Fake Heavens IX: Über
die Umkehrung von Himmel und Hölle
In der
kopernikanisch „bereinigten“ Kosmologie, deren denkwürdige Wende wir bis heute
unkritisch feiern, hat eine unerkannte Verkehrung von Himmeln und Unterwelten
stattgefunden.
Am heutigen
Karfreitag will ich dies ein wenig reflektieren.
Der uralte
Geistesmensch in uns, sofern er noch nicht erstickt wurde, weiß mit Jakob, der
eine Leiter gestellt sah zwischen Himmel und Erde, auf dem die Engel auf- und
abstiegen, mit Kant, der trotz aller Skepsis das Sittengesetz in sich doch nur
in Korrespondenz zu einem bestirnten Himmel über ihm geborgen sehen konnte und mit all diesen Nachtwesen, die
den klaren Sternenhimmel wie ein Zelt über sich gespannt sehen und nicht anders
können, als hinter ihm den Schöpfer zu loben, der dort oben seinen Sitz hat und
unsere Behausung hier auf Erden immer noch zusammenhält, sie aber eines Tages
abbauen wird und diesen Himmel zusammenrollen wird wie eine Zeltbahn, dass die
Himmel über uns sind und das, was unter der Erde ist, ein ebenso unermesslicher
Abgrund des Chaos.
Dieser tiefste
Menschengeist weiß untrüglich darum, dass der Himmel oben ist, ja: dass die Himmel oben sind, und die Sprache
zeugt unerbittlich davon, dass „von unten“ nichts Gutes, nichts Geordnetes
kommt. Unten ist der Leviathan in den Meerestiefen, und dieses Tier musste den
Jona nach drei Tagen wieder hergeben, ebenso wie den Christus. Wir wissen es
alle, das gesunde Empfinden hat uns zögern lassen vor dem Hinabstieg in die
Tiefen, hat uns weniger fasziniert als der Aufschwung in die Lüfte. Während das
Meer weitgehend unerforscht ist bis heute, während wir nicht tiefer als wenige
Kilometer hinab in die Erde kamen, schwingen wir uns Hunderte von Kilometern
hinauf in die Höhe.
Der Druck, je
tiefer wir hinabkommen, lastet alleine schon physikalisch immer schwerer auf
uns, es ist nicht auszuhalten im tiefen Ozean, und das Leben der
Grubenarbeiter, die ihr halbes Leben „unter Tage“ verbringen, wollten wir nie
wirklich verstehen. Es graust uns, dahin allzu genau zu denken, über den Wolken
aber vermuten wir grenzenlose Freiheit. Unten verlieren wir Horizont und
Überblick, der Blick engt sich ebenso ein wie die Brust, oben weiten sich beide
ins Unermessliche.
Im Urmodell
der Welt ist der Blick zum Himmel stets der Blick zur Freiheit gewesen, zum
ewigen Leben, zu aller Hoffnung und zu Gott. Die Hirten sahen an Weihnachten
Himmel und Erde seltsam verschmolzen, voller Engel, deren Lobpreis lautete:
„Ehre sei Gott in der Höhe“. In der Höhe.
Genauso hatte es Zacharias gesagt, nachdem Johannes der Täufers geboren war,
als er Gott pries mit den Worten, die barmherzige Liebe Gottes werde uns
besuchen durch „ein aufstrahlendes Licht aus der Höhe“ (Benedictus). Ex hypsous, aus der Höhe. Nicht von
unten, nicht von außen, sondern aus der Höhe, also von oben her. Der Christus
wurde auferweckt und stieg hinauf ins Leben und wurde schließlich nach 40 Tagen
in den Himmel aufgenommen, indem er vor den Augen der staunenden Jünger
tatsächlich nach oben wegfuhr, wie
es auch einst von Elia berichtet wurde. Jesus Christus fuhr nach oben und wurde
von einer Wolke umfasst. Ebenso wird er wiederkommen, wurde den Jüngern von
zwei Engeln im selben Augenblick gesagt. Das heißt: Jesus wird vom Himmel herab
kommen. Oder anders gesagt: Das Zeichen des Menschensohns wird am Himmel
erscheinen als ein Zeichen von oben her. Die Menschen, die ihm nicht geglaubt
hatten und ihr Menschsein nicht auf ihn gegründet haben, werden sich in diesem
Moment wünschen, von den Bergen und Hügeln bedeckt zu werden. Ihr Fluchtweg
geht nach unten, hinab ins Reich des Todes. Welch eine furchtbare Situation.
Mit der
kopernikanischen Idee, man sähe alles verkehrt herum, erläge einer beständigen
Sinnestäuschung, wurden die die tiefen Überzeugungen des archaischen Menschen
in uns schwer erschüttert.
Wer heute in
den Himmel hoch sieht, glaubt, es gäbe da kein wirkliches „Oben“, auch wenn wir
das fälschlicherweise so annehmen, sondern ein „Draußen“, das schauerliche,
finstere und unendlich weite, luftleere „All“, das „Universum“, aus dem Aliens
einbrechen können ebenso wie Meteoriten und uns niedermachen oder schwer
treffen können.
Es gibt nur
Drinnen und Draußen: innerhalb der Erdatmosphäre und außerhalb, dazu den radial
und erstickend auf einen Punkt zulaufenden innersten Kern, den niemand gesehen
hat, niemand erforscht und niemand erkannt hat, eine Fiktion der Nichtigkeit,
der Zentralisation im Chaos der unendlichen finsteren Weiten auf einem
mathematisch gedachten Punkt, zusammengehalten durch eine ominöse
„Gravitation“, Anziehung von „Massen“, die auch noch keiner gesehen, geschweige
denn in ihren Prämissen je bewiesen hätte, von der aber jedermann fachsimpelt,
unfähig zu begreifen, dass (elektro-)magnetische Wellen immer auch aus völlig
anderen Gründen vorhanden sein könnten. Man ist erstarrt in einer bizarren
Fiktion, in der man sich gefiel, alles auf den Kopf zu stellen.
Das „Draußen“,
das man eigentlich als „Oben“ wahrnimmt, ist in Wahrheit als Hölle gestaltet,
als „Unten“, in Korrespondenz zum erstickenden Zentralpunkt des „Erdinneren“,
das ein einziger quälender Punkt sein soll: ein endloses Vakuum, leer,
erstickend, tödlich, übersichtlich bestückt von leuchtenden oder
reflektierenden Gesteinsbrocken, die herumirren, zusammengehalten durch die
Macht ihrer bloßen materiellen Massen. Das Draußen ist totale Geistlosigkeit. Der
Himmel, das Oben wurde zur Hölle gemacht und mit SciFi-Leben bestückt, den
Fantastereien überhitzter Gehirne, die sich der Erde gegenüber ebenso
verweigern wie dem, der über ihr thront und alles hält, der Katechon. Die Engel wurden so entsorgt
oder in den Machtbereich des Außen bzw Unten verrückt. Man unterscheidet nicht
mehr Dämonen von guten Engeln oder von Aliens. Alles ist ins eins geschmolzen,
und was immer es ist: es ist nicht und darf nicht „von oben“ sein.
Und alle
machen sie das mit, alle: die Großen und Kleinen, die Agnostiker und Atheisten,
die Wissenschaftler und die Ungebildeten, ebenso wie alle Kirchen. Sogar
fundamentalistische Christen springen so oft dem Zweifler an dieser
vollkommenen Umkehrung aller Dinge, dem, der sie erinnert daran, wo Gott ist,
und von woher der Christus wiederkommen wird, mit dem nackten Hintern ins
Gesicht und machen ihn nieder nach allen Regeln der Kunst.
Diese
Verkehrung der eigentlichen Ordnungen, des eigentlichen Himmelsgefüges,
innerhalb dessen „die Erde fest gegründet
ist“, wie uns das Alte Testament einst sagte, ist ein wahrhaftiges
Karfreitagsgeschehen. In dieser Verkehrung der Ordnungen wurde der Katechon
beiseite gedrängt, der, der alles zusammenhält und auf dessen hin Wort alles bestand
hat. Er wurde beiseite gedrängt, nun kann der Leviathan aus dem Meer, aus der
unermesslichen Tiefe des „Unten“ hervorkommen, das „Tier“, von dem uns die
Offenbarung berichtet, angerufen und heraufbeschworen durch den Menschen der
„anomia“, der Unordnung, der Gesetzlosigkeit, der nun den Platz dessen
einnehmen soll, durch den alles Bestand hat.
Es wird nicht
gelingen, aber der „homo iniquitatis“, der Chaosmensch, wird nicht davon
ablassen, aus dem Chaos mithilfe des Leviathan eine neue Ordnung schaffen zu
wollen, bis die „Säulen der Erde“ wirklich wanken werden..
Man kann sich
von einem Standpunkt des tiefen Glaubens aus gewiss sein, dass tatsächlich die
„Kräfte des Himmels“, wie Jesus sagte, durch dieses unermüdlich verkehrte Bild
der Dinge in den Herzen „erschüttert werden“, die Gestirne „ihren Schein
verlieren werden“ und Sterne vom Himmel herabfallen werden — wie sollten sie
das übrigens tun können, wenn sie da draußen in riesenhaften Entfernungen zur
Erde herumeiern, wie man uns erzählt? Ihre Masse müsste nach gängiger Theorie
mit einem Male ins Riesenhafte wachsen — oder die der Erde, und wer vermag
einen solchen intern gedachten Unsinn zu glauben? Es wird uns nicht gesagt,
woraus sie bestehen, die Sterne, und was dann materiell herabfallen wird, aber
es wird herabfallen — nicht
„einfallen“.
Christen sei
daher zugerufen, darüber nachzudenken, sich zu besinnen, aufzuwachen aus dem
Schlaf einer Verkehrung ihres Bewusstseins, sich zu erheben aus der Narkose
einer Vorstellung, die nicht nur wissenschaftlich auf tönernen Füßen steht und
immer irrsinnigere, fiktionale Züge annimmt, sondern auch — ohne vernünftige
Not — wesentliche Grundfesten des Glaubens auf den Kopf gestellt und
unverständlich gemacht hat. Nicht zuletzt gehört gewiss eine angemessene
Kosmologie mit zu dem Öl, das die klugen Jungfrauen im Gleichnis Jesu
mitgenommen haben. Wenn wir uns wichtige Teile unseres Zu-Gott-Seins haben
nehmen lassen und glaubten, darauf auch gerne verzichten zu können, könnte uns
genau dieses Element fehlen, um die kommende Finsternis durchzustehen. Jeder
lasse sich anregen, darüber ganz für sich nachzudenken, ob etwas dran sein
könnte an dem, was ich schreibe.