Adventus II:
Mariae Heimsuchung
Eine Mutter und ihr Kind, ergraut,
dem Alten zugehörig.
Eine Mutter und ihr Kind, eine
Jungfrau, dem Neuen zugehörig.
Eine Mutter, in Schmerzen kinderlos alt geworden.
Eine Mutter, die freiwillig das
Joch der Kinderlosigkeit auf sich genommen hatte.
Und die Männer dieser Frauen?
Beide sind verstummt, mussten
verstummen.
Gott hieß sie schweigen.
Der Vater der Alten wurde mit Verstummen-Müssen
für seinen Unglauben bestraft, der andere schwieg von selbst, weil er ein
Gerechter war.
Die Mütter redeten im Heiligen
Geist, beide, die Alte und die Junge.
Und wie sollten die Kinder
geisterfüllter Mütter nicht ebenfalls von ihm erfüllt sein: Der Sohn der Alten
war schon im Mutterleib von Ihm erfüllt.
Der Sohn der Jungen war heilig.
Welch eine Konstellation.
Zur Zeitenwende erscheint der Engel
Gabriel einem Priester des alten Bundes, um ihm einen Vorausschein des
kommenden Heils anzusagen.
Zacharias aber, dieser Repräsentant
des Alten Bundes, weiß es besser als Gott – das Dilemma Israels und auch der
Herrschaft des Mannes im Alten Bund, die stets in der Gefahr standen, Gottes unverbrüchliche Liebe zum ungetreuen Israel zu konterkarieren.
Nicht umsonst heißt es später im
Johannes-Prolog, „nicht aus dem Willen des Mannes“ würden die Kinder Gottes
geboren.
In unserer Geschichte ist das eine
geradezu weltstürzende Realität.
Doch sehen wir uns doch die Texte
im Lukas-Evangelium genauer an:
5
Zur Zeit des Herodes, des Königs von Judäa, lebte ein Priester namens
Zacharias, der zur Priesterklasse Abija gehörte. Seine Frau stammte aus dem
Geschlecht Aarons; sie hieß Elisabet.
6 Beide lebten so,
wie es in den Augen Gottes recht ist, und hielten sich in allem streng an die
Gebote und Vorschriften des Herrn.
7 Sie hatten keine
Kinder, denn Elisabet war unfruchtbar, und beide waren schon in vorgerücktem
Alter.
(Lk 1)
Schon im ersten Satz fällt auf,
dass nicht ausdrücklich Zacharias, der nur mittelbar über Abija als Aaronide
gekennzeichnet wird, sondern seine Gemahlin Elisabeth als Frau aus der Elite
der priesterlichen Vorfahren stammt.
Sie ist direkte Nachfahrin des
„Ur-Priesters“ Aaron, des „Ahnvaters“ aller von Gott am Sinai eingesetzten
Priesterschaft, dem Bruder des Moses und der Miriam.
Man fragt sich schon an dieser
Stelle, wenn man genau liest, warum ihre Herkunft so ausdrücklich hervorgehoben
wird.
Diese drei Geschwister, die beim
Auszug Israels aus Ägypten die führende Rolle spielen, stammen von Amram und
Jochebet, einem Ehepaar aus dem Stamm Levi, der allgemeinen israelitischen
Priesterkaste.
Aarons Rolle in der Tora ist
vielschichtig. Obwohl er der Erstgeborene ist, scheint er doch nicht der Führer
zu sein, sondern der priesterliche Beistand zur Führerschaft des Moses. Die Tora
berichtet uns, dass Aaron und Miriam sich – offenbar unter der Führung Miriams
- gegen den Vorrang Moses aufgelehnt haben. Miriam wird deshalb
mit Aussatz und mit Ausschluss aus dem Lager der Israeliten für sieben Tage
bestraft. Sie kehrt nach Verbüßung dieser Strafe geheilt zurück. Ihr Aufstand gegen Moses ist wie ein Nachhall auf Eva. Aber diese Episode bestätigt dennoch die Führerrolle einer Frau, die in Gen. 3 vorhergesagt ist und die Heilung in Aussicht stellt. Warum ist es ausgerechnet die Frau hier, die die irdische Hierarchie des Erstgeborenen einfordert? Gott will das nicht, diese Sündenordnung!
Gott bestätigt seine Wahl des Zweitgeborenen, aber auch seine Hinwendung zu den beiden anderen als Priester und Propheten.
Gott bestätigt seine Wahl des Zweitgeborenen, aber auch seine Hinwendung zu den beiden anderen als Priester und Propheten.
Schon hier zeigt sich, dass Gott in
der Wahl seiner Heilsträger nicht den Gesetzen folgt, die doch sonst dem
gängigen hierarchischen Denken gemäß als „gottgegeben“ angesehen werden: Wie
einst bei Abel, wie einst bei Jakob, erwählt der Allmächtige auch unter den
drei Geschwistern nicht den Erstgeborenen, sondern den Zweiten. Und bei David erwählt er nicht den Zweiten, sondern sogar den Letzten und Kleinsten...
Allen drei Geschwistern gibt er eine Schlüsselrolle, und ohne die beiden anderen wäre Moses verloren gewesen.
Allen drei Geschwistern gibt er eine Schlüsselrolle, und ohne die beiden anderen wäre Moses verloren gewesen.
Aaron ist zugleich der, der dem
Murren des Volkes nicht standhält, als Moses auf dem Sinai das Gesetz empfängt,
und das Kultbild des goldenen Kalbs anfertigt und davor Rituale durchführt.
Im Buch Leviticus wird der von Gott angeordnete Einsatz Aarons in sein
Priesteramt wie eine Königskrönung vollzogen. Und der Prophetin Miriam ist es
gegeben, die Rolle aller Prophetinnen vorzuformen.
Aus diesem Geschlecht also stammt mit
besonderer Hervorhebung Elisabeth, die Frau des Zacharias.
Zu beachten ist ebenfalls, dass
ausdrücklich beiden Personen Gerechtigkeit im alten jüdischen Sinne
zugesprochen wird. Sie sind nicht, wie heutzutage oft so leichtfertig gesagt
wird, „Sünder wie alle“, sondern ein Mann und eine Frau, die sich „streng“
darum mühen, den Willen Gottes in ihrem Leben wirklich werden zu lassen. Diese
Beschreibung ist eine außerordentliche Auszeichnung für beide.
Doch wie geht es weiter?
11
Da erschien dem Zacharias ein Engel des Herrn; er stand auf der rechten Seite
des Rauchopferaltars.
12 Als Zacharias ihn
sah, erschrak er und es befiel ihn Furcht.
13 Der Engel aber
sagte zu ihm: Fürchte dich nicht, Zacharias! Dein Gebet ist erhört worden.
Deine Frau Elisabet wird dir einen Sohn gebären; dem sollst du den Namen
Johannes geben.
14 Große Freude wird
dich erfüllen und auch viele andere werden sich über seine Geburt freuen.
15 Denn er wird groß
sein vor dem Herrn. Wein und andere berauschende Getränke wird er nicht trinken
und schon im Mutterleib wird er vom Heiligen Geist erfüllt sein.
16 Viele Israeliten
wird er zum Herrn, ihrem Gott, bekehren.
17 Er wird mit dem
Geist und mit der Kraft des Elija dem Herrn vorangehen, um das Herz der Väter
wieder den Kindern zuzuwenden und die Ungehorsamen zur Gerechtigkeit zu führen
und so das Volk für den Herrn bereit zu machen.
18 Zacharias sagte zu
dem Engel: Woran soll ich erkennen, dass das wahr ist? Ich bin ein alter Mann
und auch meine Frau ist in vorgerücktem Alter.
Es ist eine ungeheuerliche Ansage,
die da an den Priester Zacharias gerichtet wird. Er und seine Frau sollen ein
Kind zeugen, obwohl doch, wie einst bei Abraham und Sara, ihr Leib erstorben
ist, und dieser Sohn soll schon im Mutterleib vom heiligen Geist erfüllt sein.
Diese Ansage ist Zacharias zuviel.
Zu viele Informationen auf einmal:
Als Greise sollen sie Vater und
Mutter werden. Das Kind wird eine große Freude für alle darstellen. Und dann
dieser Satz, nochmal schreibe auch ich ihn nieder:
Es wird schon als Fötus
geisterfüllt sein – das ist unerhört, das gab es doch noch nie! Und dann wird er
großes Heil in Israel bewirken und dem „Herrn den Weg bereiten“…
Und dennoch offenbart sich in
Zacharias Reaktion Verbitterung und Stolz. Er wusste doch, dass Gott auch einst
der Sara den verheißenen Sohn schenkte. Er wusste doch, dass bei Gott alle Dinge
möglich sind. Dass seine Reaktion nicht recht war, zeigt sich daran, dass seine
Frau nicht so reagierte wie er. Der Engel lässt sich auf keine Debatte ein und gibt
ihm strenge Worte zurück:
19
Ich bin Gabriel, der vor Gott steht, und ich bin gesandt worden, um mit dir zu
reden und dir diese frohe Botschaft zu bringen.
20 Aber weil du
meinen Worten nicht geglaubt hast, die in Erfüllung gehen, wenn die Zeit dafür
da ist, sollst du stumm sein und nicht mehr reden können bis zu dem Tag, an dem
all das eintrifft.
Das Volk stand unterdessen draußen
und erwartete von Zacharias den aaronitischen Segen. Er dauert lange, bis er
kam, und dann erlebten die Wartenden etwas Merkwürdiges:
22
Als er dann herauskam, konnte er nicht mit ihnen sprechen. Da merkten sie, dass
er im Tempel eine Erscheinung gehabt hatte. Er gab ihnen nur Zeichen mit der
Hand und blieb stumm.
Kurz danach empfing Elisabeth einen
Sohn und pries Gott, lebte aber die ersten fünf Monate ihrer Schwangeschaft
verborgen.
Der Evangelist Lukas erzählt im
nächsten Abschnitt, wie der Engel Gabriel Maria erscheint:
26
Im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa
namens Nazaret
27 zu einer Jungfrau
gesandt. Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Haus David
stammte. Der Name der Jungfrau war Maria.
28 Der Engel trat bei
ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir.
29 Sie erschrak über
die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe.
30 Da sagte der Engel
zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden.
31 Du wirst ein Kind
empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben.
32 Er wird groß sein
und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines
Vaters David geben.
33 Er wird über das
Haus Jakob in Ewigkeit herrschen und seine Herrschaft wird kein Ende haben.
34 Maria sagte zu dem
Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?
35 Der Engel
antwortete ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des
Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn
Gottes genannt werden.6
36 Auch Elisabet,
deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als
unfruchtbar galt, ist sie jetzt schon im sechsten Monat.
37 Denn für Gott ist
nichts unmöglich.
38 Da sagte Maria:
Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast. Danach verließ
sie der Engel.
Diese Erzählung hat literarisch
gesehen eine ähnliche Struktur wie die der Erscheinung des Engels Gabriel bei
Zacharias. Beide erschrecken, als sie Gabriel gewahr werden. Wie Zacharias
etwas Unerwartetes und nach menschlichem Ermessen Unmögliches verheißen
bekommt, so geschieht dies auch Maria. Und beide äußern Unverständnis und
fragen, wie dies möglich sein soll.
Wer genauer hinsieht, erkennt
jedoch, dass Maria nicht in Frage stellt, dass all das, was ihr angesagt wird,
geschehen soll.
Sie will vielmehr wissen, wie sie
schwanger werden soll, da sie doch mit keinem Mann schläft. Diese Formulierung
ist so generell, dass nicht herauszulesen ist, dass sie je vorhätte, mit einem
Mann zu schlafen. Leicht hätte man ja denken können, dass die logische
Folgerung aus des Engels Anfangssätzen ist, dass Maria Geschlechtsverkehr haben
soll, um diesen Sohn zu zeugen. Aber genau dies scheint vollkommen
ausgeschlossen zu sein. Ihre Jungfrauenschaft ist absolut und kann nicht
aufgehoben werden. Ihre Frage offenbart uns, dass sie selbst das so sieht, aber
auch davon ausgeht, dass Gott dies weiß. Zurecht hat die Kirche von Anfang an
auf ein Gelübde geschlossen.
Maria ist – anders als Zacharias – in außerordentlicher Weise
„begnadet“. In ihrem Fall wundert sich der Leser, dass der Engel nicht einem
Mann, etwa Josef, zuerst erscheint, wo
doch der Mann der vor allem selbsternannte und dem Augenschein nach auch
bestätigte bevorzugte Adressat aller Heilsabsprachen ist. Er ist „der Erste“,
wie er selbst glaubt.
Aber wir haben es schon gesehen –
Gott erwählt so oft den Zweiten, nicht den Ersten.
Diese Souveränität Gottes
entspringt keiner Willkür, sondern seiner Sicht auf die Dinge. Nur er weiß, wer
wirklich die Ersten sind. Und bei ihm
gilt bekanntlich kein Ansehen der Person.
Marias berühmtes „Fiat“ beendet
diesen Diskurs zwischen Gottesboten und Mensch.
Bei Zacharias behielt sich der
Engel das letzte Wort vor, bevor er Zacharias zum Schweigen verurteilte.
Bei Maria behält die Frau das
letzte Wort.
Und dieses letzte Wort ist die
Bestätigung des Menschen, dass Gottes Wort gelten soll.
Maria macht sich nach dieser
Ansprache auf und besucht Elisabeth.
Das ist die berühmte Szene von
„Mariae Heimsuchung“
Das geisterfüllte Kind der
Elisabeth spürt sie nahen und hüpft im Leibe seiner alten Mutter. Daraufhin
erfüllt der Heilige Geist auch Elisabeth und sie ruft die Worte aus, die
niemals mehr vergehen werden:
42
Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen und gesegnet ist die Frucht
deines Leibes.
43 Wer bin ich, dass
die Mutter meines Herrn zu mir kommt?
44 In dem Augenblick,
als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib.
45 Selig ist die, die
geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.
Elisabeths Sätze bestätigen uns
gleich mehrere Überzeugungen der Kirche:
Maria ist die Mutter des Herrn. Und
der Herr ist immer Gott. Maria ist auch nach der Schrift die „Mutter Gottes“,
Gottesgebärerin, wie auf dem Konzil von Ephesus dann abschließend definiert
wurde.
Zugleich wird hier von einem
Gesegnetsein aller Frauen gesprochen, das bei Maria noch übertroffen wird.
Dieses Gesegnetsein aller Frauen
leuchtet geheimnisvoll heraus. Was meint es? Die Kompetenz, Mutter zu sein?
Wohl auch, aber es scheint doch noch viel mehr zu sein. Etwas Verborgenes.
Etwas, das man nicht scharf sehen kann.
Aus der Reaktion Marias auf diese
Worte wird einerseits auf den Lobgesang der Hanna zurückgegriffen, andererseits
präzisiert er die Rolle der Frau in einer nicht nur für damalige,
„patriarchalische“ Verhältnisse bestürzenden Weise:
46 Da sagte Maria:
Meine Seele preist die Größe des Herrn,
47 und mein Geist
jubelt über Gott, meinen Retter.
48 Denn auf die
Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig
alle Geschlechter.
49 Denn der Mächtige
hat Großes an mir getan und sein Name ist heilig.
50 Er erbarmt sich
von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten.
51 Er vollbringt mit
seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind;
52 er stürzt die
Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.
53 Die Hungernden
beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.
54 Er nimmt sich
seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen,
55 das er unsern
Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.
Die beiden ersten Verse bezeugen,
dass Seele und Geist der Frau Gott erkennen und loben dürfen … und dass er der
Retter ist, ausdrücklich der Retter der Frau.
Danach erfahren wir, dass die
Sängerin für immer seliggepriesen werden wird, weil Gott an ihr Großes getan
hat.
Auch dies ein eindeutiger
biblischer Hinweis darauf, dass die Gottesmutter mit hyperdulia, mit außerordentlicher Verehrung zu bedenken ist von
jedem Christgläubigen!
Nicht, weil sie selbst etwas wäre,
ist sie zu verehren, sondern weil Gott sie erwählt hat für sein Werk.
Bedenken wir: noch nie hat ein
Patriarch sich selbst solche Worte zuschreiben dürfen!
Es ist außerordentlich und bleibt
außerordentlich.
Und der Tag, an dem Männer
nachgezogen haben und sich selbst ähnliche Ehre heranziehen wollten, war der
Tag des sichtbaren Abfalls vom Glauben.
Maria schärft es uns allen ein:
Gott ist heilig!
Wehe dem, der den Allmächtigen
belehren oder ihm Ehre abringen will für die eigenen Person und Rolle –
diejenigen stößt er herab wie den gefallenen Engel und nichts hindert ihn, die
Zweiten zu erheben, wenn sie Gnade vor ihm finden, weil die Ersten versagten.
Was sich anmaßte, groß sein zu
sollen, soll „leer ausgehen“.
In Zacharias temporärem Verstummen
wird dies plastisch, obwohl er immer noch als Gerechter des Alten Bundes
gesehen wird:
„Aber weil du meinen Worten nicht geglaubt hast, die in Erfüllung gehen,
wenn die Zeit dafür da ist, sollst du stumm sein und nicht mehr reden können.“
Zacharias ist ein Gerechter, ein Mann
und ein aaronitischer Priester und glaubt doch nicht, nicht da, wo Gott sich als
der Lebendige zeigt.
Anders seine Frau. Sie wird erfüllt
vom Heiligen Geist und erkennt die Begnadete. Ihre Worte an Maria formulieren
das Gegenteil zu dem, was ihren Mann betrifft:
„Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr
sagen ließ.“
Die Geschichte um Johannes und
Jesus und ihre Mütter ist ein Schlüssel zum Verständnis des Heilsgeschehens.
Der alte Bund und seine
Priesterschaft scheint in Elisabeth und Johannes noch einmal auf, aber nur, um
nun den Staffelstab zu übergeben. Die Übergabe erfolgt nicht über das
Priestertum des alttestamentlichen Mannes direkt, sondern über die Frau und
deren Sohn, der sich Gott weiht, ehelos und arm in der Wüste lebt, von
Heuschrecken und wildem Honig lebt, ein härenes Gewand trägt und zur Umkehr
ruft.
Sein Vater Zacharias muss
schweigen, bis diese Übergabe geschehen durch Elisabeth ist.
Danach wird auch seine Zunge
gelöst.
Ähnlich ist es bei Josef, dem
Daviden.
Auch er ein Gerechter.
Auch er muss schweigen, wird nichts
gefragt, erhält nur mehr Weisung, während seine keusche Frau um Ihr
Einverständnis gefragt wird und ohne jedes Zutun des Mannes empfängt und zur
Heilsträgerin des größten Kindes wird, das je geboren wurde.
„Unter
allen, die von einer Frau geboren sind, ist keiner aufgetreten, der größer ist
als Johannes der Täufer.“
Nach diesen Worten Jesu ist
Johannes das größte Kind des Alten Bundes (Mt 11, 11), nach der Ordnung Aarons,
gezeugt von unfruchtbaren Eltern, geboren aus einer greisen Frau, deren Glauben
den Unglauben des Mannes wettmachen konnte.
Jesus selbst aber ist das größte
Kind der ganzen Welt, nach der Ordnung Melchisedeks, die diejenige vom Sinai um
eine Ewigkeit übersteigt. Geboren von einer Jungfrau in der Kraft und unter dem
Schatten des Heiligen Geistes.
Und das erkennt Elisabeth auf einen
Blick:
Sie selbst ist die Mutter des
„größten Menschen“ Israels, aber die, die da kommt, ist die Mutter des „Kyrios“, des Herrn.
Der Alte Bund ist in Elisabeth ein
letztes Mal ganz repräsentiert. Johannes selbst nimmt sich schon als Vergehenden, Schwindenden angesichts dessen, der da kommt, wahr. Immer wieder
bekennt er, dass der, dem er den Weg bereitet, größer ist als er:
29
Wer die Braut hat, ist der Bräutigam; der Freund des Bräutigams aber, der
dabeisteht und ihn hört, freut sich über die Stimme des Bräutigams. Diese
Freude ist nun für mich Wirklichkeit geworden.
30 Er muss wachsen,
ich aber muss kleiner werden.
(Joh 29)
Israel ist der Freund des
Bräutigams, und das wird niemals aufgehoben. Das ist seine Erwählung.
Der Freund tritt zurück, wenn der
Bräutigam kommt.
Die Braut ist die „Tochter Zion“,
Israel, aber nicht nur Israel, sondern aus der Menschheit alle, die guten
Willens sind, und das ist die Kirche.
Wie in einem großen Zeichen
verliert Johannes am Ende sein Haupt. Oberflächlich betrachtet deswegen, weil
er für die Reinheit und Unverbrüchlichkeit der Einehe einstand. Er begründete
seinen Einstand mit der Tora und wies doch weit über sie hinaus auf ein Neues.
Die Ehe – das Sakrament der
Vermählung Christi mit denen die guten Willens sind.
Aber tiefer betrachtet verlor der
Alte Bund sein Haupt. Johannes gab sein Leben, um die Vermählung Christi mit
allen, auch denen, die nicht aus Israel kommen, zu ermöglichen.
Und deswegen ist er der größte
Mensch des Alten Bundes, und seine Mutter ist symbolisch die, die den Stab Israels
an Maria übergab, die schon dem Neuen Bund zugehörig ist, weil sie vorauserlöst
ist und vollständig begnadet war als erste der künftigen Schar der
Christgläubigen.