Mittwoch, 24. Dezember 2014

Weihnachten 2014



Rex regnantium et Dominus dominantium

Muttergottes vom Zeichen
Weihnachten 2014

Schneerose

Rex regnantium et Dominus dominantium,
qui solus habet immortalitatem, lucem habitans inaccessibilem.
 (1. Tim. 6, 15 f)

Du Herr: heilig dreifaltig ewig,
in einem Licht
das niemand sehen kann.
Und wir: Dein Abbild,
abgestürzt ins Meer
begrenzter Atemzüge
glanzlos erloschen
in den Uhren
eitles Ticktack
Deiner Herrlichkeit.
Wie viel tausend Jahre
Feindschaft
zwischen Frau und Satan
gabst Du
bis Maria
reif geworden war?

Als Deine Stunde kam
trug sie den Christus
tief im Herzen.
Maria ist die lang Ersehnte
Gebenedeite
Trägerin des Lichts.
Jetzt, als Du es wolltest
sprach sie das Jawort Dir
gebar Dich in die Welt hinein
und viele Kinder nach Dir
- Licht den Blinden -
in den Himmel.

Da machten weit die Tore auf
das All, die Sterne, Sand und Stein.
Wälder sangen laut
Berge klatschten in die Hände.
Und selbst der Schnee
tanzt seither
Dir nur zu Ehren noch.
Denn Du allein
Herr Jesus Christus
Du allein bist König.
Du hast uns aufgehoben
ganz zu Dir

als Deine Königin.
Wer kann das fassen…
Wer wagt, dies auszuschlagen?

Vaterlos
mutterlos
sticht das steife Knie
weiter
immer weiter
weg von Deinem Reich
wohin?

Hanna Maria Jüngling, Weihnachten 2014

Montag, 15. Dezember 2014

Der katholische Zombie (I) - Wollen wir, dass der Herr kommt?



Wollen wir, dass der Herr kommt?
Reflexionen über die Monarchie und die Bitte "Adveniat regnum tuum"

Ludwig XIII. von Frankreich - Notre-dame de Paris, Hochalter

Einleitung: „Nutzt diese Zeit, denn diese Tage sind böse.“

Der moderne katholische Traditionalismus erscheint auf den ersten Blick als Widerstand gegen eine tief empfundene Verfremdung des überlieferten Glaubens, die sich am deutlichsten in der veränderten Liturgie ausdrückt.
Aber nicht nur das – man reibt sich noch viel mehr daran, dass eine „gute“ vergangene, politische Wirklichkeit, in der die Ordnungen Gottes geherrscht hätten, untergegangen sei.
Die wahre katholische Gemeinschaft wird – ähnlich dem Zustand nach einem Vulkanausbruch – als endgültige, zeitlos erstarrte, scharfkantige Welt vorgestellt, die doch niemals mehr hätte verändert werden können und dürfen und bis in Ewigkeit so hätte weiterbestehen sollen. Der Jammer ist groß über die unverkennbare Tatsache, dass diese statische Vorstellung vor aller Augen zerplatzt ist und sich nicht wieder hat restaurieren lassen.
Man muss hier gleich zu Beginn fragen, ob eine solch statische Geschichtsvorstellung denn überhaupt dem, was uns offenbart wurde, entspricht und nicht vielmehr schon der erste Irrtum der Traditionalisten ist. Sind wir nicht gemahnt, niemals zu vergessen, dass wir in diesem Leben noch nicht in seliger Anschauung leben und dieses Äon einem finsteren Ende entgegen geht?
Bei näherem Hinsehen erweist sich, dass die Unterscheidung zwischen ewiger Glaubenswahrheit, Vorläufigem und Falschem von Anfang getroffen werden musste. Das Ewige ist etwas Logisches, nichts „kernlos Prozessuales“, das Zeitliche ist immer nur untergeordneter Brauch, vorläufige Sitte. Beides zu definieren, ersteres unwandelbar, letzteres um regionaler, zeitlicher und politischer Umstände willen wandelbar, obliegt dem Papst und sonst niemandem.
All dies steht aber in diesem Äon unter dem Titel:
Redimentes tempus, quoniam dies mali sunt. - Nutzt die Zeit; denn diese Tage sind böse.“ (Eph. 5, 16)
Uns ist kein irdisches Reich, in dem die Ordnungen Gottes vollkommen gelten könnten, verheißen: die Tage hier auf Erden sind kurz und böse.
Es ist dennoch unzweifelhaft und sachlich gut nachweisbar ein Bruch in der Lehrtradition, in der lex credendi, und in der Liturgie, der lex orandi, etabliert worden. Dies begann unter dem ambivalenten Johannes XXIII. mit dem Initialakt der Konzilseröffnung. Paul VI. demaskierte diesen Willen zum Bruch dann eindeutig in vielen seiner Äußerungen und vor allem der radikalen Liturgiereform, stets schleichend, irrlichternd, jede häretische Aussage wurde sofort wieder überklebt mit einem „traditionellen“ Pflaster, gewissermaßen den Radar "unterfliegend". Welcher gewiefte Zerstörer ginge auch hin und verkündete "Obacht – ich widerspreche jetzt förmlich einem Dogma!"? Gründliche Zerstörung lässt sich Zeit, macht zwei Schritte vor, einen wieder zurück…
Zuvor hatte es im europäischen Haus seit der Reformation theologische, philosophische und politische Umbrüche gegeben. Die Päpste des 19. Jh hatten die Freimaurerei als erklärte Feindin der katholischen Kirche mehrfach dingfest gemacht. Es stellte sich heraus, dass Kirche und Gesellschaft schon vor 200 Jahren „unterwandert“ waren von Mitgliedern verschiedener Logen. Das kann andererseits niemand wundern, der das Bündnis von Thron und Altar seit der Reformation in seiner Eigendynamik nüchtern beurteilt: Nur eine grenzenlose Naivität konnte glauben, dass die Durchdringung des Throns durch die Kirche einseitig bliebe…

Viele fromme Kleriker und Laien blendeten aber, nachdem man einen Feind von außen definiert hatte, befriedigt, einen Schuldigen gefunden zu haben, aus, dass innerhalb der Kirche, abgesehen von dem immer glaubensgefährdenden Bündnis von Thron und Altar  seit langem häretische Bewegungen wirkten, die man nicht der Freimaurerei zuordnen kann, und die seit Jahrhunderten ganze Regionen dominiert und zerstört hatten.[1]
Während die Päpste nüchtern und vorsichtig ihre Worte wogen, dabei aber den Anspruch der Kirche auf ihre göttliche Mission im Staatswesen aufrecht erhielten, steigerten sich weite Kreise der Geistlichen und Laien in eine paranoide Verschwörungsangst hinein, die den päpstlichen Bogen weit überspannte und distanzierten sich – paradoxerweise im Schulterschluss mit den inneren, nicht-freimaurerischen Feinden der Kirche - zunehmend vom Lehramt, entwickelten ihre eigenen Lehren, die im Windschatten der kirchlichen Alltagsgeschäfte und der chaotischen Vorgänge nach der französischen Revolution, auf die vordringlich reagiert werden musste, unbeachtet mitschwammen und nach dem Vaticanum II – neben dem nun durchgebrochenen Modernismus – ebenfalls eine explosive, unheilvolle und schizophrene "traditionalistische" Dynamik entwickelten.
Auf dem Vaticanum I kamen einige dieser Irrlehren wie der damalige „Traditionalismus“ bzw. der Fideismus zwar noch zur Sprache und wurden pauschal verurteilt, aber eine präzisere Untersuchung musste angesichts des überstürzten Abbruchs und der komplexen Fragestellung verschoben werden auf bessere Tage, die seither nicht wieder eintraten. Hauptirrtum des Traditionalismus war schon im 19. Jh und ist bis heute sein zwiespältiges Verhältnis zur Vernunft. Man errichtet zur ideologischen Bastion des Liberalismus und Modernismus einfach eine ideologische „Gegenbastion“ des Traditionalismus, die sorgsam die Bildung insbesondere der Priester überwacht und in engste Grenzen sperrt und die gezielte Dämonisierung weiblicher Bildung betreibt. Mit den domestizierten Priestern und den Frauen hat man alle Fäden in der Hand, eine pseudokatholische Sekte zu etablieren… Der Wunsch der Päpste, die philosophische Methode des heiligen Thomas von Aquin für hier und heute fruchtbar zu machen, ist leider an vielen Hindernissen vollkommen gescheitert und bis heute nur rudimentär eingelöst worden. Das liegt zum einen daran, dass in der postmodernen philosophischen Überladung niemand zu freien, kühnen Gedanken befähigt scheint. Zum anderen sorgt das erstickende Klima unter Traditionalisten schon von selbst dafür, dass innerhalb seiner Kreise niemand allzu kühn denkt…

Wir sind also in einer Lage, in der vonseiten vieler, die sich selbst für traditionstreu halten oder traditionell katholisch bleiben wollen, verkannt wird, dass der Traditionalismus nicht der Hort der wahren Lehre, sondern eine hochgefährliche Ideologie ist, die mit der Lehre der Kirche nur an der Oberfläche kompatibel ist.
Mit einer gezielten, epigonalen und assoziativen „Mimikri“ zu einer verklärten Vergangenheit wird der Eindruck erzeugt, hier sei – gruppiert um das berechtigte Anliegen des Erhalts des überlieferten Messritus – der reine katholische Glaube gewahrt. Unter diesem Firniss nimmt diese Ideologie aber eine regelrecht antichristlich-veräußerlichte, dem Islam verwandte Umdeutung der Glaubenslehre vor.[2]

Thron und Altar

In dieser Reflexion möchte ich auf eine dieser ideologischen Lehren und ihre Auswirkungen eingehen:

Es gehört zum Inventar katholischer Traditionalisten verschiedener Ausrichtung, der festen Überzeugung zu sein, Gottes ewige Ordnungen sähen die Monarchie – eine möglichst autoritäre, katholische Königsherrschaft - als die einzige rechtmäßige und nach dem „Sieg“ des Christentums unter Konstantin „ewige“ Staatsform vor. Und mehr noch: „die“ Monarchie sei das Stützkorsett der heiligen Mutter Kirche, etwa so, wie man sich den Mann als den Stabilisator und "Herren" der „schutzbedürftigen“ Frau vorstellte, die aber letztendlich doch „die Hosen an hat“ und den Mann ohne viel Aufhebens und ohne, dass er es erfasst, dirigiert. „Thron und Altar“ – ein "Ehepaar", das Gott zusammengefügt habe und vom Menschen nicht getrennt werden dürfe…[3]
Diese Vorstellung erscheint sinnvoll, solange eine Religion eine diesseitige Nationalreligion ist und die Verschmelzung einer bestimmten Religion mit einem bestimmten Volk vorliegt.[4]
Auf eine ganz andere Ebene aber gerät dieses Arrangement, wenn eine Religion supranational angelegt ist. Jacob Burckhardt weist darauf hin, dass bei solchen Religionen wesentlich danach zu fragen ist, ob es Religionen von „Siegern“ (wie der Islam) oder Armenreligionen (wie der Buddhismus als Aufhebung des Kastenwesens) oder solche sind, die ursprünglich mit ihrem göttlichen Gründer und König einen radikalen Weg aus der Todesverfangenheit dieses heillosen Äons hinaus weisen wie das Christentum. Er stellt mit Befremden fest, dass dieselbe Kirche, die bis zum 4. Jh das religiöse Gewissen dem Zugriff des Staates bis zum Tod hin entgegensetzte, nun vollkommen bedenkenlos den Machtanspruch auf die Seelen, den das heidnische römische Reich erhoben hatte, sich selbst zueignet bzw. an einen bekehrten Kaiser delegiert:
„Dieselbe Religion, deren Sieg ein Triumph des Gewissens über die Gewalt war, operiert nun auf die Gewissen mit Feuer und Schwert los.[5]
Burckhardt übersieht, dass die Sachlage verzwickter ist: Die Kirche samt ihrem Papst besteht als monarchischer „Staat im Staat“ neben dem „christlichen“ Staat weiterhin und ringt seither um das Verhältnis zum Staat mit den Staaten, in denen sie sich ausgebreitet hat.
Das Problem liegt in der Frage, ob diese Delegation der eigenen missionarischen Interessen an den Fürsten bzw. den Staat überhaupt ohne weiteres gut gehen konnte, wo doch der Fürst naturgemäß sein Recht auf Dominanz über kurz oder lang einfordern würde… und wie in den zunächst monogamen Ehen sich dieser bestimmenden Braut durch deren formelle Diskriminierung oder durch das Hinzunehmen von Mätressen und Nebenfrauen entledigen würde, die und deren von ihm erzeugten Nachwuchs er der wahren Braut als Stolpersteine in den Weg stellt…
Solange das Papsttum und die Kirche reine „Gegenwelt“ zum Reich der Welt darstellten, war das verborgene Königtum Christi anschaulich. Mit der Verschmelzung des Reiches Christi mit dem der Welt, geriet die Kirche einerseits ins Zwielicht, andererseits konnte sie effizienter missionieren und mit Hilfe eines Fürsten einen ganzen Landstrich in Kürze mit dem Evangelium bekannt machen.
Die häufigen Entgleisungen und Machtmissbräuche der Fürsten werden von eingefleischten Traditionalisten jedoch tapfer marginalisiert und kleingeredet, von manchen sogar als „freimaurerische Geschichtsklitterung“ bezeichnet, als hätte es sie niemals gegeben und nicht geben können.
Es ist wahr, dass durch die Bekehrung vieler europäischer Fürsten, sogar des römischen Kaisers, deren Herrschaftsgebiet christianisiert wurde und auf diese Weise das „christliche Abendland“ entstand. Einige der europäischen Monarchen waren zweifellos fromme und ergebene Diener des Herrn. Sehr viele aber können aufgrund der vorliegenden historischen Quellen kaum als christliche Vorbilder oder gerechte Regierende und erst recht nicht als Beschützer der Kirche angesehen werden. In der eigentümlichen Gemengelage zwischen Staat und Kirche wurde schon früh der Vorwurf, der „Antichrist“ zu sein, wechselweise dem Kaiser und dem Papst entgegengeschleudert und sorgte für erbitterten Zwist.[6]
Infolge der märchenhaften Idealisierung der Monarchie als der Herrschaft eines einzelnen "von Gottes Gnaden" hat sich ein Mainstream im katholischen Traditionalismus blind dem Glauben an moderne, möglichst autoritäre Ein-Mann-Herrschaften oder rigide geführte „Ständestaaten“ ergeben, in denen sie eine zeitgemäße Ausgestaltung der gottgewollten Herrschaftsform zu erblicken glauben, die vor allem die Feinde der Kirche internieren und die Bürger zum Glauben zwingen müsse.[7]
Man möge mich nicht missverstehen: es gab und gibt diese „äußeren“ Feinde der katholischen Kirche. Sie haben schon lange ihre Absichten laut kundgetan – seien es die Ideengeber der Reformation, der französischen Revolution, der Freimaurerei oder des Kommunismus. Daran kann kein Zweifel bestehen. Ob diese Feinde der Kirche aber tatsächlich so weit entfernt von monarchischen, modernen autoritären oder faschistischen Konkurrenten des Papsttums stehen, die sich äußerlich katholisch oder wenigstens unspezifisch „fromm“ geben, wage ich zu bezweifeln.

Der katholische Traditionalismus ist selbst Bestandteil dieses kirchenfeindlichen Denkens. Er hat vor lauter Angst vor Verschwörern aus dem Auge verloren, dass man sich trotz möglicher und wirklicher Verschwörungen an das halten sollte, was man vernünftig einsehen und auch nachweisen kann. Allzu leicht landet man in einer paranoiden Verkennung der Wirklichkeit.
Sätze wie die folgenden mögen als Beispiel für eine dieser haarsträubenden traditionalistischen Deutungen der Geschichte dienen:
„Zu diesem Zeitpunkt (Anfang der 40er Jahre des 20. Jh) war Hitlers sogenannte ‚Festung Europa’ in überwältigender Weise eine katholische Seite geworden. Mit der Eingliederung der Deutschen des katholischen Österreich, Elsaß-Lothringens, des Saarlandes, des Sudetenlandes und des deutsch-besetzten Polens hatte das Dritte Reich eine enorme katholische Mehrheit, während seine Verbündeten Italien, die Slowakei, Slowenien und Kroatien gänzlich katholisch waren, Ungarn im wesentlichen ebenfalls. Das besetzte Frankreich kooperierte und das katholische Spanien und Portugal zeigten Sympathie. (…) Während die Achsenmächte ein Verbot der Freimaurerei erließen, wurden in allen öffentlichen Gebäuden in Frankreich Kruzifixe aufgehängt, wie es in Italien zur Zeit des vatikanisch-faschistischen Konkordats geschehen war; zugleich wurde das alte Motto der Französischen Revolution ‚Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit’ auf den französischen Münzen durch ‚Familie, Vaterland und Arbeit’ ersetzt.“[8]
Offenbar stört es die Autorin nicht, dass in dem Ersatz-Motto Pétains Gott überhaupt nicht vorkommt, um von Hitlers Feindschaft gerade zur real existierenden katholischen Kirche erst gar nicht zu reden … Selbst der verteufelte Immanuel Kant hatte noch Gott an die erste Stelle gesetzt in seinen drei Postulaten: Gott, Freiheit, Unsterblichkeit…
Erzbischof Lefebvre war von einer Sichtweise der Dinge, wie das Zitat sie uns vorlegt, nicht weit entfernt, organisierte er doch regelrechte Wallfahrten an das Grab des Marschalls Pétain, der mit Hitler kollaboriert hatte, und vom deutschen "Führer" mit den verächtlichen Worten als Marionette missbraucht wurde, man solle
„die Fiktion einer französischen Regierung mit Pétain aufrechtzuerhalten. Deshalb solle man Pétain ruhig als eine Art Gespenst beibehalten und ihn von Zeit zu Zeit etwas von Laval (Pétains "Vize") aufblasen lassen, wenn er etwas zu sehr zusammensinke“.[9]
Msgr. Lefebvre hatte kein Problem damit, dass Pétain, um eine „katholische“ Innenpolitik durchzuführen, mit einem Antichristen paktierte und tausende französischer Zwangsarbeiter zur Versklavung und die jüdische Bevölkerung zur sicheren Vernichtung an Nazideutschland ablieferte. Er verehrte ihn wie einen Glaubenshelden, den er sogar um Fürsprache anrief.[10] Es ist gerade dieser Irrsinn, dass der Traditionalismus Hilfe beim Satan suchte und sucht, um seine "frommen" Interessen durchzusetzen, die einen heutigen Menschen vollends zur Verzweiflung und viele zum Glaubensabfall treibt.
In Msgr. Lefebvres Verurteilung laizistischer Staaten (die man mit sauberen Argumenten natürlich vornehmen kann!) wird die flache und verwaschene Denkweise sichtbar, die dem Traditionalismus eigen ist:
„Die Laizität ist der öffentliche Atheismus und das ist eine schwere Sünde. Der Atheismus beruht auf der Erklärung der Menschenrechte. Die Staaten, die sich seither zu diesem offiziellen Atheismus bekennen, befinden sich in einem Zustand dauernder Todsünde. Sie legalisieren die Sünde, da sie das göttliche Gesetz zurückgewiesen haben. Gesetze werden erlassen, die dem göttlichen Gesetz widersprechen. Millionen von Seelen werden dadurch in einen Zustand dauernder schwerer Sünde versetzt![11]
Anstößig ist in laizistischen Staatsmodellen der ungeschminkte und rohe Anspruch des Staates, die Religion müsse sich dem Staat unterordnen. Ob der so verstandene „öffentliche Atheismus“ (also die Neutralität des Staates in Religionsfragen v.a. wenn mehrere verschiedene Religionen berücksichtigt werden müssen) als „schwere Sünde“ angesehen werden kann, ist eine schwierige Frage, da ein Staat, selbst wenn man ihn als juristische Person versteht, an sich ja nicht „sündigen“ kann. Nur einzelne, natürliche Personen können sündigen. Erzbischof Lefebvre argumentiert aber so, als könnten Kollektive ohne konkretes Tun der reinen Potenz oder rechtlich intendierten Absicht nach schwer sündigen. In laizistischen Staaten wurden allerdings sehr wohl Konkordate mit der Kirche geschlossen oder sogar Staatsreligionen definiert. Nur im Extremfall verlangt ein laizistischer Staat die vollständige Privatisierung der Religion und schließt damit den Kreis wieder zu den alten Monarchien und autoritären Führer-Staaten: Sie ähnelt darin religiösen Staaten, die alle außer der eigenen Religion total privatisieren[12], aufs Haar. Zur Selbstrechtfertigung bleibt die Ansicht, man müsse so handeln, weil es für die Seelen und für den Willen Gottes das beste sei. Im Ergebnis konkurrieren nun viele mit je verschiedenen ideologischen Ansichten vom wahren Leben um die Macht im Staat – und jede hält sich selbst für die beste und wahrste… eine Pattsituation, die sich nicht lösen lässt. Der Versuch der gewaltsamen Lösung ist Kennzeichen der modernen Weltlage. Guerillatruppen unterwandern ungeliebte Staaten und deren ideologische Ausrichtung, versuchen zu putschen oder zu revolutionieren, und kaum sind sie an der Macht, werden sie wiederum von den alten Regierungen und ihren Fortsetzungen und Helfern in aller Welt unterwandert…
Es basiert daher nicht der „Atheismus“ auf der „Erklärung der Menschenrechte“, sondern die Meinung, man könne einen weltanschaulich neutralen Staat führen, basiert auf der „neutralen“ Formulierung dessen, was dem Menschen an Würde und Rechten zukommen müsse. Ein weiteres Mal weiß ich nicht, wie ein „Staat“ sich in dauernder Todsünde befinden kann. Der Staat kann ja – um es etwas zu karikieren - nicht bereuen und in den Beichtstuhl gehen… Ob ein Staat Sündhaftes legalisiert, muss im Einzelfall konkretisiert und nachgewiesen werden. Durch das bloße Gesetz wird noch niemand in den Stand der Todsünde „versetzt“. Man kann sagen, dass durch bestimmte Gesetze die Möglichkeit zu sündigen wesentlich erleichtert und bagatellisiert wird. Das ist beispielsweise bei der legalisierten Abtreibung der Fall. Dennoch muss ein Mensch selbst gesündigt haben – es ist philosophisch absurd, davon zu reden, „Millionen“ seien durch die Existenz der bloßen Möglichkeit zu sündigen, „in einen Zustand dauernder schwerer Sünde versetzt“ worden.
So formuliert schießt der Erzbischof also weit über die katholische Lehre hinaus, die das aktive, überhaupt sündenbewusste und willentliche persönliche Tun voraussetzt, bevor sie von einer Sünde redet. Erzbischof Lefebvre operiert hier vermutlich rhetorisch und will seine Zuhörer einerseits über die Angst zu sündigen in seinem Gefolge halten, andererseits brave Katholiken in Erregung gegen die Staatsform Frankreichs bringen.
Dass es ganz so einfach nicht ist, zeigt die Geschichte. Nicht nur perverse sexuelle Enthemmungen und Abtreibung sind „himmelschreiende Sünden“, sondern auch ungerechte soziale Verhältnisse und die ungerechte Unterdrückung bestimmter Gruppen „ohne Lobby“ zählen zu ihnen. Was letztere beiden Themen anbetrifft, sind Traditionalisten vergleichsweise fühllos.[13]
Der Erzbischof ignoriert, dass die modernen himmelschreienden Sünden im Bereich der Sexualität und des Mordes früher ganz besonders häufig bei Hofe und in der wohlhabenden Schicht ausgelebt wurden, dass die himmelschreiende Ausbeutung der Untertanen ebenfalls von den „Obrigkeiten“ ausging, und von dieser häufigen, allgemeinen höfischen Sittenlosigkeit auch die Hemmungslosigkeit des Volkes ihren Ausgangspunkt nahm. In Frankreich lag der Trennung von Staat und Kirche nicht nur die Freimaurerei mit ihren Bestrebungen, sondern der jahrelange Machtmissbrauch des Königs und der Aristokratie, am Ende dann die Dreyfus-Affaire zugrunde, in der sich royalistische, katholisch-antisemitische Kreise nicht als Liebhaber der Wahrheit erwiesen hatten. Hannah Arendt spricht vom „cerebralen Katholizismus“, der „Macht ohne Glaube“ erzwingen wollte und nichts mit dem Wunsch nach echter religiöser Erneuerung zu tun gehabt habe.[14] Ähnlich charakterisierte Jacob Burckhardt diesen reaktionär-politischen Katholizismus zur Zeit des Vaticanum I:
„Indem nun für die Fortdauer der Orthodoxie (Anm.: der Rechtgläubigkeit) nur noch rein polizeilich gesorgt wird, während sie den Mächtigen innerlich gleichgültig wird, kann man von demjenigen Institut, welches äußerlich weiter regiert, im Zweifel sein, ob es überhaupt noch eine Religion repräsentiere (…) die eigentliche Andacht aber ist in strengere Orden, zu Mystikern und einzelnen Predigern geflüchtet (…) Heiß klammert sie sich an die Vergangenheit in Macht und Besitz an (…) und das alles besitzt sie eigentlich nur zum geringen Teile für sich und ihre geistlichen Zwecke, zum größeren nur für diejenigen Mächtigen, die sich ihr aufgedrängt haben.“[15]
Es ist hier unmöglich, die vielschichtigen Auseinandersetzungen aufzurollen, aber eines ist deutlich: Die Frontlinien verlaufen in jedem Fall sehr viel komplizierter, und das Lehramt hat sich niemals zu solch platten und tendenziösen Aussagen verstiegen, wie sie der Erzbischof vornahm. All zu gut wusste jeder Papst um die Gefahr, die dem Pakt der reinen Braut Christi mit den finsteren Machenschaften des Fürsten der Welt innewohnt: Nur wenige Atemzüge trennen ihre Jungfräulichkeit von der Hurerei.
Es erstaunt nicht, dass eine Prophetin des 17. Jh voraussah, wie es im 20. Jh „keine einzige jungfräuliche Seele mehr auf Erden geben wird“.[16]

Gründe für den traditionalistischen Monarchismus

Auf der Suche nach einer Begründung des traditionalistischen Monarchismus entdecke ich mehrere Motive:

1. Die Königsherrschaft Christi

Sie ist noch verborgen. Wir gehen durch das "Erdental" der zukünftigen, unumschränkten Herrschaft Jesu Christi entgegen. Von Anfang an ist dies bezeugt in der Rede vom messianischen „Sohn David“, des rex Judaeorum, des „Königs der Juden“ und in der Aussicht auf Ihn als den richtenden Weltenherrscher, den Pantokrator. Pius XI. hat 1925 in der Enzyklika Quas primas und der Einführung des Hochfestes „Christus, König der Welt“ (Sollemnitas Domini Nostri Iesu Christi Universorum Regis) nach dem 1. Weltkrieg diese verborgene Herrschaft „proklamiert“, die schon mitten unter uns wirkt und ihrer künftigen Entschleierung zustrebt.
Die Kirche fordert von jedem Staat, gleich welche Form er hat, dass er die göttlichen Rechte einhält und die Ansprüche der Kirche in dieser Angelegenheit fördert.
Die Gestalt des Christkönigs steht andererseits in scharfer Spannung zu dem, was die Welt unter einem irdischen Imperium versteht. Was das genau heißt, soll später weiter bedacht werden.

2. Das irdische Reich als "Verzögerer" des Bösen und der Wiederkunft Christi

Der „Katechon“, von dem der heilige Paulus im 2. Thessalonicherbrief spricht, der die Erscheinung des homo iniquitatis, des „Menschen der Sünde“, der der Wiederkunft Jesu Christi unmittelbar vorangehe, noch aufhalte, sei „die Monarchie“. Genauer gesagt: der „Katechon“ sei „das Reich“, das irdische Imperium Romanum, in dem die Herrschaft Christi sichtbar werde und das mysterium iniquitatis, das „Geheimnis des Bösen“, bremse und drossle.
Diese Lehre geht zurück auf Tertullian und den hl. Hieronymus und wurde im 20. Jh durch den umstrittenen Rechtsphilosophen Carl Schmitt wieder in Erinnerung gerufen.[17] Der unbedingte und zähe, jede andere gläubige Intention dominierende Wille, mit dem aktiven und selbst gesetzten Aufhalten des homo iniquitatis auch die Wiederkunft Christi hinauszuzögern, weist eine paradoxe Feindschaft zum Herrn auf, der nach dem Endkampf mit dem Widersacher einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen wird. Im 2. Thessalonicherbrief ist keine Rede davon, dass es unsere Aufgabe wäre, zu wissen, wer oder was und wie lange man das mysterium iniquitatis aufhalten müsse … An uns ist es, um das Kommen des wahren Reiches zu bitten, also nicht zuviel Hoffnung auf irdische Reiche zu setzen: Adveniat regnum tuum! Wir meinen der Lehre nach damit das Reich, in dem Christus nach einem heilsgeschichtlichen Plan, der uns grob bekannt gemacht wurde, endlich der verherrlichte und im ganzen Universum sichtbare Herrscher sein wird, vor dem jede Kreatur ihr Knie beugen wird. Diese unumschränkte Herrschaft Christi folgt auf das Äon, in dem wir leben, kann jetzt folglich nicht vor der Zeit vom Menschen "geschaffen werden". Die Schreiben „Quas Primas“ oder „Ubi arcano Dei consilio“ von Pius XI. betonen zwar zu Recht, dass nur die Anerkennung Christi als König der ganzen Welt den verloren gegangenen Frieden schaffen kann. So sehr jeder Christ das berühmte „Apfelbäumchen“ pflanzen soll, so sehr muss er aber auch wissen, dass diese Weltzeit einem Ende entgegen geht und man diese Tatsache nicht verschlafen darf durch die vollständige Fixierung auf die Stellung der Kirche im Diesseits.
Jedes Ding hat seine Zeit, vielleicht auch ein einmal angenommener Schulterschluss von Thron und Altar. Es gab einige monarchische Leuchttürme wie den hl. Stefan von Ungarn, oder den tapferen „Türkenlouis“, Ludwig Wilhelm von Baden-Baden, oder seine besonnene und souveräne Witwe, die fromme Markgräfin Sibylla Augusta, um einmal drei zu nennen. Das alles ist vorläufig und unvollkommen, nur ein schwacher Abdruck dessen, was einst sein wird – wenn überhaupt. Die irdische, verborgene Königherrschaft Christi ist gekreuzigt worden. Sein Programm für die Zwischenzeit, bis er wiederkommt, ist nicht die politische Verwirklichung seiner Herrschaft um jeden Preis zu erzwingen, sondern bis ans Ende dieselbe Verfolgung zu erleiden, die er selbst erduldet hat. Pius XI. verschweigt auch dies bei aller Zugewandtheit zum irdischen Leben nicht:
„Doch ist diese Herrschaft vor allem geistiger Natur und betrifft die geistigen Belange. Das zeigen sehr deutlich die oben angeführten Stellen aus der Heiligen Schrift, das beweist auch Christus der Herr selbst durch die Art und Weise seines Handelns. Zu wiederholten Malen hören wir von den Juden, ja von den Jüngern selbst die irrtümliche Meinung, der Messias werde dem Volke wieder zur Freiheit verhelfen und das Reich Israel wieder aufrichten. Christus zerschlug diese Einbildung und verachtete dieses Hoffen. Als das von Bewunderung ergriffene Volk ihn zum König ausrufen wollte, da lehnte er sowohl Titel als Ehre ab, indem er floh und sich verbarg. Dem römischen Landpfleger erklärte er, sein Reich sei nicht von dieser Welt. Dieses Reich wird in den Evangelien dahin umschrieben, daß die Menschen ihren Eintritt in dasselbe durch Buße vorbereiten sollen, daß sie aber in dasselbe nur durch den Glauben eingehen können und durch die Taufe, die zwar eine äußere Handlung ist, aber dennoch die innere Wiedergeburt anzeigt und bewirkt. Dieses Reich ist einzig dem Reiche Satans und der Macht der Finsternis entgegengesetzt. Es verlangt von seinen Anhängern nicht nur, daß ihr Herz sich löse von irdischen Reichtümern und Gütern, daß sie Milde walten lassen, daß sie hungern und dürsten nach Gerechtigkeit, sondern auch daß sie sich selbst verleugnen und ihr Kreuz auf sich nehmen.“[18]
Die verzweifelte traditionalistische Fixierung auf das politische „Imperium“ als den (angeblichen) „Katechon“ erliegt in gewisser Weise genauso einem immanentistischen Denken, dem sowohl die Juden als  auch der Modernismus erlagen. Er setzt nur umgekehrte politische Vorzeichen und verweigert die radikale Blickrichtung auf den gekreuzigten Heiland, der uns doch in so vielen alten Kirchen schon am Eingangsportal empfängt und still mahnt an unsere Rolle im Heilsgeschehen.

3. Die politische "Reaktion" des 19. Jahrhunderts

Politische „Reaktionäre“ (wie sie sich selbst bezeichnen) wie z.B. Juan Donoso Cortés, haben nach der tiefen Erschütterung der alten politischen Ordnungen Europas nach 1789 den Aufstieg laizistischer Staatengebilde prinzipiell als illegitim, als eine Verneinung der gottgegebenen Ordnungen angesehen. Seine Beobachtungen treffen in vielem zu. Problematisch ist aber seine Folgerung, die „Diktatur des Dolches“ (der Plutokratie) müsse durch die „Diktatur des Säbels“ (durch eine katholische Aristokratie) bekämpft werden. Dem steht mahnend die Aussage Jesu entgegen, dass seine Getreuen nicht um ihn mit dem Schwert gekämpft haben, weil sein Reich nicht von dieser Welt sei und der, der das Schwert erhebe, durch das Schwert umkomme (s.u.). Die gewalttätige Gesinnung dieser traditionalistischen Reaktionäre dürfte der letzte Ausschlag dafür sein, dass die Kirche dem Modernismus nur noch konservativen menschlichen Wahn entgegensetzen konnte und damit alles verlor.
Ganz gewiss ist der Zusammenbruch eines einmal erreichten christlichen Gemeinwesens zu beklagen, aber ein „Anrecht“ darauf kann man schwerlich gewaltsam einfordern, wenn die Menschen absolut nicht wollen und vor allem die Obrigkeiten und weite Teile des katholischen Volkes zuvor so viel Unrecht getan haben, dass ein Aufstand gegen sie auch als Gericht betrachtet werden kann und sogar betrachtet werden muss, wie später noch zu zeigen ist… Es wäre notwendig gewesen, Buße zu tun, so wie Pius XI. es andeutete (s.o) - durch die Verwucherung von Thron und Altar, schamlose Sündhaftigkeit und politische Ränke und Machtgier ist vieles innerhalb der alten Ordnungen außer Rand und Band geraten… Es ist ungerecht, diese Eskalationen von traditionalistischer Seite als selbstverständliches Recht der kirchlichen und weltlichen Obrigkeit abzutun (das sie aus katholischer Sicht niemals haben können!) und andererseits die Resignation und Verbitterung vieler Menschen darüber einseitig zu verteufeln. Immerhin kennt die Heilige Schrift kein ewiges Anrecht auf ein Königtum. Wer ungerecht herrscht, wird von Gott selbst verworfen. Das gesamte Alte Testament ist dafür ein mahnendes Lehrstück.
Taub und blind blieben „reaktionäre“ Traditionalisten gegenüber dem Aufstieg artifizieller moderner „Monarchien“ und Führerkulte, selbst dann, wenn dieselben weder eine gottgegebene Grundlage hatten, noch katholisch waren oder schwere Verbrechen verübten (s.o.). Rechtmäßig erschien ihnen alles, was politisch „restaurativ“ und nicht "liberal" war, auch wenn es Unrecht tat.
Diese "Mainstream-Traditionalisten" haben sich lange vor dem Vaticanum II selbst über das Lehramt gesetzt und sind dem Papst in seinen politischen Entscheidungen nicht vorbehaltlos gehorsam gewesen. Sie schufen eine ungesunde Mischung aus Traditionsversatzstücken, selbstbestimmten Teilgehorsam und eigenen politischen Lehren und nutzten die zunehmende Schwächung des Papsttums dafür aus, sich selbst als Korrektoren oder wenigstens als „wahre Deutungsbeauftragte“ des Lehramts zu sehen. Man könnte – so betrachtet - die traditionalistische Haltung für eine Funktion der freimaurerischen Unterwanderung halten… Mary Ball Martinez behauptet in ihrem Buch, sogar Pius IX. sei Mitglied einer Loge gewesen und habe anfänglich in deren Interesse gehandelt, spricht damit also auch dem rechtgläubigen Papsttum das Misstrauen aus und zieht sich auf eine Position zurück, die eigenmächtig entscheiden will, was ihr recht und traditionell dünkt, wenn eine päpstliche Entscheidung ihr politisch nicht passt – und dies bereits für das frühe 19. Jh. Leider belegt die Autorin kein einziges ihrer zahlreichen Zitate[19]  und erst recht nicht ihre noch zahlreicheren Behauptungen, was sie im Nachwort damit begründet, ein ordentlicher Anmerkungsapparat hätte zu viel Platz weggenommen, und man könne ihr einfach glauben.[20]
Es ist die Frage, auf welche Kreise die Päpste im 19. Jh wirklich bauen konnten. Die für die Wandelbarkeit vieler äußerlicher Dinge, andererseits für Buße, Rosenkranzgebet und Marienverehrung aufgeschlossene Haltung Leo XIII. konnte sich in diesem Getümmel nicht leicht durchsetzen. Aus den Worten Pius XI. geht hervor, dass selbst für fromme katholische Männer kaum eine Chance bestand, auf die bislang unbekannten Erfordernisse der Moderne gerecht und vernünftig zu reagieren, als Leo XIII. seine berühmte Sozialenzyklika "Rerum novarum" (1891) veröffentlichte:
"Indes - so armselig ist nun einmal der Geistesflug selbst hochstehender Menschen - von den einen erfuhren sie (um eine angemessene Lösung für hier und heute bemühte Katholiken) als gefährliche Neuerer scharfe Ablehnung, von der anderen Seite fielen ihnen Mitarbeiter am gleichen edlen Werk. (sic!) Deren Ansichten und Pläne aber in anderer Richtung gingen, hindernd in den Arm, so daß sie in dem Widerstreit der Meinungen schließlich nicht mehr wußten, welchen Weg sie einschlagen sollten. (…)
In der Tat fand die hochherzige und hochsinnige Lehre des Papstes, die für die Welt etwas Unerhörtes war, auch bei Katholiken hier und da eine zweideutige und vereinzelt sogar eine ablehnende Aufnahme. In zu kühnem Ansturm hat Leo XIII. die Götzen des Liberalismus gestürzt, zu rücksichtslos mit eingerosteten Vorurteilen aufgeräumt, zu unverhofft zukünftige Entwicklungen vorweggenommen. Da mußten doch die Saumseligen ihre Herzen gegen die Aufnahme einer so unerhört neuen Sozialphilosophie sperren und die zaghaften Gemüter vor dem Aufstieg zu so schwindelnder Höhe zurückschrecken. Ja, nicht einmal solche fehlten, die die strahlende Lichtfülle zwar bewunderten, aber das Ganze nur als ein traumhaftes Wunschbild ansahen, das sich niemals in die Wirklichkeit überführen lasse."[21]
Anders und deutlicher gesagt: schon lange vor dem Vaticanum II erlaubte sich der Unwillige, gleich wo er geistig verortet war, den Ungehorsam gegenüber dem, was ihm persönlich nicht schmeckte, und dies nicht nur bei den Liberalen.

4. Der König ist am Kreuz erhöht?!

Der am Kreuz erhöhte rex Judaeorum, der stille und geheimnisvolle „König der Juden“, der „Erbe des Alls“, Jesus Christus, der sich wie ein Schaf zur Schlachtbank führen ließ, der aufgefahren ist in den Himmel und uns dort eine Stätte bereitet, ist nicht nur bei den Charismatikern, sondern auch bei den Traditionalisten zu einer Fantasy-Superhero-Gestalt geworden, zum „starken Mann“, der auf Erden mit Macht regieren müsse. Man will Seine Herrschaft vor der Zeit schauen, ist nicht bereit, die Heilsgeschichte und die prophezeite Finsternis am Ende der Zeiten auszuhalten, will bereits jetzt schon in seliger Anschauung leben, verkennt darüber sündhafte Zustände und verweigert den Glauben an die zukünftige Stadt, der den wahren Jünger Jesu auszeichnen sollte:
Denn wir haben hier keine Stadt, die bestehen bleibt, sondern wir suchen die künftige.“ (Hebr. 13, 14)
Je mehr sich Traditionalisten in diesen wirren Kampflinien verfingen, desto mehr irrten sie vom Weg ab, erlagen zunehmend dem “cerebralem Katholizismus“, dieser so treffenden, ironischen Benennung des Phänomens durch Hannah Arendt, und vergaßen, welches Wesens das Reich Jesu Christi war und ist und huldigten – wie Erzbischof Lefebvre ohne Not und Vorsicht - fragwürdigen Generälen und „Führern“, die sich im Rahmen dieser „reaktionären“ Veräußerlichung formal katholisch gaben, noch ein wenig mit den Requisiten der alten Monarchien Europas spielten und nicht die Herzen zurückerobern, sondern um jeden Preis mit eiserner Faust ultrakonservative Politik machen wollten.[22] Alle diese Regime fielen bald (in der ersten Hälfte des 20. Jh) entweder Hitler zu (Vichy, der österreichische Ständestaat, der italienische Faschismus), oder sie verbitterten ihre Untertanen so sehr, dass sie irgendwann mit berechtigten Anklagen und einem üblen Geschmack auf der Zunge abgeworfen wurden (Franco, teilweise auch das Salazar-Regime in Portugal, südamerikanische Diktaturen).
In der nachkonziliaren Kirche ließ man dagegen die Würde des regnum Christi in der stolpernden Umnachtung des „wandernden Gottesvolkes“ zugunsten eines charismatisch wiedererstandenen „glanzvollen“ Zombie-Papsttums untergehen und verschloss so von der anderen Seite her den Zugang zu diesem regnum meum, von dem Jesus vor Pilatus sprach,  indem die Gläubigen in der historisierenden Willkür unendlicher Metamorphosen unter dem Titel „semper reformanda“ zurückgelassen wurden.
In der dogmatischen Konstitution Lumen Gentium des Vaticanum II wurde die Gottesmutter zur Feuersäule erklärt, die dem wandernden Volk – wie einst in der Wüste Sinai den im Kreise herumirrenden Israeliten – „als Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes[23] vorangehe, was ihrer Ausweisung aus der Kirche gleichkam. Ebenso kann man den 1964 mit der Veröffentlichung der Konstitution Lumen gentium zugleich verkündeten Titel für die Gottesmutter als „Mutter der Kirche“ durch Paul VI. einordnen: war sie bislang die Mutter des Herrn und aller Gläubigen, selbst Tochter des Vaters und Braut des heiligen Geistes, wurde sie unter mehrfacher negativer Betonung ihrer Niederrangigkeit gegenüber dem einzigen Mittler Jesus Christus, so, als sei dies von der Kirche bedenklich falsch tradiert worden, nun außerhalb der Kirche gestellt als die absurde … Mutter der Braut Christi … nicht mehr als Mutter vieler einzelner Kinder und reines Urbild der Kirche, als die Braut und Kirche selbst.
Ihre Stelle usurpierte das erwähnte hochfahrende, charismatische Papsttum, das das vormalige Lehramt, dessen Inhaber als famulus des Herrn bezeichnet wurde und der Gottesmutter immer zuvorkommend die Tür aufgehalten hatte, vollständig transformierte.
Paradoxerweise hängen auch die Lefebvristen und alle ihre Fortsetzungen diesem charismatisch verstandenen „ewigen Rom“ an, als wäre es vollkommen gleich, ob sich auf dem Stuhl Petri ein Leugner der katholischen Wahrheit lagert oder ein famulus Domini. Aus ihrer Sicht wird selbst der Häretiker in seinem Glaubensabfall durch den charismatischen Charakter seines Amtes geadelt. Er ist und bleibt der „Heilige Vater“, alleine deswegen, weil er es geschafft hat, auf dem Stuhl Petri zu sitzen und angeblich niemand ihn dort „richten“ dürfe, also niemand seine offenkundigen Häresien als solche bezeichnen dürfe, ja: überhaupt erkennen könne…
Die traditionelle Überzeugung, dass die Betrachtung des unbefleckten Herzens Mariens ein sicheres Wissen für das Häretische wach hält und wir nur durch den kompromisslosen Rückhalt im unbefleckten Herzen der Gottesmutter vor Irrtümern beschützt bleiben, hat man dort offenbar vollkommen aufgegeben. Es fragt sich, was man sich von der noch in Resten vorhandenen Marienfrömmigkeit für die Herzen der Gläubigen noch erwartet, wenn nicht ein solch handfestes und überlebensnotwendiges Ergebnis im Unterscheiden der Geister…
Die charismatisch-übersteigerte Auffassung des Papsttums samt dem undifferenzierten Monarchismus sind eine Absage an die notwendige Glaubensvernunft, die Nüchternheit im Glauben, den sensus fidei, der jedem Gläubigen prinzipiell in der Geistesgabe der discretio spirituum geschenkt werden kann. Wäre tatsächlich außer einem anderen Papst niemand befähigt, eine Häresie zu erkennen, müsste man sich fragen, wozu die Kirche seit 2000 Jahren mit immenser Anstrengung zur sicheren Orientierung aller Gläubigen eigentlich die Definition von Dogmen und Irrlehren vorgenommen hat… und sie hat sie doch aus dem reinen Herzen Mariens geschöpft, diesem menschlichen Geist, der ohne jede Anfälligkeit für den Irrtum ist…
So wahr es ist, dass die Sakramente ex opere operato wirken, also nicht von der persönlichen Würde des Spenders abhängen, so wahr ist andererseits, dass dies ausschließlich für die Sakramente gilt. Weder das Papsttum noch das Königtum sind jedoch Sakramente, und die Irrlehre, ein Papst müsse qua Amt zwingend – selbst wenn er mit vollem Willen und Bewusstsein das Gegenteil anstrebt – das vor Gott Rechte tun und vertreten, ist eines der verheerendsten Missverständnisse unserer Zeit. Die Rückseite dieses Irrtums bedeutet nämlich, dass man das Papsttums eigentlich nicht braucht, wenn es gleich ist, ob ein Irrlehrer dieses Amt innehat oder ein Rechtgläubiger. Unter solchen „Päpsten“ macht jeder, was ihm beliebt, auch und vor allem die Traditionalisten, die sogar Bischöfe gegen den Willen des „Heiligen Vaters“ weihen, und genau dies ist unsere derzeitige Lage.


Eine Überlegung Reinhold Schneiders

Voranstellen will ich meinen nun folgenden vertiefenden Gedanken eine Tagebucheintragung Reinhold Schneiders, die zwar diesen irrtümlichen Vergleich von sakramentalen Weihen mit nicht-sakramentalen Inthronisationen enthält, davon abgesehen aber sehr bedenkenswert ist:

 „Gegen die Vergötzung des Blutes wollte mein Buch über die Hohenzollern die tragische Forderung der Krone, das in ihr beschlossene Opfer stellen (…) Es sollte ein Aufruf zur Monarchie sein in letzter, wahrscheinlich schon zu später Stunde: ich schloß es am 5. März 33, dem Propagandafest der erwachenden Nation. (…) heute sehe ich, dass die Monarchie wahrscheinlich zum Militärstaat geworden und damit der Gefahr, den Krieg heraufzurufen, kaum entgangen wäre. (…) Ich habe meine monarchische Gesinnung niemals aufgegeben; sie ist später durch meine Wende zum Glauben nur vertieft, ja erst begründet worden, und es ist mir sehr schwer verständlich, dass Christen, die an das Weltkönigtum Christi glauben, die eigens das Königsfest Christi feiern, das Königtum von Gottes Gnaden als Bild und Zeichen ewigen Königtums nicht verstehen; dass sie das Amt am Amtsträger messen, während sie doch nicht daran denken, die Gültigkeit des Sakraments von seinem Spender abhängig zu machen. Und während sie doch glauben – und das ganz mit Recht - , dass der Mönch, der Priester umgeschmolzen werden von der Weihe, sehen sie die umformende Macht des geweihten irdischen Amtes nicht, die doch als geschichtliche Tatsache nicht angezweifelt werden kann, wenn sie auch freilich oftmals ausblieb. Ich habe einen großen Teil meiner Lebensarbeit auf die Krone gerichtet in der Absicht, an ihrer inneren Wiederherstellung mitzuarbeiten, die geistigen und religiösen Voraussetzungen zu schaffen, ohne die sie nie erhoben werden darf. Aber über dem abgründigen Bruch geschichtlichen Lebens, der im Jahr 33 aufzuklaffen begann und nach zwölf Jahren vollzogen war, habe ich nur meine Gesinnung getragen, nicht meine Hoffnung und Absichten. Lieben kann ich nur die Krone, die ins Metaphysische weisende Ordnung, und eben weil ich sie liebe als verpflichtendes Bild und Gleichnis, als Symbol des Opfers und seiner Herrschaft, als Weihe der Macht und Einheit von Macht und Liebe, kann ich nicht wünschen, dass sie in das Klima, in dem wir atmen müssen und wahrscheinlich untergehen, getragen werde. Es würde dann das Wunder geschehen, dass Gold verrostet; würde ein König geboren, so müsste er verkümmern wie ein edles Tier in Gefangenschaft. Echtes Königtum ist Antwort an (…den) Wunsch nach Erhöhung der Familie, nach der Krone auf dem Haupte der Frau und Mutter und nach ihrer Gegenwart in der Mitte geschichtlichen Daseins. Weniges ist so bezeichnend für die zwölf Jahre wie die völlige Abwesenheit der Frau; denn wo immer sie anwesend war, da war sie abwesend als Frau. Im eigentlich Geschichtlichen fehlte sie durchaus: sie hat sich auf die Seite des Mannes geflüchtet, weil sie nicht wagte zu sein, was sie sein soll. Zugleich vergötzte sie paradoxerweise gerade den Mann, der das nicht war. Ich weiß nicht, ob sie heute da ist. (…) Aber nach den Erfahrungen meines Lebens ist das deutsche Volk für mich so wenig eine politische Autorität, wie es die Kirche ist; es sind nur einzelne, die raten und helfen können. Im übrigen atmen Könige nur in der Atmosphäre unmittelbar-anvertrauter, freier Macht; ich weiß nicht, ob solche außer in schmelzenden Resten noch in Europa besteht oder möglich ist – ob nicht eine ganz andere Art von geschichtlicher Existenz vor uns liegt: die Zeugnis gebende Passion, das Dasein des sterbenden Kornes (…) Und in einer solchen Passion wäre die Krone gerettet; der König der Könige hat sie getragen als blutüberströmtes Zeichen der Schmach, als äußersten Widerspruch gegen die dennoch bis in den Tod geliebte Welt, als Nein an Augustus, den von den Völkern geglaubten Heiland; als Siegel der Wahrheit, die allein Macht ist und Pilatus, Herodes und Augustus, Hohepriester und Tempel verzehrt.“[24]

1.  Das irdische Königtum: Abbild Christi oder Abbild des „Fürsten dieser Welt“?

1.1. Königtum und Selbstherrschaft in Israel

Jesus Christus ist im Alten Bund angekündigt als Spross aus dem Hause Davids. Die Israeliten erwarteten ihn und wussten, dass er in der Stadt Davids, in Bethlehem, geboren werden und seinem Haus entstammen würde (vgl. Mt. 2, 1-6). Alle Frauen Israels hofften, die verheißene „Gebenedeite“ zu sein, die als Mutter mit diesem König die Schlange besiegen würde.

Das Volk Israel, das erste Bundesvolk, hatte in seiner Frühzeit keine Könige. Gott erweckte aus seiner Mitte Propheten und Richter. Darunter waren auch Frauen.[25] Diese Zeit zwischen den „Söhnen Jakobs“ und dem ersten israelitischen König scheint ca. 400 Jahre (ca. 1400 – 1000 v. Chr.) gedauert zu haben.[26] Nach der Ansiedlung der Israeliten im gelobten Land wurde es ca. 200 Jahre lang von Gott selbst regiert, der Richter berief, um im Gemeinwesen Recht zu sprechen und Auseinandersetzungen mit den Nachbarn anzuführen. Noch unter dem ersten Richter Josua wird offenbar, dass das Volk Israel tiefgreifende Pakte mit Nachbarvölkern schließt und vom Glauben abfällt. Ein erstes Mal erscheint der „Engel des Herrn“ und mahnt (Ri. 2).Wiederholt heißt es, das ganze Volk habe getan, was Gott missfiel und den Baalen gedient. In mehreren Anläufen erzieht sich der Herr sein Volk immer wieder zurück – zu nennen sind die Richter Otniel, Ehud, die Richterin Deborah, dann die schillernde und doppelgesichtige Gestalt des Richters Gideon, gefolgt von der tragischen Gestalt des lebenslang gottgeweihten Nasiräers und Richters Simson, die bereits messianische Züge trägt und doch vollkommen scheitert durch eine kindische Anspruchshaltung und wiederholte Ausschweifungen (Ri. 13 ff). Eine unselige Rolle spielen seine Hurerei (Ri. 16, 1-3) und seine sexuelle Abhängigkeit von der Philisterin Dalila, die von den Feinden gezielt als Lockvogel eingesetzt wird und die er – entgegen den Anweisungen des Herrn – zu seiner Geliebten machte. Wegen dieses Ungehorsams wird er von Gott verlassen und geht unter.
Der geistliche und moralische Tiefpunkt Israels ist in dieser Phase seiner Geschichte die furchtbare Bluttat in Gibea im Land Benjamin (Ri. 19), bei der ein Mann aus der Priesterkaste der Leviten, der mit seinem Knecht und seiner Nebenfrau auf der Durchreise zu Gast bei einem alten Mann ist, von den Bewohnern der Stadt überfallen und zu homosexuellen Handlungen gezwungen werden soll. Das Ende vom Lied ist, dass „der Levit“ die eigene Nebenfrau gewaltsam aus dem Haus schleift und den verbrecherischen Männern zum Fraß vorwirft. Die Horde missbraucht und vergewaltigt sie die ganze Nacht über. Die Frau schafft es im Morgengrauen noch, sich ins Haus zurückzuschleppen, bleibt aber auf der Schwelle liegen und stirbt. Diese grausame Tat erinnert mich an das einsame und ausgelieferte Los Jesu Christi…. Der Levit, der sie als Nebenfrau hielt, hatte offenbar eine Nacht ohne großes Nachdenken über das, was seiner Gefährtin da draußen geschieht, verbracht, fand sie morgens auf der Schwelle liegend vor und befahl ihr, aufzustehen, weil er nun seine Reise fortsetzen wolle. Als er entdeckt, dass sie tot ist, zerschneidet er sie mit seinem Dolch in zwölf Teile und schickte die Leichenstücke in alle Stämme Israels. Es ist wie in den Tagen Sodoms und Gomorrhas – nein schlimmer noch: jede Liebe scheint vollkommen erkaltet zu sein.
Die Perversität der Situation und die schreckliche „Kadaverpost“ löst in Israel einen Schock aus. Es wird berichtet, wie sich alle Ältesten versammeln und beraten, was zu tun sei. Von einem amtierenden Richter ist keine Rede. Man lebt ganz offenbar in Selbstherrschaft. Es ist erst recht keine Rede davon, dass man den Herrn befragt hätte, was zu tun sei. Die versammelten, militärisch aufgestellten Israeliten fordern die Stadt Gibea auf, die Bluttäter herauszugeben. Die Benjaminiter weigern sich und rüsten auf. So kommt es um dieser Greueltat willen zu einem ersten Bürgerkrieg in Israel. Der Stamm Benjamin wird fast vollständig vernichtet. Jammernd steht das Volk Israel im Morgengrauen eines trüben Tages nach der Schlacht da, baut erstmalig wieder einen Alter und bringt Gott ein Opfer dar: „Gott Israels, warum musste das in Israel geschehen?“ lamentieren sie (Ri. 21, 3). Von einem Richter ist nach wie vor nicht die Rede. Die Geschichte geht ungut weiter, mit Frauenraub für die übriggebliebenen 600 männlichen Benjaminiter, die sich hatten retten können und mit denen man plötzlich wieder Mitleid verspürt. Die innere Verbindung der äußersten Erniedrigung der Frau mit dem tiefsten Abfall von Gott wird in dieser Erzählung deutlich. Das Buch Richter schließt mit den Worten:
„In jenen Tagen gab es noch keinen König in Israel; jeder tat, was ihm gefiel.“ (Ri. 21, 25)

Das Amt der Richter wird von wiederholten Auftritten des „Engels des Herrn“ begleitet. Richter sind Diener des Herrn und wissen, dass nur Gott allein der König sein kann.
Ein erster Bruch mit dieser Tradition geschieht durch die Israeliten gegenüber dem erfolgreichen Richter Gideon. Sie treten vor ihn und verlangen ein Erbkönigtum: „Werde unser Herrscher, du und auch dein Sohn und dein Enkel, denn du hast uns aus der Gewalt Midians befreit.“ Gideon lehnt jedoch ab mit folgender Begründung: „Ich will nicht über euch herrschen, und auch mein Sohn soll nicht über euch herrschen; der Herr soll über euch herrschen.“ (Ri. 8, 22 ff) Der Herr hatte die Israeliten aus der Gewalt Midians befreit… Aber in Gideons Frömmigkeit geschieht ein Riss, und er fällt vom Glauben ab. Er macht aus dem erbeuteten Gold der Midianiter ein Götzenbild, mit dem die Israeliten Abgötterei betreiben, was zur totalen Apostasie des Hauses Gideon führt (Ri. 8, 24 ff). Es wird nüchtern und sichtlich ohne Sympathie festgestellt, dass Gideon „viele Frauen“ und 70 (!) Söhne gehabt habe (man kann rund 70 Töchter dazurechnen), die allesamt vom Weg des Herrn abwichen und mitsamt dem ganzen Volk Abgötterei trieben, die ihr Stammvater Gideon eingeleitet hatte. Die Geschichte zeigt die Verbindung von Vielweiberei und Abgötterei (Ri. 8, 30 ff).

Der endgültige Bruch mit dem Herrn als dem wahren König Israels geschieht während der Amtszeit des alten Richters und Propheten Samuel. Er setzte seine beiden Söhne Joel und Abija in Beerscheba als Richter ein. Es heißt von diesen beiden, sie seien bestechlich und raffgierig gewesen und hätten das Recht gebeugt (1. Sam. 8, 3). Die Israeliten beklagen sich daraufhin bei dem betagten Propheten und fordern einen König „wie es bei allen Völkern der Fall ist“ (1. Sam. 8, 5). Nicht ersichtlich ist, warum sie glauben, mit einem König seien sie gefeit vor solcher Ungerechtigkeit.
Die direkte Herrschaft Gottes war in Israel gründlich gescheitert. Und selbst die Gerechten, selbst die, von denen es heißt, der Herr sei mit ihnen gewesen, gleiten aus und fallen vom Glauben ab. Die Richterzeit in ihrer äußersten Zuspitzung der ungerechten Verwalter oder sogar des vollkommenen Ausfalls von Verwaltern wirft die Problematik der Selbstherrschaft („Demokratie“) eines Volkes auf, die leicht in die Orientierungslosigkeit entgleitet.
Der alte Prophet Samuel wirft sich vor das Angesicht des Herrn und bitte um Rat.
Die Antwort Gottes an Samuel beinhaltet zwei wichtige Hinweise auf die Frage nach der Rechtmäßigkeit und Notwendigkeit eines Königs. Samuel war – abgesehen von seinen missratenen Söhnen – selbst ein gerechter und gottwohlgefälliger Richter. Es musste ihn tief treffen, dass die Israeliten nicht ihn um die umfassende Ausübung des Richteramtes baten, sondern mit seinen Söhnen auch ihn verwerfen wollen.
Gott tröstet Samuel über diese Undankbarkeit hinweg mit den Worten:
„Nicht dich haben sie verworfen, sondern mich haben sie verworfen: ich soll nicht mehr ihr König sein. Das entspricht ganz ihren Taten, die sie immer wieder getan haben, seitdem ich sie aus Ägypten heraufgeführt habe, bis zum heutigen Tag; sie haben mich verlassen und anderen Göttern gedient. So machen sie es nun auch mit dir.“ (1. Sam. 8, 7 f)
Gott stellt den permanenten Glaubensabfall der Israeliten seit dem Auszug aus Ägypten in direkten Zusammenhang mit ihrer Forderung nach einem irdischen Herrscher.
Gott setzt seine Rede an Samuel fort:
„Warne sie eindringlich und mach ihnen bekannt, welche Rechte der König hat, der über sie herrschen wird.“ (V. 9)
Samuel zählt dem Volk diese Rechte auf:
„Das werden die Rechte des Königs sein, der über euch herrschen wird: Er wird eure Söhne holen und sie für sich bei seinen Wagen und seinen Pferden verwenden und sie werden vor seinem Wagen herlaufen.
Er wird sie zu Obersten über (Abteilungen von) Tausend und zu Führern über (Abteilungen von) Fünfzig machen. Sie müssen sein Ackerland pflügen und seine Ernte einbringen. Sie müssen seine Kriegsgeräte und die Ausrüstung seiner Streitwagen anfertigen.
Eure Töchter wird er holen, damit sie ihm Salben zubereiten und kochen und backen.
Eure besten Felder, Weinberge und Ölbäume wird er euch wegnehmen und seinen Beamten geben.
Von euren Äckern und euren Weinbergen wird er den Zehnten erheben und ihn seinen Höflingen und Beamten geben.
Eure Knechte und Mägde, eure besten jungen Leute und eure Esel wird er holen und für sich arbeiten lassen.
Von euren Schafherden wird er den Zehnten erheben. Ihr selber werdet seine Sklaven sein.
An jenem Tag werdet ihr wegen des Königs, den ihr euch erwählt habt, um Hilfe schreien, aber der Herr wird euch an jenem Tag nicht antworten.
Doch das Volk wollte nicht auf Samuel hören, sondern sagte: Nein, ein König soll über uns herrschen.
Auch wir wollen wie alle anderen Völker sein. Unser König soll uns Recht sprechen, er soll vor uns herziehen und soll unsere Kriege führen.“ (1. Sam. 8, 11 ff)

Der erste König Israels hieß Saul. An seiner Gestalt wird das Dilemma offenkundig, das jedem irdischen Königtum anhaften muss: Er wird zwar von Gott erwählt, setzt sich aber über kurz oder lang an dessen Stelle, gehorcht ihm nicht mehr und bringt das Volk in einen Loyalitätskonflikt zwischen sich selbst und Gott. Noch während er regiert, wird er wegen dieser Anmaßung von Gott verworfen und durch den heimlich auf Geheiß des Herrn wiederum durch den greisen Samuel gesalbten David ersetzt. Gott verhilft seinem Gesalbten trotz Missgunst des verworfenen Königs Saul auf den Königsthron. David verstrickt sich in Sünden. Er betreibt Vielweiberei und wird dabei zum Ehebrecher, Intriganten und Mörder.
Im Gegensatz aber zu allen Männern, von denen bisher ähnliches berichtet wurde, vollzieht sich in seiner Gestalt zum ersten Mal in Israel echte Reue und Buße. David ist König, aber durch seine radikale Bereitschaft zum Sündenbekenntnis vor dem Propheten Nathan und in vielen Psalmen, durch seine große Sehnsucht nach Vergebung und Willensübereinkunft mit dem Herrn entsteht eine völlig neue Haltung in Israel.
David ist das Modell des Königs, der das Königtum dem Herrn zurück in seine Hände gibt. Sein tiefster Wunsch ist es, dem Herrn den Palast, das Schloss zu bauen, das dessen Herrschaft ausrücken soll: den Tempel. Gott versagt ihm diesen Wunsch. David soll ihm kein steinernes Haus bauen. Der Prophet Nathan richtet dem König aus: Gott ist mit den Israeliten und mit David immer umhergezogen. Sein Wohnort ist in einem unzugänglichen Licht. Nicht David wird dem großen Gott ein Haus bauen, sondern der allmächtige Gott wird ihm ein Haus bauen – in der Zukunft – und seinem Haus ewigen Bestand verleihen im kommenden Königtum Jesu Christi (2. Samuel 7). David nimmt diese „Abweisung“ in großer Demut an:
Der Herr der Heere ist Israels Gott!, und das Haus deines Knechtes David wird vor deinen Augen Bestand haben.
Denn du, Herr der Heere, Gott Israels, hast deinem Knecht offenbart: Ich will dir ein Haus bauen. Darum fand dein Knecht den Mut, so zu dir zu beten:
Ja, mein Herr und Gott, du bist der einzige Gott und deine Worte sind wahr. Du hast deinem Knecht ein solches Glück zugesagt.
So segne jetzt gnädig das Haus deines Knechtes, damit es ewig vor deinen Augen Bestand hat. Denn du, mein Herr und Gott, hast es versprochen und mit deinem Segen wird das Haus deines Knechtes für immer gesegnet sein.“ (2. Sam. 7, 26)
Er bleibt damit in der Königsgeschichte Israels einzigartig.
Nach ihm aber zerfiel das Reich Israel trotz des salomonischen Tempels in zwei Reiche und eine endlose Kette von Königen, die – von wenigen Ausnahmen abgesehen – taten, was dem Herrn missfiel. Bis hin zu der Gestalt des römischen Klientelkönigs Herodes ist das Königtum Israels der Ort, an dem sich im wesentlichen die widergöttlichen Neigungen des ganzen Volkes konzentrieren und wie in einem Eitergeschwür Ausdruck der fortgeschrittenen inneren Krankheit geben. So sehr das Königtum die Ordnungen wahren soll, so sehr verfehlt es diese Aufgabe fast immer.

Der kommende Messias sollte daher nicht an irgendein Königtum, sondern an das Königtum Davids anknüpfen. Wie David wird Christus erst „verborgen“ regieren. Wie David hat er einen verworfenen Widersacher, der seine Position mit allen Mitteln verteidigt. Erst wenn dieses Äon des verworfenen Widersachers und seiner Herrschaft zu Ende ist, dann wird Seiner Herrschaft kein Ende mehr sein… Wie David das Leben des Verworfenen nicht antastete (1. Sam. 24 + 26), so tastete auch der Herr die Herrschaft des Bösen nicht gewaltsam an. Gott alleine setzt dem Verworfenen die Grenze.

1.2 Der Christus und der Fürst der Welt

Als Christus geboren war, reisten Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und erfragten am Hof des Königs Herodes, wo der neugeborene König der Juden zu finden sei. Es heißt, Herodes „und mit ihm ganz Jerusalem (erschraken)“ (Mt. 2, 3).  Der römische Klientelkönig Herodes sah seine Macht in Gefahr. Aus den Forschungen der Schriftgelehrten geht hervor, dass sowohl Herodes als auch die Geistlichen sehr wohl wussten, dass es um diesen Spross aus dem Hause Davids ging, der so lange erwartet worden war.
Die regionale monarchische Gewalt wollte der Geburt Christi eine erbitterte Vernichtung entgegensetzen. Wäre der Ziehvater Joseph nicht im Traum aufgefordert worden, sofort das Land zu verlassen und nach Ägypten zu fliehen, wäre der kleine Jesus dem Kindermord von Bethlehem zum Opfer gefallen.
Die Antwort des Monarchen auf die Erscheinung des Herrn war, ihm nach dem Leben zu trachten.

Dieser politische Auftakt des Lebens Jesu ist Zeichen für die ambivalente Beziehung zwischen irdischer Monarchie und Christus und setzt sich bis zur Kreuzigung des Sohnes Gottes durch die Staatsgewalt fort:
Das Imperium romanum lässt sich zunächst in seiner Machtsicherheit und Arroganz von der Geburt und später vom Auftreten des Gottmenschen in und um Galiläa und Jerusalem nicht aus der Ruhe bringen. Ein Wunder vollbringender Wanderprediger, der Sätze sagt wie „Wer das Schwert nimmt, soll durchs Schwert umkommen“ (Mt. 26, 52) kann der staatlichen Gewalt eigentlich nur recht sein… Die Arroganz der römischen Macht geriet später erst dann in Unruhe, als sich der Kaiser in einem ansonsten supertoleranten Klima selbst als Gott verehren ließ, die Kirche aber wuchs und dem Imperium die Seelen sichtbar, unverwechselbar und unwiderruflich entriss: ein Machtkampf zwischen irdischem Reich, das alles, was dem Fürsten der Welt entstammte, befriedet hatte (!), und dem himmlischem Reich, das die ganze Seele und die scharfe Absage an die Finsternis  forderte, war ausgebrochen.
Jesus hatte für sein Königtum, seine Kirche auf Erden keinen irdischen König, sondern einen Stellvertreter seiner selbst eingesetzt: den Felsen bzw. ein menschliches Abbild des Felsens, der Christus selbst ist. Und das ist Petrus, der Papst. Es liegt in der Logik des Konfliktes zwischen Monarchie und Reich Gottes, dass die ersten Päpste, als das Zeichen des Widerspruchs zum Fürsten der Welt, im Umfeld der römischen Kaiser Märtyrer werden mussten. Die Streitigkeiten in der Forschung darum, ob die ersten Päpste wirklich oder nur der Legende nach Märtyrer waren[27], offenbaren in jedem Fall eines: Die Kirche war von Anfang an überzeugt, dass das Martyrium zum Papsttum gehört wie das Kreuz zu Christus. Eine Entspannung – keine prinzipielle Aufhebung (!) – trat erst mit der „konstantinischen Wende“ im 4. Jh ein. Die Kirche mit ihrem Stellvertreter Christi sollte alle Reiche der Welt durchdringen wie ein Sauerteig.

1.3. Jesus und die Reiche der Welt

Bevor unser Herr öffentlich auftrat, fastete er 40 Tage lang in der Wüste und wurde dort vom Satan, dem Fürsten der Welt, versucht. Eine der Versuchungen war die zur irdischen Macht:
Wieder nahm ihn der Teufel mit sich und führte ihn auf einen sehr hohen Berg; er zeigte ihm alle Reiche der Welt mit ihrer Pracht und sagte zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest. Da sagte Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn in der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen. (Mt. 4, 8 ff)

Aus dieser Episode werden mehrere Dinge deutlich:
  • Der Satan stellt sich selbst als den Herrn der irdischen Reiche und ihrer Pracht dar.
  • Weder Jesus noch der Autor Matthäus bestreiten diese Darstellung.
·         Wenn der Satan der Fürst aller Reiche der Welt ist, dann folgt daraus, dass das aktive Streben nach Gewinn und Erhalt irdischer Macht und Pracht um den Preis der Anbetung des Satans geschieht. Ausgenommen ist nur die Situation, in der Gott einen Kampf verordnet oder es dem Gerechten „im Schlaf gibt“, wie wir es im Brevier beten:
·         „Baut nicht der Herr das Haus, * dann mühen sich umsonst, die daran bauen.
Bewacht nicht auch der Herr die Stadt, * dann wacht umsonst ihr Wächter.
vergeblich ist es euch, früh aufzustehen und spät noch umzugehn, † in Sorgen euer Brot zu essen; * gibt Seinem Liebling doch der Herr im Schlaf…“ (Ps. 126)
[28]
  • Jesus setzt in seiner Reaktion die radikale Anbetung des Herrn und Gottes im Himmel jeder Versuchung zur irdischen Macht als förmlichen Widerspruch entgegen.
  • Der Satz „Weg mit dir Satan“ fällt im NT nur noch einmal in einer anderen Erzählung als Petrus verhindern will, dass der Christus der irdischen Macht ausgeliefert wird. Petrus hat ganz offenbar im Hinterkopf, dass Jesus am Ende doch die irdische Macht gewinnt und ihr daher auch standhalten soll. Petrus sagt: „Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir geschehen!“ Man kann sich vorstellen, dass Jesus in diesem Moment an die Versuchung in der Wüste dachte, wenn er seinem erwählten Ersten der Apostel entgegenschleudert:
Weg mit dir Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.“ (Mt. 16, 22 ff)
Dieser letzte Satz ist die Ausgestaltung dessen, was der alte Simeon der Gottesmutter bei der Darstellung Jesu im Tempel prophezeit hatte: „Er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird.“ (Lk. 2, 34)

Parallel zum Ausgären des mysterium iniquitatis wird also das Königtum Christi die Reiche der Welt wie ein Sauerteig durchdringen. Dieser Prozess mündet in den Endkampf zwischen dem Drachen, dem Satan, dem homo iniquitatis, der viele Vorläufer hat, und Christus, Maria, dem Erzengel Michael und den Heiligen. Der Herr Jesus Christus wird – wie einst David – nach so langer verborgener Herrschaft mit einem Mal, wie ein Blitz, für immer ganz hell und deutlich als König und Weltenrichter erscheinen.

1.4. Jesus und die „concupiscentia feminarum“ – die Sehnsucht der Frauen

Die Erscheinung des Herrn in seinem Eigentum führt nicht zu einer einfachen „Heiligung“ ansonsten irdischer Konstellationen, sondern zu einem erbitterten Kampf zwischen dem, der von Gott stammt und Gott ist und Evas verhängnisvoll irregeleitete und entgleiste Sehnsucht nach Erkenntnis erfüllen wird, ja: in Maria, der Erwählten, bereits erfüllt hat (!), und dem Fürsten der Welt, der das, was er sich durch diese perfide Umkehr der Sehnsucht Evas erschlichen und womit er sich einen zahlreichen Anhang geschaffen hat, mit allen Mitteln verteidigen wird.
Aus sich selbst und … aus einer Frau … wird der Sohn Gottes sein Königtum in der Welt (wieder-)aufrichten, wie es in der Genesis verheißen wurde (Gen. 3, 15) und wie es die Frauen Israels ersehnten. Und alleine die Tatsache, dass er sein Reich mit der von ihm selbst huldvoll ausgestatteten Frau begründet, der er das reine Herz schenkt, das Platz genug hat für seine Ankunft in der Welt, und den Mann erst anschließend hinzu beruft, ist ein starker Hinweis auf den Widerspruch zum „Willen des Mannes“, dem der Prolog des Johannes-Evangeliums eine harte und scharfe Absage erteilt: was aus Gott geboren ist, kann niemals dem „Willen des Fleisches“, niemals dem „Willen des Mannes“ entstammen (Johannes 1). Dies zu bemerken hat nichts mit „Feminismus“ zu tun, wie man das aus traditionalistischen und neokonservativen Kreisen immer wieder um die Ohren geschlagen bekommt. Dem verworfenen „Willen des Mannes“ wird ja nicht der „Wille der Frau“ als Variante des „Willens des Fleisches“ entgegengesetzt, sondern das gnadenhafte, ganz im Willen Gottes beschlossene „Fiat“ aus der Frau. Der Herr umgibt, „überkommt“ und „überschattet“ (Lk. 1, 35) die Frau (Maria), und sie wird mit ihrem aktiven und freien Einverständnis sein Tabernakel und umgibt wiederum IHN – „Quia creavit Dominus novum super terram: femina circumdabit virum. - Denn etwas Neues erschafft der Herr im Land: Die Frau wird den Mann umgeben.“ (Jeremia 31, 22)
Es ist unmöglich, die Tradition anders zu verstehen, ohne ihr Gewalt anzutun, sie zu verkürzen oder zu veräußerlichen. Die Beraubung der Tradition um die zentrale heilsgeschichtliche Bedeutung der Frau Maria hat die endgültige Entrechtung der Frau, deren Urheber nach Gen. 3 der Satan selbst ist, eingeleitet. Wer sich in Feindschaft zur Frau setzt, tut dies zwingend im Verbund mit dem Fürsten der Welt. Wer die Frau verachtet, verachtet auch ihren Nachkommen, mit dem sie der Schlange den Kopf zertreten wird. Der Traditionalismus mag sich daher fromm wähnen wie er will – in diesem einen Detail stimmt er auf bestürzende Weise mit dem feministischen Progressismus überein. Beide Ideologien ertragen die Frau aus scheinbar gegensätzlichen, in Wahrheit aber gleichen Gründen im Heilsplan Gottes nicht. Sie ertragen die Frau als Ebenbild des Sohnes nicht und lehnen die Krönung Mariens ab. Was immer im Einzelnen vorgetragen wird, beide Seiten tun alles, scheuen vor keiner Sophisterei und Subtilität zurück, um die Frau niederzuhalten, auszulöschen, zu beherrschen.
Es ist und bleibt ein Stein des Anstoßes für jeden antichristlichen Geist, dass die Frau, weil sie von Gott selbst in Feindschaft zum Satan gesetzt wurde, nicht mehr erniedrigt oder in ihrem gottebenbildlichen Wesen zum schwachen Abklatsch des Mannes „aufgelöst“, sondern als Frau sogar regelrecht bevorzugt und mit dieser großartigen Aufgabe betraut wird. Viele Heilige wussten: Es ist sicheres Zeichen der Verwerfung, wenn Maria in dieser eigenen weiblichen Rolle entwertet oder gelöscht wird.[29] Der Grund liegt nicht in einem feministischen Anspruchsdenken, das lediglich den maskulinen Dominanzanspruch umkehrt, sondern darin, dass der „Wille des Mannes“ sich seit dem Sündenfall bewusst dem Willen Gottes entgegenstellt. Der Fall liegt bei der Frau anders: sie erlag einer Täuschung und ließ sich verführen. Ihre Sehnsucht nach tieferer Gotteserkenntnis wurde vom Satan missbraucht und irregeführt. Das Neue Testament spricht daher durchweg von der größeren Verfehlung Adams, auch wenn Eva zuvor zur Übertretung verführt wurde.
Jesu selbstverständlicher und freier Umgang mit der Frau ist ein wesentliches Merkmal seiner transzendenten und geheimnisvollen, auf Erden schon wirksamen Herrschaft, und schimmert beim Propheten Daniel hindurch, der den Antichristen als einen Mann bezeichnet, der weder die Götter seiner Väter noch die concupiscentia feminarum – die „Sehnsucht der Frauen“ (meist als „Liebling der Frauen“ übersetzt) – achten wird (Dan. 11, 37). Um Jesus sammelten sich wie selbstverständlich die Frauen. Viele erkannten ihn sofort und sammelten sich unspektakulär, leise um ihn, waren einfach da. Und er sprach mit ihnen über geistliche Dinge nach den Berichten der Evangelien nicht anders als mit Männern.
Immer wieder stellt er sich an ihre Seite, wenn ihre männlichen und „auf die Seite des Mannes geflüchteten“ (s.o. Schneider) weiblichen Ankläger auftreten. Es ist wirklich so, wie es in der Genesis angesagt wurde: Er hat nach dem Sündenfall Feindschaft gesetzt zwischen die Frau und den Satan und zugelassen, dass der Mann die Frau beherrschen würde (Gen. 3, 16). In dem Satz an die Schlange „Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau“ sprach Gott der Frau, die Er für ihren Drang nach tieferer Erkenntnis nicht kritisierte, Seine Treue aus. Evas Motive, das Gebot zu übertreten, entsprangen einer Verführung zu Erkenntnisgewinn „vor der Zeit“. Adam dagegen war, ohne verführt worden zu sein, bewusst ungehorsam (1. Tim. 2, 14). Das wirft ihm Gott vor und darum trägt Adam nach der gesamten Schrift auch die Hauptlast. Ihm ist keine vergleichbare Verheißung gegeben worden. Der gefallene Adam aber erkannte dies an, indem er Eva als „Mutter aller Lebendigen“ benannte (Gen. 3, 20). Jesus war und ist die als Mann fleischgewordene göttliche Gestalt dieser Verheißung, er ist die „Sehnsucht der Frauen“, der „neue Adam“. Jede Frau guten Willens liebt ihn. Sie spricht es laut aus: Rex meus et Deus meus! (Psalm 5) – mein König und mein Gott. Sie tut dies unabweisbar, zum Erstaunen aller Welt, und weil nach der Schöpfungsordnung der Mann der Frau anhängt und nicht umgekehrt (Gen. 2 24), und sowohl Jesus (Mt. 19, 5) als auch der hl. Paulus (Eph. 5, 31) darauf verweisen, zieht sie auf diese Weise viele mit ins Reich Gottes. „(Die Frau) wird dadurch gerettet werden, dass sie Kinder zur Welt bringt.“ (1. Tim. 2, 15) Mit Maria wird sie vielen zur „Himmelspforte“. Die Frau kann sich mit Jesus nicht mehr, wie Reinhold Schneider es beklagt, „auf die Seite des Mannes flüchten“, sondern sie „wagt nun zu sein, was sie sein soll“.
Reinhold Schneider hat als Mann die in der Tradition beschlossene Verknüpfung des Königtums Christi mit der Krönung der Frau und Mutter sensibel erfasst und ausgesprochen. In einer gewissen Weise ist die stille Herrschaft der Frauen der noch verborgenen Herrschaft Christi assoziiert.

1.5. Jesus, die traditionelle geistliche Oberschicht Israels und das Imperium Romanum

Der Anhang des Fürsten dieser Welt ist zur Zeit Jesu in der besonders erbitterten und fanatischen Version fast ausschließlich in der geistlichen Hierarchie und unter den besonders Traditions- und Gesetzestreuen zu finden.
Der fromme Anhang des Satans versucht Jesus der Untreue gegenüber dem Monarchen zu überführen:
„Ist es uns erlaubt, dem Kaiser Steuern zu zahlen, oder nicht?“ (Lk. 20, 22) Die Frage will den deutlich spürbaren inneren, geistigen Widerspruch Jesu zu jeder irdischen Macht anhand einer äußeren Aktion sichtbar und dingfest machen.
Darf ein Jude, einer aus dem auserwählten, allen anderen überlegenen Völkern, als Provinzler unter einem Klientelkönig, der heidnischen Besatzungsmacht Steuern zahlen, anstatt alle Kräfte auf die Instandsetzung der geistlich-politischen jüdischen Unabhängigkeit zu konzentrieren?
Die Hohenpriester hoffen, dass Jesus in die Falle des Entweder-Oder abstürzt und sie ihn entweder der Illoyalität gegenüber dem Kaiser oder aber gegenüber dem Gott Israels überführen können.
Jesu Antwort ist salomonisch und entlarvt seinerseits die rein veräußerlichte Sicht der Fragesteller:
„Zeigt mir einen Denar! Wessen Bild und Aufschrift sind darauf? Sie antworteten: Die des Kaisers. Da sagte er zu ihnen: Dann gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört! (…) Sie waren von seiner Antwort sehr überrascht und schwiegen.“ (Lk. 20, 24 ff)
Das, was der Kaiser in den Steuern verlangt, ist nichts, was dem Reich Gottes zugehören könnte! Schon in dieser Antwort Jesu wird klar, dass das Reich, von dem er spricht, ein transzendentes Reich ist. Das Kaiserreich ist das eine – und Jesus wertet es nicht einmal ab. Das Reich Gottes aber ist das andere… das Erhabene…
Man soll dem Kaiser überlassen, was aus seiner Sphäre stammt. Aber Gott gebührt das, was aus seiner ewigen Sphäre stammt.
Jesus lässt die geistlichen Fallensteller mit einer komplexen ungelösten Frage zurück. Sie erfahren, dass das Geld, die Steuern, der irdische Besitz der Sphäre des Kaisers angehört und dem Zugriff des Kaisers gebührt. Man kann sich erinnern an die Worte Gottes, die er durch den Propheten Samuel sprechen ließ:
„Eure besten Felder, Weinberge und Ölbäume wird er euch wegnehmen und seinen Beamten geben. Von euren Äckern und euren Weinbergen wird er den Zehnten erheben und ihn seinen Höflingen und Beamten geben.
Eure Knechte und Mägde, eure besten jungen Leute und eure Esel wird er holen und für sich arbeiten lassen. Von euren Schafherden wird er den Zehnten erheben. Ihr selber werdet seine Sklaven sein.“ (vgl. S.)

Jesus spricht ganz in der Logik der Worte, die Gott damals warnend vortragen ließ …
Was aber kommt am Leben der kaisertreuen Fallensteller Jesu der Sphäre Gottes zu? Es kann den bestürzenden Gedanken gegeben haben, dass in ihrem Leben eigentlich nichts Gott gehört…
Hatte Gott damals nicht sogar gedroht, er werde dem Volk, das unbedingt von einem Monarchen beherrscht werden wolle und eines Tages aus dem Wahn erwachen würde, nicht einmal mehr antworten?
An jenem Tag werdet ihr wegen des Königs, den ihr euch erwählt habt, um Hilfe schreien, aber der Herr wird euch an jenem Tag nicht antworten.“
Was gehört also Gott in unserem Leben, das keinem Kaiser auf Erden jemals zustehen kann, selbst dann nicht, wenn er es mit Gewalt für sich beanspruchte? Und was andererseits soll man dem Kaiser jederzeit getrost überlassen, ohne darum einen sinnlosen Kampf zu kämpfen, weil es für die ewige Herrschaft des wahren Königs keinen Wert hat?

Schon die merkwürdige Geschichte, dass Maria und Joseph, die doch in Nazareth leben, wegen einer Steuerschätzung nach Bethlehem reisen müssen, konterkariert das Reich des Kaisers auf eine hintergründige, fast ironische Weise. Der kommende Messias, der König der Juden, muss in der Stadt Davids, in Bethlehem, geboren werden, wie es die Propheten gesagt haben. Die Macht des Kaisers, sein Zugriff auf jede einzelne Seele, die verlangen kann – nicht einmal schwangere Frauen waren offenbar von dieser Plage der Datenerfassung und Zahlungspflicht ausgenommen – , dass jeder Bewohner des Reiches um seiner Macht willen weit reist, muss doch unfreiwillig und unerkannt dem Willen Gottes dienen und damit dem Herrscher, dessen Königtum ewig und nicht von dieser Welt ist, den Weg ebnen… Während noch das Kaisertum im Fieberwahn der totalen Macht träumt, ist ihm bereits alle Macht genommen. Es ist wie damals, als David schon erwählt war und Saul bereits verworfen, Saul, dessen Wahl aber die Verwerfung Gottes durch das Volk bedeutet hatte…

Die Salbung Jesu zum König, dessen irdische Herrschaft durch die Todesnacht hindurch muss, geschieht kurz vor seiner Kreuzigung, allerdings weder durch die Geistlichkeit, noch durch die berufenen zwölf Apostel, sondern … auch hier wieder …. durch die Frau:
„(Es) kam eine Frau mit einem Alabastergefäß voll kostbarem, wohlriechendem Öl zu ihm und goss es über sein Haar. Die Jünger wurden unwillig, als sie das sahen, und sagten: Wozu diese Verschwendung? Man hätte das Öl teuer verkaufen und das Geld den Armen geben können. Jesus bemerkte ihren Unwillen und sagte ihnen: Warum lasst ihr die Frau nicht in Ruhe? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn die Armen habt ihr immer bei euch, mich aber habt ihr nicht immer. Als sie das Öl über mich goss, hat sie meinen Leib für das Begräbnis gesalbt. Amen, ich sage euch: Überall auf der Welt, wo dieses Evangelium verkündet wird, wird man sich an sie erinnern und erzählen, was sie getan hat.“ (Mt. 26, 6 ff)
Die Zuspitzung des Konfliktes zwischen irdischer Monarchie und dem ewigen Reich des Herrn aber geschieht, als Jesus vor den Mächtigen seiner Zeit steht.
Zuerst steht er vor dem Sanhedrin. Es mutet absurd an, wie ihn die Hohepriester verhören und wissen wollen, ob er der Messias ist. Israel wartet nicht mehr auf den Messias. Denn wenn er kommt, sagen sie ihm, er sei ein Gotteslästerer und maße sich etwas an. In der niedrigen Frau Maria hatte Gott Platz gefunden und konnte in ihr wachsen und wachsen, und sie wuchs mit ihm, bis er mühelos aus ihr hervorging. Aber im Israel der Kleriker hat der Gesalbte des Herrn keinen noch so geringen Platz. Es schäumt und zerplatzt förmlich durch seine Ankunft!
„Wenn du der Messias bist, dann sag es uns! Er antwortete ihnen: Ihr glaubt mir ja doch nicht. (…) Von nun an wird der Menschensohn zur Rechten des Allmächtigen sitzen. Da sagte alle: Du bist also der Sohn Gottes. Er antwortete: Ihr sagt es – ich bin es. Da riefen sie: was brauchen wir noch Zeugenaussagen?“ (Lk. 22, 66 ff)
Jesus nennt sich „Menschensohn“, und sie fordern ihn heraus, indem sie ihn fragen, ob er „Gottessohn“ sei, und er legt es ihnen in den eigenen Mund und bestätigt es: er ist Mensch und Gott – der Messias. Und den darf es im klerikalen Israel nicht geben!
Man beschuldigt ihn, ein religiöser „Aufrührer“ gegen die politische Macht, gegen das Imperium, das Kaisertum zu sein. Jesus antwortet dem Hohepriester frei und souverän:
„Ich habe offen vor aller Welt gesprochen. Ich habe immer in der Synagoge und im Tempel gelehrt, wo alle Juden zusammenkommen. Nichts habe ich im Geheimen gesprochen. Warum fragst du mich? Frag doch die, die mich gehört haben, was ich zu ihnen gesagt habe; sie wissen, was ich geredet habe.“ (Joh. 18, 20 ff)
In anderen Evangelien wird berichtet, dass die gedungenen Zeugen sich widersprochen hätten. Man kann eine leichte Ironie in den Worten Jesu vermuten, denn so viel widersprüchlich Bezeugtes taugt allemal nicht für eine politische Verschwörung gegen den Kaiser…
Frag doch die, die mich gehört haben! (…) Die wissen, was ich geredet habe.“
Jesus fordert den Hohepriester auf, echte und keine falschen Zeugen zu befragen.
Diese souveräne Antwort ruft den Zorn der Zuhörer hervor. Jesus fängt sich vom Diener des Hohenpriesters eine Ohrfeige ein wie ein ungezogenes Kind:
„Redest du so mit dem Hohepriester?“ (V. 22)
Eine bekannte Strategie lebt sich hier aus: Wer nicht argumentieren kann, wer überführt wird, verlegt sich schnell auf die Diskussion über den „rechten Ton“, ob jemand sich auch angemessen verhalten und „die richtige Art“ gefunden habe. Die Psychologie kommt ins Spiel und macht aus schwarz weiß und aus weiß schwarz. Doch die Antwort Jesu ist eine harte Absage an das selbstgerecht-bürgerliche „Der Ton macht die Musik“:
„Wenn es nicht recht war, was ich gesagt habe, dann weise es nach; wenn es aber recht war, warum schlägst du mich?“ (V. 23)
Welch ein Satz!
Jesus fordert hier die absolute Herrschaft der Wahrheit ein, die ohne Ansehen der Person gelten muss!

Nun folgt die Station der weltlichen monarchischen Macht. Jesus steht vor dem Statthalter des römischen Kaisers Tiberius: Pontius Pilatus. Das erste, was Pilatus von Jesus wissen will, ist:
„Bist du der König der Juden?“ (Joh. 18, 33)
Es geht um die Beschuldigung, Jesus habe der irdischen Monarchie Konkurrenz gemacht. Jesu Antwort ist der Schlüssel zum Verständnis seiner Herrschaft für den Heiden Pilatus und mit ihm für uns alle:
„Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Aber mein Königtum ist nicht von hier.
Pilatus sagte zu ihm: Also bist du doch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.
Pilatus sagte zu ihm: Was ist Wahrheit?“ (V. 36 ff)

Pilatus erfasst, dass ein Mann vor ihm steht, der kein politischer Aufrührer ist, der aber die Juden wegen seines Wahrheitsanspruches unendlich erzürnt. Ihn tangiert dies kaum. Wie jedes zivilisierte Heidentum fragt er nicht nach einer absoluten Wahrheit, sondern behilft sich mit Toleranz und Neutralität in religiösen Dingen. Der Satz, dass jeder, der aus der Wahrheit sei, auf Jesu Stimme hören müsse, bringt ihn nicht aus der Ruhe. Für ihn ist Jesus ein metaphorischer König – nichts Konkretes aus seiner Sicht. Er weist den Vorwurf der Konkurrenz zum irdischen Kaisertum gegenüber den Juden ab.
Verborgen in ignorierten Worten hat unser König etwas mitgeteilt: wirkliches Königtum ist „Zeugnis ablegen für die Wahrheit“. Die Wahrheit heißt Jesus, und die Wahrheit ist unser König. Unser König zeugte für seine Gottheit und wir mit ihm. Und wir, als Seine Jünger und Bräute sind ihm eingegliedert und ein königliches Priestertum:
„Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat.“ (1. Petrus 2, 9)
In diesem Königreich Jesu ist tatsächlich jeder ein König und soll für die großen Taten Gottes zeugen. Eine Verabsolutierung irdischer Standesunterschiede, wie sie im Traditionalismus häufig vorzufinden ist[30], kann kaum unwidersprochen hingenommen werden. Sie steht im Widerspruch zu diesem organischen Königreich Christi! Darauf hat auch der heilige Thomas von Aquin hingewiesen, als er schrieb:
„Wie Jeremia (23, 5) sagt: ’Es wird ein König herrschen, und er wird voll Weisheit sein.’ Von ihm leitet sich nun das königliche Priestertum ab, und, was weit mehr bedeutet, alle Gläubigen, soweit sie Glieder Christi sind, werden darum Könige und Priester genannt.“[31]
Um die Juden zu besänftigen, lässt Pilatus eine perverse Königskrönung vollziehen: er lässt Jesus zusammenschlagen, einen Purpurmantel umhängen und eine Dornenkrone aufsetzen.
Seine Vorführung des geschlagenen und geschändeten Königs mit den berühmten Worte: „Ecce homo!“ (V. 5) sollen den Juden klarmachen, dass dieser erniedrigte Mann doch keine Gefahr für die politische Macht sein kann, ja: nicht einmal für die jüdische Religion!
Es hilft nichts. Die Hohenpriester fordern seine Kreuzigung. Pilatus versucht mit Jesus zu reden und stößt auf dessen Schweigsamkeit. Nun geht auch mit Pilatus der „politische Gaul“ durch:
„Du sprichst nicht mit mir? Weißt du nicht, dass ich Macht habe, dich freizulassen, und Macht, dich zu kreuzigen?
Jesus antwortete: Du hättest keine Macht über mich, wenn es dir nicht von oben gegeben wäre; darum liegt größere Schuld bei dem, der mich dir ausgeliefert hat.“ (Joh. 19, 10 ff)
Pilatus wähnt sich als Eigner seiner Macht und fühlt sich durch Jesu Souveränität angegriffen. Jesu Antwort weist darauf hin, dass es auf Erden keine legitime staatliche Macht gibt, die nicht von Gott gegeben ist. Diese Aussage widerspricht traditionalistischer Aristokratiegläubigkeit: Gott kann diese Macht geben und nehmen. Sie steht irgendwelchen Dynastien oder Gewählten keineswegs von Natur aus zu! Diese Linie durchzieht die gesamte Schrift, zuletzt ausdrücklich im Lobgesang der Maria (Magnificat):
„Deposuit potentes de sede, et exaltavit humiles. - Er stieß die Mächtigen vom Thron und erhob die Niedrigen.“
Ein einmal Erwählter wie König Saul kann von Gott selbst verworfen und seiner Macht wieder beraubt werden…
Pilatus erkennt das an. Ich finde es bemerkenswert, dass er sich an Jesu „hartem Ton“ nicht stört, sondern die Sachbotschaft unkommentiert stehenlässt. Wieder will er Jesus freilassen. Sicher trägt er im Hinterkopf die Warnung seiner Frau, die die Tochter des Kaisers Tiberius gewesen sein soll[32], diesen Mann nicht zu verurteilen…[33]
Doch nun ziehen die Juden ihren letzten monarchistischen Joker und erpressen Pilatus mit dem Satz:
„Wenn du ihn freilässt, bist du kein Freund des Kaisers; jeder, der sich als König ausgibt, lehnt sich gegen den Kaiser auf.“ (V. 12)
Pilatus unternimmt einen letzten schwachen Versuch, Jesus zu retten und sagt den Juden: „Euren König soll ich kreuzigen?“ (V. 15a) Und er erhält die stramm monarchistische Antwort: „Wir haben keinen König außer dem Kaiser.“ (V. 15b)
Pilatus ist nun „weichgeklopft“ und verurteilt Jesus zum Tod am Kreuz. Auf die Tafel am oberen Ende des Kreuzes, auf der das Vergehen des Delinquenten stehen muss, lässt er die Worte „Jesus von Nazareth, der König der Juden“ (V. 19) in vier Weltsprachen eingravieren. Die Juden verlangen, dass er dies differenziere und schreibe, Jesus habe behauptet, der König der Juden zu sein.
Doch diesmal bleibt Pilatus hart: „Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben.“ (V. 22)
Pilatus hat den Juden damit wohl einen ewigen Dienst geleistet. Denn so ist bezeugt, dass Jesus der König der Juden ist und bleibt, und sie ihn am Ende der Zeiten erkennen werden. So sehr er der Herrscher des ganzen Alls ist, so sehr ist er doch auf immer seinem ersten Bundesversprechen nach der König des alten Bundes.
Pilatus ist der taumelnde heidnische Zeuge der Treue Gottes zu seinem abtrünnigen Volk! Um der Heiden willen musste die Geistlichkeit Israels in diese schwere Sünde des „Gottesmordes“ fallen und seither in der Fremde verharren, bis die Zahl der Heiden voll ist.
Wenn Monarchisten einen Zusammenhang zwischen der Auflehnung der Juden gegen ihren König und der Auflehnung gegen „Thron und Kirche“ sehen und die jüdische Herkunft der Freimaurerei unterstellen, dann muss nüchtern konstatiert werden, dass die jüdische Auflehnung gegen den Herrn zwei Komponenten beinhaltet:
Im Verräter Judas liegt die Auflehnung gegen den König, dessen Reich „nicht von dieser Welt ist“ und der seinen Leuten sogar untersagt, für ihn das Schwert zu erheben (Ölbergszene).
In den Gesetzestreuen andererseits liegt die Auflehnung gegen den König, der das irdische Königtum, indem er es nicht mit dessen Mitteln angreift oder erobern will, „unterläuft“.
Es kann nur ein logischer Schluss gezogen werden: Das irdische Reich steht dem himmlischen Reich immer entgegen. So sagt es der Herr selbst!
Nur damit wir Heiden nicht Garaus sind, gewissermaßen aus „Effizienzgründen“, wurde ein Umweg über die Bekehrung heidnischer Könige geschlagen. Aber dieser Umweg ist und bleibt ein instabiles Provisorium ohne ewige Verheißung und hat sich als solches erwiesen.
Die scharfen Kritiker der Juden und Freimaurer begehen selbst deren Denkfehler. Es gibt für alle Reiche dieser Welt keine Zukunft, nicht für monarchische, nicht für demokratische – es muss alles der kommenden Herrschaft Christi weichen, die jetzt schon wirkt wie der bereits gesalbte David!

1.6. Staatliche „potestas“  - eine natürliche Notwendigkeit und ihre Grenze im Schriftkanon

In den Pastoralbriefen wird kein Bekenntnis zur Monarchie abgelegt, sondern zur staatlichen potestas im allgemeinen, sofern sie legitim ist:
Jeder leiste den Trägern der staatlichen Gewalt den schuldigen Gehorsam. Denn es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede ist von Gott eingesetzt.
Wer sich daher der staatlichen Gewalt widersetzt, stellt sich gegen die Ordnung Gottes, und wer sich ihm entgegenstellt, wird dem Gericht verfallen.
Vor den Trägern der Macht hat sich nicht die gute, sondern die böse Tat zu fürchten; willst du also ohne Furcht vor der staatlichen Gewalt leben, dann tue das Gute, sodass du ihre Anerkennung findest.
Sie steht im Dienst Gottes und verlangt, dass du das Gute tust. Wenn du aber Böses tust, fürchte dich! Denn nicht ohne Grund trägt sie das Schwert. Sie steht im Dienst Gottes und vollstreckt das Urteil an dem, der Böses tut. yy
Deshalb ist es notwendig, Gehorsam zu leisten, nicht allein aus Furcht vor der Strafe, sondern vor allem um des Gewissens willen.
Das ist auch der Grund, weshalb ihr Steuern zahlt; denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben.
Gebt allen, was ihr ihnen schuldig seid, sei es Steuer oder Zoll, sei es Furcht oder Ehre.“ (Röm. 13, 1 ff)
Es geht im Staatswesen nicht primär darum, dass sich das Himmlische Jerusalem Ausdruck verschafft oder ein idealer Zustand erzeugt wird, sondern der Staat ist notwendig, um die Ordnungen im irdischen, von der Bosheit gezeichneten Gemeinwesen zu wahren, vor allem die Rechtsordnungen. Von einer spezifisch „christlichen“ Ordnung ist nicht die Rede. Die Worte des Paulus sprechen dafür, dass er eine natürliche Übereinstimmung in grundlegenden Rechtfragen bei allen Menschen annimmt. Gott hat auch den Heiden das Gesetz ins Herz geschrieben…
Wie bereits Jesus dem Pilatus ja zugestand, dass seine (heidnische) potestas von Gott sei, so muss man dies hier beim hl. Paulus annehmen: Wer immer regierende Gewalt erhält, hat sie von Gott. Es geht allerdings aus dem Abschnitt hervor, dass das Merkmal der legitimen Macht nicht die spezifische Herrschaftsform, sondern ihre Treue zu Recht und Ordnung selbst ist. Sie muss das Gute belohnen und das Böse bestrafen. Ist diese Ordnung pervertiert, trifft die Aussage des Römerbriefes nicht zu. Nach Offenbarung 13, wo der Gipfel einer solchen Perversion in Form der Anbetung des Potentaten als Gott beschrieben wird, muss sich der Gläubige standhaft weigern. Dieselbe Situation beschreibt uns schon das Buch Daniel (Daniel 6), als Daniel sich weigert, nicht zu seinem Gott zu beten und dafür in die Löwengrube geworfen wird. Zuvor erzählt uns dasselbe Buch die Geschichte der drei Jünglinge im Feuerofen, die sich geweigert hatten, der kaiserlichen Anordnung zu folgen und ein Götterbild anzubeten. (Dan. 3)

Zuletzt sei auf die Worte des ersten Papstes Petrus hingewiesen:
„Und sie (der Hauptmann und die Wächter des Tempels) brachten sie (Petrus und die Apostel) und stellten sie vor den Hohen Rat. Und der Hohepriester fragte sie und sprach: Haben wir euch nicht streng geboten, in diesem Namen (im Namen Jesu) nicht zu lehren? Und seht, ihr habt Jerusalem erfüllt mit eurer Lehre und wollt das Blut dieses Menschen über uns bringen.
Petrus aber und die Apostel antworteten und sprachen: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.
Der Gott unsrer Väter hat Jesus auferweckt, den ihr an das Holz gehängt und getötet habt.
Den hat Gott durch seine rechte Hand erhöht zum Fürsten und Heiland, um Israel Buße und Vergebung der Sünden zu geben.
Und wir sind Zeugen dieses Geschehens und mit uns der Heilige Geist, den Gott denen gegeben hat, die ihm gehorchen.“ (Apg. 5, 27 ff)
Hier ist die Grenze: wenn ich erkannt habe, was Gott will, muss ich dem mehr folgen als dem, was die Potentaten wollen, wenn der Wille der Potentaten dem Willen Gottes entgegensteht. War es doch Petrus, der uns einschärfte, dass wir königliche Priester sind, die für die großen Taten Gottes zeugen sollen (s.o.). Ein königlicher Priester – und jeder Gläubige ist einer – steht verborgen über jedem irdischen Potentaten, beugt sich aber, solange dessen Herrschaft nichts fordert, was Gott beleidigen würde und das Gute schützt.

2. Thomas von Aquin: Über die Herrschaft der Fürsten

Damit kann man einen Sprung vollziehen ins Mittelalter und den heiligen Thomas befragen, denn an seiner Philosophie soll man auch heute seine Gedanken prüfen oder zumindest schärfen. So haben es die Päpste Pius IX., Leo XIII., Pius X. und Pius XI. ausdrücklich gewünscht und gefordert.

Nach Thomas kommt der Mensch nicht umhin, als auf Gemeinschaft hin angelegtes Wesen, was das Wohl dieser Gemeinschaft betrifft, unter einer einenden Regierungsgewalt geführt zu werden. Dass jeder schon von Natur aus seinen eigenen Vorteil sucht, setzt Thomas voraus. Bezug nehmend auf Salomo zitiert er den Satz Ubi non adsunt dispositiones, populus corruet; salus autem, ubi multa consilia.Wo keine Ordnungen sind, fällt das Volk auseinander, Heil aber ist da, wo viele gute Ratgeber sind.“ (Sprichwörter 11, 14)[34]
Es ist darüber hinaus die erhabene Hinordnung des Menschen auf ein Ziel, die dem Menschen die einende Leitung notwendig macht.
Thomas kommt früh auf die Problematik gerechter und ungerechter Herrschaft zu sprechen. Gerecht ist eine Herrschaft dann, wenn sie das Ziel und Gemeinwohl der Gesellschaft über den persönlichen Vorteil des Regierenden stellt. Ungerecht ist sie dagegen, wenn sie den persönlichen Vorteil des Potentaten über das Gemeinwohl stellt.
Thomas zählt zuerst die verschiedenen Formen ungerechter Herrschaft nach dem Grad ihrer Schlechtigkeit auf:
Die Tyrannei (eines einzelnen Herrschers) ist die ungerechteste Herrschaftsform, gefolgt von einer „Oligarchie“ (Vorherrschaft einiger weniger – Tyrannei auf mehrere Schultern verteilt) – beides könnte heute einem faschistischen oder präsidialdiktatorischen Staatsgefüge entsprechen. Danach nennt Thomas die „Demokratie“ (Volksherrschaft der breiten Masse, die durch ihre „Überzahl die Reichen unterdrücke“) das entspricht wohl eher einer modernen sozialistischen Regierungsform.[35]
Anschließend zählt Thomas gerechte Herrschaftsformen aufsteigend von den weniger guten zur besten hin auf:
Es gibt die „Politie“, die Herrschaft einer Mehrheit (das entspräche dem, was wir heute „Demokratie“ nennen), die Aristokratie (die Herrschaft der wenigen Besten).
An der Spitze steht die gerechte (!) Herrschaft eines einzelnen Königs. Nach Thomas ist es vor allem Sache des Königs, dem Heer voranzugehen, das Volk sicher zu seinem Ziel führen und auf den eigenen Vorteil zu verzichten!
Es ist nach Thomas zweckmäßiger, wenn ein Volk durch einen Monarchen geleitet wird. Modern würde man sagen: es ist effizienter, und naturgemäß ist ein einziger am leichtesten in der Lage, die Einheit des Gemeinwohls zu integrieren, sofern er ausschließlich dessen Wohl im Auge hat. Naturgemäß ist die schlimmste Herrschaft auf Erden eine Monarchie, deren Monarch nur seinen eigenen Vorteil verfolgt. Denn in der Monarchie wird die Leitung des gesamten Alls durch die „Vorsehung“ (Gott), abgebildet und dem Monarchen eine ganz besonders anspruchsvolle Verantwortung vor Gott auferlegt.[36] Nichts ist schlimmer als die Perversion dieses Abbildes!
Das Gegenteil der gerechten monarchischen Ordnung ist nach Thomas also keineswegs eine Demokratie oder Politie, sondern … eine ungerechte Monarchie, die Tyrannis.[37]
Thomas betrachtet die Frage nach der Monarchie keineswegs ideologisch, wie wir dies von traditionalistischen Autoren wie Donoso Cortés oder dem in Traditionalistenkreisen so verehrten Schweizer Prälaten Robert Mäder her kennen.
Seine Schrift ist von wohltuender Nüchternheit:
„Neigt aber eine Herrschaft zur Ungerechtigkeit, so wird es besser sein, wenn sie in der Hand von vielen liegt, damit sie unwirksamer sei und die Herrschenden sich untereinander hindern. Von den Formen einer ungerechten Herrschaft ist die Demokratie also immerhin erträglicher, die allerschlimmste aber ist die Tyrannis.[38]
Generell sieht Thomas die Monarchie aufgrund der Sündhaftigkeit des Menschen kritisch und bescheinigt ihr in den allermeisten Fällen, dass sie ungerecht sei:
„Weil somit der Grund für das Beste wie für das Schlimmste in der Monarchie (…) liegt, wird von vielen wegen der Schlechtigkeit des Tyrannen die königliche Würde überhaupt verhasst. (…) Und wohl die Mehrzahl der Herrscher übt unter dem Vorwand, ihre königliche Würde zu wahren, eine Gewaltherrschaft aus.[39]
Thomas belegt seine Beobachtungen mit vielen Beispielen aus der römischen Geschichte. Er führt seine Überlegungen weiter und zeigt, dass die Perversion der Aristokratie noch viel häufiger geschieht als die der Monarchie und es schwieriger ist, mehrere Tyrannen wieder loszuwerden (ungeachtet dessen, dass sie sich auch gegenseitig bekämpfen). Es ist daher empfehlenswerter, nur einen Monarchen haben. Seine Empfehlung zur Vermeidung einer monarchischen Tyrannis ist die Schaffung einer Rechtsverfassung, der der Monarch in jedem Fall unterworfen sein muss. Ebenso rät er, einem Monarchen niemals uneingeschränkte Macht einzuräumen.[40] Einem bereits etablierten Tyrannen soll mit Klugheit begegnet werden. Thomas hält ein Widerstandsrecht dann für legitim, wenn ein „allgemeiner Beschluss“ dessen Absetzung durchführt. Dieser allgemeine Beschluss muss durch andere Obere des Gemeinwesens zustande kommen und darf keinesfalls die subjektive Einschätzung einer Splittergruppe sein. Den Tyrannenmord hält er für illegitim und warnt vor den Gefahren, die von einer subjektiven Einschätzung einiger weniger Aufständischer ausgeht, den Tyrannen zu stürzen – oft ist es hinterher unter der Herrschaft der Aufständischen nicht weniger schlimm als zuvor unter dem einen Tyrannen … Im Zweifelsfall muss der Tyrann ertragen werden, bis Gott die Geschicke ändert.[41]

Die „Demokratie“ bzw. die „Politie“ darf nicht pauschal als „gottlos“ verteufelt werden. Diese Staatsformen sind nicht von der gleichen Güte wie eine gerechte Monarchie, aber angesichts der Seltenheit einer gerechten Monarchie, und ebenso grundsätzlich, gehört doch die eine – eine parlamentarische Demokratie („Politie“) - immer noch zu den gerechten Herrschaftsformen. Die andere – eine Art Staatssozialismus – ist unter den ungerechten Herrschaftsformen nach Thomas erträglicher als die Tyrannis eines Monarchen.
Thomas lässt in jedem Fall keine vulgäre, populistische Antwort zu.
So sehr er die gerechte (!) Monarchie tatsächlich für die beste Regierungsform hält, so sehr lehnt er auch ein weniger ideales Modell nicht kategorisch ab angesichts der schweren Probleme, die die menschliche Sündhaftigkeit mithilfe der Monarchie schafft.

In späteren Kapiteln stellt er fest, dass die heidnischen Könige aufgrund der irdischen Ausrichtung des religiösen Kultes sich in den meisten Fällen das Priestertum unterworfen haben. Thomas nimmt diese Konstellation auch für das alte Israel an.[42] Für diese Annahme spricht nicht nur die Verwerfung Gottes in der Forderung nach einem König, sondern auch, dass die Juden aufgrund ihrer geistigen Verfassung Jesus nicht als den erkennen konnten, der er war. Mit dem Eintritt der Kirche in die Geschichte ist eine Umkehrung der heidnischen und altisraelischen Wertvorstellungen geschehen:
Das Amt dieses Königtums (des königlichen Priestertum aller Gläubigen) ist, damit das Reich des Geistes vom Irdischen geschieden sei, nicht den Königen der Erde, sondern den Priestern überantwortet worden und vor allem dem höchsten Priester, dem Nachfolger Petri, dem irdischen Stellvertreter Christi, dem Papst zu Rom, dem alle Könige des christlichen Volkes untergeben sein müssen wie Jesus Christus dem Herrn.[43]
In der Tatsache, dass sich bereits im heidnischen Rom die Sitte durchgesetzt habe, dass sich die Führer des Staates den Priestern unterwarfen und ebenso im heidnischen Gallien die Druiden das Rechtsleben Galliens bestimmten und nicht die Könige, sieht Thomas eine durch die Vorsehung angelegte Vorbereitung auf christliche Herrschaftsformen.[44]
Einen „sakralen“ Charakter nimmt er für das christliche Königtum insofern nicht an – außer eben darin, dass auch der Regierende Teil hat am königlichen Priestertum aller Gläubigen und an seinem Ort – als König freilich in hoher Verantwortung – ein „famulus“ päpstlicher oder bischöflicher Autorität, wie dies in gewissem Sinn auch auf Äbte und Äbtissinnen, Väter und Mütter, Lehrpersonen oder sonstige Obere zutrifft. Nichts anderes besagten die in der Forschung umstrittenen Krönungsordines mittelalterlicher Könige: der König erhielt mit seiner Salbung einen Anteil an der Hirtengewalt der Bischöfe, aber grundsätzlich untergeordnet und nicht im Sinne eines Sakramentes. So formuliert der Mainzer Krönungsordo von 962 folgendermaßen:
Empfange die Königskrone der Herrschaft, die Deinem Haupt zwar von den unwürdigen, doch von den Händen der Bischöfe aufgesetzt wird; bedenke, dass sie die Herrlichkeit und Ehre der Heiligkeit und das Werk der Tapferkeit sinnfällig ausdrückt; Dir sei bewusst, dass Du durch sie Teilhaber an unserem Bischofsamt wirst, auf dass Du so, wie wir im Innern als Hirten und Lenker  der Seelen verstanden werden, auch nach draußen stets erscheinst als wahrer Diener Gottes und gegen alle Widrigkeiten als eifriger Schützer der Kirche Christi und des Dir von Gott gegebenen Reiches, sowie ferner durch das Amt unseres Segnens in Stellvertretung der Apostel und aller Heiligen als nützlicher Vollbringer des Auftrages Deiner Herrschaft und erfolgreicher Herrscher, auf dass Du unter den ruhmvollen Helden geschmückt mit den Edelsteinen der Tugendkraft und gekrönt mit dem Lohn ewiger Glückseligkeit zusammen mit dem Heiland und Erlöser Jesus Christus, dessen Namen und Stellvertretung Du nach unserem Glauben ausführst, ohne Ende geehrt wirst.“[45]
Auffallend ist hier die Umkehrung der (heidnischen) Werte in der Metaphorik: die Braut Christi, sie, die nach traditioneller Vorstellung wie alle Frauen „nach innen wirkt“, hat den Vorrang vor dem maskulinen König, der „nach außen wirkt“: „femina circumdabit virum“ (s.o.). In dieser Aufhebung der Fluchordnung nach dem Sündenfall, „virum (…) autem dominabitur tui“ (Gen. 3, 16), die aus dem Staub in die Hoffnung auf das kommende Reich Christi hin erhebt, liegt der tiefste Grund für die Auflehnung der staatlichen potestas gegen die Kirche, die die gesamte Zeit der Kirche im Wesentlichen kennzeichnet, gleich ob dies durch Monarchen oder andere Regierende geschah. Der „Wille des Mannes“ will herrschen und in der Frau den unterwerfen, der ihr die Überwindung des Satans verheißen hat und verkennt ein zweites Mal – nach den Juden – das wahre Wesen des regnum Christi. Es geht nicht zu weit, in dieser stolzen und aufsässigen Haltung, die nicht erst mit dem Liberalismus begann, die Ursache für den Aufstieg und den Untergang des christlichen Abendlandes zu sehen.

3. Das päpstliche Lehramt des 19./20. Jh (bis zum Vaticanum II) zur Frage der Staatsform

Ich möchte gleich einen weiteren Sprung machen. Man könnte sich hier in viele historische Einzelheiten vertiefen, die aber den Rahmen dieser Reflexion sprengen würden. Von besonderem Interesse wäre eine Vertiefung Frage nach den „zwei Reichen“ (rex et sacerdos – das weltliche und das himmlische Reich, das in der Kirche schon mitten unter uns ist) und ihrer Beziehung zueinander. Im 5. Jh reflektierten einige Kirchenväter diese Problematik, nachdem das dem Christentum gewonnene Rom von heidnischen Westgoten erobert worden war und auf diese Weise sichtbar wurde, dass das irdische Reich nicht der einfache Zusammenfall von regnum und sacerdotium – Welt und Kirche– sein konnte. Der heilige Augustinus entwickelt die Lehre, dass die civitas Dei (das Reich Gottes) mit dem irdischen Staat alleine schon aufgrund der jeweiligen Herkunft aus einer entgegen gesetzten Sphäre … nur bedingt in Einklang zu bringen ist. Der weltliche Staat ist zwar eine von Gott gewollte Ordnungsmacht, aber in ihr wirkt auch der Fürst der Welt im Geheimnis des Bösen, und sie trägt verborgen oder offen auch antichristliche Züge. Der „Weltstaat“ sei nach Augustinus „lüstern nach Herrschaft“, selbst „von Herrschbegierde beherrscht“. Unter Zuhilfenahme eines Vergil-Zitates, das aber auch die Worte des heiligen Paulus zur Notwendigkeit staatlicher Ordnung anklingen lässt, schreibt er schon in der Einleitung:
„Was Gott zusteht, äfft auch der aufgeblähte Geist menschlichen Hochmutes nach und läßt gern von sich rühmen, daß er die „Unterwürfigen schone und niederkämpfe die Stolzen“…[46]
Augustinus nimmt hier scharfe Distanz zu einer naiven Rezeption der Worte des heiligen Paulus ein.
Es ist hier leider nicht genügend Raum, die komplexe Problematik mittelalterlicher Rechtsgeschichte darzulegen, aber hingewiesen werden soll doch auf die zwiespältige und doppelbödige Auffassung des Königtums als „Stellvertretung“ Christi, von der im vorigen Kapitel schon gesprochen wurde.
Die übermäßig zur Schau getragene Frömmigkeit kippt plötzlich in fratzenhafte Verzerrung und Verneinung der Ordnungen Christi um. So wird z.B. von Heinrich III. (1017 – 1056) folgendes berichtet:
„Kein König vor Heinrich III. war von tieferem religiösen Ernst beseelt: Nach dem Sieg über die Ungarn bei Menfö 1044 hielt er noch auf dem Schlachtfeld eine Dankesfeier ab, warf sich als erster barfuß und im härenem Büßergewand vor dem mitgeführten Splitter des heiligen Kreuzes auf die Knie und zog wenig später obwohl Sieger in gleichem Büßerhabit in Regensburg zum Hoftag ein. Als jedoch ihm gegenüber die hohe Würde des Priestertums betont wurde, fuhr er auf: auch er sei mit heiligem Öle geweiht.[47]
Die Kirche hat selbst eine interne monarchische Struktur. Die Herrschaft Christi wird abgebildet im Papst, der mit der obersten Lehrgewalt ausgestattet ist und dem alle Gehorsam schulden. Er regiert – anders als der Monarch in der Welt - nicht aufgrund der Macht der Kirche oder einer menschlichen Wahl und Konstitution, sondern aufgrund der direkten Machtübertragung durch Christus als dessen Stellvertreter auf Erden. Das Vaticanum I hat dies klar und nach so vielen Jahrhunderten des Machtkampfes zwischen Welt und Kirche, Konziliarismus, Kollegialitätstheorie und Papsttum abschließend definiert.[48] Weil das so ist, steht der Papst logisch über jedem Monarchen und jeder potestas der Welt. Und es sind vor allem anderen der Papst und das durch ihn geschützte Messopfer, die wohl mit dem „Katechon“, dem, der das Geheimnis des Bösen in seiner Ausgeburt noch zurückhält, gemeint waren.
Nun hat gerade der Anspruch der katholischen Monarchen dies niemals fraglos akzeptieren wollen. Von niemandem wurde der Vorrang des Papsttums mehr unermüdlich angegriffen als von den mittelalterlichen Kaisern, Königen und regionalen Potentaten! Oft wurde nicht nur der Primat der Papstwürde in Frage gestellt, sondern auch die römische Kaiserwürde durch die Machtansprüche katholischer Regional-Könige. Was unter Traditionalisten, gelegentlich auch romantischen Träumern und Mittelalterfans als „ideale“ Monarchie hagiografisch verbrämt wird, war meistens nichts weiter als ein erbitterter Machtkampf zwischen großen und kleinen Monarchen, die sich in ihrem Unabhängigkeitstreben und ihrem Anspruch, selbst der Herr zu sein, einig waren. Ohne diese Tatsache hätte die Reformation im 16. Jh niemals in der geschehenen Weise eskalieren können. Man findet diesen Machtkampf spätestens seit dem 4. Jh.
So schrieb Alkuin 799 an Karl den Großen in Abgrenzung von Papst und Kaiser: „Ecce in te solo tota salus ecclesiarum Christi inclinata recumbit.[49] Zuvor hatte der fränkische Priester Cathuulf Karl folgendermaßen gepriesen: „Ipse (Gott) te exaltavit in honorem gloriae regni Europae.[50] Der fränkische König als der Monarch ganz Europas – von Gottes Gnaden. Nur: wer weiß, wer von Gottes Gnaden derart aufsteigen darf? Cathuulf setzt anschließend den König mit Gottvater gleich und platziert den „episcopus“ unter dem König, so wie Christus unter Gottvater stehe, was als häretischer Rückfall in den Arianismus gewertet werden muss, denn Christus ist dem Vater eben nicht subordiniert![51]
Die mittelalterlichen Kämpfe der Monarchen zielten immer wieder auf eines ab: möglichst weit „aufzusteigen“ unter den Monarchen Europas und dann der Stellvertreter Christi vor dem Papst in einem irdischen Gottesreich zu sein.  „Der Herrscher in dieser civitas Dei nimmt als irdischer Stellvertreter des Höchsten einen priesterlichen Charakter an.“[52]
Biblische Rechtfertigung für dieses Priesterkönigtum sollte der geheimnisvolle König von Salem sein, Melchisedek, von dem sich der Stammvater Abraham hatte segnen lassen (Gen. 14, 18 ff).
Die Verdichtung des König- und Priestertums in ein und demselben Mann, in einem irdischen Gottesstaat, hat viele Geister angeregt und eine schwärmerisch-legendäre Fiktion neben der nüchternen dogmatischen Entwicklung entstehen lassen. In diesem Zusammenhang ist der legendäre mittelalterliche Priesterkönig Johannes zu erwähnen, der irgendwo im Osten über ein strahlendes Reich geherrscht und eines Tages einen Brief an den Papst Eugen III. geschickt haben soll, in dem er jenem Hilfe im Kreuzzug anbot. Es gibt keinen vernünftig erforschbaren Hinweis auf eine reale Gestalt mit diesen Attributen. Dennoch geistert sie gerade in den Ideen neokonservativer und katholischer Traditionalisten weiterhin herum und beflügelt deren einerseits mystifizierendes und andererseits heidnisch-irdisches Verständnis des Reiches Gottes.[53]
Es ist Merkmal heidnischer Monarchien, den König als Gott oder wenigstens Priester zu sehen und geistliches und weltliches Reich in eins zu setzen. In den mittelalterlichen Monarchen tritt die „Erniedrigung“ des Fürsten unter die Kirche als verhasstes und unrechtmäßig verstandenes Joch, als Verkehrung des Naturrechtes, vorerst noch katholisch „gefirnisst“, zutage und offenbarte in einem langen Prozess, wie das „mysterium iniquitatis“ wirkt: fromm, teilweise unzweifelhaft heldenhaft und gut, im Kampf für das „christliche Abendland“, aber dann plötzlich doch in kaltem, grausamem Hochmut, in einem totalen Umschlag, als fiele eine Maske…
Die Vorstellung eines Zusammenfalls von regnum und sacerdotium in einer Person hatte weder in der Heiligen Schrift einen Platz noch in der rechtgläubigen, nüchternen Lehre. Sie ist Merkmal des Heidentums und wird Charakter der Herrschaft des Antichristen sein.

Mit der Französischen Revolution erhielt das heilige Römische Reich nach vielen schweren Verletzungen seit Jahrhunderten eine unheilbare Wunde.
Nach dem Wiener Kongress 1814/15 und den rigiden, in vieler Hinsicht fragwürdigen und erfolglosen Restaurationsversuchen brachen überall Unabhängigkeitsbewegungen auf: die Nationen formierten sich autonom, wollten selbständig regiert werden, die Arbeiterbewegung entstand mit der objektiven und himmelschreiend sündhaften Verelendung der unteren Schichten, die marxistische Philosophie brach sich Bahn, revolutionäre Bewegungen loderten auf.
Der Kirchenstaat, in dem der Papst seit Jahrhunderten auch als weltlicher Herrscher regierte, verkleinerte sich zunehmend in den Wirren der Zeit. Dass das Papsttum ganz offensichtlich theologisch, aber nicht ideologisch auf die Erfordernisse der Stunde reagieren konnte und wollte, zeigt die Tatsache, dass Pius VII. mit dem unrechtmäßigen Emporkömmling Napoléon 1801 ein Konkordat abschloss und 1804 sogar dessen angemaßte Kaiserkrönung begleitete. Die ausgehandelte Konstellation hielt jedoch nicht lange und bald war der Papst seiner weltlichen Macht durch diesen „Monarchen“ ganz beraubt (1809). Nur noch die geistliche Macht wurde ihm belassen. Nachdem Pius VII. den Bann gegen alle, die diesen Annexionsansprüchen Napoléons Folge leisteten, ausgesprochen hatte, wurde er verhaftet und in Frankreich interniert. Nach dem Sturz Napoléons kehrte der Papst zurück nach Rom und erhielt nach dem Wiener Kongress das alte Territorium zurück.
Aber es kehrte keine Ruhe mehr ein. Man kann nüchtern sagen, dass es vorbei war mit den alten Ordnungen. Der Papst drückte zwar aus, dass es falsch sei, der Kirche den weltlichen Besitz abzusprechen, führte aber auch keinen ausgedehnten politischen Kampf darum.[54]
Pius IX. wurde 1846 zum Nachfolger Petri gewählt und schlug einen liberalen Kurs ein. Diejenigen Liberalen Italiens, die katholisch und nationalistisch sein wollten, waren hocherfreut und begrüßten den neuen Papst begeistert. Die italienische Einigungsbewegung und der Papst nahmen jedoch bald aus verschiedenen Gründen wieder große Distanz zueinander ein. Immerhin bedeutete das „Risorgimento“ für den Kirchenstaat erneut dessen Einverleibung und Auflösung in einem Nationalstaat … unter einem italienischen Monarchen. Die übernationale Kirche, der Leib Christi, mit ihrem Papst unterworfen unter eine Provinznation und ihren König – nein!
Mit der Revolution 1848/49 musste der Papst aus Rom fliehen und im Kirchenstaat wurde die Republik ausgerufen. Durch die Intervention Spaniens und Frankreichs wurde die Römische Republik wieder kassiert und Pius IX. konnte zurückkehren, ein Teil des Kirchenstaates schloss sich jedoch dem neuen Königreich Italien an. Es blieb noch der inzwischen sehr verkleinerte römische Kirchenstaat, den der Revolutionär Garibaldi 1867 erobern wollte, was aber vorerst misslang. In dieser großen Not berief Pius IX. 1869 das Vaticanum I ein, das schon 1870 durch – aufgrund der kriegsbedingten Truppenabzüge Frankreichs - einmarschierende Truppen des italienischen Königs unterbrochen und zu früh beendet werden musste.
Der Papst verlor nun seine weltliche Macht ganz und Rom wurde zur Hauptstadt des geeinten Italien ausgerufen. Die Frage nach dem rechtlichen Status der Vatikanstadt innerhalb Roms und Italiens blieb für Jahrzehnte offen und wurde erst unter der faschistischen Herrschaft Mussolinis durch die Lateranverträge geklärt.
Der Gedanke liegt aber nahe, dass die dogmatische Erklärung der Rolle des Papstes eine defensive und klärende Reaktion auf die weltliche Entmachtung des Papstes einerseits und seinen eigentlichen, geistigen Vorrang andererseits war. Auch wenn es unsinnig wäre, der Kirche Besitz und weltlichen Einfluss kategorisch abzusprechen, wurde doch so ihre eigentliche Aufgabe nach Jahrhunderten der Unklarheit restauriert. Es ist ein wenig wie mit der Frau bei Reinhold Schneider: auch die Frau Kirche „wagt“ wieder „zu sein, was sie sein soll, ohne sich auf die Seite des Mannes zu flüchten“.
Damit war aber die Ära der weltlichen Gewalt definitiv zu Ende. Es ist merkwürdig, dass viele – weder Liberale noch Traditionalisten – nicht erfassten und bis heute nicht erfassen, dass das Vaticanum I mit der Erklärung „Pastor aeternus“ (1869) die Kirche in eine nach-konstantinische Zeit entließ. Vielleicht muss man sagen, dass die Braut Christi an diesem Tag ihren Auszug aus den irdischen, dicht bevölkerten und scheinbar noch mächtigen Gebäuden der Kirche vorbereiten musste, um ihrem Bräutigam entgegen zu gehen und dabei alles und viele Unwillige, Schlafende und Irrende zurücklassen musste.

Es wurde und wird aufseiten der Traditionalisten immer unterschlagen, dass die Auflösung der alten europäischen Ordnung nicht in erster Linie „antimonarchistisch“ war. Sie brachte ja zunächst selbst neue Kaiser hervor – nicht zuletzt den deutschen Kaiser - und alte Könige machten sich zu Schirmherren der Modernisierung, weil sie endlich der Dominanz anderer Monarchen entkommen wollten … In Deutschland hielten selbst Teile der sozialistischen Bewegung des 19. Jh noch lange am monarchischen Prinzip fest.  Erst mit der zunehmenden innerdeutschen Dominanz Preußens setzte sich in der Arbeiterbewegung eine antimonarchistische – oder besser gesagt: eine antipreußische - Haltung durch. In Italien wurde die liberale Unabhängigkeitsbewegung sogar vom König – gegen den imperialen Anspruch der Habsburger und gegen den Kirchenstaat - angeführt.
Die Erstarrung in einer undifferenzierten monarchistischen Sicht ist umso erstaunlicher, als sich gerade Pius IX. mit diesem Monarchen, nämlich Viktor Emmanuel II., dem König des  geeinten Italien, in der beschriebenen scharfen Konkurrenz befand. Dieser legitime Monarch aus altem savoyischem Adelsgeschlecht hatte sich nach der Auseinandersetzung der oberitalienischen Unabhängigkeitsbewegung gegen die restaurativen Machtansprüche der Habsburger Monarchie, die wiederum Schutzmacht des Kirchenstaates waren, an die Spitze der italienischen Einigungsbewegung gestellt und 1861 zum König von Italien ausrufen lassen.
Der Enkel Viktor Emmanuels II. war derjenige, der den faschistischen Führerstaat durch zahlreiche königliche Dekrete unterstützte und ausbauen half, diesmal unter dem Applaus und Aktionismus mancher Kleriker, zu denen auch der junge Pater Pio gehört haben soll.[55] Nach dem Chaos der faschistischen Ära wurde das italienische Königtum dann durch ein Referendum 1946 abgeschafft.
Pius IX. hat in seiner Enzyklika „Quanta cura“ und dem „Syllabus errorum“ (1864) mehrere Irrlehren hinsichtlich des Staates und seiner Beziehung zur Kirche definiert. Er verwirft die Erklärung des Vorranges des Staates vor der Kirche und die Behauptung, man müsse Staat und Kirche radikal trennen. Er schließt die Rechtmäßigkeit weltlicher Eingriffe in die Einsetzung von Bischöfen kategorisch aus. Er nennt keine genaue Regelung, aber offenkundig schwebt ihm ein Staatswesen vor, in dem die Kirche den geistigen Vorrang hat – wie immer dies ausgestaltet wird. Wir müssen an dieser Stelle zugestehen, dass die Selbstbevorzugung der weltlichen Gewalt vor der kirchlichen auch in innerkirchlichen Angelegenheiten schon mit der „konstantinischen Wende“ im 4. Jh und in der Neuzeit ganz massiv ab dem 17. Jh mit dem Gallikanismus in Frankreich zum Problem wurde. Auch ist die Selbsterhebung des Staates zur mächtigen „Schutzmacht“ der Kirche ebenfalls aufgrund des Syllabus nicht positiv, sondern kritisch zu sehen. Wer von einer Schutzmacht abhängt, ist immer erpressbar. Soll aber die Kirche, soll die Braut Christi mit ihrem Papst erpressbar sein?
Neu ist an den modernen Irrtümern nur eines: dass der Staat als religiös neutral vorgestellt wird. Pius IX. spricht an keiner Stelle von einem Vorzug der Monarchie gegenüber anderen Herrschaftsformen. Für ihn gibt es – ganz in der Diktion des heiligen Paulus - nur die Perspektive auf die „staatliche Gewalt“, die auch dann „christlich“ sein soll, wenn das Volk nicht christlich ist. Dies basiert auf einer naturrechtlichen Auffassung des Gemeinwesens, findet jedoch schnell seine Grenzen, wenn man bedenkt, dass im Naturrecht viele gute Ordnungen Gottes durch den Sündenfall schwer beschädigt, verzerrt oder sogar pervertiert weitergegeben werden. Ein gutes Beispiel dafür ist die Ehelehre der Kirche, die auf der Instandsetzung der Würden und Rechte der Frau (und des Kindes) durch Jesus beruht, der seine Inkarnation ins Fleisch ausdrücklich und unwiderruflich als Kind durch eine Frau vollzogen hat, während das „Naturrecht“ in aller Welt die Frau gemäß der Fluchordnung nach dem Sündenfall, die die Frau samt den Kindern dem Mann unterwirft (Gen. 3), verachtet oder zumindest als weniger „wertvoll“ als den Mann betrachtet und auch die reale (nicht märchenhafte!) Würde Mariens nicht erträgt und abschütteln will – mit teilweise verheerenden sozialen Folgen. Es tut sich hier ein unlösbares Problem auf, das kaum zu überspringen ist. Ich habe ja oben schon gezeigt, dass auch der Vorrang der weiblichen „Braut Christi“ vor dem männlich vorgestellten weltlichen Reich dem natürlichen Recht der Heiden vollkommen zuwider läuft – abgesehen von den Ausnahmen, die der heilige Thomas aufzählt und für eine von der Vorsehung ausgenommene Erscheinung auf Christus und Maria hin betrachtet. Dennoch hat Gott den Heiden sein Gesetz ins Herz geschrieben und sie wissen wenigstens im Groben darum, was gut und was böse ist.
Die Verwerfungen Pius IX. umrahmen die mit dem 19. Jh endgültig aufgebrochene Kluft zwischen civitas Dei und dem Fürsten der Welt. Seine Rundschreiben offenbaren eine gewisse Ratlosigkeit hinsichtlich der praktischen Vorgehensweisen. Der Leser fragt spontan: Und nun? Wie soll man es „richtig“ machen? Es ist wenigstens zu erahnen, dass Pius IX. angesichts der sich überschlagenden Umbrüche eine solche Antwort nicht geben konnte und nicht geben durfte.

Bei Leo XIII., der Pius IX. 1878 auf dem Stuhl Petri folgte, ist in dieser Frage eine innere Entwicklung zu bemerken. Als Bischof von Perugia leistete er entschiedenen Widerstand gegen die Revolution und schrieb in seinem Hirtenbrief vom 12. Februar 1860, die Zeit vor Konstantin dem Großen sei ein „rechtswidriger Zustand“ gewesen, weil „die höchste geistliche Gewalt des Papsttums von ihrem Ursprung an in sich den Keim der weltlichen Gewalt trug.“[56] In dieser Ansicht spiegeln sich die zeitgenössischen traditionalistischen Meinungen. Andere Töne schlug er in den Hirtenbriefen von 1874 und 1877 an, als er eine „Versöhnung zwischen der Kirche und der recht verstandenen modernen Kultur (als) möglich und erwünscht“ erklärt.[57] Bischof Pecci war deshalb von „reaktionären“ Kräften der Kirche auf eine schwarze Liste der Hierarchie gesetzt worden.[58] Dennoch kam er nach dem Willen Gottes als Leo XIII. auf den Stuhl Petri. Sein Programm hinsichtlich des Verhältnisses von Staat und Kirche drückte er in dem apostolischen Schreiben „Praeclara gratulationis“ 1894 aus:
„Nichts liegt ihr (der Kirche) ferner, als irgend ein Recht der weltlichen Macht an sich zu reißen. Anderseits muss aber die staatliche Gewalt die Rechte der Kirche achten und sich hüten, irgendwie eines davon in ihren Machtbereich ziehen zu wollen. – Betrachten wir nun die Verhältnisse und Tatsachen, welches ist da die Richtung des Zeitgeistes in unseren Tagen? Nur allzu viele sind gewohnt, die Kirche zu verdächtigen, zu verachten, ja zu hassen und böswillig falsche Anschuldigungen gegen sie zu erheben. Ja noch weit schlimmer wird es getrieben; mit aller Macht und Anstrengung geht man darauf aus, sie zur Dienerin der herrschenden Staatsmänner zu erniedrigen. Darum hat man ihr ihre Güter genommen, sie in ihrer Freiheit aufs äußerste beschränkt und die kirchliche Erziehung der heranwachsenden Theologen mit allerlei Schwierigkeiten verbunden. Gesetze von ausnehmender Strenge werden gegen den Klerus erlassen; die Hauptstützen des Christentums, die religiösen Genossenschaften werden aufgehoben oder deren Ausbreitung verboten, kurz: die Febroanischen Lehren kommen in Wort und Tat und zwar noch schärfer als früher zur Geltung. Dieses Vorgehen ist eine Vergewaltigung der heiligen Rechte der Kirche. Dabei bringt dies aber den Staaten die größten Nachteile, weil es ganz augenscheinlich den göttlichen Absichten widerstreitet. Denn Gott, der Herr und Schöpfer der Welt, war es, welcher der menschlichen Gesellschaft die weltliche und geistliche Autorität in weiser Absicht vorsetzte; freilich wollte er, dass beide Gewalten getrennt von einander bestehen sollten, aber keineswegs war es sein Wille, dass beide sich in feindseliger Absicht bekämpfen sollten. Aber nicht nur Gott, sondern auch vornehmlich die gemeinsame Wohlfahrt der menschlichen Gesellschaft erheischen dringend, dass die weltliche Gewalt in ihrer Regierung und Gesetzgebung in Eintracht mit der kirchlichen Gewalt handle. Daher hat auch der Staat seine eigenen und ihm eigentümlichen Pflichten und Rechte, ebenso aber hat auch die Kirche die ihrigen. Aber beide müssen durch harmonische Eintracht mit einander verbunden sein. So wird gewiss die in den gegenseitigen Beziehungen zwischen Kirche und Staat gegenwärtig obwaltende Störung beseitigt werden, welche jeder, der wahre Klugheit besitzt, aus mehr als einem Grund hinwegwünschen wird und alle Gutgesinnten peinlich empfinden. Dann können auch die Untertanen, weil die Interessen beider Gewalten klar auseinander gehalten sind, aber auch nicht sich feindlich gegenüberstehen, dem Kaiser geben, was des Kaisers ist, und Gott was Gottes ist.[59]

Die Welt erträgt sie nicht, diese Verwandlung, die das Reich Gottes schon jetzt auf Erden andeutet: „…sie zur Dienerin der herrschenden Staatsmänner zu erniedrigen. Darum hat man ihr ihre Güter genommen, sie in ihrer Freiheit aufs äußerste beschränkt…“ Der erwähnte Satz bei Jeremia über den „neuen Bund“ steht dem Satan entgegen: „Denn etwas Neues erschafft der Herr im Land: Die Frau wird den Mann umgeben“. Dass die Frau, die Braut Christi, zwar nicht „herrscht“, aber dennoch diesen geheimnisvollen Vorrang erhielt – die ganze Hölle begehrt dagegen auf!
Leo XIII. hält wenige Jahre später fest, dass die Beziehungen zwischen dem weltlichen regnum im Mittelalter von Konkurrenz und Feindschaft seitens der Kaiser geprägt waren. Er sieht darin die logische Konsequenz echter Nachfolge Christi, der sagte
„Man wird euch verfolgen von Stadt zu Stadt, man wird euch hassen und gering schätzen um meines Namens willen, man wird euch vor den Richter führen und zu den schwersten Qualen verurteilen." - Und um uns für die Prüfungen zu stärken, wies er auf sein eigenes Beispiel hin: "Wenn euch die Welt hasst, so wisst, dass sie mich vor euch gehasst hat –Si mundus vos odit, scitote quia me priorem vobis odio habuit" (Joh 15, 18). Das sind die Freuden, das der Lohn, der uns hienieden versprochen ist.[60]
Die katholische Kirche teilt als gehasste und verfolgte Braut Christi das Los mit ihrem Bräutigam.
„So hatte sich der traurige Hass gegen die Braut Christi von einem Jahrhundert auf das andere vererbt, als das Kaisertum in die Geschichte eintrat. Argwöhnisch und gewalttätig, eifersüchtig auf fremde Größe, mochte auch die eigene noch so viel durch sie gewinnen, richtete es einen Angriff nach dem andern gegen die Kirche, suchte es ihre Freiheit zu knebeln, ihre Rechte sich selber anzumaßen.“[61]

Es ist angesichts solcher Worte des ordentlichen Lehramtes, der „regula fidei proxima“ unverständlich, wie der moderne Traditionalismus so ignorant auf einem staatstheoretischen Konzept beharren kann, das das Lehramt gerade in der von diesen Leuten vertretenen vulgären Idealisierung nicht nur kritisch sieht, sondern sogar ablehnt.
Man kann später im vorkonziliaren Lehramt des 20. Jh auch keineswegs eine ideologische Präferenz für faschistische Herrschaftssysteme behaupten, wie dies Kirchenfeinde ebenso wie viele Traditionalisten fast gebetsmühlenartig tun. Es ist richtig, dass sich regionale Episkopate und ein ultrakonservativer innerkirchlicher „Mainstream“ aus historischen Gründen teilweise hinter solche Regime stellte (besonders in Spanien, das gebeutelt war von der grausamen Vorgehensweise der Kommunisten) und unreife, eigenmächtige Kleriker sich mit dem „katholischen“ Faschismus, auch mit dem Faschismus ohne katholische Requisiten, gemein machten. Dieser Mainstream stand aber der päpstlichen Linie genauso widerstrebend gegenüber wie der noch mächtigere Mainstream des Modernismus!
Eine grundsätzliche Befürwortung faschistischer Herrschaften wird man in Rom vergeblich suchen. Es ist angesichts der moderaten Worte und Vorgehensweisen der Päpste als ein ungehorsames und tendenziell schismatisches Verhalten zu werten, wenn Prälaten wie der Schweizer Robert Mäder – entgegen den Signalen aus Rom – sich an einer regelrechten Verteufelung der Demokratie und der Pressefreiheit, von deren Bestand er als Schweizer gerade mit seinen umstrittenen und schäumenden Publikationen doch selbst so weidlich profitierte[62], ebenso abarbeitete wie an einer Dämonisierung der Frau, der Bestreitung ihres Wahlrechtes, als bedeute dies den Untergang des Abendlandes, das doch bereits Benedikt XV. im Jahr 1919 zugestanden hatte[63] und der Deklaration der Frau zum allgemeinen Sündenbock für das gesammelte männliche Herrschaftsversagen der Geschichte, subsumiert unter der satanischen Formel „Cherchez la femme“ (eine veredelte moderne Form der Reaktion Adams, die Gott doch ganz scharf abgewiesen hatte: Was immer der Mann tut – die Frau ist der heimliche Verursacherin und er darf sich als armes, willenloses Opfer fühlen![64]). In der Mäderschen Diktion wird die Frau als Quasi-Funktion des Teufels dargestellt, die das uralte „Sündengift des Weibes“ durch die Geschichte hindurch verbreitet habe und vom Mann demütig gehalten und „gerettet“ werden müsse, um „die Welt zu retten“. Mäder hatte wohl mehrere Konzepte zur „Rettung der Welt“, die das Kreuz Christi nicht allzu ernst genommen haben dürften. Die Demütigung der Frau zur Rettung der Welt ist nach der Seligpreisung des mittelalterlichen Scheiterhaufens schon das zweite Weltrettungsprogramm… Wusste Mäder denn nicht, dass diese Welt einem Ende entgegen geht, dass ihre Rettung bereits geschehen ist, das Böse ausgären muss und wir auf die Wiederkunft Jesu Christi warten? Und weiter: Lehrte die Kirche nicht eigentlich, dass in Adam alle gesündigt hätten und alle der Rettung und Erlösung bedürften, alle ohne Ausnahme? Für sich selbst zieht Mäder die der Frau unter Schmähungen verordnete Demut nicht einen Moment in Erwägung.
Es handelt sich um ein seltsam verworrenes und überspanntes, aber auch offen feindseliges Denken, das eine Grundaussage der Genesis umkehrt: die Frau ist nach dem einmaligen satanischen Missbrauch der Sehnsucht und Neugier Evas nach tieferer Erkenntnis von Gott persönlich herausgenommen und in Feindschaft zum Satan gesetzt und nicht – wie Mäder behauptet – eine zeitlose Funktion des satanischen Wirkens, das alleine durch Maria durchbrochen wurde. Maria ist „gebendeit unter den Frauen“, sie ist diejenige unter dem ganzen Geschlecht, die die Verheißung erfüllen durfte, die der „Frau“ in generalisierender Formulierung verheißen wurde. Dafür spricht nicht nur der gesamte Verlauf des Alten Testamentes mit seinen überwiegend positiven und starken Frauengestalten, sondern auch die Tatsache, dass Maria in der Schrift immer, sogar von ihrem eigenen Sohn, als „Frau“ und nicht mit dem Eigennamen oder dem Wort „Mutter“ angesprochen wird.
Es wundert nicht, dass Mäder seine ungeheuerliche und antichristliche Behauptung mit Motiven aus heidnischen Sagen begründet.[65] Man muss sich fragen, was von einem Priester zu halten ist, der sich selbst in diese Feindschaft zur Frau setzt (!) und dies hinter einer  schwärmerischen und fragwürdigen Überzeichnung der Gottesmutter verschanzt, über deren Rang als „Zweite“ nach dem Ersten (Christus) er sich - ganz im Geist des Rangstreites der Jünger zu Zeiten Jesu (Luk. 9, 46-50; Mark. 9, 32-49; Matth. 18, 1-14 ) – weitläufig auslässt, wo sie selbst doch nur einen Satz dazu gesagt hat: Ecce ancilla Domini.  - Seht, ich bin Magd des Herrn. Welchen Sinn hat da die Rede von „Rängen“, wo die Frau doch immer mit Maria Königin, ohne Maria aber als Frau nicht ist?
Wenn eine verheiratete Frau wie Deborah nach dem Willen Gottes Richterin sein konnte, wenn die Inkarnation des Sohnes Gottes auf der Seite der Menschen vom eigenständigen, nicht aus dem „Willen des Mannes“ abgeleiteten „Fiat“ einer Frau abhing, gibt es keinen vernünftigen, logischen Grund, der Frau in einem demokratischen Gemeinwesen, das in seiner Verfassung ein allgemeines und gleiches Wahlrecht vorsieht, aus prinzipiellen Gründen dasselbe Wahlrecht zu verweigern. Das allgemeine und gleiche Wahlrecht aller ist aus vernünftigen Gründen sicher kritisierbar, dann allerdings geschlechterunabhängig. Die immer wieder vorgebrachte Behauptung, die Frau sei verführbarer als der Mann – bei Mäder heißt es kurz und beleidigend: „Das Weib denkt nicht“ – wird durch die gesamte Historie der Menschheit widerlegt. Da der Mann der Hauptakteur der von ihm selbst tradierten Herrschaftsgeschichte ist, liegen sogar ganze Legionen an Zeugnissen seiner Verführbarkeit zur Sünde und Gewalttat, angefangen bei Kain, vor…
Es ist bei Mäder geradezu unheimlich, wie hemmungsloser Neid, eine fast totale Verblendung gegenüber dem eigenen männlichen Versagen, ungeordnetes Machtstreben und eine sicher nicht von Gott inspirierte Hetze und Feindschaft unter der flammenden Maske der Marienschwärmerei den Anschein der Rechtgläubigkeit erzeugen kann. Aber noch unheimlicher ist, dass er mit seinen Entgleisungen auf offene Ohren im Traditionalistenlager stößt. Erkennt man dort nicht, dass er mit seinen Ausfällen weit, weit über das hinausgeht, was die Kirche gelehrt hat und was päpstliche Linie war?[66]
Das Beispiel soll zeigen, dass der moderne, „reaktionäre“ Traditionalismus schon früh keineswegs bereit war, die regula fidei proxima, die alleine der Papst festlegen darf, zu achten, wo sie seinen ideologischen Ausrichtungen nach „zu schwach“ war.
Anders ausgedrückt: Die Tradition des Traditionalismus war von Anfang an teilweise widersetzlicher Natur, entstand lange vor dem Vaticanum II und erfand sich ihre eigene Tradition als Parallelwelt innerhalb der Kirche unter vorgeblicher Achtung vor dem Papst. Die fast vollkommene Schwächung der Lehre der Kirche nach dem Vaticanum II war eine perfekte Gelegenheit, diese traditionalistische Parallelwelt als „Widerstand“ gegen den Modernismus und angeblich einzig wahre Tradition zu etablieren. Die Idee, es gebe ein „Widerstandsrecht“ gegen einen rechtmäßigen Papst, ist nicht erst mit Erzbischof Lefebvre aufgekommen. Sie hat einen langen Weg innerhalb der Kirche hinter sich und ist immer wieder verworfen worden. So wie aber die Modernisten den dogmatischen Radar unterfliegen, haben auch die Traditionalisten dies auf ihre Weise getan.
Wenn der Papst rechtmäßig (d.i. rechtmäßig gewählt und rechtgläubig) ist, schuldet ihm jeder Mann, jede Frau und jedes Kind Gehorsam – gleich welchen Standes! Ist er aber nicht rechtmäßig, zum Beispiel wenn er häretisch agiert, dann ist er auch nicht der rechtmäßige Papst. Ihm zu folgen bedeutete, mit ihm vom Glauben abzufallen. Dann muss man, wie es der heilige Petrus damals sagte, „Gott mehr gehorchen“.
Dass die modernistisch-traditionalistische Position der FSSPX, die behauptet, man brauche dem Papst bloß bei ex cathedra-Entscheidungen zu gehorchen und könne ansonsten ignorieren, was er sagt, der Tradition vollkommen widerspricht, geht aus folgenden eindeutigen Sätzen Leo XIII. hervor:
„Was nun die Reichweite dieses Gehorsams angeht, so soll sich niemand einreden, man brauche den Oberhirten der Kirche und besonders dem Römischen Papst nur bezüglich jener Glaubenslehren zu gehorchen, deren hartnäckige Verwerfung das Vergehen des Irrglaubens ausmacht. Ebenso wenig genügt die aufrichtige und feste Zustimmung zu jenen Lehren, die, wenngleich von der Kirche nicht durch feierliches Urteil entschieden, doch von ihrem ordentlichen und allgemeinen Lehramt als göttlich offenbart zu glauben vorgestellt werden, Wahrheiten, von denen das Vatikanische Konzil sagt, man müsse sie mit „katholischem und göttlichem Glauben" festhalten. Die Christenpflicht geht weiter und fordert überdies, dass man sich durch die Autorität der Bischöfe und besonders des Apostolischen Stuhles leiten lasse. Die Zweckmäßigkeit eines solchen Verhaltens ist leicht einzusehen. Der Inhalt der göttlichen Offenbarung betrifft nämlich teils Gott, teils den Menschen selbst und die zu seinem ewigen Heil notwendigen Mittel. Nun ist es aber, wie oben erklärt, nach göttlichem Recht Sache der Kirche und innerhalb derselben des Papstes, darüber Vorschriften zu geben, was uns nach beiden Beziehungen hin obliegt, was wir nämlich zu glauben und was wir zu tun haben. Darum muss der Autorität des Papstes auch das Urteil darüber unterstellt sein, was die göttliche Offenbarung enthält, was mit ihr übereinstimmt und was ihr widerspricht. Aus demselben Grund muss der Papst kraft seiner Autorität entscheiden, was ehrbar und was unsittlich ist, was wir tun und lassen müssen, um das Heil zu erlangen; andernfalls vermöchte er weder Gottes Wort mit Gewissheit auszulegen, noch die Menschen mit Sicherheit auf dem Pfad des Lebens zu führen.[67]
Auch wenn päpstliche Instruktionen nicht den Rang einer unfehlbaren Aussage haben, ist ihm dennoch zu gehorchen – andernfalls wäre sein Amt als ständiger Stellvertreter Christi, der seine Vollmacht direkt von Christus hat, ja überflüssig.
Die Schizophrenie der schismatischen und zugleich „romtreuen“ Haltung der FSSPX, die sich selbst und ihren hagiografisch erhobenen Exponenten, Erzbischof Lefebvre, zum heiligen „Marktführer“ und einzig wahren Repräsentanten der katholischen Tradition erklärt, liegt in ihrer Verweigerung zum Gehorsam gegen Papst und Gott. Mit zunehmender Distanz zum vorkonziliaren Leben in der Kirche, das aber schon lange, wie oben gesagt, bereits durchsetzt war von modernistischen und traditionalistischen Irrlehren, ist bald jede Erinnerung an die wirkliche Tradition und die reale Tätigkeit des Lehramtes der Kirche verblasst. Die von fast allen Seiten irregeleiteten Menschen fallen ahnungslos auf den Anspruch solcher selbsternannter lehramts-korrigierender Glaubenshüter herein und machen sich deren Irrungen oft in naivem Vertrauen zu eigen.
Nicht alle Holzwege, die man in den Gedankengängen katholischer Autoren und Kleriker, auch solcher aus älterer Zeit, finden kann, sind gleichermaßen „wahre“ Tradition der Kirche! Die Frage ist, ob diese Ideengeber in echter Übereinstimmung mit dem ordentlichen Lehramt standen. Zu befolgen sind auch nicht importierte regionale Bräuche oder mit dem Anspruch der allgemeinen Sitte oder Lehre zu glaubende solitäre Meinungen einzelner Prälaten oder Schriftsteller, sondern – wenn es um allgemeine, für die ganze Kirche verbindliche Forderungen geht - alleine die Vorgaben des Papstes. Fehlt ein rechtgläubiger Papst, muss diese Stelle – schmerzlich spürbar, aber in Demut und Gehorsam und in der Zuflucht zu Maria - leer bleiben!

Der Traditionalismus ist also ein ebenso unheimliches wie gefährliches Phänomen. Er ist ein katholischer Zombie: eine scheinbare Wiederauferstehung der verloren gegangenen Tradition, geistert er als ein seiner Seele beraubtes, willenloses und fremdgesteuertes Wesen, als „Untoter“, herum, und erbeutet die letzten, noch nicht ganz apostatischen Seelen.

Der zweite Bischof – außer Lefebvre - , der, um die apostolische Sukzession nicht abbrechen zu lassen, Priester- und Bischofsweihen vornahm, war der vietnamesische Bischof Pierre-Martin Ngô-dinh-Thuc, der allerdings von Pius XI. 1938 bereits ein Mandat erhalten hatte, ohne weitere Rücksprache mit dem heiligen Stuhl Bischöfe (und Priester) zu weihen, wenn es für das Heil der Seelen notwendig würde. Seine Weihen sind daher nicht im selben Sinne wie die des Erzbischofs Lefebvre als „unerlaubt“ und schismatisch zu betrachten.[68] Da dieses Mandat für Thuc niemals aufgehoben wurde, waren seine Weihen in jedem Fall rechtmäßig – nach den Rechten in der vor- und nachkonziliaren Kirche. Exkommuniziert wurde er 1983 wegen seiner Deklaration der Sedisvakanz des Heiligen Stuhles durch Kardinal Ratzinger – nicht wegen der vorgenommenen Weihen.
Bischof Thucs Fehlhandlungen (die Weihe von Bischöfen der Palmarier) stehen allerdings in Zusammenhang mit Empfehlungen, die zuvor Erzbischof Lefebvre ausgesprochen hatte. Es ist ungeklärt, was hinter dieser merkwürdigen Sache steckt. In jedem Fall hat Bischof Thuc, sobald er erkannte, was gespielt wurde, seine Weihhandlungen für Palmarier öffentlich bedauert und alles, was sie tun, verurteilt.
Es ist interessant, dass Bischof Thuc die referierten typischen staatstheoretischen Denkweisen vieler Traditionalisten in Europa in dieser plumpen Art ablehnte. In diesem Zusammenhang ist eine Episode aufschlussreich, in der er das Thema dieser Reflexion auf seine Weise beantwortet, die zugleich beweist, dass der Heilige Stuhl nicht hinter solchem Monarchismus stand:
„Msgr. Drapier (…) rief mich zu sich und bat mich, die Sache dieses Wüstlings Bâo-dai (des letzten vietnamesischen Kaisers) zu übernehmen. Hier die Gründe der Intervention des apostolischen Delegaten: Der hl. Thomas von Aquin, der Ruhm des Dominikanerordens, habe gelehrt, die Monarchie sei die ideale Regierungsform für die Welt und er als Dominikaner glaubte, Bâo-dai helfen zu müssen. (…) Ich antwortete frei heraus: ‚Monseigneur, meine Aufgabe als Bürger ist es, Steuern zu zahlen und die Gesetze des Kaiserreiches zu erfüllen. Was das Herausragen der Monarchie über jede andere Form der Regierung angeht, muss man unterscheiden, welche Art der Monarchie gemeint ist: die absolute? Die konstitutionelle? Die von einem fremden Lande protegierte Monarchie? Von welcher Kategorie der Monarchie sprach St. Thomas von Aquin? Als Bischof kann ich keine Politik betreiben, egal, was meine Vorlieben sind. Die Päpste verpflichten uns nach dem Beispiel der Apostel dazu, uns nicht mit der Politik zu befassen.’ (…) Msgr. Drapier (war) mit mir unzufrieden, konnte aber meine Argumentation nicht zerstören. (…) Die Aktivitäten des apostolischen Delegaten Msgr. Drapier missfielen dem Vatikan, der ihn direkt nach Rom bestellte. (…) Was Bâo-dai angeht: Er lebt noch in Frankreich auf Kosten seiner zahlreichen Konkubinen.“[69]
Leo XIII. hat in seiner Enzyklika „Sapientiae christianae“ von 1890 klar formuliert, dass die Pflicht des legitimen Staatswesens nicht darin bestehe, Selbstzweck zu sein:
Denn die Gesellschaft hat von Natur aus nicht den Zweck, des Menschen Endziel zu sein, vielmehr soll sie ihm nur geeignete Hilfsmittel bieten, zur Vollkommenheit zu gelangen.[70]
Leo XIII. berücksichtigt eine Mannigfaltigkeit an Lebenswirklichkeiten der Katholiken weltweit. Er sieht offensichtlich keine Notwendigkeit, über Staatsformen zu streiten, sondern als Katholik im Staatswesen bei großer Liebe zum „Vaterland“ eine noch größere Liebe zur Kirche zu leben und zu bezeugen:
„Ist doch die Kirche die heilige Stadt des lebendigen Gottes, aus Gott geboren und von ihm gestiftet, damit sie, während sie selbst sich in dieser Welt auf Pilgerschaft befindet, die Menschen sammle, unterrichte und dem ewigen Himmelsglück entgegenführe. Wenn uns also das Vaterland, in dem wir dieses sterbliche Leben empfangen haben, lieb und teuer sein muss, so gebührt der Kirche eine noch größere Liebe, da wir ihr das ewige Leben der Seele verdanken; und wenn die Güter der Seele mit Recht vor jenen des Leibes Vorzug haben, so sind auch die Pflichten gegen Gott weit heiliger als die Verpflichtungen gegen die Menschen.[71]
Der Katholik mag nicht mit jeder Regierung glücklich sein, aber seine Liebe zu seinem Vaterland – man beachte das sorgfältige Umgehen des Begriffes „Volk“ oder „Nation“ bei Leo XIII. - widerstrebt nicht der Liebe zum himmlischen Jerusalem:
Übrigens dürfen wir nicht verkennen, dass die übernatürliche Liebe zur Kirche und die natürliche Liebe zum Vaterland aus einer und derselben ewigen Quelle fließen: sie sind Zwillingsschwestern und haben beide Gott zum Vater und Urheber. Darum ist auch ein Widerspruch zwischen ihren Verpflichtungen unmöglich. Sie schließen also einander nicht aus: auf der einen Seite die Selbstliebe, das Wohlwollen gegen die Nebenmenschen, die Liebe zum Staat und zum Träger der Gewalt an seiner Spitze, auf der anderen die gleichzeitige Verehrung gegenüber der Kirche, unserer Mutter, und eine Liebe zu Gott, die alles übersteigt.[72]
Die Liebe zum Vaterland entspricht der Liebe zur Familie: man darf nicht hassen, was einen hervorgebracht hat, soll „Vater und Mutter“ stets „ehren“! Dennoch hat im Zweifelsfall immer die Autorität des Papstes, also im Bild gesprochen der „Mutter (Kirche“) vor dem „Vater“, der weltlichen Autorität, den Vorrang:
„Wem von den zweien aber der Vorzug gebührt, ist zweifellos.“[73]
Jesus hat uns gesagt, dass der, der nicht bereit ist, im Zweifelsfall um seinetwillen Vater und Mutter zu verlassen, sein nicht wert ist (Mk. 10, 29).

Eine Zusammenfassung der wahren Haltung der katholischen Kirche zu Fragen der Staatsformen und ihren verwalterischen Regelungen und Bürgerrechten gab uns eindeutig und unmissverständlich Pius XI. in „Dilectissima nobis“ von 1933:
„Allen ist ja bekannt, dass die katholische Kirche keine Staatsordnung gegenüber einer anderen besonders bevorzugt, sofern nur die Rechte Gottes und des christlichen Gewissens gewahrt und geschützt werden, und dass sie sich daher ohne Schwierigkeit mit jeder Staatsform ins Einvernehmen setzen kann, sei es ein Königreich oder eine Republik, eine Aristokratie oder eine Demokratie. Das beweisen, um nur Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit zu erwähnen, die zahlreichen Verträge und die so genannten "Konkordate", die erst vor kurzem abgeschlossen wurden, ebenso die freundschaftlichen Beziehungen, die der Apostolische Stuhl mit verschiedenen Staaten unterhält, selbst mit jenen, die nach dem letzten großen Krieg die Monarchie abgeschafft und die Republik eingeführt haben.“[74]
Das alles dürfte eindeutig sein und wurde auch – unverdächtig aufgrund seiner offenen Antipathie für die Kirche an dieser Stelle - von dem Historiker Jacob Buckhardt um 1868/70 herum sachlich genau so bestätigt:
„Die Kirche liebt zwar keinen Staat, neigt sich aber demjenigen Staatswesen zu, welches das bereitwilligste und fähigste ist, für sie die Verfolgungen zu exquirieren. Sie richtet sich auf den modernen Staat ein, wie sie sich einst auf das Lehenswesen eingerichtet.“[75]
Wie sollte die Braut Christi auch einen Monarchen lieben, wo doch ihr Bräutigam im Himmel zur Rechten Gottes sitzt!

4. Prophetische Aussagen

Was sagten uns die prophetischen Schauungen einzelner Mystiker über die abendländischen Monarchien und die kirchliche Obrigkeit voraus? Ist eingetreten, was sie sahen?
Frühe Mystiker der Neuzeit sahen die Auflösung der Kirche voraus, in der wir stehen. Mehrere Visionen über die Zustände, in denen die Kirche im 19. und 20. Jh versinken würde, erhielt die Ordensfrau Marianna von Jesus Torres in Quito/Ecuador bereits im 16./17. Jh. Ihre Visionen wurden vom örtlichen Bischof und von Rom als übernatürlich anerkannt. Bis in die Einzelheiten wurden ihr die furchtbaren Zustände offenbart, die wir kennen. Sr. Marianna schaute eine Verbrüderung der Kirche mit den Feinden der Kirche. Ob diese Feinde monarchische oder andere Kräfte sein würden, ist bei nüchterner Betrachtung gleich. Eindeutig sieht sie, dass die kirchliche Hierarchie dem Satan dienen würde, das ewige Licht erlöschen wird in der Kirchengebäuden und für eine gewisse Zeit kein Papst mehr sein würde:
Zerstörerische Zeiten werden unerwartet eintreffen, in denen selbst diese, die an die Rechte der Kirche gebunden sind und diese verteidigen sollten, durch Verdunkelung ihrer deutlichen Visionen, ohne Anzeichen von Pflichtbewusstsein oder menschlicher Angst, ihre Hand ausstrecken werden gegenüber den Feinden der Kirche, um das zu tun, was der Letzte von ihnen verlangt. Aber leider wird der weiseste Mann (Papst), der die Kirche leiten soll und den mein Allerheiligster Sohn als Hirte über seine Schafe eingesetzt hat und ihm diese anvertraut hat, abwesend sein![76]
Sr. Marianna hatte auch eine Vision über einen Priester, der in diesen schlimmen Zeiten aufstehen würde, und die Wahrheit furchtlos verteidigen würde.
„Dieser Prälat und Priester wird als Ausgleich für all die Oberflächlichkeiten der konsekrierten Priester und der Religion agieren.[77]
Es ist bekannt, dass Erzbischof Lefebvre diese Vorhersage auf sich selbst bezog und darauf die Berechtigung zu seinen unerlaubten Bischofsweihen stützte:
„Sie (die Gottesmutter) spricht von einem Prälaten, der sich diesen Fluten der Apostasie und der Gottlosigkeit absolut entgegenstellen und das Priestertum erhalten wird, indem er gute Priester heranbildet. Sie können Einwendungen machen, wenn Sie wollen. Ich werde es nicht tun.“[78]
Es ist hochgradig problematisch, eine Prophetie ohne Prüfung durch legitime geistliche Autorität auf sich selbst zu beziehen. So etwas hat es in der Tradition der Kirche niemals gegeben!
Ich möchte auf das Beispiel der Jeanne d’Arc verweisen, mit der der Erzbischof sich gerne verglich (s.u.). Auch sie war aufgrund von jahrelangen Visionen (Msgr. Lefebvre hat dagegen lediglich „ein Buch (in die Hände) bekommen“, wie er sagt[79]) der Überzeugung, die prophetisch angekündigte Jungfrau zu sein, die Frankreich aus der Unterdrückung durch England helfen würde.[80] Nachdem Sie es geschafft hatte, zum französischen Kronprinzen vorzudringen, und er ihr glaubte, wurde sie in Poitiers wochenlang von geistlichen und weltlichen Hochgestellten untersucht – selbst eine Prüfung ihrer Jungfräulichkeit wurde durch Hofdamen mehrfach durchgeführt. Sie ließ all dies willig über sich ergehen – von einer so hochmütigen und unnahbaren Haltung wie bei Msgr. Lefebvre („Sie können Einwendungen machen, wenn Sie wollen. Ich werde es nicht tun.“ (s.o.)) war bei ihr keine Spur zu sehen!
Ich sehe dies als ein grundsätzliches Problem an, denn selbst der Sohn Gottes war sich nicht zu erhaben, von Anfang an durch geistliche Autoritäten und den Vater selbst um der Menschen willen, die doch Anhaltspunkte brauchen, immer wieder bestätigt zu werden. Das erste Zeugnis gaben die durch den Engel des Herrn als Trägerin eines Wunders bezeichnete Elisabeth und ihr ungeborener Sohn Johannes der Täufer. Das zweite Zeugnis gaben Simeon und Hanna im Tempel. Simeon hatte aufgrund einer Eingebung erfahren, dass er noch zu Lebzeiten den Messias sehen würde. Wer an dieser einsamen Eingebung zweifeln mag, kann aber nicht an der greisen Hanna vorbei, die wiederum Simeon bestätigte, denn von ihr heißt es immerhin, sie sei eine Prophetin gewesen, die fast ihr ganzes Leben lang im Tempel gedient hatte – eine geistliche Autorität also, die sich nicht selbst ernannt hatte! Und überwältigend – abgesehen von anderen menschlichen Zeugnissen der Gottessohnschaft Jesu wie dem durch Petrus - bezeugte der Vater mehrfach selbst, dass Jesus „sein lieber Sohn“ sei (Mt. 3, 17; Mk. 1, 11; Lk. 3, 22; Lk. 9, 35; Joh. 12, 28 etc.).
Wieso sollte also ausgerechnet ein - verglichen mit dem Herrn - armer Mensch wie Erzbischof Lefebvre in einer so wichtigen Angelegenheit erhaben sein über Einwendungen und Fragen?
Er wusste wohl selbst, dass hier ein tieferes Problem begraben liegt und hat sich in öffentlichen Predigten bis zum Schluss immer wieder selbst legitimiert. Ich zitiere aus der Predigt zum20jährigen Gründungsjubiläum der FSSPX am 1. November 1990 in Ecône:
„Die Entstehung unserer Priesterbruderschaft St. Pius X. war ganz bestimmt von der Vorsehung gewollt.
Ich bin davon umso mehr überzeugt, da ich selbst ein manchmal etwas ungenügend lenksames Werkzeug Gottes war. Im Laufe der Jahre 1969 und 1970 hatte ich mich auf einmal gefragt, ob man dieses Unternehmen nicht aufgeben sollte. Nur durch die Tatsache, daß mir meine beiden Schutzengel, Abbé Aulagnier und Abbé Tissier de Mallerais, zur Seite gestanden sind, ist die Bruderschaft entstanden und Wirklichkeit geworden. Sie haben mich gestärkt und unterstützt. So stelle ich mir die heiligen Engel vor, die Unserem Herrn im Ölgarten beigestanden sind und Ihm die Worte eingegeben haben „fiat voluntas tua – Dein Wille geschehe“. Nach diesem zwanzigjährigen Bestehen der Priesterbruderschaft, müssen wirklich alle zugeben, daß sie von Gott gesegnet wurde. Selbst diejenigen müssen es zugeben, die jetzt außerhalb der Bruderschaft stehen, ihr nicht mehr folgen, oder sogar mit ihr nicht mehr einverstanden sind. Ein Beweis dafür sind die Vertreter aus Rom, die uns offiziell visitiert haben.“
[81]
Seine „Schutzengel“ sind menschliche Mitstreiter, die durch niemanden legitimiert waren, sondern die er sich selbst gezogen hatte. Autoritär und ohne irgendeinen Beweis oder ein Argument, deklariert er über sich selbst und sein Werk den unzweifelhaften Segen Gottes und will selbst seinen Gegnern rhetorisch die Anerkennung dafür abzwingen. Es schaudert mich, wie er sich in einer Lage wähnt, die derjenigen gleicht, als unser Herr niedergedrückt von der ganzen Sündenlast der Welt Blut schwitzte – ist das nicht allzu pathetisch und nahezu blasphemisch?
Ist das der Geist, der sagt: „Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Sklaven; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan.“ (Lk. 17, 10)?
 Ein Geist, der nicht einmal Rechenschaft darüber ablegen will, ob ihm wirklich etwas befohlen worden ist oder nicht vielmehr er selbst sich einen Plan ersonnen hat? Ein Geist, der eine „offizielle Visitation aus Rom“ als Beweis ansieht, wo die Bruderschaft doch meint, sie müsste diesem Rom Widerstand leisten?
In der ihm eigenen Art sah er sich auf einer Linie mit Jeanne d’Arc, auch wenn er dies rhetorisch mit der Anmaßung zugleich verneinte:
„Das ist der Grund, warum ich nach Rom gehe, so wie die hl. Jeanne d'Arc auf jene zugegangen ist, die sie verurteilt hatten. Ich bilde mir nicht ein, die Kraft und Tugend der hl. Jeanne d'Arc zu haben, aber ich glaube trotzdem, dass der liebe Gott mir helfen wird, vor diesen Leuten zu sprechen, vor jenen, die mich ausfragen und verhören, und ihnen die Wahrheit zu sagen, auch wenn sie sie nicht hören wollen.“[82]
Während Jeanne d’Arc alle Leiden konsequent, (nach einem Angstanfall vor dem katholischen Gericht in Rouen) unbeirrt und schonungslos auf sich nahm, um einem durch die Kirche bestätigten Auftrag zu gehorchen, tat Monseigneur, was ihm recht erschien, sagte ohne Not mal diese und mal jene Wahrheit (was den Papst betraf[83]), und während die tapfere Heilige am Ende wie unser Herr zerrieben wurde und auf dem Scheiterhaufen sterben musste, erfreute sich der Erzbischof eines langen Lebens, ungestörter Lebensvollzüge und einer erheblichen Macht, die niemand untersucht hatte, die er sich selbst zuschrieb und in der er sich nicht in Frage stellen ließ. Die formelle Exkommunikation (die Jeanne im Gegensatz zu Monsignore vollkommen unschuldig aufgrund von Verleumdungen erdulden musste!) war objektiv das einzige formelle Leiden, das er mit der Heiligen gemeinsam hatte.

Das Beispiel der Jeanne d’Arc im 15. Jh führt uns zu Frankreich, der „ältesten Tochter der Kirche“, denn der Frankenkönig Chlodwig I. ließ sich bereits im 5. Jh taufen.
Interessant sind die Gründe, die die Quellen für diese Entscheidung angeben:
„In den Quellen werden zwei Motive für den Übertritt Chlodwigs zum Christentum genannt. Das eine war der christliche Königsgedanke. Der König war in seinem Amt auch durch seine vermeintliche Abstammung von den heidnischen Göttern legitimiert. Diese Abstammungslegitimation und damit die Verbindung zu seinen heidnischen Vorfahren musste er aufgeben, als er Christ wurde. Stattdessen wurde dem König verheißen, er werde einst im Himmel mit seinen Nachkommen herrschen. Damit wurde ein christliches Königtum begründet, was auch die Pflicht des Königs zur Mission einschloss. Das zweite Motiv war dasjenige des stärkeren Gottes (…). In diesem Sinne berichtet Gregor von Tours, dass Chlodwig sich für das Christentum entschied, nachdem der christliche Gott ihm in der Schlacht von Zülpich die erbetene Hilfe gewährt hatte, während er von seinen bisherigen Göttern solchen Beistand vergeblich erhoffte. Eine Rolle spielte wohl auch der Einfluss seiner zweiten, katholischen Frau Chrodechild.“[84]
Chlodwig war der einzige König, der den katholischen Glauben in der „athanasischen“ – und nicht der häretischen arianischen - Form annahm und ausdrücklich nur den Lehren des Bischofs von Rom folgen wollte. Im Land dieses Königs entstanden später verschiedene Irrlehren wie der Jansenismus und Gallikanismus, von dort gingen die massive Entartung des alten monarchischen Staatswesens und die radikale philosophische Aufklärung aus.
Trotz aller Vorbehalte gegenüber der Regierung Ludwigs XIII. möchte ich erwähnen, dass er in einem förmlichen Akt der Dankbarkeit am 10. Februar 1638 Frankreich durch die Hände der Gottesmutter dem allmächtigen Gott weihte. Eine zeitgenössische Statue von Guillaume Coustou im Hochalter der Kathedrale Notre-Dame de Paris stellt den König kniend dar, wie er seine Krone dem Herrn und der Gottesmutter, die unterm Kreuz in einer Pietà dargestellt sind, entgegenstreckt und zurückgibt.
Nach seinem Ableben 1643 konnte von derartigen Frömmigkeitsbekundungen keine Rede mehr sein.

In diesem Land hatte Margareta Maria Alacoque am 27.12.1673 eine Vision, in der der Herr sie beauftragte, sich für die Verehrung seines göttlichen Herzens einzusetzen. Sie erfuhr Unterstützung und Förderung durch ihren Beichtvater Claude de la Colombière, der einige Schriften über die an Sr. Margareta offenbarte Herz-Jesu-Verehrung verfasste. 1689 erhielt sie eine Vision, die sie dazu beauftragte, den französischen König, Ludwig XIV. zu bitten, ganz Frankreich dem allerheiligsten Herzen Jesu zu weihen und Ihm in Paris eine Kirche zu erbauen. Der „Roi soleil“, der den berühmten Satz „L’état c’est moi“, also die Perversion der Monarchie, ausgesprochen haben soll, geruhte diese Bitte zu ignorieren. Ludwig XIV. gilt als Förderer des Gallikanismus (der nationalen Autonomie der katholischen Kirche gegenüber dem Papst):
„Im November 1681 ließ er eine Klerikerversammlung abhalten, welche die Gallikanischen Artikel verabschiedete, wodurch die Macht des Papstes praktisch aufgelöst wurde. Der Einfluss der französischen Könige auf die eigene Kirche war ohnehin sehr stark, nun jedoch durfte der Papst auch keine Legaten mehr ohne des Königs Zustimmung nach Frankreich senden. Bischöfe durften ohne königliche Erlaubnis das Land nicht verlassen, kein Staatsbeamter exkommuniziert werden für Taten, die seinen Dienst betrafen. Alle kirchlichen Privilegien wurden dem Monarchen übertragen, sämtliche Einflussmöglichkeiten des Papstes durch die Billigung des Königs reguliert. Der Papst verweigerte schließlich seine Zustimmung zu diesen Artikeln.“[85]
Die Bitte der Mystikerin musste dem König wie ein Witz erschienen sein. Er war auf dem Höhepunkt seiner Macht! Er ist auf der anderen Seite des Hochaltars in Notre-Dame de Paris, gegenüber von Ludwig XIII., dargestellt. Er hat seine Krone abgesetzt und auf den Boden neben sich gelegt und drückt seine rechte Hand aufs Herz. Die Linke behält er über seiner Krone. 100 Jahre später aber wurde in der französischen Revolution seine Dynastie ausgelöscht.
Auf diese Situation, die wiederum ein bezeichnendes Licht auf die Güte der „alten monarchischen Ordnungen“ wirft, die angeblich ideale Verbindung von „Thron und Altar“ aufs Neue als Illusion entlarvt und die Diagnose Leos XIII. bestätigt, dass die Monarchie die universale Kirche mit ihrem Papst meistens entmachten, beiseite drängen oder „umarmen“ wollte, bezieht sich im 20. Jh eine Vision, die der überlebenden Fatima-Seherin Sr. Lucia 1931 zuteil wurde.
Zuvor hatte die Muttergottes die Weihe Russlands an ihr unbeflecktes Herz durch den Papst im Verein mit allen Bischöfen gefordert, was jedoch in Rom kein Gehör fand. Sie wurde damit beauftragt, der Geistlichkeit folgendes mitzuteilen:
„Laß es meine Geistlichen wissen, daß sie, indem sie dem Beispiel des Königs von Frankreich folgend, meinen Befehl verzögern, werden sie auch ihm in sein Unglück folgen."[86]
Das Unglück, das die Entscheidung Ludwigs XIV. für Frankreich und ganz Europa bedeutete, kennen wir. Für ihn und seine Dynastie bedeutete es Chaos, die Schrecken der Revolution, die Guillotine und für ganz Europa Durcheinander, die Verstrickung in die Kriege Napoléons und seiner Nachfolger und schließlich die endgültige und komplette Zerstörung der ehemaligen und gewachsenen politischen Ordnungen.
Was nun wird die Drohung des Herrn gegenüber dem Papst und den Bischöfen bedeuten, wenn schon die Wirren der französischen Revolution alles überstiegen, was man sich damals hätte zuvor ausmalen können?

In der Botschaft von La Salette 1846, die wie die Botschaften an Jeanne d’Arc, Margareta Maria Alacoque, Bernadette Soubirous oder Katharina Labouré in der Rue du Bac, an eine junge franzische Frau und einen jungen Mann erging, erfahren wir, dass Rom den Glauben verlieren und Sitz des Antichristen werden würde.
Die Ereignisse unter dem Pontifikat Pius IX., die wir oben näher betrachtet hatten, wurden darin vorhergesagt. An diesen Stellvertreter Christi wird ausdrücklich eine Mitteilung gemacht:
„Der Stellvertreter meines Sohnes, der Hohepriester Pius IX., verlasse Rom nach dem Jahre 1859 nicht mehr. Er sei vielmehr standhaft und großmütig und kämpfe mit den Waffen des Glaubens und der Liebe. Ich werde mit ihm sein.
Er traue dem Napoleon (Anm.: Napoléon III.) nicht. Sein Herz ist doppelzüngig (falsch). Und wenn er gleichzeitig Papst und Kaiser sein will, wird sich Gott bald von ihm zurückziehen.“
[87]
Diese prophetischen Sätze stehen in scharfem Widerspruch zu dem „zerebralen Katholizismus“ (s.o), der sich in Frankreich zu dieser Zeit aus Traditionalismus, Royalismus und Antisemitismus herausgebildet hatte…Dem Papst wird eingeschärft, nicht mit weltlichen Waffen zu kämpfen. Wir hatten gesehen, dass Pius IX. dies weitgehend beherzigt hatte. Er erduldete alle Angriffe defensiv, aber mit klarem und ausgewogenem geistigen Urteil.
Wie schon die Visionen der Sr. Marianna aus Quito es vorhersahen, teilt die Mutter Gottes in La Salette eine große Sittenverderbnis mit, aber nicht im Volk, sondern vor allem im Klerus, dessen Angehörige sie als „Kloaken“ bezeichnet. Mit der Prophetie aus Ecuador gemein ist die Schau, dass der Stuhl Petri verwaist sein wird.
Bestürzend ist die Warnung vor frommen Wundertätern und vor allem die Entlarvung dessen, was eben nichtchristliche oder kirchenkritische Zeitgenossen als „cerebralen Katholizismus“ oder als hinsichtlich des Bundes von „Thron und Altar“ seit der Reformation als „Komplizität ihrer beiderseitigen Konservativismen“[88], kurz: reinen Machterhalt, beurteilt hatten:
„Der Papst möge sich vor den Wundertätern in acht nehmen. (…) Manche Personen werden von diesen bösen Geistern von einem Ort zum anderen versetzt, und sogar Priester, weil diese sich nicht vom guten Geiste leiten lassen, der ein Geist der Demut, der Liebe und des Eifers für die Ehre Gottes ist. Man wird Tote und selbst Gerechte auferstehen lassen… (…) Wehe den Kirchenfürsten, die nur nach Reichtümern und nach Erhaltung ihrer Autorität und nach stolzer Herrschaft trachten.“[89]
In erschreckender Weise wird eine Kirche beschrieben, die eine entkernte, nur noch „polizeilich“[90] erzwungene Autorität und Herrschaft als etwas ansieht, das ihr zusteht und worum sie zu kämpfen hätte, sich andererseits durch wundertätigen Charismatismus als Ort wahrer Frömmigkeit darstellen wird.
Mit dem Vaticanum II konnte der Charismatismus ungehindert in die katholische Kirche eindringen und wurde von Paul VI. und Johannes Paul II. gefördert. Jorge Mario Bergoglio hat sich inzwischen ungeschminkt und ökumenistisch mit den Charismatikern verbrüdert und schon mehrfach von freikirchlichen Predigern dieser geistlichen Bewegungen segnen und ablichten lassen…
„….der Papst möge sich vor Wundertätern in acht nehmen… Manche Personen werden von diesen bösen Geistern von einem Ort zum anderen versetzt … sogar Priester “
Ich möchte hier an dieser Stelle gestehen, dass mich immer noch niemand von der Güte des konzilskirchlichen Heiligen Pater Pio überzeugen konnte, der ein wahrer Multi-Mega-Wundertäter war, eine Gestalt, die es – in dieser Komprimierung an Wundertätigkeit und moderner Massenbewegung – eigentlich noch niemals gegeben hat. Er schaffte es, an zwei Orten gleichzeitig zu sein, sagt man…Warum wurde ausgerechnet er, den das vorkonziliare Lehramt mit begründeten Vorbehalten und Misstrauen beobachtete und dem es zeitweise sogar die öffentliche Zelebration der Hl. Messe verbot, vom Zerstörer der Liturgie, von Paul VI., gleich nach dem Konzil, mit offenen Armen „rehabilitiert“? Er löste eine charismatische, auf seine Person fixierte Bewegung und einen wahren Kommerzrausch aus, aber wo sind die Früchte geblieben?

Schlussbemerkung

Nach diesem langen Gang durch geschichtliche Ereignisse, Schriftstellen, lehramtliche Texte und prophetische Reden möchte ich noch einmal auf die Reflexion Reinhold Schneiders zurückkommen, die ich im Anfang zitiert hatte.
Schneider hat gewiss recht mit der Überlegung, dass sich in einem christlichen Königtum auf der Ebene des königlichen Priestertums aller Gläubigen ein großer Zipfel vom ewigen Königtum Christi abbilden kann. Aber er selbst nimmt es als realisierbare politische Form, v.a. in der Gegenwart, sofort zurück: wir leben in einem Zeitalter, in dem einer idealen Monarchie mehr denn je keine Luft zum Atmen bliebe. Sie würde noch schneller pervertieren, als sie dies von jeher ohnehin tat.
Von tiefem Einblick in Glaubensgeheimnisse zeugt seine Erkenntnis, dass mit einem wahrhaften christlichen König die Krönung der Frau zur Königin und … im weiteren Sinn der ganzen Kirche geschehen muss. Dies betrifft nicht nur die einzelne Frau und die allgemeine Stellung der Frau in der Gesellschaft, sondern auch die Anerkennung der hohen Stellung der Frau in der Heilsordnung. Ein wahrhaft christliches Königtum wird immer in Ehrfurcht vor der Braut Christi zurücktreten und sich unterordnen. Unterbleibt dies alles, hält der Mann die Frau nieder wie seit eh und je, und sei es aus angeblich traditionalistischen Motiven wie bei Robert Mäder, zwingt man sie, „sich auf die Seite des Mannes zu flüchten“, wie dies nach der Fluchordnung in Gen. 3, 16 zwar unheilvoll verhängt, in Maria aber doch vollständig aufgehoben ist, und daher jede Frau, sofern sie sich Maria geweiht hat, wirklich „wagen darf, das zu sein, was sie (von Gott her) sein soll“ und darf.
Schneiders unsicherer Satz „Ich weiß nicht, ob sie (die Frau) jetzt (also in der Mitte des 20. Jh) da ist“ muss in vieler Hinsicht negativ beantwortet werden. In wesentlichen Teilbereichen des Lebens hat sich die Frau mehr denn je unter die ungute Herrschaft männlichen Machtanspruchs begeben, auch wenn sie dabei einige Freiheiten gewonnen hat, für die jede vernünftige Frau dankbar ist, v.a. die Möglichkeit, sich ungehindert zu bilden und frei zu bewegen. Wie eine Aufziehpuppe aber vollzieht sie, was männliche Ideologen ihr zuvor eingeflüstert haben – sie lässt sich total vermarkten, im einen Teil der Welt macht sie sich stark für ihre Abwertung als Mensch und trägt als stolzes Zeichen dieser Erniedrigung Kopftuch, Burka oder Tschador (ein ähnliches Phänomen wird durch die FSSPX vorläufig nur für die Hl. Messe nun auch massiv propagiert als angebliche „Tradition“), und in der westlichen „offenen Gesellschaft“ treibt sie ihrer gesellschaftlich erzwungenen Enthemmung und Maskulinisierung zuliebe ihre Kinder ab und beeilt sich, möglichst schnell ihre Jungfräulichkeit zu verlieren und im Haifischbecken der Ökonomie mit denselben eiskalten Bandagen zu kämpfen wie der Mann.
Ja, die Frau, auch die einzelne Frau, wagt nicht zu sein, was sie sein soll. So oder so nicht. Auch nicht in Traditionalistenkreisen.

Am wesentlichsten ist die Perspektive Schneiders am Ende:
Wir werden die Monarchie Christi erleben, aber nicht in irdischer Herrlichkeit, Pracht und Macht, sondern unter der Dornenkrone und dem bespuckten Purpurmantel. Das ist es, was uns erwartet.
Man kann alle traditionalistischen Ablenkungsmanöver davon als satanische Täuschung betrachten. Es gibt keine Rückkehr zu idealisierten Ordnungen, die oft auch nichts weiter als fragwürdige Krücken oder ein christianisiertes Chaos waren!
Unsere Aufgabe ist es nicht, „reaktionäre“ Politik zu machen, sondern dem Herrn entgegenzublicken und dies durch das unbefleckte Herz seiner Mutter, das durchbohrt wurde von einem Schwert:
In einer solchen Passion wäre die Krone gerettet; der König der Könige hat sie getragen als blutüberströmtes Zeichen der Schmach, als äußersten Widerspruch gegen die dennoch bis in den Tod geliebte Welt, als Nein an Augustus, den von den Völkern geglaubten Heiland; als Siegel der Wahrheit, die allein Macht ist und Pilatus, Herodes und Augustus, Hohepriester und Tempel verzehrt.“ (s.o.)

© Copyright by Hanna Maria Jüngling


[1] Zu nennen sind hier z.B. der Arianismus, der nei wirklich überwunden wurde, der Jansenismus, der Gallikanismus u.a. Dies kommt in der Folge in diesem Aufsatz zur Sprache.
[2] Auf diese Problematik wies auch häufig der in Traditionalistenkreisen bekannte Pfarrer Milch hin. Einen Hinweis auf die Islamität des katholischen Traditionalismus, der in vielem auf orthodoxe Praktiken und Sichtweisen zurückgreift, kann man auch bei Jacob Burckhardt in den „Weltgeschichtlichen Betrachtungen“ finden. Er nennt diese Ähnlichkeit zum Islam historisch „Byzantinismus“ und meint damit den despotischen politischen Herrschaftsanspruch der oströmischen Kirche, die den Staat ausschließlich nach der „Ergebenheit für ihre Zwecke“ beurteilt. Im Gegenzug garantiert die Kirche dann dem Kaiser den Gehorsam der Völker. Ein ähnlich distanzloses Verhältnis zur Politik kann man auch im westlichen Traditionalismus erkennen (in: Jacob Burckhardt: Weltgeschichtliche Betrachtungen. Stuttgart 1978: Alfred Kröner Verlag. S. 113.
[3] Das unheilige, explosive Gemisch, das daraus immer wieder entstanden ist, fasst Jacob Burckhardt knapp, kritisch, aber dennoch differenziert und zutreffend in seinen „Weltgeschichtlichen Betrachtungen“ zusammen. A.a.O., S. 114 ff
[4] A.a.O., S. 49
[5] A.a.O., S. 54
[6] Darauf weist Reinhard Raffalt in seiner Radiosendung über den Antichristen hin, die 1966 vom Bayerischen Rundfunk ausgestrahlt wurde. Link zur Sendung, abgerufen am 13.12.2014: http://www.youtube.com/watch?v=JvwbxSw6xUM  Teil1, http://www.youtube.com/watch?v=iGMZTO0dtJo  Teil 2
[7] Die berüchtigte Prüfung des Gemüts- und Geisteszustandes derer, die sich von der katholischen Kirche entfernen wollten im österreichischen Ständestaat ist ein Beispiel.
[8] Mary Ball Martinez: Die Unterminierung der Katholischen Kirche. Durach 1992. S. 80 f
[9] Vgl. Eberhard Jäckel: Frankreich in Hitlers Europa: Die deutsche Frankreichpolitik im 2. Weltkrieg, Stuttgart 1966, S. 260 f
[10] https://bibliothequedecombat.wordpress.com/2014/08/10/hommage-de-mgr-lefebvre-au-marechal-petain/ , abgerufen am 4.12.2014: „C’est pourquoi, persuadés que vous pouvez désormais intercéder pour nous auprès de Dieu, avec tous les saints et saintes de la patrie, nous vous supplions de venir au secours de la France, que vous avez si bien servie, pour qu’elle retrouve l’esprit dont vous l’avez animée au temps de la grande épreuve. » („Deshalb, überzeugt davon, dass Sie von nun an bei Gott für uns eintreten können, mit allen männlichen und weiblichen Heiligen des Vaterlandes, flehen wir Sie an, zum Schutz Frankreichs einzutreten, dem Sie so gut gedient haben, damit es den Geist wiederfinde, von dem Sie in der Zeit der großen Prüfung beseelt waren.“)

[12] So der häufige Fall in strengen islamischen Gottesstaaten, aber auch im Abendland jahrhundertlang üblich.
[13] Der KKK enthält diese tradierten, auch im Katechismus Pius X. als schwerste und unheilvolle Vergehen bezeichneten (Kat. § 154) nach wie vor: „Die katechetische Tradition erinnert auch daran, daß es himmelschreiende Sünden gibt. Zum Himmel schreien das Blut Abels [Vgl. Gen 4,10], die Sünde der Sodomiten [Vgl. Gen 18,20; 19,13], die laute Klage des in Ägypten unterdrückten Volkes [Vgl. Ex 3.7-10], die Klage der Fremden, der Witwen und Waisen [Vgl. Ex 22, 20-22] und der den Arbeitern vorenthaltene Lohn [Vgl. Dtn 24,14-15; Jak 5,4]. (KKK, §1867 abgerufen am 4.12.2014: http://www.vatican.va/archive/DEU0035/_P6J.HTM
Es war auch z.B. im österreichischen "Ständestaat" gerade die Ökonomie, die regelrecht den Bach herunterging. Nach seiner Einrichtung schnellte die Arbeitslosenzahl bis zum Anschluss an Nazideutschland in eine Höhe, die sie zuvor und bis heute (!) nie wieder erreicht hat – Statistik http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/ca/Oesterreich_Arbeitslosigkeit_1919-1955.svg , abgerufen am 11.12.2014
[14] Hannah Arendt: Die Dreyfus-Affäre und folgende Kapitel. In: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. München 2005, S. 212–272, hier: S. 237
[15] A.a.O.: S. 116
[16] Paul M. Kimball (Hg.): Kurze Geschichte unserer Frau vom guten Erfolg und Novene. Bristol 2013. S. 23
[17] Carl Schmitt: Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europeaum. Berlin 1974 (Erste Auflage 1950)
[18] Pius XI: „Quas primas“, abgerufen am 19.11.2014 auf http://www.kathpedia.com/index.php?title=Quas_primas_%28Wortlaut%29
[19] A.a.O., S. 32.
[20] A.a.O., S. 192
[21] Pius XI. "Quadragesimo anno" 1931, abgerufen am 11.12.2014 auf http://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/texte/319.html
[23] LG, § 68
[24] Reinhold Schneider: Verhüllter Tag. S. 108 ff. Frankfurt a. M. 1991: Insel Verlag
[25] Das bekannteste Beispiel dafür ist die verheiratete Richterin und Prophetin Deborah, vgl. Ri. 4
[26] Einheitsübersetzung, Anhang, IX. Zeittafel zur biblischen Geschichte
[27] Vgl. z.B. die Lexikoneinträge zu den ersten Päpsten bis Urban I.  († 230) in „Reclams Lexikon der Päpste“ von J.N.D. Kelly, Stuttgart 2005, in denen regelmäßig das überlieferte Martyrium des jeweiligen Papstes zwar erwähnt, aber bestritten wird.
[28] Das Tagzeitenbuch des monastischen Breviers im Anschluss an die Messbücher von Anselm Schott OSB herausgegeben von der Erzabtei Beuron. Regensburg 1935, S. 375 f)
[29] Grignion de Montfort
[30] Zum Beispiel in der 1873 anonym (!) veröffentlichten Schrift eines Jesuiten gegen das Wirken der Freimaurer „Der stille Krieg der Freimaurer gegen Thron und Altar“ (Freiburg: Herder). Symptomatisch ist hier alleine schon, dass im Titel vor dem Altar der Thron genannt wird. Der Autor behauptet mehrfach, das maurerische Bekenntnis, dass alle Menschen Brüder seien, sei nicht katholisch. Ein Adliger könne sich niemals – allein aus Gründen des Blutes – mit einem Handwerker gemein machen. Und wenn er es tue, erliege er einer Fiktion. Ein König könne niemals in eine gleiche Freundschaft zu einem Nichtadligen treten, immer bedeute es von ihm aus reine Herablassung etc., vgl. S. 83
Nun ist aber gerade dies kein katholisches Argument! In der Tat lehrt die Kirche die Brüderlichkeit der Gläubigen. Nicht die Brüderlichkeit ist das Problem, sondern eine Brüderlichkeit ohne den einzigen Stifter derselben: Jesus Christus!
[31] Thomas v. Aquin: Über die Herrschaft der Fürsten (De regimine principium), Stuttgart 1971 (Reclam), S. 55
[32] Zur Legende http://de.wikipedia.org/wiki/Claudia_Procula , abgerufen am 4.12.2014
[33] „Während Pilatus auf dem Richterstuhl saß, ließ ihm seine Frau sagen: Lass die Hände von diesem Mann, er ist unschuldig. Ich hatte seinetwegen heute Nacht einen schrecklichen Traum.“ (Mt. 27,19)

[34] Thomas v. Aquin: Über die Herrschaft der Fürsten (De regimine principium), Stuttgart 1971 (Reclam), S. 7
[35] A.a.O., S. 9
[36] A.a.O., S. 12, S. 52 ff
[37] A.a.O., S. 13
[38] A.a.O., S. 14
[39] A.a.O., S. 17 f
[40] A.a.O., S. 22
[41] A.a.O., S. 24 + 26
[42] A.a.O., S. 56
[43] A.a.O. , S. 55
[44] A.aO., S. 56
[45] Franz-Reiner Erkens: Herrschersakralität im Mittelalter von den Anfängen bis zum Investiturstreit. Stuttgart 2006 (Kohlhammer), S. 29
[46] Augustinus, De civitate Dei. 1. Buch, Vorrede, abgerufen am 2.12.2014   http://www.unifr.ch/bkv/kapitel.php?ordnung=0&werknr=91&buchnr=198&abschnittnr=1919
[47] Horst Fuhrmann: Deutsche Geschichte im hohen Mittelalter. Göttingen 2003 (Vandenhoeck & Ruprecht). S. 51
[48] Pastor aeternus (1870) : „Zu dieser ganz eindeutigen Lehre der Heiligen Schrift (dass Petrus seine macht direkt von Christus erhält), die die katholische Kirche allezeit auch in diesem Sinn verstanden hat, stehen in offenem Gegensatze gewisse verwerfliche Ansichten, deren Vertreter die von Christus dem Herrn seiner Kirche gegebene Regierungsform umstürzen wollen, indem sie leugnen, dass Petrus allein vor den übrigen Aposteln - und zwar vor jedem einzelnen wie vor ihrer Gesamtheit - von Christus mit dem wahren und eigentlichen Jurisdiktionsprimat ausgerüstet wurde; oder indem sie behaupten, der Primat sei nicht unmittelbar und direkt dem heiligen Petrus selbst, sondern der Kirche übertragen und erst durch die Kirche an Petrus als ihren Diener weitergegeben worden.“ Abgerufen am 2.12.2014 auf http://www.kathpedia.com/index.php?title=Pastor_aeternus_%28Wortlaut%29
[49] Franz Kampers: Rex et sacerdos. In : Historisches Jahrbuch (Hg. Erich König). München 1925. S. 495 Scan im Internet hier: http://www.mgh-bibliothek.de/dokumente/z/zsn2a036717.pdf
[50] ebenda
[51] A.a.O., S. 496
[52] A.a.O., S. 496
[53] Z.B. bei Gerd-Klaus Kaltenbrunner: Johannes ist sein Name. Priesterkönig, Gralshüter, Traumgestalt (= Die graue Reihe 12). Graue Edition, Zug/Schweiz 1993, ISBN 3-906336-12-3.
[54] Pius IX. schreibt im „Syllabus errorum“ in § 26/27: es ist falsch zu sagen „Die Kirche hat kein angeborenes und legitimes Recht auf Erwerb und Besitz.“ Und „Die geweihten Diener der Kirche und der Römische Papst selbst sind von aller Leitung und Herrschaft über weltliche Dinge durchwegs auszuschließen.“
[55] Julius Müller-Meiningen: Padre Pio – Heiliger Scharlatan „Doch während Italien über Padre Pio und die Säure streitet, sind Luzzattos wirklich wichtige Thesen ganz andere: Etwa die, dass der fromme Pater um 1920 offen die im Aufwind begriffene faschistische Bewegung unterstützte und sich damals ‚um Padre Pio herum ein klerikal-faschistisches Gemisch herausgebildet‘ habe.“ Süddeutsche Zeitung, 19. Mai 2010.
[56] Zitiert nach Oskar Köhler: Der Weltplan Leos XIII.: Ziele und Methoden. In H. Jedin (Hg.): Handbuch der Kirchengeschichte, Band VI/2. Freiburg, Basel, Wien 1973 (Herder). S. 11
[57] ebenda
[58] A.a.O., S. 12
[61] ebenda
[62] "Besser der frühere Scheiterhaufen, als der jetzige Weltbrand (…) Das Mittelalter hat mit seinen Scheiterhaufen und Galgen die damalige Welt vor dem Untergang bewahren wollen und auch vielfach bewahrt. An ihrer Stelle haben wir die schrankenlose, geradezu verbrecherische Presse- und Redefreiheit. Wenn es gelingen würde, alle freigeistigen und zweideutigen Universitätsprofessoren, Künstler, Schriftsteller, Redakteure, Kinobesitzer, Modemacher und Verführer aller Art in den Staatsgefängnissen - auch bei guter Verpflegung - zu internieren, wäre es noch möglich, die Menschheit zu retten." – in: Kirchliche Zeitschrift „Glocke“ vom 3. März 1929

[63] Vgl. Christine Bard: Die Frauen in der französischen Gesellschaft des 20. Jahrhunderts. Köln, Weimar, Wien 2008. S. 117


[64] In Gen 3, 12: „Adam antwortete: Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben und so habe ich gegessen.“ Gott weist dies jedoch ab und macht ihn auf seinen eigenen, selbstverantworteten Ungehorsam aufmerksam, der vor allem deshalb gravierend ist, weil ohne Adams Zustimmung, dem doch das Gebot anvertraut worden war, der Sündenfall erst gar nicht geschehen wäre: „Weil du auf deine Frau gehört und von dem Baum gegessen hast, von dem zu essen ich dir verboten hatte: So ist verflucht der Ackerboden… (V. 17) Das heißt: Nein, der Mann ist kein armes Opfer und die Frau ist nicht der Drahtzieher hinter allem, was der arme ferngesteuerte mann tut, sondern der Mann entscheidet, worauf er hören will und muss auch alleine einstehen für seine Sünden.
[65] Er behauptet, in alten Sagen würde in einem Schlangennest, wann immer eine Frau in der Nähe sei, sie zuerst angefallen und gebissen – und sieht den Fehler in einer negativen Disposition der Frau. Logischer wäre es allerdings auch in dieser haarsträubenden Argumentation zu sagen: Was die Schlangen zuerst angreifen, gehört ihnen geistig am wenigsten zu… Es kann an sich nur in einer positiven Disposition der Grund liegen, dass die Schlangen die Frau mehr hassen als den Mann. – Ich will mich aber mit solch heidnischen Vorstellungen nicht wissentlich noch weiter verunreinigen.
[66] Robert Mäder hat in unzähligen Texten – unbehelligt von einer Zensur, die er für andere einforderte - diese Meinungen verbreitet, auch in seiner hauseigenen Zeitschrift. Er hat auch viele „richtige“ Dinge gesagt, wird interessanterweise von Teilen der FSSPX wie ein geistiger Märtyrer verehrt, ohne dass man dort diese Abgründe in seinem Denken erkennen würde. Im Gegenteil werden ausgerechnet diese finsteren Texte als geistliche Unterstützung  für traditionalistische Meinungen herangezogen. Die hier paraphrasierte Schrift lautet: Robert Mäder: Maria siegt! Den Garderegimentern der streitenden Kirche gewidmet. Basel 1935: Verlag Nazareth. Abgerufen am 2.12.2014 auf http://immaculata.ch/verlag/maeder/maria_siegt_001.htm
[68] Oskar Schmitt: Bischof Pierre-Martin Ngô-dinh-Thuc. Ein würdiger Verwalter im Weinberg unseres Herrn Jesus Christus. Norderstedt (BoD) 2006. S. 39
[69] A.a.O., S. 65 f
[70] A.a.O.
[71] A.a.O.
[72] A.a.O.
[73] A.a.O.
[75] A.a.O., S. 117
[76] Paul M. Kimball (Hg.): Kurze Geschichte unserer Frau vom guten Erfolg und Novene. Bristol 2013. S. 26
[78] Msgr. Marcel Lefebvre: Predigt anlässlich der Bischofsweihen am 30. Juni 1988 in Ecône. Abgerufen am 2.12.2014 auf http://www.fsspx.at/index.php?option=com_content&view=article&id=9&Itemid=10&show=142
[79] ebenda
[80] „Einzig das Hoffen der Menschen auf die Erfüllung einer uralten Prophezeiung nährt noch den Glauben an ein Wunder. Eine Prophezeiung, die besagt: Eine Jungfrau in eiserner Rüstung wird kommen und Frankreich aus seinem Elend erlösen. Im festen Glauben sie sei die weisgesagte Jungfrau, verlässt die 17-jährige Jeanne d'Arc im Februar 1429 ihr Elternhaus. In göttlicher Mission fühlt sich das Bauernmädchen berufen, das Land und den König zu retten.“ (http://www.zdf.de/terra-x/in-goettlicher-mission-5224496.html, abgerufen am 3.12.2014)
[83] …was ihm Paul VI. in „Cum te“ auch zu recht als „widersprüchliche“ Haltung vorwarf: http://www.kathpedia.com/index.php/Cum_te_%28Wortlaut%29 , abgerufen am 4.12.2014
[84] Abgerufen am 3.12.2014: http://de.wikipedia.org/wiki/Chlodwig_I.
[87] https://gloria.tv/?media=297398 , abgerufen am 25.11.2014
[88] A.a.aO. Burckhardt, S. 117
[89] ebenda
[90] A.a.O. Burckhardt, S. 116