenz in Frage steht, sondern unsere Wahrnehmungsfähigkeit!
Wenn das Zeugnis der Zeugen in einem so wesentlichen Punkt fraglich und „ganz anders (bis hin zum Gegenteil) zu verstehen“ ist, dann kann man sich fragen, wieso man überhaupt an die Auferstehung glauben sollte — sie wäre mehr Wunschdenken als Realität derer, die sie bezeugen, gewesen und wir säßen seit 2000 Jahren einem Irrsinn auf. Denn all jene Konservativen und Progressiven können mir nicht sagen, was die empirische Erfahrung des physisch Auferstandenen damit zu tun habe, dass das Grab ebenfalls nach dem Zeugnis der Frauen und später auch der Männer im physischen Sinne leer war und Jesus, um die Männer davon abzubringen, ihn für einen bloßen Geist zu halten, ihnen seine Hände zeigt und sagt: „Fasst mich doch an und begreift: Kein Geist hat Fleisch und Knochen, wie ihr es bei mir seht.“ (Lk 24, 39) Hätte es noch deutlicher gesagt werden können? Es versteht sich von selbst, dass Personen, die eine Position vertreten, wie ich sie geschildert habe, diesen Satz für eine strategische Zufügung des Evangelisten oder späterer Redaktoren halten.
Nota bene: auch heute sind es nicht nur progressive Theologen wie Hans Küng oder Gerd Lüdemann, die die Auferstehung nicht so glauben, wie sie überliefert ist, sondern auch Konservative, die zwar fromm und ultramontan zu predigen wissen für die dummen Schafe, deren absolute Unterwerfung sie unter die Kirche fordern, dabei gut und gerne ohne Not beinharte Thomisten und knallharte Vertreter einer traditionellen katholischen Identität mit unerschütterlichem Glauben an den Primat und die Unfehlbarkeit des Papstes und die Herrschaft der Hierarchie sind, den Kern des Glaubens aber von eigenen hierarchischen Gnaden relativieren. Man findet diesen erschreckenden Glaubensverlust, wenn man genau hinsieht, allenthalben bei den konservativen „Leuchttürmen“. Es ist interessant, dass sich dieses Phänomen sowohl bei den Katholiken als auch den Protestanten gleichermaßen nachzeichnen lässt. Konservativismus bezieht sich bei ihnen auf eine bestimmte „irdische“, also politische und neuzeitlich-philosophische Gestaltung und Moral des „christlichen“ Abendlandes, aber nicht auf den mystischen Glauben an den Auferstandenen, durch den alle Dinge gemacht sind, wie die Schrift es sagt. Wir treffen in der gesamten Westkirche trotz ihrer Spaltung auf eine ähnliche Grundhaltung:
So las ich bei dem als konservativ geltenden Lutheraner Walther von Löwenich, der Glaube sei von Anfang an viel zu „mythologisch“ verstanden worden, und es komme nicht auf die buchstäblichen Glaubensinhalte, sondern die Glaubenshaltung an, die der ständigen Wandlung durch den Heiligen Geist unterliege, der in die Tiefen eines Geheimnisses führe, das rational nicht erschöpfend „feststellbar“ sei.[3] Die Begrenztheit des gefallenen Menschen wird paradoxerweise neben einem optimistischen Fortschrittsglauben zum steinernen Programm erhoben. Er kann Gott nicht gewiss erkennen, auch dann nicht, wenn Gott es wollte, sondern nur im Rahmen seiner Bewusstseinsgrenzen. Der Zusammenhang dieser Grenzen mit dem Sündenfall wird implizit geleugnet. Man setzt voraus, dass der Mensch immer schon diese Grenzen aufgrund seiner Bewusstseinkonstruktion hatte und haben wird, sich wundersamerweise aber sich in einem evolutionären Prozess „vervollkommnen“ wird. Die Probleme mit einer solchen Auffassung sind bekannt, weist doch gerade der Protestantismus, der auszog, die Glaubensverwirrung, die im 16. Jh in der Kirche erreicht war, zu reformieren und zu korrigieren, heute ein noch katastrophaleres Bild auf als die katholische Kirche. So sehr von Löwenich Recht zu geben ist mit seiner Kritik an der Über-Rationalisierung und objektiven katholischen Entfernung von der neutestamentlichen Grundlage v.a. der neueren Dogmen des 19. und 20. Jh, so sehr kann doch kein Glaube, der diesen Namen verdient, auf bestimmte transzendente Grundlagen verzichten und seien sie noch so sehr nur „wie in einem Spiegel rätselhafte Umrisse“  (1. Kor 13, 12) gesehen. Ein Glaube steht und fällt mit grundlegenden, objektiv formulierten Überzeugungen, die nicht einer ständigen (inter-)subjektiven Flexion unterliegen können, die sich faktisch dieser Formulierung auf vielerlei Weisen entzieht oder sogar entgegenstellt. Solche Flexionen der „Auslegung“, als ob das Wort als fester und gewisser Wortlaut nicht als etwas dem erleuchteten Verstand unmittelbar Verständliches existieren könnte, argumentieren scheinbar „demütig“ mit der Begrenztheit des menschlichen Bewusstseins und folglich auch seiner Vernunft, führen aber im letzten Ende dazu, dass der Glaube eine Schöpfung des begrenzten menschlichen Bewusstseins wird und somit auch nicht wirklich transzendent sein kann. Er wird — was die transzendente Seite betrifft — zum Hirngespinst, das man mit Recht verwerfen oder durch einen mehr oder weniger rigiden Moralismus oder Dogmatismus ersetzen kann, der sich aus der bloßen Vernunfttätigkeit ergibt. Was „demütig“ daherkam, erschuf blanken Hochmut. Und dass es Hochmut ist, sieht man am abendländischen Glaubensverlust, der die Welt mehr als je zuvor in eine Wüste an Hass und Gewalt gemacht hat, die ihresgleichen sowohl, was ihre räumliche als auch zeitliche Ausdehnung betrifft, in der uns bekannten Geschichte sucht. Den Aberglauben hat diese scheinbare Demut ebenso wenig eingedämmt, wie sie den Menschen aus seiner Neigung zum Bösen hätte retten können. Das paulinische Wort vom „rätselhaften Umriss im Spiegel“ meint nicht, dass dieser Umriss sich ständig wandeln müsse oder könne. Der Umriss bleibt präzise dieser Umriss.
Dass der Ausgangspunkt all dieser Exzesse das bewusste Abgehen vom Schöpfungsglauben und der biblischen Kosmologie war und ist, die natürlich ebenfalls ein „rätselhafter Umriss“ sind, möchte ich in dem etwas weitschweifigen Gedankengang kurz in Erinnerung rufen. Die falsche Reaktion des Thomas, man müsse dann eher auf die scheinbar genaueren Meinungen der „certa ratio“ hören, ist kaum haltbar.

Ein gut Teil der Problematik liegt also darin, dass man meinte, der Reformation auf dem Konzil von Trient mithilfe Thomas von Aquins begegnen zu müssen, dessen Werk damit einen quasi-kanonischen Charakter erhielt, der im Laufe der folgenden Jahrhunderte so überspannt wurde, dass am Ende das depositum fidei (das Glaubensgut) zu einem dem Laien und untergeordneten Kleriker unverständlichen Mysterium erklärt wurde, das es nicht an sich selbst gibt, sondern nur in der Tradition des Lehramtes. Während des Tridentinums soll die „Summa theologiae“  des Thomas von Aquin aufgeschlagen neben der Heiligen Schrift auf dem Altar der Konzilsaura gelegen haben.[4] Der ungeheuerliche Satz Pius IX. auf dem Vaticanum I gute 300 Jahre später, er selbst sei die Tradition in Person („La tradizione sono io!“), dabei voraussetzend, die jeweilig aktuelle Lehr-Tradition, das „magisterium“ stünde als übermächtige „regula fidei proxima“ (nächste Glaubensregel) über dem depositum fidei, das „nur“ die mysteriöse „regula fidei remota“ (entfernte Glaubensregel) sei[5], stammt, analytisch betrachtet aus demselben Geist, der im neueren Protestantismus die Heilige Schrift einem ständigen Auslegungswandel bei der Fiktion einer „festen“ und „unerschütterbaren Grundlage“ durch die Schrift unterwerfen will und behauptet, es habe damit automatisch seine Richtigkeit. Es macht für den Bestand des Glaubensgutes selbst wenig aus, ob er von einer Person bzw einem Amt (hier: Lehramt) oder von vielen Personen maßgebend relativiert werden kann, und dies im Falle des Papstes mit der Behauptung, diese Relativierung müsse per definitionem „absolut wahr“ („proxima et universalis veritatis  norma“[6]) sein und sei immer nur eine Entfaltung desselben Glaubensgutes. Eine schizophrene Situation entstand auf katholischer Seite durch die Behandlung des Laien und kleinen Klerikers als einem ewig unter schärfster Kontrolle zu Belehrendem, der aber zu dem, was ihn gelehrt wurde, eine so große Distanz einnehmen musste, um nur ja nicht etwa damit eigenständig umzugehen, dass er eigentlich programmatisch immer unbelehrt blieb. Das Lehramt hat sich mit dem Tridentinum in einem gewissen Sinn selbst aufgehoben bzw zum Selbstzweck, der um sich selbst kreist und dem Heiligen Geist nichts mehr zutraut in den Herzen, erhoben.
Die neueren Auflösungen in der römisch-katholischen Kirche, die darauf zurückzuführen sind, dass die Brüche in der Lehre der Päpste auf einer logischen Ebene jedem gesunden Denken nach objektiv vorliegen und das Lehramt daher als „nächste“ und primäre Glaubensregel die Gläubigen in Absurdes, Tautologisches oder Kontradiktorisches stürzt und zu Abspaltungen führt (v.a. bei Traditionalisten und Sedisvakantisten), die der grundsätzlich berechtigten Verzweiflung am Lehramt entspringen, entsprechen im Negativ den Vorgängen im Protestantismus. Der Protestantismus und der Katholizismus geben hier nur zwei Seiten einer — gemessen am freien und unmissverständlichen Wirken des Hl. Geistes — neuzeitlichen Haltung ab, die meint, das Maß aufgrund eigenmächtiger Verabsolutierung oder Relativierung, je nachdem, wie es gerade passt, zur einen oder anderen Seite hin zementieren zu müssen. Dass dabei ein Übermaß an Widersprüchen und Zumutungen für den Verstand geschaffen wird, die das, was ein Thomas an „Auslegungen“ von einfachen Glaubenssätzen meinte umgehen zu müssen, bei weitem übersteigt, kann oder will man nicht sehen.
Der große Gott und Schöpfer aller Dinge ist nach der christlichen Überlieferung in unser Fleisch gekommen und teilt  sich uns in unserem Horizont mit, zwar „dem Gesetz unterstellt“ (Gal 4, 4), aber nicht gebeugt unter der Begrenztheit der Sünde, sondern frei und das Geknickte und Gekrümmte wieder aufrichtend, hin zu einer Erleuchtung, die die Verfassung des natürlichen Menschen überschreitet. So zumindest steht es an zahlreichen Stellen des NT (Phil 2, 13; Joh 14, 17; Röm 2, 14ff; 2. Kor 2, 13; Gal 4, 4 ff) und wird selbst noch im tridentinischen Messritus (nicht mehr aber im Novus Ordo Missae) bezeugt. Der Priester betet in jeder heiligen Messe bei der Mischung des Weines: „Deus, qui humanae substantiae dignitatem mirabiliter condidisti, et mirabilius reformasti…“ — „Gott, der du das menschliche Wesen wunderbar geschaffen hast und noch wunderbarer wiederhergestellt hast…“.
Wie es Jesus vorhersagte, ist es gekommen: Das Evangelium wird verkündet trotz aller Verwerfungen und Perversionen — ein Wunder. Es ist unredlich und widerspricht jeder augenscheinlichen Vernunft, das Durcheinander, das sich in der Kirche etabliert hat und wächst und wächst, schönzureden. Die beiden „Sicherungs“-Anschauungen, die sich einbilden, man müsse nur alles dem Papst möglichst rabiat unterwerfen oder andererseits sich nur „sola scriptura“ verankern, haben beide zu noch schlimmeren Entgleisungen und Brüchen geführt. Damit will nicht gesagt sein, dass es nicht richtig ist, an der Autorität der Schrift festzuhalten oder auch eine sinnvolle institutionelle Struktur zu haben — aber der Glaube kommt nicht daher, sondern „vom Gehörten“ (Röm 10, 17) und ausschließlich durch die willentliche Neigung dessen, der da glauben soll. Wer dessen Entmündigung betreibt, verspielt dessen Seelenheil um des eigenen Erfolges willen. Mit Zwang, Terror und ständiger, hündischer philosophischer Nachbesserung ist wem oder was auch immer, aber nicht dem Seelenheil der Einzelnen gedient.

Mit der zitierten Einschränkung, die Thomas von Aquin vornimmt, der letztendlich die gesamte weströmische Kirche auch nach der Glaubensspaltung auf die eine oder andere Art gefolgt ist, sollte man also nicht mit argloser Naivität begegnen.
Es ist nicht vertretbar, dass man Dinge, die eindeutig formuliert sind, so behandelt, als müsse man sie insgesamt einer spekulativen wissenschaftlichen Mode, den Irrungen eines Papstes, den ehrgeizigen, selbstbezogenen Streitereien der Theologen und Hierarchen oder politischer Notwendigkeiten wegen in ihrer Auslegung bis ins Beliebige hinein aufgeben oder so lange umbauen, bis sie zum gewünschten gerade aktuellen „Proxima-Ziel“ passen.
Die Kirche hat mit ihrer Verabsolutierung der Proxima-Regel gegenüber dem Wortlaut des depositum fidei, geradezu kantianisch argumentiert: Es gibt kein depositum fidei „an sich“, auf das Gläubige sich berufen könnten, sondern nur in der Wahrnehmung und der als unfehlbar behaupteten, unbewussten Vorstruktur des Lehramtes. Was fing sie noch an mit der Aussage des Paulus, dass dieses „Gehörte“ („auditus“) wiederum „per verbum Christi“ komme, „durch das Wort Christi“, also ein Werk des Heiligen Geistes in den Herzen ist, den Jesus Christus gesandt hat? Von diesem Gedankengang her darf es uns nicht mehr verwundern, dass ein Teil der Sedisvakantisten neben Thomas von Aquin auch große Verehrer des deutschen Idealismus sind. Der gemäßigte Realismus der Scholastik hat eine Entwicklungslinie hin zum Idealismus.
Es berührt mich darüber hinaus merkwürdig, dass an diesem Punkt weder die römische Kirche noch das Luthertum und der Protestantismus ehrlich blieben: beide raubten dem Gläubigen das „Gehörte“, indem sie ihm vorschrieben, wie er es zu hören habe. Das Lehramt als „Proxima“-Glaubensregel beanspruchte diesen Heiligen Geist des rechten Verstehens alleine für sich, der Gläubige sollte ewiger Sklave und Schüler, das Lehramt ewiger Herr und Lehrer sein. Luther übersetzte diese Stelle mit dem Satz, der Glaube komme aus der „Predigt“, was als eine tendenziöse, wenn nicht sogar als Fehlübersetzung anzusehen ist. Man darf fragen, ob er darin nicht sogar die katholische Position unkritisch übernahm und noch überspitzte. Interessanterweise rutscht in seiner Übersetzung die „Predigt“ vor den Wortlaut der Schrift — nicht anders als in der katholischen Auffassung des ausgehenden Mittelalters und der frühen Neuzeit.

Bekanntlich kann die Wissenschaft keine absoluten Aussagen treffen. Sie präsentiert immer nur Spekulationen, Prämissen, Axiome und Hypothesen, die nicht zwingend sind, und leistet eine forschende, um Erkenntnisgewinn bemühte Auseinandersetzung mit den empirischen Phänomenen auf der Basis von modifizierbaren Theorien und kann jederzeit falsifizierbar sein. Wie oft hat sich überhebliche Wissenschaft dazu verstiegen, sogar die augenscheinlichen Phänomene für Sinnestäuschungen zu halten und stattdessen bloßen Hirngespinsten und Theorien zu folgen.
Thomas knickt an der zitierten Stelle aus der Summa einen Satz später aufgrund eines höchst ungeistlichen Motivs noch zusätzlich ein:
Man müsse sich also an „die Wissenschaft“ und ihre Erkenntnisse anpassen, „ne Scriptura ex hoc ab infidelibus derideatur, et ne eis via credendi praecludatur“ „damit die Schrift nicht deswegen von den Ungläubigen lächerlich gemacht werden könne, und damit sie nicht vom Weg des Glaubens abgeschnitten würden“.
Nun erfährt aber der katholische Glaube, wie bereits gesagt,  von Anfang an solchen Spott — etwa wegen des Glaubens an die jungfräuliche Zeugung des Sohnes Gottes aus und mit Maria, wegen seiner Auferstehungsüberzeugung, oder wegen der Transsubstantiationslehre, um nur einige zu nennen. All das sind Lehren, die dem gesunden Menschenverstand erheblich mehr Demut abverlangen als die Frage nach der Schöpfung. Die defensive Haltung, die Thomas an dieser Stelle offenbart, ist objektiv — gemessen an seiner sonstigen Stellung zu Zumutungen für den Verstand — unverständlich. Ganz offenbar meint er, die Schöpfungslehre sei zu vernachlässigen, und bei diesem Thema könne der rechte Glaube um der Heiden willen ohne irgendeine böse Folge leicht aufgegeben werden.
Thomas greift hier einen Gedanken Augustinus’ auf, der die Frage nach der Gestalt des Himmels (die die der Erde einschließt), die zu dessen Lebzeiten heftig diskutiert wurde, als untergeordnet und in der Schrift nicht klar genug ausgeführt betrachtete und wegen ihr nicht den Zugang zum Glauben verstellen wollte: „Quaeri etiam solet, quae forma et figura caeli esse credenda sit secundum scripturas nostras. Multi enim multum disputant de his rebus, quas maiore prudentia nostri auctores omiserunt ad beatam vitam non profuturas discentibus et occupantes, quod peius est, multum pretiosa et rebus salubribus inpendenda temporum spatia."[7]
„Gewöhnlich fragt man, ob man Form und Gestalt des Himmels unseren Schriften gemäß glauben müsse. Viele streiten nämlich viel über diese Dinge, die die meisten unserer Autoren aus Vorsicht sein ließen, die zum künftigen seligen Leben nicht  nützen, und, was schlimmer ist, wertvolle Zeit von heilbringenden Dingen abziehen.“[8]
Halten wir fest, dass Augustinus der Meinung ist, die Frage nach der Schöpfung sei nicht heilsnützlich, weil Gott uns darüber nichts Genaueres offenbart habe, man aber das, was in den Schriften darüber steht, nicht unbedingt in einem bestimmten Sinn glauben müsse. Dass dies keinesfalls ein zwingender noch überhaupt ein zulässiger Schluss ist, möchte ich festhalten. Wie sich dieser Schluss mit dem Respekt vor der Autorität der Schrift vereinbaren lässt, bleibt ein Rätsel. Es ist eine private Meinung des Augustinus, die sich über eine, wenn man genauer hinsieht, keineswegs nur undeutliche Aussage in der Schrift meint hinwegsetzen zu können. Da aber die Heilsgeschichte in der Schöpfung und mit der Schöpfung geschieht, ist mir seine Haltung unverständlich — wie kann man angesichts dieser Ausgangslage die Beschaffenheit dieser Schöpfung für eine vernachlässigbare Größe halten und nicht erkennen, wie groß die Gefahr einer völligen Verkennung der Zeichen ist, wenn man einer verkehrten Kosmologie anhängt?
Thomas ist sogar bereit, die biblische Kosmologie im Zweifelsfall, falls es der Wissenschaft nicht einleuchtet und sie andere oder konkretere Modelle vorstellt, aufzugeben, um dem Verstand nicht noch mehr Unglaubliches abzuverlangen.
Könnte es sein, dass diese Blindheit und Unvorsichtigkeit verheerende Folgen hatte? Beide konnten sich aus dem „Wissensstand“ ihrer Zeit eine zukünftige Weltzeit nicht vorstellen, in der Menschen behaupten würden, es gäbe ein unendliches Vakuum-All, in dem die Gestirne wundersamerweise als Leuchtkugeln herumsausen würden, in das man mit Raumschiffen und Sonden hinausfliegen könne, und es gäbe dort selbstverständlich nirgends einen Gott, auch wenn man an der Konstruktion dieser für meine Begriffe kindischen Murmelbahnen erkennen könne, dass Gott „wie ein menschlicher Baumeister“ hier „Ordnungen“ geschaffen habe (Johannes Kepler).
Anders, als es gemeinhin behauptet wird, stammt diese neuzeitlich Kosmologie, die einseitig auf griechisch-römischen, heidnischen Grundlagen beruht und bewusst die biblische Überlieferung über Bord warf, fast vollständig aus den Gehirnen und Werken katholischer und protestantischer Kleriker, die trotz einiger Auseinandersetzungen am Ende immer den Segen der Kirche erhielten. Dass die Kirche sich dauerhaft ohne Widerstand diesen Fantasien seltsamer, häufig tief in heidnischen, astrologischen und alchemistischen Studien verstrickter Männer überließ[9], geht auf die beschriebene frühe und für meine Begriffe fahrlässige Argumentation, es sei nicht wichtig und heilsnützlich, was man über die Gestalt von Himmel und Erde glaube und wichtiger, sich der „Wissenschaft“ anzupassen, durch Augustinus und Thomas zurück. Den vorläufigen Höhepunkt bildete dabei das Werk des Erfinders des "Urknalls", des Jesuiten Georges Lemaître (+ 1966) und das Werk des Jesuiten Pierre Teilhard de Chardin (+ 1955), der die gesamte Heilslehre dem neueren evolutionstheoretischen und paläontologischen Denken unterwarf.


[1] Zuletzt im Vaticanum I so definiert in der Konstitution „Dei filius“
[2] Thomas von Aquin: Summa theologiae. Iª q. 68 a. 1 co
[3] Walther von Löwenich: Der moderne Katholizismus. Erscheinung und Probleme. Witten 1956. S. 62 ff
[4] Vgl. David Berger: Thomas von Aquins ‚Summa theologiae’. Darmstadt 2010. S. 36
[5] Vgl. Per Erik Persson: Repraesentatio Christi: Der Amtsbegriff in der neueren römisch-katholischen Theologie. Göttingen 1966 S. 44f
[6] Pius XII.: Humani generis. AAS 42, 1950, S. 567
[7] Augustinus: De genesi ad litteram 2, 9
[8] Anders als Thomas aber ist Augustinus hier weniger wissenschaftsgläubig. All jene, die wegen biblischer Schöpfungsaussagen irritiert seien, sei gesagt, dass auch er, Augustinus, dazu nur ein wenig sage, denn „spiritum dei, qui per eos loquebatur, noluisse ista docere homines nulli saluti profutura“ — „der Geist Gottes, der durch sie gesprochen hat, wollte die Menschen nicht über das belehren, was zum Heil nicht nützt“.

[9] Johannes Kepler war, obwohl er evangelischer Theologe war, vor allem Astrologe und kam auf seine „Ideen“ mittels „Erleuchtungen“, die er anschließend durch anscheinend mathematische Berechungen „bewies“. Newton war als ebenfalls studierter anglikanischer Theologe ein bekannter Alchemist und Leugner der Hl. Dreifaltigkeit. Kopernikus war Priester und Domherr und dennoch Neuplatoniker. Während seiner Zeit in Bologna führte ihn Novara in dieses Denken ein, das in der Sonne das materielle Abbild Gottes sah. Seine Vorstellung, alle „Planeten“ müssten daher um die Sonne kreisen, entspringt einem heidnischen, philosophischen Denkansatz. Giordano Bruno war Dominikaner. Galileo Galilei war zeitweise Benediktiner-Novize, wurde aber von seinem Vater gezwungen, den Orden wieder zu verlassen.