Samstag, 16. Mai 2020

Meditationen über das Grundgesetz: Handlungsfreiheit/Freiheit der Person

Meditationen über das Grundgesetz: Handlungsfreiheit/Freiheit der Person
Heute meditiere ich das, was man „freie Entfaltung der Persönlichkeit“ nennt. Dieser Grundsatz ist in der sogenannten „Goldenen Regel“ enthalten.
Sie lautet „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu.“ (Deutsches Sprichwort)
Oder positiv formuliert: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten.“ (Mt 7,12)

GG Art. 2,1 lautet folgendermaßen

Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“

Hier wäre nun einiges zu bedenken. Ich möchte besonderes Augenmerk auf den Grundsatz der Ausgewogenheit und Verhältnismäßigkeit legen, der in dieser goldenen Regel mitschwingt. Vorausgesetzt wird, dass das Grundgesetz von diesem Grundsatz unausgesprochen ausgeht, weil aus der Anerkennung der Menschenwürde hervorgeht, dass sie nur Individuen innewohnt und nicht Kollektiven. Der Primat der Gemeinschaft ist mit dem Konzept der Menschenwürde nicht vereinbar. Wir müssen vom Primat des Einzelnen ausgehen. Dabei ist unlösbar verbunden, dass es den Einzelnen niemals ohne Gemeinschaft gibt. Die Gemeinschaft ordnet sich lebendig und natürlicherweise, ausgehend vom Einzelnen und ist kein Selbstzweck.

Viele missverstehen dies als „Egoismus“ und werfen liberalen Verfassungen wie der unseren vor, die Erfordernisse der Gemeinschaft einem hemmungslosen Individualismus zu opfern. In vielen schlummert die Vorstellung, dass der Einzelne von Natur aus entgleise und zum Schädling werde, wenn man ihn nicht hart immer wieder zurück in die Herde treibt. Diese Idee liegt nahezu allen Staatskonzepten zugrunde, sei es das ständische Modell des Feudalismus, sei es der Kommunismus, sei es der Faschismus. Aber unbewusst liegt dieses Konzept auch älteren modernen „Gleichheitsverfassungen“ zugrunde. Die Parole „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ betont ebenfalls das Gemeinschaftliche mehr als das Unterschiedene. Und eher vorpolitische Formeln wie „Einer für alle, alle für einen“ verschlingen den einzelnen Menschen geradezu hinein in ein Gemeinschaftskonzept. Die ausgesprochene Kampfansage an das Konzept der freien Person ist die freimaurerische Parole „e pluribus unum“, „aus vielen eins“, die sich auf dem Dollarschein und in den Symbolen der USA findet und von deutschen Politikern wie etwa Habeck von den Grünen ausdrücklich vertreten wird. Die Zielrichtung ist hier eindeutig die Verbackung der Einzelpersonen und ihrer Rechte zu einer Kollektivperson, im Grunde dem nationalsozialistischen „Volkskörper“ sehr ähnlich, nur großräumiger gedacht.

All diesen Vorstellungen ist gemeinsam, dass das Gemeinwesen dem einzelnen Menschen übergeordnet sei und er wesentliche Souveränitätsrechte an das Gewaltmonopol dieses übergeordneten Gemeinwesens abzutreten habe oder andernfalls in einem friedlosen Zustand leben müsse.

Das Grundgesetz operiert interessanterweise an keiner Stelle mit einem solchen primären Gemeinschaftskonzept. Die Freiheit des Einzelnen grenzt nicht an die Bedürfnisse eines Volkskörpers oder einer Gemeinschaft, sondern immer wieder nur an die anderer Einzelner.
Es kann sein, dass diese feine Differenzierung niemals in den Herzen der Deutschen angekommen ist. Zu lange und zu grausam wurde wir programmiert in die andere Richtung, zu lange wurde uns eingetrichtert, dass Anpassung alles und freie Entfaltung etwas „Gefährliches“ sein könnte. Leider hat diese Kollektivbindung, diese Herdenvorstellung, maßgeblich die Kirche forciert bis zum heutigen Tag.

Symptomatisch dafür ist, dass Papst Franziskus seit Jahren unentwegt den „Egoismus“ geißelt, den „Individualismus“, die „Selbstbezogenheit“ und die „Sklaverei des eigenen Ichs“. Die Begriffe sind alle aus seinen Reden entnommen. Für ihn ist das offenbar alles ein und dasselbe.
Auch an Ostern 2020 predigte er den leeren Petersplatz entsprechend an:

Diese Zeit erlaubt keinen Egoismus, denn die Herausforderung, vor der wir stehen, ist uns allen gemeinsam und macht keine Unterschiede. (…)
Gleichgültigkeit, Egoismus, Spaltung und Vergessen sind wahrlich nicht die Worte, die wir in dieser Zeit hören wollen. Wir wollen sie aus allen Zeiten verbannen! Sie scheinen besonders dann die Oberhand zu bekommen, wenn Angst und Tod in uns dominieren, d.h. wenn wir den Herrn in unseren Herzen und in unserem Leben nicht siegen lassen. Er, der den Tod bereits besiegt hat und uns den Weg zum ewigen Heil eröffnet hat, vertreibe die Schatten unserer armen Menschheit und führe uns hin zu dem herrlichen Tag, der keinen Abend kennt.“

In dieser Ansprache des Papstes fallen die kriegerische Sprache und die alte kirchliche Bannfluchrhetorik auf: Der vorgebliche „Egoismus“ möge für immer „verbannt“ sein, und der „Herr“ (wer immer das eigentlich ist) möge in unseren Herzen „siegen“, als seien wir seine natürlichen Gegner bzw er der unsere.
Was ist das für eine martialische Sprache?
Und wie viel ist mein Herz noch wert, wenn es sowieso nur ein Krankheitsherd des „Egoismus“ ist? Taugt es nur noch zur Unterwerfung unter den kämpfenden und siegenden „Herrn“, um sich anschließend in Nichts bzw eine Gemeinschaft aufzulösen? Der Egoismus dominiert, laut Franziskus, wenn man getrieben ist von „Angst und Tod“.
Nun frage ich mich, wovon all die derzeit in Corona-Panik versetzten Menschen eigentlich getrieben sind, wenn nicht von „Angst und Tod“ wegen eines Phantoms namens Covid19, das jeden dazu bringt, sein kleines bisschen Leben höher zu achten als die Interessen der Gemeinschaft, etwa in wirtschaftlicher Hinsicht oder auch in Hinsicht all derer, deren lebenswichtige Operationen nun ausblieben wegen der panischen und egoistischen Angst vor dem Tod in den Herzen der Coronaneurotiker? Nur noch ein medial übersteigert dargestellter Coronatod ist berechtigt, Todesangst zu erzeugen? Alle anderen Todesängste dagegen müssen unterdrückt und riskiert werden, weil sie sowieso nur „egoistisch“ sind? Die konkrete Todesangst wegen einer individuellen Krankheit, etwa Krebs oder Herzinfarkt, ist Zeichen des „Egoismus“ und „Individualismus“, die des Kollektivs wegen einer Krankheit namens Covid, die aber kaum einer gravierend oder überhaupt gewiss hat, ist angemessen, solidarisch und gut?Oder meint Franziskus, dass es Ausdruck von Fürsorglichkeit und Gemeinsinn ist, wegen des Getriebenseins von einer bestimmten Todesangst – nämlich der vor dem Covid – alle im Kollektiv in wirtschaftliche und gesundheitliche Abgründe zu stoßen? Ist die kollektiv erzeugte Todesangst einfach deswegen nicht egoistisch, weil sie kollektiv ausgelebt wird, der Geängstigte, der eine notwendige Krebs- oder Herzoperation gebraucht hätte, sich als einzelner Mensch nicht so anstellen und gefälligst etwas früher sterben soll, weil seine Einzelangst egoistisch, die der vielen faktisch gesunden Coronaneurotiker dagegen als kollektives Phänomen nicht egoistisch sei?
Oder fragen wir anders: Können getriebene und manipulierte Todesängste und Neurosen nicht auch dann, wenn sie sich im Windschatten eines kollektiven Wahns verschanzen, „egoistisch“ sein?
Und wie differenziert Franziskus das eine vom anderen, wenn man seine Worte nicht als bloße Hetze gegen die berechtigten Interessen der einzelnen Menschen auffassen will, und dies zu Ostern, dem Fest, an dem die Christenheit daran gedenkt, wie Gott den einzelnen Menschen Jesus auferweckt hat als den ersten all jener einzelnen Menschen, die mit ihm einstmals auferweckt werden, nicht als Kollektiv, sondern als „die vielen (einzelnen)“, und eben nicht einfach pauschal und kollektiv „alle“? Natürlich spielt hier die Debatte um das „pro multis“ mit hinein, das im liturgischen deutschen Gebrauch schon seit Jahrzehnten zu einem „für alle“ verbacken wurde.
Dieser Verbannung des einzelnen Menschen und seiner Interessen aus unserem medialen Blickfeld korrespondiert ein Niedergang jedes differenzierten und logischen Denkens. Man gewinnt den Eindruck, es werden nur noch Allbotschaften gesendet, deren unmittelbare Folge Pauschalurteile und krudes Schwarzweißdenken sind. Existenzaussagen werden dämonisiert.
Ein natürliches Verständnis des Grundrechtes auf freie Entfaltung der Person geht so zunehmend verloren. Anstatt das Eigenrecht jedes einzelnen und seiner Äußerungen erst einmal wertfrei anzuhören, wird alles auf eine unausgegorene Art und Weise nach dem Motto „Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen“ gespalten. Mit dieser Art der „Spaltung“, die von den Medien erzeugt wird, scheint Franziskus keinerlei Probleme zu haben. Schuld ist alleine derjenige Abgespaltene, den man verhetzt, diffamiert, diskriminiert und schikaniert, weil er noch selbst denkt und kritisch gegenüber dem Wahn der Masse bleibt. Er hätte ja nur so denken und sprechen müssen, dass er konform ist mit den medial erzeugten „allen“ und damit zu den „Guten“ gehört.

Wohltuend dagegen das Grundgesetz, das tausendmal mehr christlichen Geist atmet als die gespenstische Osterpredigt des Papstes, die kurioserweise nicht dem anwesenden Kollektiv, sondern Milliarden vereinzelten, eingesperrten Einzelmenschen, virtuell vermittelt mehr oder weniger inklusive Bannformel gegen jede individuelle Regung an den Kopf geknallt wurde. Ich frage erneut, von welchem „Herrn“ der Papst da sprach. Der Auferstandene, der immer nur den einzelnen Menschen berief und vor der Herzenstür steht und anklopft, gerade nicht die Tür eintreten und „siegen will“, kann es wohl kaum sein.

Die goldene Regel jedenfalls meint nicht Kollektivismus und Duckmäuserei, soziale Erwünschtheitsgedanken und vorauseilenden Gehorsam, sondern die freie Entscheidung des einzelnen Menschen dazu, die anderen konkreten Einzelmenschen je nachdem, was sie brauchen und sich wünschen, zu behandeln, sofern ihre Wünsche sittlich vertretbar und meine Möglichkeiten vorhanden sind, ohne dass ich dabei Schaden nehme.
Hier tritt der wichtige Aspekt der ständigen Abwägung von Risiken, Möglichkeiten und Rechtsgütern in Erscheinung. Ich kann nicht, ohne Gefahr zu laufen, mehr zu schaden als zu helfen, mehr oder weniger kopflos und sentimental oder auch irrational, irgendwem „helfen“ oder um seinetwillen Rechte aufgeben. Eine Güterabwägung muss bei verantwortlichen Entscheidungen immer und in jedem Fall sachgemäß, rational und nüchtern stattfinden. Wir erleben derzeit, dass unsere Regierung samt ihren Hofmedien entweder nicht willens oder – noch schlimmer – nicht fähig zu einer solchen sorgfältigen und vernünftigen Abwägung ist. Das Schreiben des Stefan Kohn aus dem Innenministerium hatte den Finger genau auf diese Wunde gelegt und wird nun mit einer ungeheuren Medienwut inhaltlich zugunsten von formellen Fehlern, die der tapfere Mann gemacht habe und Verunglimpfungen ad personam, die jedem anständigen Menschen die Schamröte ins Gesicht treiben, aus dem Blickfeld gerückt.

Woher diese infantile und zugleich auch bösartige Haltung kommt, kann in diesem Rahmen hier nicht beantwortet werden, denn die Gründe dafür sind mE komplex und deuten an, dass wir an einem Ende stehen. Nur soviel sei gesagt: der Bezug zu unserer natürlichen Gestalt und der der gesamten Natur ist anscheinend fast vollständig verloren gegangen, andernfalls könnte uns ein harmloses „Virus“, was immer das eigentlich präzise sei, nicht in eine solche Verwirrung und Fehlleistung gestürzt haben, teilen doch immer noch weite Teile des Volkes den Wahn und sind immer noch in Schockstarre vor einem medialen Phantom, das in der realen Umwelt nicht zu sehen ist. Die Krankenhäuser sind immer noch leer, die Millionen Covidpatienten gibt es nicht und gab es nie, die man projiziert hatte, keiner von uns kennt einen Coronatoten, der sicher daran gestorben wäre, wie es Drosten in prophetischer Manier vor Wochen drohend skizziert hatte, ganz in der traditionellen Pose des falschen Propheten. Und doch schreiben immer mehr Menschen inzwischen jede erdenkliche Krankheit dem Covid zu. Gestern sagte mir jemand, in der Verwandtschaft habe jemand plötzlich hohes Fieber bekommen und Bauchweh, dazu Erbrechen, und das müsse jetzt auf Corona getestet und dem Gesundheitsamt gemeldet werden. Und dies, obwohl es der Patientin schon nach einem Tag fast wieder gut ging. Meine Rückfrage, dass das aber nicht nach einem Atemwegsinfekt ausschaue und doch tausend andere Gründe für Fieber und Bauchweh vorliegen könnten, konnte die Gesprächspartnerin nicht abweisen. Aber sie offenbart, wie sehr wir geradezu umnachtet sind in einem total irrationalen Verhältnis zu Gesundheit und Krankheit. Noch vor einem halben Jahr hätten wir das gelassen genommen und gesagt: frühsommerliche Darmgrippe, oder vielleicht etwas Schlechtes gegessen? Das hat man halt mal so. Heute erleben wir die Dramatisierung von Krankheit wie einen Alienangriff. Wir sehen uns kollektiv bedroht von einem unsichtbaren Feind, der in jeder erdenklichen Form von physischem Unwohlsein zuschlagen kann. Um dieses Feindes willen wird das Individuum nun vernichtet und beargwöhnt als Verursacher von Eintrittspforten für den Feind ins Ganze.
Ich fürchte, dieser Wahn ist noch lange nicht ausgestanden, und er hat sich schon lange, sehr lange schleichend aufgebaut, denn er erinnert an die entsprechenden historischen Wahnphasen, die immer dann kamen, wenn Zeiten ihrem Ende zugingen und Neues am Horizont sichtbar wurde, das man phobisch ablehnte.
Die Freiheit des Individuums wird dem Wahn überlebter und bereits überholter Wahrheitsphantasien und Wissenschaftsmärchen geopfert, aber sie wird auferweckt werden, soviel steht fest, und das ist Inhalt christlicher Hoffnung ebenso wie jedes vernünftigen Denkens.
Das freie Individuum wird nun als Krankheitserreger, im Grunde als Schädling und Gefahr pauschal geächtet und beargwöhnt. Nur als unsichtbar gemachtes, sozial distanziertes oder – wenn sich Nähe nicht vermeiden lässt - verhülltes Einzelwesen ist es gemeinschaftsfähig. Natürlich ist ein solches Denken zutiefst antichristlich, menschenfeindlich und chaotisch. Hoffen wir, dass es in seiner leiderzeugenden und mörderischen Intention bald gestoppt wird und die Menschen, wenn sie endlich realisieren, dass ihre Existenz auf dem Spiel steht, dass sie einen irreparablen Schaden nehmen an diesem Wahn, aufwachen und zur Besinnung kommen.

Die Natur – die echte, wahre - holt sich allerdings mit Gewissheit irgendwann ihr Recht wieder zurück. Dabei lässt sie sich nicht vorschreiben, was natürlich ist. Zur Disposition stehen eben auch all jene falschen Naturideologien, die uns in Form von „Klimawandelhysterie“, einer nie bewiesenen Lehre von „Krankheitserregern“ suggerieren, wir müssten einerseits gegen die Natur kämpfen, als sei sie unser Feind, andererseits sie verteidigen, als sei der Mensch generell und pauschal ihr Feind und müsse aus ihr möglichst eliminiert werden, als sei er der Krankheitserreger. Beide Denkweisen kommen aus derselben trüben, dämonischen Quelle.
Möge Gott allen, die für ein erneuertes wissenschaftliches Forschen und Fragen und einer Versöhnung des Menschen mit der Natur, die er nicht kennt und nicht festlegen kann, zu der er aber gehört, eintreten, beistehen und sie segnen und die Zeit leidvollen Wandels doch abkürzen um ihretwillen.


Wortlaut der Predigt von Papst Franziskus an Ostern 2020

Bildnachweise im Film (gemeinfrei):
BAusgewogenheitssymbol: https://de.freepik.com/freie-ikonen/l... Hobbes, Leviathan, Originalbuchcover: https://de.wikipedia.org/wiki/Leviath... Zwanzigfrancs-Münze von 1851: https://de.wikipedia.org/wiki/Freihei... The great seal "E pluribus unum": https://de.wikipedia.org/wiki/E_pluri... Stephan Kohn im Berliner "Tagesspiegel" vom 14.5.2020: https://www.tagesspiegel.de/politik/a... Die restlichen Fotos sind privat.