Wird der Geist Gottes
(„ruach“)/der Heilige Geist in der Schrift als eigenständige Person gezeichnet?
Immer wieder wird dies behauptet,
auch von einem Kommentator hier auf meinem Blog. Etwa weil es in Gen 1 heißt,
dass der „ruach“ über den Wassern geschwebt sei. Derselbe Kommentator
behauptet, der Geist Gottes sei als eine weibliche Gestalt wie eine Henne über
den Wassern gewesen und habe dort „gebrütet“.
Ganz abgesehen davon, dass der Text
dies nicht hergibt, wird nirgends im Alten oder Neuen Testament gesagt, dass
der Geist Gottes eine Person sei.
Viele übersehen dabei, dass es den
Personbegriff, wie wir ihn heute kennen, zur Zeit der Abfassung der
neutestamentlichen Begriffe nicht gab. Eine „persona“
war im antiken Theater eine Theaterlarve, eine Maske oder Rolle in einem Spiel.
Erst recht kennt das Alte Testament keinen Personbegriff!
Uns begegnen dort stets Männer,
Frauen, Engel und Gott — keine „Personen“.
Gelegentlich wird darauf verwiesen,
dass doch schon in Deut 16, 19 davon gesprochen werde, dass man nicht nach dem
„Ansehen der Person“ urteilen dürfe. Dazu muss man aber wissen, dass im
hebräischen Original nicht „Ansehen der Person“ steht, sondern nur „Ansehen“
oder „Angesicht“ („panim“). Das lateinische „persona“ meint demgegenüber in der
Vulgata selbstverständlich nicht die „Person“ iS einer Individualität und eines
Ichbewusstseins, sondern als „Rolle“. „Ansehen der Person“ meint auch heute
noch im Deutschen präzise in diesem alten Verständnis „Ansehen der (sozialen)
Rolle“. Buber übersetzt daher ebenfalls nur mit „Ansehen“ — ohne „Person“.
Gott begegnet durchweg als ein
„Ich“. Die berühmte Stelle in Gen 1,26, wo „elohim“ sagt „lasst uns Menschen
machen“ beweist überhaupt gar nichts. Das „Wir“, von dem Gott hier spricht,
bleibt im Dunkeln. Einen Majestätsplural kennt das Hebräische nicht. das Wort
„elohim“ wird durchweg in der Genesis für den einen Gott angewendet, aber auch
für Götter. Das „Wir“ könnte genauso gut auf die himmlischen Heerscharen
abzielen, auf helfende Geister, Engel — wie immer: es geht aus dieser
Textstelle nichts Genaues hervor.
Die Begegnung des Mose mit Gott am
brennenden Dornbusch zeigt uns einen Gott, der von „Ich“ spricht, nicht von
„Wir“.
Und so kann man alle Stellen im AT
durchforsten: Sie zeigen uns dieses eine göttliche Ich, von dem wir allerdings
nicht behaupten können, dass es in Zahlen gefasst werden müsste. Wir wissen
aber aus dem Bekenntnis Israels, dass Gott, ihr Gott, „echad“ ist, also „einer“
oder sogar numerisch „eins“. Auch das macht ihn kaum iS einer mathematischen
Eins zählbar oder abgrenzbar von allem, was nicht Eins ist. Aber es zeigt uns
Einheit auf und vollkommene Widerspruchsfreiheit. Er ist derselbe jetzt, der er
sein wird und immer war, sagt er zu Mose, ein absolut fairer und in sich
intakter und vollkommener Gott ohne Willkür.
Im NT treffen wir auf keine
personelle Splittung des Gottes und seines Geistes. Wenn es heißt, der Geist
sei der „Paraklet“, der Beistand und Tröster, dann heißt dann nicht, dass er
eine Person im ichhaften Sinne ist, die sich individuell unterscheidet von der
Person des Vaters. Auf eine so abwegige Idee — aus der Sicht Israels und der
Antike — wäre man damals wohl schwerlich gekommen. Natürlich ist die Teilhabe
am Geist Gottes eine Befähigung des Menschen mit einer göttlichen Kompetenz, um
überhaupt in Kommunikation mit diesem Gott zu kommen und Erkenntnis zu
gewinnen.
Auch die Beschreibung der
Pfingstereignisse weist uns auf keine Person, sondern auf eine „dynamis“, eine Kraft, eine Befähigung
durch Gott selbst. Diese „dynamis“
benennt Lukas, als er die Begegnung zwischen Maria und dem Engel erzählt: In
Maria wird dort nicht durch Gott etwas „gezeugt“, sondern dort wird Maria die „dynamis“ des Heiligen Geistes
zugesprochen, die sie befähigt, ohne Mann einen Menschen hervorzubringen. Es
ist wichtig, Texte genau zu lesen: „Heiliger
Geist wird über dich kommen und Kraft des Höchsten wird dich überschatten.
Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden.“ (Lk
1,35) Solche „Überschattungen“ finden wir in der Schrift immer wieder, aber sie
bezeugen keine „Zeugung“, sondern eine enorme Kraft Gottes, die sich an einem
Ort hier auf Erden niederlässt, etwa auf dem Berge Sinai oder im
Allerheiligsten der Stiftshütte bzw des Tempels. Nirgends wurde dort etwas
„gezeugt“, aber in der Kraft des Allerhöchsten wurden dort Dinge realisiert,
die sonst unmöglich erschienen. Maria erhält eine enorme göttliche Kraft, um
etwas zu tun, was keine Frau vor ihr konnte: einen Menschen hervorbringen ohne
Zeugung.
Gerade an der Situation Marias wird
sichtbar, wie absurd die Zusammenhänge wirken müssten, wenn man annähme, dass
der Hl. Geist eine göttliche Person sei: So müsste also der Hl. Geist als
Person mit einer Menschenfrau einen Nachkommen gezeugt haben. Nun sagt der
Engel ja nicht, das Kind werde Sohn Gottes sein,
sondern er werde so „genannt werden“. Dieser Titel liegt also jetzt noch nicht
vor. Er wird ihm eines Tages gegeben werden. Dies geschah bei der Taufe im
Jordan. „Sohn Gottes“ zielt aber auf den Gottvater ab — wer hat nun „gezeugt“ mit
Maria? Der Vater oder der Geist? Wir merken schon hier, dass das Konstrukt
absurd wirkt.
Aber zu meiner Erleichterung kann
ich sagen: Es steht nicht im Evangelium, dass hier eine göttliche Person zeugt.
Es steht da, dass eine Frau mit göttlicher Kraft versehen wird, indem der Geist
Gottes sie überschattet bzw umschattet. Und das ist, mit Verlaub, etwas
anderes!
Auch Paulus kennt keine Zeugung des
Sohnes durch den heiligen Geist. Er spricht im Galaterbrief davon, dass der
Christus „factum ex muliere“ sei,
geschaffen aus einer Frau — also ohne
Mann und der Substanz nach von der Frau und getränkt in ihrer erniedrigten
Rolle, ganz wie Gen 3 es uns angekündigt hat, als es hieß, der „Same der Frau“ werde diesen Retter
hervorbringen, weder ein Mann noch eine göttliche Zeugung! Es geht um die
Potenz der Frau, Menschen hervorzubringen — nicht mehr und nicht weniger, und
dies sogar grundständig, im Zweifel ohne Mann, wenn sie die göttliche „dynamis“ dazu erhält.
Dass der stolze Mann in seiner
Wahnvorstellung, nur er trage einen Samen in sich und somit können auch Gott
aus Maria nichts geschöpft haben ohne etwas Samenhaltiges, das nicht von ihr
kommt, ist so vermessen, wie es dumm ist: Gott konnte offenbar, denn genau das
teilt der Engel Maria auch mit: „Bei Gott
ist kein Ding unmöglich“.
Wenn Eigenschaften oder Wesenszüge
Gottes allegorisch als literarische Gestalten erscheinen, kann daraus nicht
geschlossen werden, dass es sich um weitere „Personen“ handelt. Wir kennen in
biblischen Texten nicht nur Gottes Geist, sondern auch Gottes Zorn, Gottes
Weisheit, die Gnade Gottes, die Kraft Gottes. Aber niemals würden wir sagen,
das seien alles getrennte und irgendwie mit ihm einige „Personen“. Er ist in
Vollkommenheit „in persona“ auch
seine Eigenschaft. Er ist die Rolle seiner Wesenszüge, er hat sie nicht nur
punktuell.
Paulus käme niemals auf den
Gedanken, den Geist Gottes als eine Person zu betrachten, weil er überhaupt
nicht davon ausgeht, dass freischwebende „Geister“ unterwegs sein können. Wenn
etwas „Geist von x“ ist, gehört dieser Geist zum ich, zur Identität dieses x:
„9 Nein,
wir verkünden, wie es in der Schrift steht, was kein Auge gesehen und kein Ohr
gehört hat, was in keines Menschen Herz gedrungen ist, was Gott denen bereitet
hat, die ihn lieben.
10 Uns
aber hat es Gott enthüllt durch den Geist. Der Geist ergründet nämlich alles,
auch die Tiefen Gottes.
11 Wer von den Menschen kennt den Menschen,
wenn nicht der Geist des Menschen, der in ihm ist? So erkennt auch keiner Gott
- nur der Geist Gottes.
12 Wir
aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott
stammt, damit wir das erkennen, was uns von Gott geschenkt worden ist.
13 Davon
reden wir auch, nicht mit Worten, wie menschliche Weisheit sie lehrt, sondern
wie der Geist sie lehrt, indem wir den Geisterfüllten Geistgewirktes deuten.
14 Der
irdisch gesinnte Mensch aber erfasst nicht, was vom Geist Gottes kommt. Torheit
ist es für ihn und er kann es nicht verstehen, weil es nur mit Hilfe des
Geistes beurteilt werden kann.2
15 Der
geisterfüllte Mensch aber urteilt über alles, ihn selbst vermag niemand zu
beurteilen.
16 Denn
wer begreift den Geist des Herrn? Wer kann ihn belehren? Wir aber haben den
Geist Christi. (1. Kor 2)
Diese Stelle gibt uns eindeutig
Kunde darüber, wie die Sache anzusehen ist. In Vers 11 wird vom „Geist des
Menschen“ gesprochen, der alleine den Menschen zu erkennen vermag. Ebenso
erkennt nur der Geist Gottes den Gott.
Nun frage sich jeder aufrichtig, ob
er seinen Geist als eine extra Person neben sich selbst ansieht. Niemand tut
das, der psychisch und geistig gesund ist! Es wäre ein schweres
Krankheitssymptom, wenn einer neben sich seinen Geist als andere Person wähnte!
Die Stelle führt vor Augen, dass
mit „Geist“ v.a. die erkennende und schöpferische Potenz gemeint ist. Es ist
Vorzug des Menschen, dass er auf sich selbst reflektieren kann, ohne deshalb in
mehrere Personen zu zerfallen. In diesem Wesenszug bildet er als Mann und Frau
Gott ab. Dieser Gott zerfällt selbstverständlich auch nicht in mehrere Personen.
Den Geist Gottes erhält der Mensch
als „dynamis“ wie Maria, um damit
Werke zu tun, die ihm sonst nicht möglich wären. Das Werk ist bei Paulus die
Gotteserkenntnis, die dem natürlichen Menschen unmöglich ist, weil er nicht den
erkennen kann, von dessen Art er abgekommen war seit dem Garten Eden. Er erhält
die Kraft Gottes, um überhaupt erst — was zuvor nicht der Fall war, auch nicht
in den weisesten Weisheitslehren der Welt —
Gott zu erkennen und darin auch sich selbst.
Nicht ein Aufgebot an Personen ist
dazu notwendig, nicht mein abgespaltener Persongeist begegnet dem abgespalteten
göttlichen Persongeist, sondern die einfache Erkenntnis zwischen zwei
Ich-Gestalten, nämlich der meinen und der Gottes:
„Der
Geist selber bezeugt unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind.“ (Röm 8,16)