Trinitätslehre auf dem Prüfstand: Brief X an Unitarier und
Trinitarier — Wann, von wem und in welchem Sinne wurde der Christus gezeugt?
32 So verkünden wir euch
das Evangelium: Gott hat die Verheißung, die an die Väter ergangen ist,
33 an uns, ihren Kindern,
erfüllt, indem er Jesus auferweckt hat, wie es im zweiten Psalm heißt: Mein
Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt.
34 Dass er ihn aber von
den Toten auferweckt hat, um ihn nicht mehr zur Verwesung zurückkehren zu
lassen, hat er so ausgedrückt: Ich will euch die Heilsgaben gewähren, die ich
David fest zugesagt habe. (Apg 13)
____________________________
Ein Leser hat mir folgendes geschrieben bzw
entgegengehalten hinsichtlich dieser Schriftstelle in Apg 13, 32f und zitierte
noch einmal meinen Gedanken im Brief IX an Unitarier und Trinitarier:
„ "Es
kommt nicht von Ungefähr, wenn die Apg (s.o.) die „Zeugung“ Jesu, also die
Geburt aus dem Geist (!), mit der Auferweckung von den Toten ansetzt. Demnach
ist die Auferstehung der Moment der Geburt, auf den hin der Christus ausgereift
ist."
Obwohl
im Griechischen m.W. dasselbe Wort verwendet wird, sind doch m.E.
unterschiedliche Dinge damit gemeint. Elberfelder unterscheidet durch
"erweckte" und "auferweckte". Ersteres dürfte das Zeugen,
Aufstehen, Bevollmächtigen meinen, letzteres die Auferweckung aus den Toten.“
____________________________
Zuerst einmal danke ich für diesen interessanten Einwand,
und ich werde ihn gerne ein wenig von allen Seiten betrachten:
1. Der Begriff „anastasis“ (Auferweckung/Auferstehung)
Es stimmt: beide Male ist es das Wort anistemi („auferwecken“
oder „auferstehen“ sowohl transitiv
als auch intransitiv möglich). Und das Wort hat natürlich ein
Bedeutungsspektrum, das in aller Regel „auferstehen
(vom Tod)“ oder „wieder erwecken“
meint, in einer schwachen Bedeutung auch „berufen“
oder iS von „sich erheben/hervortreten“
oder „erwecken“ (etwa ein Prophet in
einem Volk), oder negativ iS von „sich
erheben (gegen)“.
Man kann zunächst festhalten, dass die Bedeutung von „auferstehen/wiedererwecken“ derjenigen
von „ins Leben rufen/erwecken“ sehr
nah verwandt ist. Damit wird auch eine sinnhafte Verbindung zum „Zeugen/Gebären“ hergestellt. Ein
engstes Zusammenwirken von Gott und Mensch wird erahnbar.
Ein unklarer Wortgebrauch kann aber sehr schnell in ein
gedankliches Chaos führen, und eine sorgfältige begriffliche Differenzierung
ist dringend geboten.
2. Literarische
Überlegungen
Doch sehen wir erst einmal nach, wie man diese Stelle in
der spätantiken lateinischen Welt verstand und übersetzte, die noch näher am
altgriechischen Duktus war. Hieronymus übertrug es so:
33 quoniam hanc (id
est : repromissio) Deus adimplevit filiis nostris resuscitans Jesum, sicut et in Psalmo secundo scriptum est : Filius
meus es tu, ego hodie genui te.
34 Quod autem suscitavit eum a mortuis, amplius jam
non reversurum in corruptionem, ita dixit : Quia dabo vobis sancta David
fidelia.
Deutsch — wenn man aus dem Lateinischen übersetzt:
33 denn sie (d.i. die
Verheißung) hat Gott an uns, den Kindern (der Väter), erfüllt, indem er Jesus wiedererweckte, wie es im zweiten Psalm
geschrieben ist: Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt (oder geboren)
34 Dass er ihn aber von den
Toten auferweckt hat, ihn nicht dem Zerfall
überlassen wollte, hat er so gesagt: Ich werde euch die heiligen Glaubensgüter Davids
geben.
Hieronymus betont also hier in seiner Übersetzung durch
die Verstärkung von „suscitare“ (auferwecken)
zu „re-suscitare“ (wieder
auferwecken) unmissverständlich, dass es beide Male um die Auferstehung geht.
In selber Weise verfährt viel später auch die KJV:
33 God hath fulfilled the same unto us their children, in that he hath raised up Jesus again; as it is also written in the
second psalm, Thou art my Son, this day have I begotten thee.
34 And as concerning that he
raised him up from the dead, now no more to return to corruption, he said
on this wise, I will give you the sure mercies of David.” …
Nicht anders Luther 1545:
“33Das
dieselbige Gott / vns / jren Kindern erfüllet hat / Jn dem das er Jhesum
aufferwecket hat. Wie denn im ersten Psalm geschrieben stehet / Du bist mein Son /Heute habe ich dich
gezeuget. 34Das er jn aber hat von den
Todten aufferweckt / das er fort nicht mehr sol verwesen / spricht er also / Jch wil euch die gnade Dauid verheissen /
trewlich halten.“
Sowohl Hieronymus, Luther als auch die KJV übertragen
korrekt die Anschlussformel („hoti de…“
= „dass/weil aber“) des zweiten
Verses an den ersten:
„…dass er ihn aber von den Toten auferweckt hat…“ = „…quod autem…“ = „As concerning
that“
Es ist dies ganz eindeutig eine klassische, logische Argumentationsformel:
„Es gibt offenkundig ein X. Dass X hier aber existiert,
beweist (neben dem Offenkundigen) auch Y…“
Der Vorschlag, der sich auf die ELB stützt, versteht diese
Stelle dagegen „prozesshaft“: Es gibt die erste Erweckung, nämlich die im
Fleisch, die mit der „Heute habe ich dich
gezeugt“-Stelle bewiesen werden soll. Gott hätte demnach im Fleisch
gezeugt, und Maria hätte im Fleisch gezeugt und geboren — vermutlich mit Gott,
denn das würde aus der Konstellation unweigerlich folgen. Und darauf folgt dann
die zweite Erweckung, nämlich die von den Toten, wofür die Stelle mit den „Glaubensgütern Davids“ Beleg sein soll.
In Apg 13 geht es ab V30 um die Auferstehung von den Toten,
und dass Jesus vielen erschienen ist nach der Auferstehung. Eine prozesshafte
Deutung erscheint auf den ersten Blick schlüssig, v.a. dann, wenn schon
tendenziös in diesem Sinne übersetzt wird wie in der ELB, aber auch weil Paulus
zwei verschiedene Schriftstellen angibt, die für eine spätere „anastasis“ sprechen, wovon die eine die
„Zeugung/Geburt“ anspricht, die
zweite die „Glaubensgüter Davids“
(also nicht direkt Bezug auf eine „Auferweckung“ nimmt).
Das ist allerdings aus mS auf einen zweiten (literarischen)
Blick nicht schlüssig:
Es ergibt literarisch keinen Sinn, dasselbe Wort in
unmittelbarem Zusammenhang und auch noch durch „hoti de“ verbunden je verschieden zu meinen. Man verfährt
schreibend so eigentlich nicht. Wortverdoppelungen vermeidet man ohnehin aus
stilistischen Gründen und Sinnverwechslungen vermeidet man, um klar zu bleiben
und nicht etwa Verwirrung beim Leser hervorzurufen.
Wenn man aber Begriffe verdoppelt, dann immer unter
Bekräftigung desselben Sinnes. Eine Verschiebung des Sinnes würde eben eine
Unklarheit oder Verwirrung hinterlassen. Der Leser kann nun heraussuchen, was
ihm genehm erscheint — vom identischen Sinn bis hin zur maximal möglichen
Sinnverschiebung… Das sollte man von Paulus bzw
Lukas nicht annehmen.
Wenn es also im ersten Satz tatsächlich um eine „Zeugung/Geburt“ im buchstäblichen kreatürlichen
Sinne gegangen wäre, hätte Paulus bzw Lukas das sicher auch mit einem
entsprechend präzisen Wort genauso und klar verständlich geschrieben, zumal er
ja gleich darauf aus dem Psalm auch mit dem Wort „gennao“ („zeugen/gebären“) zitiert.
3. Exkurs: Die Verwirrung der Begriffe „(im
Fleisch) zeugen“ und „erwecken“ im Deutschen
Ich
habe wahrgenommen, dass einige sehr extreme Protestanten infolge eines
fragwürdigen NT-Sprachgebrauches „erwecken“ anstelle von „zeugen“ (iS von „X
erweckte den Y“) einsetzen, wenn sie meinen, ein Mann habe einen Nachkommen
gezeugt, was aber die griechische Bedeutung von „anestemi“ kaum erfüllt — es
müsste dann wenigstens noch ein „ex“-Präfix dabeistehen. Vielmehr steckt in
einer solchen Übergriffigkeit eine gewaltige „anastasis“ (iS der Erhebung oder
lutherisch poetisch „Hoffahrt“) einiger irdischer Herren gegen den, der alleine
„erwecken“ kann: kein Mensch kann andere „erwecken“, indem er oder sie „zeugt“!
Das ist aus meiner Sicht eine fixe männliche Idee, die von einer gefährlichen
Selbsterhebung zeugt.
Wir
zeugen und gebären sowohl als Mann und als Frau stets passiv, auch wenn wir
dabei natürlich in Aktion sind, aber ins Leben zu „erwecken“ vermag alleine
Gott.
Das
gesamte AT kennt eine Idee, dass Menschen andere Menschen ins Leben „erwecken“
nicht. Doch woher kommt diese Wahnidee dann, und warum hält sie sich so
hartnäckig und taucht immer wieder auf?
Sie
ist der Herkunft nach eng verknüpft mit der Philosophie Griechenlands und vor
allem dem Hellenismus: man verstieg sich zu der Behauptung, der Mann erzeuge
„aktiv“ Leben, die Frau dagegen nur „passiv“, er sei der „Schöpferische“ und
„Gebende“, sie die „Empfangende“ — man muss aber klar erkennen, dass das kein
Denken ist, das wir im Alten Testament antreffen. Das Hebräische geht davon
aus, dass die Frau auch einen Samen hat und aktiv zeugt. Nirgends werden im AT
Frauen „passiv“ geschildert. Sie werden als Frauen und aktiv gezeichnet, wenn
es ums Zeugen geht. Männer werden als Männer und ebenfalls aktiv geschildert,
wenn es ums Zeugen geht. Sie sind aktiv im Rahmen der menschlichen Aufgabe, die
aber fein säuberlich von der göttlichen Wirksamkeit zu unterscheiden ist, die
sich mithilfe des Menschen, aber nicht ursächlich durch den Menschen vollzieht.
Die
aktive Rolle der Menschen in der Sexualität bedeutet nämlich nicht, dass
Menschen Menschen „erwecken“. Es heißt, dass Gott alleine uns Nachkommen erweckt! Menschen können alles mögliche
erwecken bzw ins Leben rufen, viele große und kleine Werke — aber Menschen
können die Menschen nicht erwecken,
obwohl sie durch sie gezeugt und geboren werden!
Wenn
die Sadduzäer dies begrifflich einführen, ein Mann „erwecke“ Nachkommen, etwa
in Lk 20,28, dann verzerren sie entweder die tatsächliche Formulierung in Deut 25,5f,
wo lediglich steht, dass ein Schwager die Witwe ehelichen und sich zu ihr legen
soll — anschließend ist nur die Rede von Kindern, die die Witwe gebiert. Oder
sie parallelisieren die Rede, die sonst von Gott gilt: so wie alleine Gott
Abraham Nachkommen erweckt (aus den Steinen etwa), so soll ein Mann dem
verstorbenen Bruder noch Nachkommen erwecken… aber dennoch ist das nicht die
AT-Formulierung: Von „Erwecken“ seitens des Schwagers ist keine Rede… es sind
interessanterweise die Leugner der Auferstehung (Sadduzäer), die hier —
vermutlich ganz philosophisch verstellt — dem Mann etwas zumessen, was ihm
nicht zukommt: Gott erweckt dem Mann
Nachkommen, der Mann selbst ist dabei hinsichtlich dieser Erweckung ins Leben passives
Werkzeug — nicht anders als die Frau.
Hier
wurde also ausgerechnet bei den Protestanten im Gefolge sadduzäischer,
hellenistischer und später gnostischer Verirrungen eine gehörige
Begriffsverwirrung erzeugt, die letztendlich aber auch die Trinitätslehre
unterstützt, die ja ganz maßgeblich diese Doktrin von der „Zeugung in Maria“
benötigt, um sich zu rechtfertigen.
Bloß
werden plötzlich die Ebenen gewechselt: wo vorher Gott durch zeugende Menschen Leben
„erweckte“, erweckt er nun selbst im Fleisch als im Fleisch Zeugender, als
schlüpfe er in die Rolle eines Mannes im Fleisch… Das ist ziemlich chaotisch… Sie
können mir entgegenhalten: Aber Gott kann doch in Maria Leben erwecken, wenn
auch ohne Mann, dann stimmt das zwar, kann aber keine „Zeugung durch Gott“
meinen. Hier müssen einige grundsätzliche Differenzierungen vorgenommen werden:
a. Im Fleisch zeugt immer nur der Mensch.
b.
Im Geist zeugt alleine Gott.
c.
Leben erwecken kann immer nur Gott
alleine.
Das
heißt:
Ad
a. Gott zeugt nicht im Fleisch.
Ad
b. Der Mensch zeugt nicht im Geist.
Ad
c. Der Mensch erweckt kein Leben im Fleisch.
Und:
„Zeugen“ und
„Erwecken“ wirken zwar im Fleisch auf engste und wunderbare Weise zusammen,
sind aber zwei unterschiedliche Aktionen — die erste vollziehen Mann und Frau,
die zweite Gott.
In
dem Zusammenhang ist auch interessant, dass in den Apokryphen des Johannes (Nag
Hammadi) berichtet wird, der aufsässige, gefallene erste Archon Jaldabaoth habe
seine Engel angestiftet, aus Menschentöchtern Nachkommen zu „erwecken“
(Bezugnahme auf Gen 6, wo allerdings von „Erwecken“ keine Rede ist). Es geht
hier — bei aller Distanz zu diesem gnostischen Text — tatsächlich um eine
schöpferische Konkurrenz zu Gott, auch wenn sie vordergündig zum Mann auftritt
(die bösen Geister täuschen die Frauen und treten als deren Gatten auf). Die
Obsession, dass ein Mann oder ein Engel — wie Gott — Leben erwecken kann und
dies mit sexueller Lust verbindet, tritt jedenfalls deutlich zutage und ist
nach meiner Erkenntnis eine der tragischen Verirrungen des Denkens in der
Christenheit. Diese Akzentverschiebung beim Zeugen/Gebären steht dem gesamten
Denken im AT diametral entgegen und verwischt die Distanz, die zwischen
göttlicher Zeugung im Geist, der schöpferischen Tat Gottes, wenn er durch
menschliche Zeugung Leben erweckt und der geistgewirkten Neugeburt, die den Tod
überwindet und alleine von Gott geleistet wird, aus mS besteht.
Man
kann aber vielleicht von dieser Problematik aus erahnen, warum das Verhältnis
der Menschheit zur Sexualität dermaßen gestört ist, wie wir es seit
Jahrtausenden erleiden: Hier wollte sich der Mensch, mit dem Hellenismus dann insbesondere
der Mann, tatsächlich an die Stelle Gottes setzen, indem er sich einbildete, er
könne Leben erwecken. Dass er sich damit über die Frau stellte, „aus der er“
sich einbildete, Leben zu „erwecken“, wobei „sie ihm“ folglich dann auch „den X
oder die Y gebar“, ist eine Perversion der geschöpflichen Konstellation, die
das gesamte sexuelle Klima zwischen Mann und Frau, aber noch schlimmer zwischen
Gott und Mensch vergiftet hat.
4. Die „Glaubensgüter Davids“ bedeuten die „Auferstehung von den Toten“ und die ist die
„Zeugung heute“
Man hätte aber — um zurückzukommen auf die Apg-Stelle —
eher erwartet, dass wenn es um einen Prozess des „Erweckens“ gehen sollte, nach dem Zeugungszitat aus Ps 2 ein
punktgenaues Auferstehungszitat aus dem AT folgen sollte (deren es ja einige
gibt!).
Genau das kommt aber nicht!
Stattdessen diese merkwürdige und schwer zuzuordnende
Aussage von den „Glaubensgütern Davids“
als „Beweis“ für die Auferstehung von den Toten.
Nun steht da genau genommen aber etwas anderes:
Es geht ja nicht um einen Prozess, sondern ab V30 schon um
die Tatsache der Wiedererweckung Jesu, die auch viele, die den Auferstandenen
gesehen haben, bezeugen konnten — Paulus will hier darauf hinaus, dass diese
Wiedererweckung im AT angekündigt und nun erfüllt ist.
Gott hat zahllose Menschen erweckt (mithilfe der
Zeugungstätigkeit ihrer Eltern) und Propheten insbesondere auch, aber niemals
hat er einen von ihnen bleibend aus dem Tode zurückgeholt und auferstehen
lassen. DAS erscheint hier doch als die spektakuläre Aussage — daher das
Abheben darauf, dass er den Erweckten nicht der Verwesung überlässt bzw präzise
der „corruptio“, also dem Zerfall.
Es ist tatsächlich nicht die Tatsache einer „Erweckung“ iS des Geborenwerdens, wie Menschen
eben geboren werden und die IMMER von Gott kommt, sondern die Tatsache, dass
hier einer „wiedererweckt“ wird,
nachdem er gestorben ist, dies aber auf einer anderen Ebene als zuvor im
Fleisch.
Daher Hieronymus mit seinem „re-suscitans“ oder die KJV mit dem „raised him up again“ —
wie gesagt: jeder Mensch wird im Fleisch mithilfe der Eltern oder wie immer „erweckt“. Das ist nicht weiter
spektakulär.
Spektakulär ist, dass dieser Mann wiedererweckt wurde, und das ist als Zeugung und Geburt durch Gott
auf einer geistigen, nicht mehr fleischlichen (kreatürlichen) Ebene zu
verstehen.
Dass dies geschehen würde, weist Paulus aus dem AT nach:
Gott hat lange vorher angekündigt, dass es den Tag („hajom“ — das „Heute“) gibt, an dem der Mensch auf einer anderen
Ebene — nicht im Fleisch, aber dennoch in einem Auferstehungsleib! — wiedererweckt
und neugeboren wird. David schaut dabei prophetisch „meinen Herrn“ („adoni“), der wiederum von seinem Herrn dies
angesagt bekommt. Die Bezugnahme auf die „Glaubensgüter
Davids“ meint also genau dasselbe wie das Psalmzitat selbst: dass Gott dies
erfüllen wird, diese Neugeburt auf einer geistigen Ebene, und dass sie
natürlich mit diesem „meinem Herrn“
Davids beginnen wird.
Literarisch könnte Paulus damit dem Hendiadyoin folgen,
der typischen hebräischen Verdoppelung eines Sachverhaltes, um ihn zu bekräftigen.
5. Conclusio
Die Tatsache, dass im gesamten NT vermieden wird, von
einer Zeugung zu sprechen, wo es um Jesus und Maria geht, sollte uns
zurückhaltend machen:
Natürlich hat Gott auch Jesus im Fleisch „erweckt“, so wie
er das bei allen Menschen tut.
Aber hier geschieht keine gemeinschaftliche Zeugung im
Fleisch nach dem „Willen des Fleisches“
oder gar „dem Willen des Mannes“
(Johannesprolog), sondern eine Frau erhält soviel „dynamis“, dass sie ohne Mann fähig wird, einen Nachkommen
hervorzubringen. Der Wille des Fleisches zur Fortpflanzung ist hier ganz
ausgeschaltet. Marias „Fiat“ kann
damit nicht einfach gleichgesetzt werden. Sie wird gefragt und stimmt zu, eine
außerordentliche Sache zu vollbringen, die ihr übermenschliche Kräfte verleiht
und doch den „Willen des Fleisches“
übergehen. Welch ein Wunder! Man kann, wenn man sich vertieft in diese Tatsachen,
immer besser verstehen, warum sie in ihrem Lobgesang dichtet, aber auch sie
spricht nicht annähernd von einer „Zeugung im Fleisch“!
46 Und Maria sprach:
Meine Seele erhebt den Herrn,
47 und mein Geist freuet
sich Gottes, meines Heilandes;
48 denn er hat die
Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Siehe, von nun an werden mich selig preisen
alle Kindeskinder.
49 Denn er hat große
Dinge an mir getan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist.
50 Und seine
Barmherzigkeit währet für und für bei denen, die ihn fürchten.
51 Er übt Gewalt mit
seinem Arm und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn.
52 Er stößt die
Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen.
53 Die Hungrigen füllt er
mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen.
54 Er gedenkt der
Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel auf,
55 wie er geredet hat zu
unsern Vätern, Abraham und seinen Nachkommen in Ewigkeit. (Lk 1)
In einem gewissen Sinn weist schon diese überaus
krafterfüllte Frau auf die Wiederherstellung, die Wiedererweckung des Menschen,
wie er von Gott her eigentlich gedacht und gewollt ist, hin.
Die Wiedererweckung in dem Sinn, der das gewöhnliche Bild
sprengt, ist eben die Erweckung von den Toten und die Wiederherstellung aus der
„corruptio“, dem Zerfall, dem auch
Jesus nicht entgangen wäre, wenn Gott ihn nicht auferweckt hätte. Wie in einem
Vorausschein erzählt uns Joh 11 die Geschichte von Lazarus, der bereits
verwest, also in den Fängen der endgültigen „corruptio“
des Fleisches ist und von Jesus zurückgerufen wird. Jesus kommt erst, als es
wirklich dem Fleisch nach zu spät ist, und erweckt ihn auf, wenn auch noch
nicht zur endgültigen Auferstehung. So soll schon der Glanz der kommenden
Erfüllung der Hoffnung angezeigt werden.
Da die geistige Neuzeugung der Geschwister Jesu auch an
anderer Stelle im NT immer damit ansetzt, dass sie dem Tod als der Folge der
Schwäche (Sünde) entrissen werden, ist es logisch, auch bei Jesus die
Auferweckung als den Initialmoment der endgültigen und echten geistigen Neuzeugung
anzunehmen. Viele haben sich gewundert, warum er rufen konnte, „Mein Gott, mein
Gott, warum hast du mich verlassen!“, wo er als Gott doch hätte wissen müssen,
dass er nicht verlassen ist etc. — erklärbar wird dies, wenn man sich
klarmacht, dass auch seine Auferstehung im Geist noch bevorstand, obgleich er
uns unendlich weit voraus war aufgrund der Sündlosigkeit und Vollmacht, die er
auch vorher schon innehatte.
Stellen in den Evangelien wie etwa die, die uns das
angstvolle Gebet Jesu zum Vater im Garten Gethsemane vorführen, bei dem er in
einem Willensakt, in einer klaren Entscheidung, seinen Willen dem des Vaters
unterstellt, zeigen uns, dass die Erlösungstat tatsächlich erst erfüllt werden
musste, bevor sie als eingelöst und „gewiss“ galt. Sie war als erfüllte und
vollzogene Tat Voraussetzung für die folgende Auferstehung, die schließlich
allen anderen Menschen eine Neugeburt möglich mach sollte. Dafür spricht
insbesondere die Darlegung Pauli in 1. Kor 15, 14+17+20: „Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere
Verkündigung leer und sinnlos. (…) Wenn aber Christus nicht auferweckt worden
ist, dann ist euer Glaube nutzlos und ihr seid immer noch in euren Sünden. (…)
Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen.“
Es ist ganz ohne Zweifel diese Auferweckung nach
vollendeter Tat, die uns diese Neuzeugung/Neugeburt ermöglicht.
Ich habe einmal in einem Weihnachtsstück mit dem Titel „Was wäre, wenn Maria nein gesagt hätte“
mitgespielt. Damals kam von ein paar sehr frommen Menschen der Einwand, Maria
hätte nicht nein sagen können, weil ja Gottes Plan schon festgestanden hätte.
Genauso Jesus: er hätte einfach nicht nein sagen können, wo er doch schließlich
Gott war.
Ich halte das für fatale Fehlschlüsse: die Erlösungstat
musste sowohl bei Marias „Vorarbeit“ als „Christusgebärerin“ („christothokos“) als erst recht bei
Jesus als dem Messias, der ans Kreuz ging, der der Versuchung zur Macht nicht
erlag, mit bewusstem Willen und entgegen einer anderen Entscheidungsmöglichkeit
vollzogen werden.
Ohne den freien Willen beider und letztendlich unser
aller, die glauben, wäre die Erlösung nicht wirksam geworden, wie ich meine zu
erkennen.
Wenn das aber so ist, ist es nicht schlüssig, die „Heute
habe ich dich gezeugt“-Stelle vor der Auferweckung anzusetzen.