Wo ist die
Natur? - Tagebuch einer Suche
Korrespondenzen zum Klima
Die Pfinz war
zum reißenden Fluss geworden, heftige tagelange Regenfälle setzten die Bäume am
Ufer unter Wasser. Auch das ist Klima — verschwiegenes, aus dem Ruder laufendes
Klima, das doch immer trockener und heißer werden soll, Malefiz, wenn es nach den
Prophezeiungen des Club of Rome geht, und jetzt wird es feuchter, aber nicht
kälter … warum auch, denn hier war es ja nie wirklich kälter. Dem benebelten
Geist erscheinen die Wintertage der Kindheit alle schneeumstürmt. Die
Wetterstatistiken für den Ort sagen uns allerdings etwas anderes. Würde mich
nicht wundern, wenn man für den Klimafake Daten vernichtet.
Es macht eben
wie schon immer, was es will, das Klima. Und wenn es sich nicht framen lässt, das
renitente, unabhängige Klima, dieses ungezogene Weib, dann gehört es gebändigt,
inklusive Hexenprozesse dazu, denn irgendwer muss ja schuld sein daran, dass
die Natur größer ist als das Gehirn einzelner Spatzen. Unsere Wettermacherinnen
träumen alte erfolglose Träume, wie schon seit je: der Wahn hat immer seine Vollstreckerinnen.
Ohne Binnen-I.
In der Stadt die
„KünstlerInnen für die Zukunft“ in altbewährter deutscher Hybris: „Karlsruhe
macht Klima“.
Die kleine
Hexe ließ Tannenzapfen regnen. Und weiße Mäuse. Man sollte Hirn regnen lassen
heute.
Sie bemerken
ihren Grenzübertritt zum Kitsch genauso wenig wie den zum Größenwahnsinn. Woher
der Hass gegen das Freie, nicht Genormte, Überraschende, Sich-Wandelnde? Oder dekonstruieren
sie einfach nur das ungebändigte Klima, wollen es in eine sterile Vertaktung
zwingen, auf Teufel komm raus? Erinnert das Klima sie daran, dass sie den
ganzen Kopf voller Normen haben, Sklavengeister sind, triebhaft hin und
hergeschickt, ohne Ziel und Sinn, aber aufgeladen mit Arroganz bis in die
Haarspitzen?
Mir geht es übrigens
gut, ich fühle mich wohl, die Kleidung vom Vorjahr passt heute auch noch, und
die Skipisten machen schon lange nicht jede geldgeile Verkaufambition mit. Kunstschneemaschinen
gibt es seit den 1940ern. Fürs Geldmachen macht man alles, auch Klima.
Mein Vorschlag
wäre: „Backe, backe Klima“.
Ich bin nicht
dabei. Ich mache einfach Kunst in einer Schöpfung, die niemand bis heute
verstanden hat.
Wir wissen
fast nichts über sie, aber eines ist gewiss: die Alten wussten mehr als wir,
mehr von Energien, von Kräften und Gewalten, vom Mittelpunkt. Ich taste mich an
das heran, was von ihnen noch überliefert ist und staune.
Misteln in den
kahlen Bäumen und Maulwurfshügel auf grauen Wiesen. Daneben der reißende Bach
mit seinen Stundenkilometern in Rennradstärke. Lehmgelb. Als ich im Wald bei Kleinsteinbach
über eine kleine Holzbrücke übersetze, treibt eine riesige, feuergelb
ausgewaschene Baumwurzel im Wasser und überschlägt sich dabei wie ein
Zirkusartist, der räderschlagend in die Manege stürmt, unterm tobenden Beifall
der Zuschauer.
Hanna
Jüngling, 5. Februar 2020 (An der Pfinz hinter Berghausen talaufwärts)
Tagebuchfolgen bisher:
21.11.2019: Wo
ist die Natur? – Tagebuch einer Suche: Morgendämmerung, später November
24.11.2019: Wo ist die Natur? - Tagebuch einer Suche: Räume. Flächen. Strecken.
24.11.2019: Wo ist die Natur? - Tagebuch einer Suche: Räume. Flächen. Strecken.
27.11.2019: Wo
ist die Natur? - Tagebuch einer Suche: Schuhwerk, Urbane Schönheit und der
Wahnland-Code
24.12.2019: Wo
ist die Natur? — Tagebuch einer Suche: Etsi Deus non daretur oder Deus sive
natura. Oder beides nicht?
25.12.2019: Wo
ist die Natur? — Tagebuch einer Suche: Augustinus oder von der Unmöglichkeit
eines Schlusses
16.1.2020: Wo
ist die Natur? - Tagebuch einer Suche: Spechtbalz, frühe Singdrossel und der
erste wilde Uhu meines Lebens
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