Wie soll ein Katholik
gekleidet sein?
Ein
Plädoyer für Sachlichkeit und den Entwurf einer neuen, christlichen
und freien Kleidung
An dieser Stelle möchte ich der
Frage nach angemessener Kleidung nachgehen, die ein beliebter Traditionalistensport
ist und in der sich viele zu unsachlichen und ignoranten Urteilen hinreißen
lassen. Die Kostümkunde ist ein weites Feld und Kleidung ist vor allem anderen
bestimmt durch Moden und Konventionen. Die vielen Behauptungen darüber, welche
Kleidung die Kirche vorgeschrieben habe, entspringen in aller Regel reflexhaften
und zwanghaften Phantasien. Es lässt sich nicht
zurückverfolgen, was wann tatsächlich reale Sitte und nicht bloß eine
auf wenigen Bildwerken hinterlassene Stilisierung war.
Tatsächlich hat die Kirche dazu
aber keine allzu genauen Angaben gemacht, alleine schon deswegen, weil sie auch
früher Weltkirche war und die Welt groß und voller verschiedener
Überlieferungen in dieser Frage ist. Nur eines findet man vor allem in der
Heiligen Schrift: dass die Kleidung jedes Katholiken und jeder Katholikin
schicklich, also nicht aufreizend sein soll. Wenn regionale Kleriker immer
wieder durch überzogene Kleiderforderungen aufgefallen sind, ist das – wie
heute auch - noch lange nicht allgemeine Vorschrift der Kirche (gewesen).
Schicklichkeit betrifft nun aber
weniger bestimmte Kleidungsarten als deren Gestaltung. Konventionen bzw
Standestrachten in manchen Regionen oder Zeiten haben keinen objektiven Wert. Auch
sie können unwürdig sein und müssen geprüft werden. Schicklichkeit kann auch nicht
daran gemessen werden, dass ungezügelte Geister im Extremfall jedes Fleckchen
des sichtbaren Körpers einer Frau bereits als „aufreizend“ empfinden. Debatten,
die meist die Frau einengen und einsperren wollen, ihre Unbefangenheit lähmen
und den Mann überhaupt erst auf schmutzige und verdorbene Gedanken bringen,
sind verabscheuungswert. Eine solche Debatte führt uns zur Zeit der Islam,
teilweise aber auch der katholische Traditionalismus vor: ob man das Haar der
Frau sehen kann oder nicht, ob man ihre Knöchel oder Waden sieht, ob man ihre
Unterarme sieht – wie versaut muss man eigentlich sein, wenn man das bereits
als anstößig erlebt? Das Ende vom Lied ist, dass die gesamte Gestalt der Frau
ein einziger sexueller Anstoß ist und man sie am besten in eine Burka mit
Augenschlitzen sperrt. Und selbst das ist manchen noch zu anstößig und sie
vergittern auch noch die Augenlöcher.
Man kann der Kirche nicht
vorwerfen, dass sie solche quasiislamischen, zwanghaften Vorstellungen lehramtlich
überspannt unterstützt hätte. Es waren eher Regionalfürsten, verkrampfte kleine
Kleriker oder das Volk, die diese Ideen mit viel Getöse beförderten. Auffallend
ist dabei, dass diesbezüglich in Spanien und Portugal die engsten Regeln
herrschten. Nach einer langen Zeit islamischer Herrschaft dürfte man den Grund
im Islam und einer irregeleiteten Mentalität der Leute dort sehen.
Objektive Unschicklichkeit besteht
darin, dass man eine schamlose Zurschaustellung vor allem der primären,
gelegentlich auch der sekundären Geschlechtsorgane betreibt. Ich werde zeigen,
dass sich das (westliche) Abendland schon früh als einzige hochstehende
Zivilisation der Welt durch extrem aufreizende und anzügliche Kleidung v.a. des
Mannes negativ ausgezeichnet hat. Eine entsprechende, schwerwiegende Entgleisung
der Frau ist erst seit ca. 50-100 Jahren salonfähig geworden.
Nach einer kurzen Untersuchung wird
man aufrichtig feststellen müssen, dass die heutige Schamlosigkeit der
allgemeinen Frauenmode einen mindestens 1000 Jahre währenden Vorlauf an
Schamlosigkeit beim abendländischen Mann hat:
Männer trugen im hohen Mittelalter und
danach die zunehmend monströser ausgebaute „Schamkapsel“, die sogar noch
ausgepolstert und extra aus den Übergewändern hervorgehoben wurde. Wo soll eine
Frau da bitteschön noch hinsehen, ohne mit der Nase auf unzüchtige Gedanken
gestoßen zu werden?!
Damals kam erst die Männerhose bzw.
die Bruche (Beinlinge), die oben an ein Leibgewand „genestelt“ (geschnürt) wurde,
im Stile einer Strumpfhose oder Leggins auf. Noch abstoßender ist die Tatsache,
dass Männer im 18. Jh und massiv im 19. Jh dazu übergingen, hautenge Hosen ohne
Hosenlatz zu tragen, die den ganzen Unterleib aufs Schamlosteste zur Schau
stellten, indem die Jacken die vordere Körperhälfte nicht mehr bedeckten,
sondern extra so geschnitten wurden, dass jeder einem solchen Mann direkt auf
sein kaum kaschiertes Gemächte sehen musste. Noch einmal stelle ich die Frage:
Wohin soll eine Frau da sehen, ohne auf ungute Ideen zu kommen?! Eine
Fortsetzung fand diese maskuline Unzüchtigkeit mit der Flower-Power-Generation,
bei der die Männer ohnehin, erstmalig aber auch Frauen, wenigstens gelegentlich,
solche hautengen und unterleibsbetonenden Jeans trugen. Die Hippie-Mädchen
griffen aber immer noch viel häufiger zu den traditionellen, weiten und langen
Röcken oder sehr weiten Pluder-Hosen. Der postmodernen männlichen Jugendmode,
bei der die Hose unterhalb des Hinterteils hängt, das dann entweder in eine
Unterhose gepackt oder ganz nackt zur Schau gestellt wird, korrespondiert eine
Vielfalt gedankenlos getragener Mädchenmode mit „Hotpants“ Leggins oder
hautengen Hosen, Kleidern und Röcken.
Während fromme Gemüter sich endlos
über das relativ neue schamlose Auftreten aufseiten der Frauen erhitzen, nehmen
sie die jahrhundertealten männlichen Entgleisungen als Kavaliersdelikt wahr,
als ob das derart schamlose Auftreten eines Mannes in der Frau nicht dieselben
unkeuschen Bilder und Gedanken hervorriefe wie umgekehrt im Mann von der Frau… Wenn
viele Frauen heute in hautengen Trikothosen umhergehen, ist das nur das späte
Nachziehen in Praktiken, die sich abendländische Männer mindestens schon 1000
Jahre zuvor, besonders aber seit dem 18. Jh erlaubt hatten.
Man sehe sich den Aufzug der Herren
auf dem Wiener Kongress an und stelle sich vor, Frauen säßen so beisammen…:
Es ist, um den Blick auf diesen blinden Flecken bei den Konservativen und Traditionalisten zu richten, auffallend und irritiert mich zutiefst, dass in keiner anderen Hochkultur, die wir kennen, Männer je so schamlos angezogen waren wie in der christlichen. Nirgends, weder im afrikanischen, persischen, noch im indischen und ostasiatischen Kulturraum würden sich Männer je so gekleidet haben. Die europäische Frau hat demgegenüber, wenn überhaupt, bis auf die letzten 100 Jahre, nur die sekundären Geschlechtsmerkmale betont, dagegen nie die primären, und gewisse Grenzen die längste Zeit gewahrt.
Sie trug die eine korsettgestützte
Wespentaille, was sie gesundheitlich schädigte. Im 18. Jh kamen Einsätze in den
Röcken auf, die übertrieben breite Hüften vorspiegelten oder den berühmten
„cul“ (eine Art Rüschenhintern) und ein tieferes Decolleté zur Schau stellten,
verbarg aber immer ihren Schambereich unter weiten Röcken und Kleidern, im
Südosten Europas auch in Pluderhosen.
Dass nun seit ca. 50 Jahren Frauen sich
hinsichtlich der primären Geschlechtsteile genauso schamlos kleiden, wie dies
zuvor ausschließlich Männer taten, ist eine gänzlich neue Entwicklung.
Es ist jedoch notwendig, dass
diejenigen, die daran übermäßig Anstoß nehmen, erkennen, dass solches Treiben
zuvor jahrhundertelang einseitig durch den – höfischen und städtischen - Mann
und seinen Aufzug vorbereitet wurde.
Es ist wahr, dass die
unschicklichen Männerhosen, die nun auch die Frau trägt, bei ihr ebenso
unschicklich sind wie bei ihm. Das liegt aber nicht an der Hose als einer Form
des Beinkleides!
Die Hose kann unmöglich „ontologisch“
dem Mann zugeordnet werden – das trifft nicht nur auf die Hose, sondern auf überhaupt
kein Kleidungsstück zu und ist kulturgeschichtlicher Unfug.
In der ganzen Welt war nie ein
prinzipieller Unterschied zwischen Männer- und Frauenkleidung. Die Hose war auch
in Europa ursprünglich keineswegs ausschließlich Männerkleidung und anderswo
sowieso nicht. Auch war der Rock bzw. das Kleid nicht der Frau vorbehalten. Das
sind Ammenmärchen!
Der Unterschied lag vielmehr in
Schnittnuancen, Stoffarten und vor allem Farben und Mustern. Frauen waren und sind
bunter und feiner gekleidet als Männer, mit schöneren und zarteren
Schmuckstücken und Stickereien versehen, oder sie durften und dürfen aus
kultischen Gründen bestimmte Stoffe nicht tragen. In mongolischen Völkern etwa
dürfen Frauenhosen aus magischen Gründen nicht aus bestimmten Fellen genäht werden.[8]
Manchmal waren und sind es aber nur ganz geringe Details, die den Unterschied
zwischen tradierter Männer- und Frauenkleidung ausmachen. Vieles hing und hängt
auch mit klimatischen Bedingungen und den überhaupt verfügbaren Materialien zusammen.
Die Hose war schon vor Christus nachweislich
fast im ganzen eurasischen Raum verbreitet gewesen, auch in Germanien – bei
beiden Geschlechtern. Es trugen aber auch beide Geschlechter Gewänder bzw.
Kleider.
Tacitus berichtet, dass sich
Frauen- und Männerkleidung nicht unterschieden habe, außer in der Stoffart und
der Färbung und dem Schnitt des Brustteils. Aus seinem Bericht geht auch
hervor, dass die Hosen und Oberteile der Männer immer aus Leder oder Fell, die der
Frauen auch aus Leinen waren. Auch die Trajansäule in Rom zeigt germanische
Frauen in Hosen.[9]
In Rom und Griechenland dagegen war
die Hose unbekannt. Dort trugen Mann wie Frau ausschließlich Gewänder bzw. die
Soldaten kurze Röcke. Die Legionäre sahen nördlich der Alpen, dass dort Hosen
getragen wurden und brachten das praktische, vor allem zum Reiten einsetzbare
Kleidungsstück als Männerhose mit zurück in den Süden. Das stieß dort
allerdings auf offene Ablehnung der Behörden – dem Mann wurde schließlich im 4.
Jahrhundert durch ein kaiserliches Dekret das Hosentragen verboten, weil es
barbarisch sei.[10]
Dennoch setzte sich die Hose in Rom – zunächst für den Mann – durch. Wie lange
Frauen im nördlichen weströmischen Raum weiterhin die germanische Hose, die aus
Leder war, trugen, bleibt im Dunkeln. Es gibt weder Funde noch Abbildungen noch
Texte, die nach der Spätantike darüber aufklären könnten. Im Dunklen bleibt
aber auch die Entwicklung der germanischen Männerkleidung im selben Zeitraum. Feststeht
nur, dass vor allem im Hochmittelalter erhebliche Umbrüche im Kleidungsstil
geschahen, nachdem die Kreuzfahrer zahlreich orientalische Kleidersitten mit
nach Europa gebracht hatten, der Mann aber nach wie vor auch Kleider und Röcke
trug.[11]
Der Prozess ging über Jahrhunderte
hin. Bis ins 18. Jh, teilweise noch ins 19. Jh hinein blieb es für den Mann
üblich und würdevoll, Kleider, Gewänder und Röcke zu tragen. Wir sehen dies in
einigen Volkstrachten, vor allem aber den Kleidern der Würdenträger, deren
Funktionen aus der römischen Tradition stammen. Ein Mönch oder Priester in
Hosen wirkt profan und gemessen an seinem Stand unwürdig. Und selbst Juristen
stehen bis heute niemals nur in Hosen ohne Obergewand vor dem Volk.
Wir haben ein tief schlummerndes
Gefühl dafür, dass das Tragen enger geschnittener Hosen ohne Obergewand auch
für den Mann nicht „ontologisch“ angemessen ist!
Die Hose setzte sich dennoch aus
praktischen Gründen für den Mann als einzige Kleidung durch. Da der westliche Mann
sie zu seinem Statussymbol erhob und die Technisierung zunehmend eine
praktische Kleidung erforderte, kamen im 19. Jh auch im Westen wieder nach
einer jahrhundertelangen Pause Frauenhosen auf, die zunächst belächelt und
abgelehnt wurden – angeblich sei es eine „Geschmacksverirrung“. Diese Hosen
waren aber in keiner Weise außergewöhnlich oder neuartig, sondern entsprachen
genau der Art von Frauenhosen, die weltweit an vielen Orten und vor allem im
Südosten Europas auch unter katholischen Frauen üblich waren. Die Reaktion
vieler Zeitgenossen offenbart vor allem deren Borniertheit. Das Bild der englischen
Radfahrerin aus dem 19. Jh zeigt uns einen Frauenhosentypus, wie wir ihn zuvor
bei Frauen des Balkans gesehen hatten – nichts Außergewöhnliches also.
Wie sehr die lange, enge Hose für
Männer als unschicklich galt, zeigen uns Verordnungen: In Preußen war noch 1789
jedem Regierungsbeamten untersagt, lange Hosen zu tragen, ohne Perücke zu gehen
und sich eine Kurzhaarfrisur zu schneiden.[13]
Der Grund lag darin, dass lange enge Hosen und Kurzhaarschnitte die Insignien
der Revolutionäre waren! Auch hier ist bemerkenswert, dass viele postmoderne Christen
die extreme maskuline Kurzhaarfrisur für ein Gebot Gottes halten, obwohl sie
außer bei Römern und Griechen in der Antike (nicht aber den Israeliten und
Germanen) vor der französischen Revolution nirgends üblich war! Sie ist
vielmehr zu christlichen Zeiten ein Ausdruck der Rebellion und des Liberalismus
gewesen, und es ist absurd, dass die 68er ausgerechnet zurückgriffen auf die
ehedem „konservative“ längere Haartracht der Männer und das kulturelle
Gedächtnis der Frommen so kurz war, dass sie diese Absurdität nicht mehr
erkennen konnten.
In jedem Fall sollten aber alle,
die sich die Meinung unreflektiert als „christlich“ zu eigen gemacht haben,
dass Hosen Männer- und Röcke Frauenkleider seien, wissen, dass diese Auffassung
eine Auffassung der späten westlichen Neuzeit ist, genaugenommen erst seit der
französischen Revolution endgültig zementiert wurde.
Abgesehen davon, dass es sich bei
der spätmodernen Verachtung eines Mannes in Kleidern und einer Frau in Hosen
fast immer um ein subjektives und hämisches Urteil handelt, möchte ich
behaupten, dass die modernen westlichen, mehr oder weniger immer eng
geschnittenen Hosen generell aus ästhetischen Gründen unvorteilhaft sind. Die
vielen unförmigen und übergewichtigen Männer in den typisch neuzeitlichen Hosen
sind eine ebensolche Zumutung für das Auge wie entsprechende Frauen in ähnlichen
Hosen! Bierbäuche, die über den Gürtel hängen, hässliche Hinterteile, die allzu
deutlich zur Schau gestellt werden, zu kurze Beine bei zu massigen Oberkörpern
– was soll daran angemessener sein als bei der Frau? Alleine das umseitige Bild
des russischen Gesandten gibt uns nicht nur Auskunft über dessen Unterleib,
sondern auch über jedes überflüssige Gramm Fett … er würde in einer weiten Hose
oder einem Gewand entschieden würdevoller aussehen.
Würdevoll sind nämlich in der Tat
ausschließlich Kleider oder sehr weite Hosen oder auch Tuniken/Kleider, die
über engeren Hosen getragen werden wie dies in germanischen Zeiten hier üblich
war und bis heute auf dem Balkan, der Türkei, Mittelasien, Persien, Indien oder
Südostasien und anderen Ländern in der Tracht beider Geschlechter (Shalwar
Kameez (Indien) oder Ao Dai (Vietnam)) üblich war und ist.
Eine enge Männerhose, wie sie sich
der europäische Mann seit Jahrhunderten gönnt, ist nirgendwo auf der Welt eine
schickliche Männer-Kleidung gewesen – bis der Kolonialismus diese Unsitte auch
anderswo hintrug und teilweise von protestantischen Missionaren gegen die
schöne und überlieferte Kleidung ausgetauscht wurde, weil letzte angeblich
„weiblich“ sei.
Insbesondere die knöchellange, enge Hose kam überhaupt erst durch die
Revolutionäre des 18./19. Jh als Statussymbol auf. Zuerst behördlich verboten wurde
sie wenige Jahrzehnte später sogar vom deutschen Kaiser getragen… wobei man
denselben doch immer noch im Rock sehen konnte – wir sehen hier Wilhelm II. als
Kind mit seinem Vater Friedrich Wilhelm 1863, beide mit Männer-Röcken.
Das zweite Bild zeigt uns Wilhelm
II. in der üblichen, ordinären Hose und erntete damals schon den Kommentar:
„Das ist kein Bild, sondern eine Kriegserklärung.“[14]
Dieser letzte Satz führt vor Augen,
dass man vielleicht natürlicherweise diese viel zu engen Hosen nicht nur als
vulgär empfinden muss, sondern auch als aggressiv. Tatsache ist, dass das
Empfinden aller Völker sich traditionell mit dieser Art Kleidung, die auch auf
Oberhemden, Blusen, Kleider und Röcke übergegangen ist, nicht gemein machen
wollte und fast überall sehr weite Schnittformen zur Norm erhoben hatte.
Wir sind inzwischen in einer Lage,
in der Mann wie Frau sich in engste Kleidungs-Häute hineinpellen und sich
„unförmig“ fühlen, wenn sie weite Sachen tragen, begünstigt durch die
technische Erweiterung der Trikot- und Jerseystoffe. Kleidung muss immer mehr
komplizierten praktischen Zwecken und der sexuellen Vermarktung genügen.
„Outdoor-Kleidung“, „Funktionswäsche“, Miniröcke, tief ausgeschnittene, enge
Oberteile und Leggins, superenge Jungemännerhosen, die womöglich noch ständig
über das Hinterteil nach unten gleiten und „körpernahe“ maskuline Shirts, die
Brust und Schultern betonen und im Gay-Milieu verbreitet sind, sind Trumpf. Man
hat den Eindruck, der ganze Westen trägt Radlerkleidung oder Tauchanzüge. Ein
gewisses Refugium bietet die Landhausmode, aber aus Dirndln ist, seitdem das
Oktoberfest zum allgemeinen deutschen Jugend-Sauf-Treffpunkt geworden ist, ebenso
Hurenkleidung geworden wie aus Trachtenhosen. Erstere haben Ausschnitte bis zu
„Des Sohnes“, wie der nordbadische katholische Volksmund früher sagen konnte
und reichen kaum noch über den Hintern, letztere sind inzwischen eine Art enge „Hotpants“
für Männer geworden.
Hautenge Kleidung suggeriert Macht
und die Unbesiegbarkeit und Sprungbereitschaft eines Batman. Schönheit, Anmut
und Würde haben keinen Raum mehr. Es geht ums Herrschen oder Sich-Feilbieten. Was
heute als „schick“ gilt, war einstmals Turner- oder Workerkleidung, Ausweis der
Prostituierten oder des revolutionär-monarchischen Platzhirsches.
Der Siegeszug der blauen Jeanshose
ist einem Weltbild geschuldet, in dem jeder und jede als „Arbeiter“, als
„Erwerbstätiger“ gesehen wird – allzeit bereit, praktisch und strapazierfähig
und dabei auch noch sexy. Sex, Konsum und Arbeit – das ist das Gefängnis, in
das man den heutigen Menschen steckt, und die Enge der Kleidung ist ähnlich Symbol
für den zusammengeschmolzenen mentalen Spielraum, den er oder sie noch hat, wie
man das über die einsperrende, verschleiernde und bewegungsunfrei machende
islamische Frauenkleidung sagen kann. Diese beiden Welten liegen sich näher als
man denkt.
Man trägt heute die entehrende
Kleidung des Sklaven und der Sklavin und/oder
des zynischen Ausbeuters bzw. Besitzers zugleich.
Was heißt das für einen Katholiken?
Er oder sie soll anständig
gekleidet sein. Mehr nicht und weniger nicht!
Problematisch wird es dann, wenn
aus der Anstandfrage eine Ideologie wird und Dinge als Problem betrachtet
werden, die objektiv keines sind – wie sichtbare Knöchel, Unterarme, Kopfhaare
oder gar Augen.
Wir wissen instinktiv, dass man den
Hüft-, Becken- und Oberschenkelbereich niemals zur Schau stellen sollte, weder
beim Mann noch bei der Frau! Das löst immer ungute Reize im anderen Geschlecht
aus! Auch das sekundäre Merkmal der Brust sollte eine Frau nicht überbetonen,
sondern vernünftig bedecken – darüber sind sich alle aufrichtigen Menschen
einig. Eine hautenge oder mangelhafte Bekleidung des Oberkörpers löst meistens
bei beiden Geschlechtern eine erotische Wirkung aus.
Darüber hinaus aber sollte man den
Ball flach halten!
Wer wegen Haarlocken oder
Extremitäten in Wallungen gerät, dürfte bereits ein total verschmutztes
Empfinden haben und sollte an sich arbeiten.
Prinzipiell steht für mich daher in
Frage, ob die überkommene jüngere abendländische Mode wirklich angemessen ist.
Zum einen weil sie gerade beim Mann
über sehr viele Jahrhunderte weg anzüglich und ein schlechtes Vorbild war und
ist. Die Neigung, für die Männer hautenge Schnitte zu kreieren, hat sich als
verhängnisvoll erwiesen und musste unweigerlich nach sich ziehen, dass die
Frauen eines Tages dasselbe tun würden – nicht zuletzt, weil die bereits
enthemmten Männer das reizvoller fanden…
Zum andern wegen der absurden, mit
einer gewissen maskulinen Schamlosigkeit verbundenen, unnatürlichen
Geschlechtersegregation in der Kleidung.
Ob nun Männer Röcke und Frauen
Hosen tragen – das ist objektiv keine ontologische Frage.
Es ist, wenn man die weltweiten Kleiderordnungen
betrachtet, kein bedeutsamer Unterschied zwischen Männer- und Frauenkleidung,
es ist vielmehr ein und dasselbe in zwei meist ausgesprochen reizvollen Variationen.
Diese natürliche Gestaltung entspricht am besten dem natürlichen Sittengesetz:
So ist doch die Erscheinung des Menschen als Mann und Frau die einer Einheit in
zwei Geschlechtern und nicht die einer abgründigen Unterschiedenheit, die
nichts mehr gemein hat miteinander! Eine übermäßige, künstlich-tabuisierende
Unterscheidung ergibt keinen positiven Sinn. Man muss fragen, ob diese ungute
Tabuisierung nicht das provoziert hat, was heute die Gemüter erhitzt: die
Genderei.
Wohin man sieht auf der natürlich
verfassten Welt, entsprechen sich die männlichen und weiblichen Kleiderformen In
der Unterschiedlichkeit und schließen sich nicht gegenseitig aus!
Wie konnte das ausgerechnet in der
katholischen Welt so „phobisch“ auseinanderdriften, vor allem, da es von Anfang
an nicht so war?
Nur im Islam konnte sich an
manchen, vor allem den zunehmend ideologischen Orten, eine ähnlich
geschlechterentfremdende Kleidung ausbilden, die die Kleidung für die Frau zum
Gefängnis und für den Mann zum Machtsymbol machte. Es ist eine offene Frage, ob
nicht diese verdächtig übertriebenen und islamähnlichen Kopfbedeckungen für
Frauen, die ab dem Hochmittelalter auf europäischen Bildwerken auftauchen,
nicht auch ein Souvenir der Kreuzfahrer aus dem Orient waren.[16]
Man darf sich fragen, ob die
Segregation der Geschlechter durch jeweilige „Tabu-Kleidungsstücke“ im
spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Abendland nicht eine krankhafte
Entwicklung eingeleitet hat, zumal die vom westeuropäischen Mann ganz für sich
beanspruchte Hose von ihm hierzulande ja eben von Anfang an auffallend
unanständig getragen wurde und die Frau beschämte und brüskierte.
Die Tatsache, dass die Entwicklung
würdeloser Kleidung das Markenzeichen der Europäer ist, des katholischen
Abendlandes (!), sollte uns erschüttern.
Warum also nicht Inspiration suchen
in der überkommenen, natürlich entstandenen Kleidung aus aller Welt, um zurückzufinden zu
einer gewissen Unbefangenheit?
Was ist all diesen Kleidungen
gemeinsam?
Es gibt formal nicht viele
Möglichkeiten, als die, den Leib in Oberteile mit angenähten Armen, in
Beinkleider in Form von Röcken, Hosen oder Strümpfen zu packen, den Kopf mit
Stroh, Filz oder Tuch gegen das Wetter zu schützen oder auch zu schmücken, die Füße
in irgendeiner Weise in einen „Strumpf“ oder ein „Haferl“ zu stecken und mit
einer Laufsohle auszurüsten.
Der Kreativität sind dabei keine
Grenzen gesetzt.
Kleidung ist Ersatz für das
verlorene übernatürliche Gewand und sollte allein deswegen nicht esoterisch
überspannt gedeutet werden.
In weiter und um Schönheit bemühter Kleidung sollte sich die Freiheit
ausdrücken, die ein Katholik gewinnen durfte – bei aller Freiheit des persönlichen
Geschmacks und der Rücksichtnahme auf individuelle Bedürfnisse und Vorlieben!
Wie immer sich Kleiderformen
entwickeln – aber in aller Welt hatte man von jeher Abscheu vor der zu engen
Kleidung – nur nicht im weströmischen Bereich!
Kleidung sollte auch denjenigen
nicht beschämen, der keine sehr ausgewogene Figur hat. Der indische Sari
beispielsweise adelt jede Frau, gleich ob sie dünn oder dick, klein oder groß
ist. Auch der Shalwar Kameez stellt keine Frau bloß. Selbst unförmige indische
Männer sehen in ihm immer noch würdevoll aus.
Unsere Kleidung stellte und stellt durch
ihre Neigung zur Enge dagegen den Unförmigen bloß. Ob das Mieder aus starren
Gestängen oder unerbittlichen und erstickenden Schnüren, wie es in Europa für
die Frau allgemein und lange Zeit üblich und teilweise sogar vom Mann ebenfalls
praktiziert wurde und bis heute in manchen Trachtenstilen zu finden ist, nicht
auch eine zutiefst unnatürliche und insofern sittenferne Kleidung ist? Und
manches Bild gibt uns einen fast grotesken Einblick in die entstellende Wirkung
der Hose für den Mann, lange bevor eine Frau sich das antat – hätte der Herr
auf Spitzwegs Bild in einem Gewand nicht angenehmer ausgesehen?
Nur wenige wagen, aus dem
„Mainstream“ auszusteigen.
Dagegen wäre überhaupt der unbefangene
und unideologische Entwurf einer zeitgemäßen und christlichen Kleidung nicht
zuletzt eine echte Alternative zu dem penetranten Druck, der durch die Verbreitung
der erstickenden „islamischen“ Kleidung auf alle, vornehmlich die Frauen,
ausgeübt wird.
Hier wäre also vieles zu bedenken,
bevor man sich und andere Menschen in neue fromme Zwänge und Irrtümer stürzt.
[2] https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/fa/Kiprensky_Davydov.jpg
(7.7.2015) Russischer Oberst 1809
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Dekollet%C3%A9#/media/File:Antropov_Ek_Alex.jpg
– 18. Jahrhundert (8.7.2015)
[5] http://home.arcor.de/schiller-rs/Homepage/Bilder/Puppe5.gif - höfische Frauenmode im 18. Jh (8.7.2015)
[6]
Katholische Frau auf dem Balkan in Pluderhose, spätes 19. Jh http://www.faz.net/aktuell/stil/mode-design/bilder-einer-vergessenen-zeit-balkan-beads-13630014/aufnahme-einer-katholischen-13630039.html
(8.7.2015)
[7] Hier
ein älteres Ehepaar um die Jahrhundertwende 19./20. Jh aus der Balkanfotoserie.
Frauen tragen im Prinzip dieselben Pluderhosen wie Männer, dieselben Hemden,
Schärpen und Überwürfe. Dennoch ist die Frau deutlich erkennbar als Frau und
der Mann als Mann. Jedem sollte auffallen, wieviel Würde dieser Mann in dieser
Hose ausstrahlt, wenn man zurückdenkt an den russischen Gesandten in der
hautengen Hose… http://www.faz.net/aktuell/stil/mode-design/bilder-einer-vergessenen-zeit-balkan-beads-13630014/viele-portraets-wurden-zu-13630037.html
(8.7.2015)
[8] So
bei den Tuwinern in Mittelalsien http://www.reller-rezensionen.de/voelker/tuwiner2.htm
(8.7.2015): „Typisch für die
traditionelle Tracht der Tuwiner (wie für die Mongolen, ihren Nachbarn) ist der
"Ton", ein (meist langer) Mantel mit langen Ärmeln, der in der Art
des Schnittes bei Männern, Frauen und Kindern ganz ähnlich ist. Wurde der
Sommermantel aus "Dalemba" (eine chinesische Stoffart) genäht, so
trugen die Tuwiner im Winter diese Mäntel gleichen Schnitts aus Rentierfell.
Die Hosen der Männer waren meist aus Schaffell, die der Frauen aus Stoff oder
Rentierfell, denn den Frauen war das Tragen von Haustierfellen verboten.“
[9]
Tacitus Germania, 17: „Bedeckung ist für
alle ein Mantel mit einer Spange oder, wenn sie nicht vorhanden sein sollte,
mit einem Dorn zusammengeknüpft: unbedeckt, was das Übrige betrifft, verbringen
sie ganze Tage an Herd und Feuer. Die Reichsten unterscheiden sich durch ein
Gewand, nicht wallend, wie Sarmaten und Parther, sondern stramm und die
einzelnen Gliedmaßen hervorhebend. Sie tragen auch Felle wilder Tiere, die dem
Ufer Benachbarten nachlässig, die Entfernteren ausgesuchter, weil ihnen keine
Kleidung durch Handel ist. Sie suchen Wild aus und bestreuen die abgezogenen
Hüllen mit Flecken und Fellen von Tieren, die der äußere Ozean und das
unbekannte Meer hervorbringen. Auch die Frauen haben kein anderes Aussehen als
die Männer, abgesehen davon, dass sich die Frauen öfter in Gewänder aus Lein
hüllen und diese mit Purpur färben, und den Teil der oberen Tracht nicht in
Ärmel verlängern, nackt an Unter- und Oberarmen; aber auch der nächste Teil der
Brust ist sichtbar.“ http://www.latein-imperium.de/include.php?path=content&contentid=104
(8.7.2015)
[10]
„Römer und Griechen lehnten in der Antike die germanischen und gallischen
Beinkleider als unzivilisiert und barbarisch ab. „Die ‚barbarische Hose‘ galt
in Rom noch Ende des 4. Jahrhunderts, als sie sich, bei den Soldaten der römischen
Legionen beginnend, allmählich durchsetzte, als derart anstößig, dass eine
kaiserliche Verfügung das Hosentragen unter Strafe stellte.“ Seit dem
ausgehenden Mittelalter ist es eine europäische Entwicklung, dass die Hose zum
Statussymbol für den Mann wurde und der Rock für Männer mit Ausnahme des Kilts
und Belted Plaids in Schottland und der Fustanella in Griechenland und Albanien
unüblich wurde.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Hose#cite_ref-4
(8.7.2015)
[11] Hans
Prutz (1964): Kulturgeschichte der Kreuzzüge. S. 411 ff
[12]
Radfahrwerbung von 1897 https://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/7/78/Radfahrerin_1897.png
8.7.2015
[13]
ebenda
[16] Hans Prutz (1964): Kulturgeschichte der Kreuzzüge, S. 411 ff
[17] Carl
Spitzweg: Der Sonntagsspaziergang https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/bb/Carl_Spitzweg_036.jpg
(8.7.2015)