Die Pilatusfrage „Was
ist Wahrheit?“
Die „relative“
Wahrheit — Küchenphilosophie
In der Küchenphilosophie, der man weithin frönt, scheint man
sich darüber einig zu sein, dass Wahrheit ein relativer, eigentlich sogar
überflüssiger und anwendungsunsicherer Begriff sei: Niemand kennt sie, niemand
hat sie je gesehen, viele Dinge sind undurchsichtig, und jeder hat schon
erlebt, dass er Dinge für wahr hielt, die dann doch ganz anders waren.
Wir pochen jedoch alle plötzlich auf die Wahrheit, sobald es
ans Eingemachte geht. Jemand unterstellt uns etwas, jemand behauptet etwas, das
anders war, jemand sagt vor Gericht unter die Eid nicht die Wahrheit —
plötzlich wissen wir sehr gut, was Wahrheit in einem praktischen Sinn ist, wo
wir zuvor aus einem bequemen Pragmatismus heraus großzügig die Wahrheit an die Relativität
jeglicher Tatsächlichkeit verkaufen wollten.
Die erbitterte Propaganda über angebliche oder wirkliche
Fake News und die Lügenpresse beweisen einmal mehr, dass wir uns etwas in die
Tasche lügen und sehr wohl allesamt einen scharfen, wenn auch unbewussten und
unreflektierten Wahrheitsbegriff haben.
Vor allem, wenn wir die Wahrheit nicht anerkennen wollen,
obwohl wir sie erkennen, flüchten wir in die Ausflucht, Wahrheit könne ja
niemand „absolut“ wissen — dabei ist Wahrheit in sich selbst ein absoluter
Begriff, ebenso wie „Lüge“, „Reinheit“, „Falschheit, „Tugend“, „Licht“ oder „Gott“.
Wahrheit kann ebenso wenig nur ein bisschen wahr sein wie Reinheit ein bisschen
unrein sein könnte. Und Gott ist niemals nur halb Gott, sondern immer ganz
Gott, sonst ist er nicht Gott. Und wer
hätte je Licht gesehen, das nicht leuchtet („schwach leuchten“ ist dabei immer
noch „leuchten“ und nichts anderes!).
Wahrheitstheorie:
Logik und Erkenntnis
In der Philosophie hat man sich insbesondere in der Neuzeit
den Kopf darüber zerbrochen, welche Wahrheitstheorie sich aufstellen lässt,
ohne dabei in Nöte zu kommen und sich an Sätzen wie „Ich lüge“ abgearbeitet,
weil der, der ihn sagt, folglich die Wahrheit sprechen müsste, indem er ihn
sagt, durch die globale Reichweite seiner Aussage aber nicht im Sinne von „minus
mal minus ist plus“ im Reich des Wahren landen kann, sondern weiterhin gelogen
haben müsste, weil er, wenn er durch diesen Satz ausdrückt, dass er die
Wahrheit sagt, eben wieder gelogen haben muss, weil er doch eben sagt, er lüge.
Tarski hat solche Sätze aus der formalen Sprache verbannt. Wenn
wir so anfangen, können wir aufhören zu denken!
Ein Satz dieser Struktur ist ein hübsches Spiel mit dem
Widersprüchlichen und den Antinomien, aber es ist fraglich, ob solche Sätze im
Ernst überhaupt sinnvoll je gesagt werden können oder gesagt werden. Wer
zugibt, dass er lügt, wird in aller Regel den Sachverhalt eingrenzen, über den
er gelogen hat, etwa wenn einer bereut, seine Mutter belogen zu haben und ihr
gesteht „Ich habe, als ich gestern p sagte, gelogen. Bitte verzeih mir“. Die
Bitte um Verzeihung oder eine reuige Geste werden die Eingrenzung der Lüge noch
befestigen. Es wäre nicht begründbar, dem Pönitenten deshalb zu unterstellen,
dass er immer lügt. Und es ist logisch schlicht unmöglich, immer zu lügen. Darum
wird der Satan zwar als „Vater der Lüge“ charakterisiert, aber ihm wird
bescheinigt, dass er durchaus als „Engel des Lichts“ auftritt. Das heißt: Nicht
alles, was er sagt, ist eine „axiomatische“ Lüge, sondern die Relationen, die
er suggeriert, führen zur Lüge und Falschheit.
Wenn wir philosophisch über Wahrheit reden, meinen wir
nicht, dass ein Sachverhalt als bloßes Axiom als wahr beurteilt werden kann,
sondern wir analysieren, ob Schlussverfahren zu Wahrheit führen oder nicht, in
welchen Relationen von Sätzen wir Wahrheit bestimmen können und wo nicht. Wir
beurteilen im wesentlichen Schlussverfahren und gehen von dem aus, was nachvollziehbar
der Fall ist. Das, was der Fall ist, drücken wir in den Sätzen p, q aus, in
Existenz- und Allaussagen. Relationale Aspekte werden über Prädikatenlogik und
weitere Verfahren bestimmt.
Wollten wir jeden Satz p oder q hinterfragen in dem Sinne,
ob er überhaupt wahr sei, könnten wir nicht mehr miteinander kommunizieren. Wir
setzen die Wahrheit von p und q voraus, wenn wir darüber reflektieren, in
welchen Relationen wir von p und q wahr reden können. In aller Regel verlassen
wir uns auf die Evidenz der Wahrheit bestimmter Prämissen. Manche Evidenzen
sind ohnehin objektiv nicht hinterfragbar. Etwa der Satz einer menschlichen
Person „Ich wurde geboren“. Wir
können bezweifeln, dass er 1987 geboren ist oder in Heidelberg, aber wir können,
solange er vor uns steht, nicht ohne weiteres bezweifeln, dass er geboren ist. Der Satz "Ich bin vom Himmel gefallen" oder "Mich hat der Klapperstorch gebracht" würden im Ergebnis den Begriff "Mensch" auflösen. Es gäbe nach einer solchen Logik keine Menschen mehr, weil sie von Engeln, Geistern oder Meteoriten begrifflich nicht mehr unterscheidbar wären.
Zugrunde liegt dem Satz "Ich wurde geboren" die Existenzaussage, dass es den Menschen gibt. Darauf fußt die Allaussage "Alle Menschen werden geboren". Wenn wir bezweifeln wollten, dass der Satz "Ich bin geboren" wahr ist, müssten wir bestreiten, dass alle Menschen geboren werden oder, dass X ein Mensch ist. Und wir können nicht bezweifeln, dass er, wenn er Mensch ist und alle Menschen geboren werden, an einem Ort zu einer bestimmten Zeit geboren ist. Die Aspekte von Ort und Zeit gehören zum Geborenwerden hinzu. Zur Sicherung der Aspekte konkretes Geburtsjahr oder konkreter Geburtsort haben wir ein System der Zeugnisse und Quellen erschaffen, die uns einigermaßen darüber versichern sollen, was der Fall ist (etwa durch Geburtsurkunden, Taufregister etc.). Die bloße Angewiesenheit auf das Zeugnis anderer hinsichtlich vieler Tatsachen kann nicht dazu berechtigen, nun alles als fraglich oder "relativ" anzusehen. Nur wenn in den Relationen der kommunizierten Dinge und Zeugnisse über die Dinge untereinander Unstimmigkeiten auftauchen, haben wir einen hinreichenden Grund zum Zweifel an der Wahrheit einer Behauptung. Vorher nicht.
Zugrunde liegt dem Satz "Ich wurde geboren" die Existenzaussage, dass es den Menschen gibt. Darauf fußt die Allaussage "Alle Menschen werden geboren". Wenn wir bezweifeln wollten, dass der Satz "Ich bin geboren" wahr ist, müssten wir bestreiten, dass alle Menschen geboren werden oder, dass X ein Mensch ist. Und wir können nicht bezweifeln, dass er, wenn er Mensch ist und alle Menschen geboren werden, an einem Ort zu einer bestimmten Zeit geboren ist. Die Aspekte von Ort und Zeit gehören zum Geborenwerden hinzu. Zur Sicherung der Aspekte konkretes Geburtsjahr oder konkreter Geburtsort haben wir ein System der Zeugnisse und Quellen erschaffen, die uns einigermaßen darüber versichern sollen, was der Fall ist (etwa durch Geburtsurkunden, Taufregister etc.). Die bloße Angewiesenheit auf das Zeugnis anderer hinsichtlich vieler Tatsachen kann nicht dazu berechtigen, nun alles als fraglich oder "relativ" anzusehen. Nur wenn in den Relationen der kommunizierten Dinge und Zeugnisse über die Dinge untereinander Unstimmigkeiten auftauchen, haben wir einen hinreichenden Grund zum Zweifel an der Wahrheit einer Behauptung. Vorher nicht.
Der alte Rechtsgrundsatz „In
dubio pro reo“ zeigt auf, dass wir ins Barbarische und Paranoide
abrutschen, wenn wir außerhalb triftiger Gründe Wahrheit bezweifeln, wo sie
evident scheint.
Mit diesem Satz wird oft umgekehrt unredlich jongliert, wenn
man notwendige Revisionen eines geglaubten Faktums verhindern will.
Hier ist Vorsicht in mehrere Richtungen nötig.
In jedem Fall sollten sich alle Küchenphilosophen, die Leuten mit guten Argumenten und einem Vorsprung an Wissen vorwerfen, sie seien "arrogant" oder hielten sich für "unfehlbar", zurückhalten:
Überheblich und arrogant ist stets die Ignoranz, die sich nicht die Mühe zur Wahrheitsfindung machen will und mit einem oberflächlichen "Es gibt eh keine absolute Wahrheit" jede ernsthafte Gedankenarbeit diffamiert.
Dass natürlich die Entlarvung der Ignoranz und der Fehlschlüsse schmerzlich für den ist, der mit ihnen aufgetrumpft hat, ist ein psychologischer Aspekt, der für die Wahrheit der Dinge und Beziehungen der Dinge untereinander irrelevant ist.
In jedem Fall sollten sich alle Küchenphilosophen, die Leuten mit guten Argumenten und einem Vorsprung an Wissen vorwerfen, sie seien "arrogant" oder hielten sich für "unfehlbar", zurückhalten:
Überheblich und arrogant ist stets die Ignoranz, die sich nicht die Mühe zur Wahrheitsfindung machen will und mit einem oberflächlichen "Es gibt eh keine absolute Wahrheit" jede ernsthafte Gedankenarbeit diffamiert.
Dass natürlich die Entlarvung der Ignoranz und der Fehlschlüsse schmerzlich für den ist, der mit ihnen aufgetrumpft hat, ist ein psychologischer Aspekt, der für die Wahrheit der Dinge und Beziehungen der Dinge untereinander irrelevant ist.
Die typischen Fragen philosophisch interessierter
Jugendlicher wie etwa „Woher weiß ich, ob
das, was du rot nennst, nicht das ist, was ich grün nenne“, in dem Falle
also jede Rede von Farben als grundsätzlich wahrheitsunfähig annimmt, weil wir
nicht wissen, ob wir alle denselben Sinneseindruck meinen, führt schnell ins
Nichts. Niemand kann das lösen, und wir erkennen eines reiferen Tages, dass es hinsichtlich
der Wahrheit gleich ist, ob wir dieselbe sinnliche Erfahrung haben. In diesem
Sinne mag Wahrheit tatsächlich „relativ“ sein, dass X bei „rot“ etwas anderes
wahrnimmt als Y, nur wissen es beide nicht voneinander, können es nicht wissen,
aber dennoch reden sie jeweils von einer stabilen Relation zwischen sinnlicher Farbwahrnehmung
und Begriff.
Relevant ist, dass wir einen Farbbegriff haben, den wir
teilen und mit Hilfe dessen wir wahre oder falsche Aussagen machen können. Ob
wir haargenau dieselben Empfindungen dabei haben, spielt hinsichtlich der
Wahrheit keine Rolle.
Wir erkennen, dass Wahrheit nicht einfach nur ein abstrakter
Begriff ist, sondern in einem gedanklichen (subjektiven) und sozialen (intersubjektiven)
Akt aus der lichthellen objektiven Welt in die Mitte der Menschheit gestellt
wird. Dass wir die vollständige Wahrheit aller Dinge nicht erfassen können, lässt
natürlich nicht den größenwahnsinnigen Schuss des Küchenphilosophen zu, dass
deshalb alle Dinge „relativ“ seien.
Die Wahrheit ist immer die Wahrheit. Auch wenn wir nur Teile
von ihr erkennen, sind sie doch, wenn sie wahr sind, tatsächlich absolut wahr, ebenso wie das Licht, das
wir von der Sonne erhalten, nicht für X ein anderes ist als für Y, sondern
immer dasselbe, absolute Licht, auch wenn wir subjektiv nuancierte Wahrnehmungen
davon haben sollten. Das Licht verliert dadurch nicht seinen objektiven
Charakter! Sofern es sich um dasselbe Licht handelt, kann es im wesentlichen
bei X nicht zu Erfahrungen führen, die denen bei Y widersprechen.
Die oft aufgeworfene Frage, ob diese Objektivität nur
Ausdruck unseres Bewusstsein sein und an sich gar nicht einem „Außen“ an
sich selbst existieren könnte, beantworte ich für mich abschlägig: Wenn wir dies
annehmen wollten, müssten wir klären, inwiefern wir überhaupt dazu kommen, miteinander
über etwas zu reden und dabei der hartnäckigen Illusion erliegen, wir wüssten,
worüber wir gemeinsam reden. Wir können eines aufgrund der Tatsache schließen, dass wir uns überhaupt verständigen können, schon einmal eines schließen, nämlich dies, dass
es neben dem Individualbewusstein auch ein Allbewusstsein (Intersubjektivität) der Menschheit gibt.
Den Ausschluss eines Außen, das auf unser Bewusstsein zurückwirkt und auf das wir
zurückwirken, kann man nicht problemfrei begründen. Vielmehr legt die Relation
von Indivualbewusstein und Allbewusstsein nah, dass es auch ein
menschheitsindividuelles Allbewusstsein in Relation zu einem menschheitsübersteigenden
Allbewusstsein geben könnte. Dabei müsste gefragt werden, wo die Trennlinien der
verschiedenen Bewusstseinsebenen liegen, die wir doch empirisch erfahren. Wenn Wittgenstein seinen Tractatus mit dem Satz begann "Die Welt ist alles, was der Fall ist", und ihn schloss mit dem Satz "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen", dann meint dies, dass die bloße Tatsache, dass wir sinnvoll von etwas reden, Faktizität bereits voraussetzt. Wittgenstein weist immer wieder darauf hin, dass wir Sätze verstehen, ohne dass uns einer erklärt hat, wie man einen Satz versteht. Man kann daher nur von Dingen reden, der der Fall sind. So ist der Schlusssatz nicht normativ aufzufassen, sondern analytisch: Man soll nicht, sondern man "muß" schweigen, kann also nicht anders, als zu schweigen über das, wovon man nicht sprechen kann. Ich verstehe Wittgenstein so, dass es ihm gleich ist, ob wir meinen, es gäbe ein Außen außerhalb unser oder ob alles Projektion unseres Bewusstseins sei. Darüber können wir spekulieren bis ans Ende der Tage, ohne hier zu einer Erkenntnis vorzudringen, die mehr als bloßes Spekulieren bliebe. Übertragen auf die Wahrheitsfrage bedeutet das, dass auch hier nicht die Dinge an sich selbst unwahr sein können, sondern die Relationen, in die wir sie sprechend stellen. Es ist vollkommen sinnlos, darüber zu streiten, ob es "den" Gott gibt, denn wir sprechen von ihm, seitdem es Menschen gibt. Von Bedeutung ist, ob wir in wahren oder falschen Relationen von ihm sprechen. Jemand kann sagen: "Aber du kannst doch eine Geschichte erfinden, also ist sie nicht wahr." Ich denke, das ist ein Fehlschluss: was erfunden wird, ist nicht unwahr, sondern erfunden. Allerdings würde die Diskussion über das Erfinden von Welten hier zu weit führen, hat aber schon Ansatzpunkte erhalten (s.o.). Nur soviel sei gesagt: Entweder einer kennzeichnet eine Geschichte als "erfunden", dann ist sie als erfundene Geschichte wahr. Oder er behauptet, sie sei genauso "wirklich" geschehen. Unwahr ist hier nur die Behauptung, sie sei wirklich so geschehen. Das berührt nicht die Tatsache, dass wir von Erfundenem sprechen können. Auch Erfundenes ist als solches wahr, solange es als erfunden gekennzeichnet ist. Mehr als dem Zeugnis der Apostel etwa müsste man hier mancher "Wissenschaft" vorwerfen, dass sie auf Erfindungen beruht. es ist nämlich auf einer logischen Ebene etwas erheblich anderes, ob jemand sagt "Ich bezeuge p oder q, weil ich es selbst gesehen/gehört etc. habe" oder ob jemand sagt "Ich stelle mir p oder q vor, weil es mir so gefällt". Wenn also Maria Magdalena bezeugt "Ich habe den Herrn (als Auferweckten) gesehen", dann ist das glaubwürdiger als wenn Kopernikus sagt "Die Erde ist rund, weil die Kugel die vollkommenste Gestalt ist. Ebenso alle anderen Himmelskörper.":
Maria hatte ein reales Erlebnis, von dem sie zeugt. Kopernikus dagegen legt theoretisch fest, welche geometrische Form vollkommen sei und zieht daraus den Schluss, deshalb müssten alle Himmelskörper diese Gestalt haben. Es ist evident, dass der kopernikanische Schluss unsinnig, unzulässig und unlogisch ist. All seine Prämissen, etwa was die "vollkommene Form" sei, sind willkürlich und nicht absolut begründbar, geschweige denn dass damit bewiesen wäre, dass Himmelskörper überhaupt materielle Körper sein müssen (wir sehen definitiv nur Lichtphänomene, die theoretisch auch körperlos sein könnten!). Wir sind in den letzten 500 Jahren aber so verblendet worden, dass wir diesen sehr einfachen Sachverhalt nicht mehr erkennen: Kopernikus erfindet etwas, das er als "Wirklichkeit an sich" ausgibt. Maria hat etwas erlebt und erfahren, das sie bezeugt. Die Wahrscheinlichkeit der wahren Aussage liegt objektiv mehr bei Maria als bei Kopernikus! Davon unberührt bleibt, dass man in der kopernikanischen Fiktion natürlich weiter erfinden kann - das sei unbenommen, aber "wahr" ist all das nicht außerhalb der Erfindung, die als Erfindung wahr ist, nicht als Wirklichkeit. Es ist interessant, dass die Verheißung Jesu nicht auf der Entfaltung von Lehrsätzen auf der Basis von Zeugnissen galt, sondern der lebendigen Erfahrung des Glaubens ("Heiliger Geist"), die jeder selbst machen kann. Die kirchliche Festlegung auf Dogmen sagt nur eines, dass man nämlich - wie Kopernikus und seine Nachfolger - im Rahmen einer Erfindung weiterfabuliert haben könnte.
Maria hatte ein reales Erlebnis, von dem sie zeugt. Kopernikus dagegen legt theoretisch fest, welche geometrische Form vollkommen sei und zieht daraus den Schluss, deshalb müssten alle Himmelskörper diese Gestalt haben. Es ist evident, dass der kopernikanische Schluss unsinnig, unzulässig und unlogisch ist. All seine Prämissen, etwa was die "vollkommene Form" sei, sind willkürlich und nicht absolut begründbar, geschweige denn dass damit bewiesen wäre, dass Himmelskörper überhaupt materielle Körper sein müssen (wir sehen definitiv nur Lichtphänomene, die theoretisch auch körperlos sein könnten!). Wir sind in den letzten 500 Jahren aber so verblendet worden, dass wir diesen sehr einfachen Sachverhalt nicht mehr erkennen: Kopernikus erfindet etwas, das er als "Wirklichkeit an sich" ausgibt. Maria hat etwas erlebt und erfahren, das sie bezeugt. Die Wahrscheinlichkeit der wahren Aussage liegt objektiv mehr bei Maria als bei Kopernikus! Davon unberührt bleibt, dass man in der kopernikanischen Fiktion natürlich weiter erfinden kann - das sei unbenommen, aber "wahr" ist all das nicht außerhalb der Erfindung, die als Erfindung wahr ist, nicht als Wirklichkeit. Es ist interessant, dass die Verheißung Jesu nicht auf der Entfaltung von Lehrsätzen auf der Basis von Zeugnissen galt, sondern der lebendigen Erfahrung des Glaubens ("Heiliger Geist"), die jeder selbst machen kann. Die kirchliche Festlegung auf Dogmen sagt nur eines, dass man nämlich - wie Kopernikus und seine Nachfolger - im Rahmen einer Erfindung weiterfabuliert haben könnte.
Wahrheit und
Unfehlbarkeit
Unser Weltbild ist hinsichtlich der eigenen Kultur einfach:
Erst war da die Kirche, die behauptete, sie sei „im Besitz“ der Wahrheit und
machte die Untertanen, die Herde unmündig. Man begann schon hier,
Unfehlbarkeitsanspruch mit Wahrheitsfähigkeit notorisch zu verwechseln.
Dann kamen schubweise die Reformation und dann die
Aufklärung und befreiten die Menschen von der erzwungenen, verlogenen oder
verzerrten "Wahrheit". Zunächst setzten die Reformatoren der verdorbenen "Wahrheit" des päpstlichen Lehramtes das gereinigte wahre Gotteswort des „sola scriptura“
entgegen und die Freiheit des Christenmenschen, diese Wahrheit eigenständig zu
erkennen. Später kamen die Aufklärer und verlegten die Wahrheitserkenntnis in
die Vernunft des mündigen Bürgers: Sapere
aude! Wage zu wissen/zu erkennen! Ein solcher Leitspruch setzt voraus, dass
es etwas zu erkennen und zu wissen gibt, das sich nicht pauschal einem geführten
Allbewusstsein unfehlbar mitteilt, sondern dem Individualbewusstsein als
Baustein des Allbewusstseins, das aber im Extremfall — wie im reformatorischen
Denken — unabhängig sein kann. Hierbei geht es immer ausschließlich um die Relationen zwischen den Dingen, nicht um die Wahrheit der Dinge an sich selbst.
Wenn jemand mit festen Überzeugungen auftritt, wird er der
„Arroganz“ geziehen und der „Intoleranz“ und des Hochmuts, denn der Mainstream
hat festgelegt, dass es keine Wahrheit geben kann und daher jeder, der doch an
sie glaubt, nur mit spitzen Fingern angefasst werden kann. Man unterstellt
einem, der klare Überzeugungen hat und sie auch sehr gut begründen kann, er
halte sich für unfehlbar.
Das ist einer der fatalsten Fehlschlüsse, die man sich
denken kann! Wer von etwas überzeugt ist, hält nicht sich selbst für unfehlbar, sondern das, was er glaubt, für gewiss wahr. Wer sich selbst für unfehlbar hält, fragt logischerweise nicht danach, ob etwas wahr ist! Man muss daher der Kirche vorwerfen, dass sie im tiefsten Grunde an der Wahrheit nicht interessiert ist. Aber wir erleben in unseren Tagen etwas, das der Arroganz der Kirche (und nur einem, der nicht nach der Wahrheit der Dinge fragt, sondern sich selbst Unfehlbarkeit attestiert, kann man berechtigt "Arroganz" vorwerfen!) ähnelt:
In der propagandistischen Verkürzung der realen Fragen und
Probleme in unserem Gemeinwesen auf die Frage, ob der, der sich dazu äußert,
womöglich „rechts“ sei, sobald er noch halbwegs vernünftige, logische,
eigenständige und konkrete Gedanken äußert, und vor allem anderen der „Kampf
gegen rechts“ das aller-aller-aller-Wichtigste sei — in dieser
propagandistischen Verkürzung hängen die verwirrten Zeitgenossen intellektuell
sehr schnell ab und ziehen sich zurück in die ihnen verbliebenen
Schneckenhäuser und sondern brav ab, wovon sie glauben, es sei in der Grauzone
dessen, was andere leicht „annehmen“ können. Es geht nur noch ums Überleben in
der Meute derer, die Meinungen kreieren und sich zum Anführer des Meinens
aufschwingen.
Aber herrje — flugs hat ein primitiver und diktatorischer
Wahrheitsbegriff im Windschatten geleugneter Wahrheit Einzug erhalten: Wahr ist
alles, was keinen abweichenden Wahrheitsanspruch formuliert, also: willfährig
gegenüber der Macht ist.
Der, der dem die Stirn bietet und nach Wahrheit sucht, wird
als „arrogant“ diffamiert. Es ist wie in alten Zeiten, in denen niemand das
Recht hatte, selber zu denken…
Dass eine solche Tendenz zu einer erschütternden
Entpersönlichung und Degradierung der Individuen zu Sprechpuppen der Angst
führt, erfassen sie selbst nicht mehr. Ihre Verwirrtheiten, Aggressionen und
Frustrationen wachsen (denn sie sind nicht dazu geschaffen, solche Puppen zu
sein und spüren das wenigstens noch dem Instinkt nach!), und die Massenmedien
liefern ihnen täglich immer wieder neu und penetranter den „Feind“, an dem sie
sich dann entladen können: den „Rechten“, diesen bösen Kerl, der verantwortlich
für den Klimawandel, Rassenhass, Tierquälerei und alle Morde und Gewalttaten
ist, die gerade er eben nicht begangen hat. Logisch?
Man hat mit ein bisschen Abständigkeit und Selbstbewusstsein
den Eindruck, auf einem Narrenschiff zu fahren. Deutschland im Wahn. Wieder
mal. "Wer nicht hüpft, ist ein Nazi", skandierte eine Einpeitscherin in Chemnitz
2018, nachdem Flüchtlinge einen Einheimischen auf offener Straße ermordet hatten. "Wer nicht hüpft, ist für Kohle", brüllen nun die kindlichen Klimahysteriker 2019. Das
Weltbild könnte kaum infantiler sein. Für was man wohl 2020 hüpfen muss, um zu
beweisen, dass man weder Nazi noch Kohlefreund ist?
Das Ausmaß an Irrsinn ist kaum zu überbieten, aber genau
dies wird aus allen Rohren in die Öffentlichkeit geschossen, und der brave
Bürger, auch viele mit Magister- und Doktortiteln und Diplomen, weichen vor
diesem offenkundigen Unfug zurück und stellen ihre insgeheimen Zweifel eher in
Frage als dieses närrische Treiben. "Wer nicht hüpft und springt" - die Botschaft ist klar: Wer nicht nach der Pfeife derer tanzt, die nun die "Wahrheit" befehlen, darf geschmäht werden.
Jaja, wer weiß schon, was „wahr“ ist? Gibt es überhaupt eine
„Wahrheit“? Und wer hat das Recht, sie auf welche Weise zu sagen? Der Fall ist
klar: was uns die Medien sagen und die „Elite“, das ist absolut wahr bzw
unfehlbar. Wehe dem, der widerspricht, der „Nazi“, der Ketzer, der „Leugner“
(ein Begriff, der Bände spricht!).
Truther und
Wahrheitsbewegung
Kommen wir auf den Teppich: Die Wahrheit ist nun mal die
Wahrheit, und das Sprichwort weiß seit Jahrhunderten, wer sie leugnet und vor
allem wann:
„Sage dem Narren die
Wahrheit, und er wird dich hassen!“
Und:
„Im Krieg stirbt die
Wahrheit zuerst.“
Dem verzweifelten Kampf um die Wahrheit, der v.a. im
Internet durch eine wachsende Trutherszene ausgefochten wird, geht voraus, dass
wir seit Ewigkeiten belogen wurden und dieses Faktum immer leichter nachweisbar
ist eben durch die Digitalisierung und die neueste Forschung. Die gefälschten
Geschichtsbilder lassen sich aufgrund der erschlagenden Quellen nicht mehr als
„Revisionismus“ abschmettern. Der Blödsinn vom menschengemachten Klimawandel
wird von Heerscharen hochdotierter Professoren mit mehr als gravierenden
Gründen bezweifelt, auch wenn das PIK in Potsdam behauptet, die Debatte darüber „sei beendet“. Wer immer noch
glaubt, es seien sich aber 97% über die angeblich beendete Debatte darüber
„einig“, lügt entweder oder er ist unsäglich dumm — auch hier ist Quellenlage
erschlagend groß. Man kommt heute so viel schneller an Informationen und
Quellen — drei Mausklicks, und wir sind da, wo wir früher über mühsame
Fernleihe wochenlang auf einen einzigen Artikel in einem Sammelband warten
mussten. Die Eliten kontern damit, das seien eben alles Fake News — klar, was
ihnen widerspricht, muss gelogen sein … „der
Chef hat immer recht“. Oder „Der Papst
ist unfehlbar“. Wir sahen vor der Sommerpause, dass unsere Kaiserin
zittert, als würde sie von einem Geist geschüttelt, aber ihr Sprecher sagt, es
gehe ihr bestens — was auch sonst: wers nicht glaubt, ist für Fake News. Und
vor allem: was wir sehen, kann nicht wahr sein. Wahr ist ausschließlich, was
man uns sagt und was wir nicht überprüfen können. Auch logisch — wer nicht
hüpft, ist der Feind.
Der verzweifelte Kampf einiger „Aufgewachter“ offenbart uns
eines sehr genau: wir leben seit Jahrhunderten in einer grandiosen Lüge, wurden
verheizt in verlogenen Kriegen und Glaubens- und Grabenkämpfen. Man teilte uns
„Wahrheit“ mit, die Lüge war und schwor eine ganze Kultur auf ein Gebäude ein,
das auf dem schlüpfrigen Grund der Lüge aufgebaut wurde.
Vielleicht kann es nicht anders sein, vielleicht gibt es
Kultur nur auf Sand gebaut? Wäre es anders, müsste eine Kultur ewig bestehen.
Tut aber keine — bisher sind noch alle grandios untergegangen. Der Untergang
wurde stets eingeläutet durch eine Wahrheitsbewegung, das Ausmaß der Lüge war
zu groß geworden, hat die Kultur selbst an den Abgrund geführt. Der Hass gegen
die „Truther“ entspringt dem Wissen, dass genau sie es sind, die den Laden noch
schneller abstürzen lassen, denn er ist in seiner Verlogenheit nicht haltbar
und in der Entlarvung natürlich erst recht nicht.
Das Wahrheitsopfer des
Pilatus und die messianische Königsherrschaft der Wahrheit
Die Frage nach der Wahrheit spielt in einer alten Geschichte
eine besondere Rolle:
Der römische Statthalter Pontius Pilatus, der sich in
Pälastina ein schönes Machtviertel aufgebaut hat, in die kaiserliche Blutlinie
eingeheiratet hat (seine Frau ist Tochter des Kaisers Tiberius) und eigentlich
nicht einmal so verkehrt zu sein scheint, hat einen Dialog mit dem von der
wütenden Meute der religiösen Machthaber der Juden angeklagten Jesus, auf den
ich gleich zu sprechen kommen werde.
Die jüdischen Jerusalemer Ratsleute hatten kein Recht,
selbst Todesurteile zu fällen und zu vollstrecken, und lieferten Jesus deshalb
der römischen Besatzungsmacht in Judäa aus. Pilatus, dem die Hetzjagd gegen den
politisch vollkommen bedeutungslosen Jesus völlig schnuppe ist, schickt den
Angeklagten zu Herodes, dem Tetrarchen u.a. über Galiläa, der Region, aus der
Jesus stammt. Pilatus und Herodes waren Konkurrenten und Feinde (Lk 23,12).
Die politische Lage kann man als „Feinddreieck“ bezeichnen:
Die drei Machtzentren bilden ein instabiles, sensibles
Machtgefüge und spielen sich unentwegt gegeneinander aus und
instrumentalisieren sich gegenseitig. Es ist ein gespannter politischer Zustand,
in dem sowohl Herodes als auch Pilatus ständig befürchten müssen, dass
Volksaufstände ausbrechen. Die Juden brüten Aufstände aus, die später, nach der
Sache mit Jesus, ungebremst ausbrechen. Keiner der Beteiligten kann sich eine
geradlinige Haltung leisten und jongliert hin und her zwischen den Fronten. Es
ist ein Kriegszustand im Frieden, und alle drei buhlen strategisch um die Gunst
des fernen Kaisers in Rom.
Die Erscheinung dieses Jesus erregt zuerst die jüdische
Oberschicht, ihre Gelehrten und die Priesterschaft. Schon mit 12 Jahren war der
Knabe im Jerusalemer Tempel aufgefallen durch überragende Intelligenz. Danach
hielt er sich still und tauchte als 30jähriger plötzlich auf und scharte
Menschen um sich, die ihn als Wundertäter, Rabbi, Messias, Sohn Gottes und
Gerechten verehrten. Obwohl er ein soziales Nichts war und ist und blieb,
strahlt er königliche oder sogar göttliche Autorität aus. Das treibt die
jüdischen Gelehrten auf die Palme und sie beginnen ihn auf eine niederträchtige
Weise, die mit Lug und Trug, falschen Zeugen und Verleumdungen operiert, zu
verfolgen. Neben zahlreichen nur für Juden relevanten Anklagen (zB der
Gotteslästerung) bringen die Juden das Gerücht auf, er sei ein politischer
Aufrührer gegen Kaiser und Reich. Die römische und galiläische Macht sah bis darin
keinerlei Problem in dem geistvollen und vollmächtigen Heiler und Rabbi. Jesus war
ihnen so hoch wie breit. Er reicht nicht im entferntesten in ihre Höhen. Denken
sie.
Doch nun sind sie provoziert, denn angeblich zielt die Strahlkraft
Jesu gegen ihre Macht.
Pontius Pilatus schickt den Gefangengenommenen zu Herodes,
der zufällig gerade in Jerusalem weilt. Herodes hat von Jesus gehört und war
neugierig, ihn einmal ein Wunder tun zu sehen oder intelligente Dispute mit ihm
zu führen. Doch Jesus schweigt und bleibt untätig vor ihm. Herodes zeigt ihm
daraufhin die Verachtung dessen, der glaubt, einen Scharlatan entlarvt zu
haben, hängt ihm ein Prunkgewand um und schickt ihn an Pilatus zurück. Seither,
heißt es, waren Pilatus und Herodes keine Konkurrenten mehr…
Pilatus ist ein nüchterner Mann, der sehr wohl einen klaren
Blick für die Wahrheit hat, die in diesem Fall lautet: es ist ein Komplott
gegen Jesus seitens des Sanhedrin, und alle Anklagen gegen ihn, die Pilatus
oder das Reich betreffen könnten, sind Lüge. Genau das sagt er dem Sanhedrin
ins Gesicht (Lk 23,13ff). Doch die Meute, die — aus Sanhedrinleuten und ihren
Claqueuren zusammengestoppelt — vor Pilatus steht, fordert hartnäckig die
Todesstrafe am Kreuz für ihn. Sie fordern die Herausgabe eines wirklichen
Mörders und Aufrührers (Bar Abbas) und den Tod dessen, an dem weder Herodes
noch Pilatus eine Schuld finden konnten.
Im Johannes-Evangelium (Joh 18) wird uns nun der berühmte
Dialog zwischen Pilatus und Jesus überliefert, in dem Pilatus die Wahrheit strategisch
opfert für seinen Scheinfrieden. Auf Jesu Aussage, er sei gekommen, Zeugnis für
die Wahrheit abzulegen, reagiert Pilatus mit der kurzen Frage, was Wahrheit
sein soll, deren Antwort er nicht hören will:
33 Da ging
Pilatus wieder in das Prätorium hinein, ließ Jesus rufen und fragte ihn: Bist
du der König der Juden?
34 Jesus
antwortete: Sagst du das von dir aus oder haben es dir andere über mich
gesagt?
35 Pilatus
entgegnete: Bin ich denn ein Jude? Dein Volk und die Hohepriester haben dich an
mich ausgeliefert. Was hast du getan?
36 Jesus
antwortete: Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn mein Königtum von
dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht
ausgeliefert würde. Nun aber ist mein Königtum nicht von hier.
37 Da sagte
Pilatus zu ihm: Also bist du doch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, ich
bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für
die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine
Stimme.
38 Pilatus sagte
zu ihm: Was ist Wahrheit?
Nachdem er das gesagt
hatte, ging er wieder zu den Juden hinaus.
Der Dialog der beiden ist surreal. Sie reden grandios
aneinander vorbei. Pilatus spricht von einem weltlichen Königtum, von Macht und
Vorrang. Jesus von etwas Überweltlichem, das sich in die Welt hinein durch ihn
manifestieren kann. Pilatus weicht zurück, er kann es nicht hören, will es
nicht hören, hat vielleicht sogar resigniert.
Aus dem verwirrten Gespräch leuchtet aber doch etwas hervor,
das meist übersehen wird:
Das Königtum Jesu wird assoziiert mit der Wahrheit. Dieses
Königtum stammt nicht aus dieser Welt. Logisch wird damit ausgesprochen, dass
es aus dieser Welt keine Herrschaft der Wahrheit gibt. Jesus sieht sich als
Zeuge der ganzen Wahrheit, und genau darin besteht auch sein Königtum. Es erhebt
ihn über all die eifernden Gestalten, die für ihre Macht faktisch die Lüge zum
Lebenselixier erhoben haben und sich täglich mehr damit dopen und vergiften.
Wenn nun einer sofort einhaken will, um zu sagen „Na siehst
du, Jesus sagt es also auch: In dieser Welt kann es keine absolute Wahrheit
geben!“, so hat derjenige nicht genau zugehört. Jesus sagt gerade das nicht! Es
gibt die Wahrheit, und er steht in dieser Welt für sie als Zeuge ein. Es gibt
sie immer und ewig, aber die Frage ist, ob sie in dieser Welt durchdringt. Ob
sie das tut, liegt trotz allem an den Menschen. Jesus sagt nicht, es könne hier
keine „absolute Wahrheit“ geben — doch es kann, sonst wäre er nicht ihr Zeuge! Er
sagt vielmehr, dass es keine Zeugen für die Wahrheit gibt, die ihm
gleichkommen.
Fraglich ist also nicht die Wahrheit, sondern ob sie gehört
werden will, denn eindeutig sagt Jesus, dass diejenigen, die „aus der Wahrheit“
seien, „seine Stimme hören“. Wenn in dieser Welt Menschen „aus der Wahrheit“
sein können, ist es ein Fehlschluss, aus den Worten Jesu ableiten zu wollen, es
könne hier keinen „absoluten“ Zugang zur Wahrheit geben.
Jesus trennt hier wie in einem Vorschein auf das Gericht
diejenigen, die der Wahrheit nachgejagt sind, mit aller Kraft nach ihr gesucht
haben („aus der W. sind“) wie dem höchsten und heiligsten Gut und denen, die
für ihren Vorteil in dieser Welt die Lüge zum Normalfall erklärt haben, über
den angeblich nur Arrogante meinen urteilen zu dürfen.
Der in Bedrängnis geratene Pilatus sagt daher, ganz in der
Logik der gekrönten Wahrheitsabstinenz (wie immer man seine Aussage weiter
auffassen will): „Was ist Wahrheit?“
Doch immer noch wirkt die Wahrheit in Pilatus. Er lässt
Jesus danach zwar geißeln, will ihn aber nicht verurteilen. Die Juden machen
vor seinem Palast einen Aufstand, weil sie den arroganten Wahrheitsmann tot
sehen wollen. Pilatus bricht zusammen, als sie ihm mit folgendem Satz (Joh
19,12) drohen:
„Wenn du ihn
freilässt, bist du kein Freund des Kaisers; jeder, der sich als König ausgibt,
lehnt sich gegen den Kaiser auf.“
Pilatus setzt sich auf seinen Richterstuhl und hält den
Juden ein letztes Mal vor, seltsam hellsichtig, als habe er begriffen, dass
dies wirklich der Messias der Juden ist (V14+15):
„Da ist euer König.(…)
Euren König soll ich kreuzigen?“
Und nun sagen die Hohenpriester den verhängnisvollen Satz,
der vordergründig das Ende Jesu, langfristig aber ihr eigenes bedeutete:
„Wir haben keinen
König außer dem Kaiser.“
Das Feinddreieck hat sich wieder zusammengefunden: alle sind
Freunde des Kaisers und schütteln sich gegenseitig die Hände: prima, dass wir
uns einigen konnten, denn was eine Mehrheit richtig findet, muss ja schließlich
irgendwie wahr und gut sein. Und der Tod des einzigen, der von Wahrheit
spricht, schweißt die Lügner zu einer scheinbaren Einheit zusammen.
Aber wir wissen, dass dies nur Vordergrund war: Keiner
dieser Lügner überlebte noch lange. Pilatus war ein gebrochener Mann, zumal die
Tochter des Kaisers Tiberius, die seine Frau war, ihm, während er auf dem
Richterstuhl saß, eine Nachricht hatte senden lassen, er solle Jesus nicht
verurteilen, weil er „unschuldig“ sei. Sie hatte einen Alptraum, in dem ihr
dies offenbart worden war. (Mt 27,19)
Es ist übrigens auch Matthäus (Mt 27,18), der uns
überliefert, dass Pilatus die Wahrheit sogar extrem gut kannte:
„Er wusste nämlich,
dass man Jesus nur aus Neid an ihn ausgeliefert hatte.“
Die weltliche Geschichtsschreibung berichtet, dass Pilatus
nur wenige Jahre nach Jesu Hinrichtung im Jahr 36 von Tiberius durch einen
Legaten abgesetzt und nach Rom beordert worden sei. Tiberius starb aber, bevor
er in Rom ankam. In den kirchlichen Legenden wird gelegentlich gesagt, dies sei
u.a. wegen des ungerechtfertigten Todesurteils über Jesus geschehen. Es gibt
nur wenige Quellen zu den Vorwürfen, die gegen ihn erhoben worden waren, aber
im Vordergrund stand der Vorwurf der Selbstbereicherung. Pilatus soll im Jahr
39 Selbstmord aufgrund kaiserlichen Drucks begangen haben. Am bekanntesten ist
die Geschichte in der Goldenen Legende, Pilatus habe sich, verbannt durch
Caligula nach Vienne, das Leben genommen und ruhe am Grund des dortigen
Pilatus-Sees.
Nicht länger überlebte Herodes Antipas. Auf Drängen seiner
unrechtmäßigen Gattin Herodias, um deretwillen Johannes der Täufer ermordet
worden war, reiste er im Jahr 39 nach Rom, um sich bei Caligula für den
Königstitel zu bewerben, stolperte dort aber über verschiedene schwerwiegende
Anklagen, wurde nach Lugdunum in Südgallien verbannt und starb dort nicht lange
danach.
Wie es dem jüdischen Volk erging, ist bekannt: um das Jahr
70 herum wurde Jerusalem von den Flaviern erobert, der Tempel zerstört, das
Volk zerstreut. Einen Hohen Rat gab es nicht mehr, das Priestertum wurde
überflüssig, weil es keine Tempelopfer mehr geben konnte, die Stammtafeln
wurden vernichtet. Einige noch folgende jüdische Aufstände konnten nichts mehr
erreichen, und das Heilige Land war verloren. Was danach vom jüdischen Volk
übrigblieb, hat mit dem alten kaum mehr etwas zu tun, sowohl genetisch als auch
religiös. Die meisten heutigen Juden sind Aschkenasim, die genetisch Europäer
sind. Ein großer Teil der Thora war nicht mehr realisierbar, ist ohne
Opferstätte und geistliches Zentrum. Das rabbinische Judentum, das sich
angeblich um 100 n. Chr. in Jabne sammelte, leistete im wesentlichen eine
Umdeutung der Thora zu einer opferlosen Religion. Der Mythos vom rein
gebliebenen Judentum, das sich angeblich so bruchlos habe halten und behaupten
können, ist nicht sehr überzeugend, wenn man etwas genauer hinsieht. Das
heutige Judentum st eine andere Religion als das bis zur Zerstörung des
Tempels, das aber auch damals schon durch das Diasporajudentum und babylonische
Einflüsse sehr verfremdet und vermischt worden war.
Die zentrale Frage des Pilatus nach der Wahrheit, die er
sehr wohl kannte, wie uns bezeugt ist, aber nicht anerkannte, ist Signum des
Untergangs.
Gesellschaften und Kulturen, die auf Lug und Trug fußen,
haben keine Überlebenschance.
Sie überziehen sich selbst mit Krieg, denn der Tod der
Wahrheit ist der Beginn des Krieges und Untergangs.
Natürlich vergehen immer wieder mal ein paar Jahre, bis die
Folgen spürbar werden, aber sie werden spürbar. Niemand soll sich da etwas
vormachen.
Und es steht die Frage im Raum, was man als Gut, das in
einer solchen Kultur noch zukunftsfähig ist, herausdestillieren kann. Es kann
sein, dass es nichts oder fast nichts ist.
Ausgenommen sind ausschließlich geistige Güter einzelner
Menschen der Geschichte, wenn sie die Wahrheit anerkannt und gesucht haben.
Pilatus steht als mahnendes Beispiel vor unseren Augen, aber
ich habe den Eindruck, dass er moralisch unzählige Etagen über den heutigen
Lügnern und Taktierern steht, die, ohne mit der Wimper zu zucken, Millionen
opfern, und danach ihre Krokodilstränen abdrücken. Verglichen mit den
Schreckensgestalten, die uns regieren, hatte Pilatus wenigstens noch Hemmungen,
bevor er wissentlich die Wahrheit leugnete und das Unrecht ebenso wissentlich tat.
Immerhin: er log dem Volk nicht dreist ins Gesicht und beschimpfte es nicht
hemmungslos, wie das heute üblich ist.
Jesus, so wird uns überliefert, sah prophetisch die
Verwüstung seines Landes vor Augen. Niemand wollte das glauben — die Mauern
schienen fest, die Lichter leuchteten, das Essen ging nie aus. Der Alltag
funktionierte doch — was will man mehr?
Die wenigsten rechnen heute ernsthaft damit, dass in
kürzester Zeit auch unser Land eine Wüste werden könnte. Die neue
Justizministerin Lambrecht hetzt daher nun passgenau gegen all jene, die sich
auf einen solchen Fall vorbereiten, dessen Wetterleuchten doch spürbar ist und von
den Eliten selbst ausgesprochen wird, als „Rechte“: „Prepper, die einen Tag X herbeifantasieren.“ https://www.youtube.com/watch?v=0fz60HdUM5A
(bei ca. min 1:58). Diese Dame ist offenbar so desorientiert oder desinformiert
(was bei einer Ministerin dasselbe ist!), dass sie nicht mitbekommen hat, dass
das Volk doch zum Preppen von der Regierung aufgefordert wurde: https://www.welt.de/politik/deutschland/article197510203/Blackout-und-Hitzewellen-Wie-die-Deutschen-sich-vorbereiten-sollten.html
Wieso aber sollte eine Bundesbehörde zum preppen auffordern, wenn sie nicht an
einen Tag X dächte? Und was will die logisch schwachbrüstige oder schlicht
verlogene Ministerin eigentlich damit sagen? Dass auch die Bundesregierung „rechts“
sei?!
Frisst die absurde deutsche Revolution des 21. Jh allmählich
ihre Kinder vor laufender Kamera?
Diese weitere katastrophale Besetzung eines Ministeriums
wird an dem Tag, an dem der Laden zusammenbricht, womöglich behaupten, sie habe
immer gewarnt vor dem Tag X… Und es wird dann sicher auch wieder die Narren
geben, die meinen, man könnte hier nicht wissen, was die Wahrheit ist.
Ich denke unwillkürlich an 1934, als Goebbels eine große
Aktion gegen „Miesmacher und Kritikaster“ startete, also jene, die spürten, was
auf Deutschland zukommen würde und recht behalten haben.
Die Wahrheit ist der
Antagonismus zum Gesetz
Die Juden erkannten den Zeugen der Wahrheit aufgrund ihrer
Gesetzesverhaftetheit nicht. Das Gesetz verklagt den Menschen, aber es verhilft
niemals zur Wahrheit als Lebenselixier!
„Auctoritas, non
veritas facit legem“, schrieb Hobbes einst. Ich würde diesen
zynischen Spruch korrigieren in „potestas,
non veritas facit legem“. Denn, wie neulich hier im Blog dargelegt, hat
echte „auctoritas“ keine „potestas“ bzw sie braucht sie nicht. Jesus hatte „auctoritas“,
aber keine „potestas“. Und Gesetze machte er nicht, denn er war Zeuge der „veritas“,
die tatsächlich keine Gesetze macht. Nur Ungerechtigkeit schafft Gesetze und
letztere offenbaren allezeit immer nur eines: die Ungerechtigkeit, die Lüge,
den bevorstehenden Untergang. Eine „Wahrheit“, die es nötig hat, sich mithilfe
von Gewalt (also Gesetzen) Geltung zu verschaffen, ist schwerlich wahr.
Wir ersticken heute in Gesetzen, weil wir die Wahrheit nicht
anerkennen und mit ihrer Hilfe austreiben.
Bis heute weiß niemand, nach welchem Gesetz die Richter
Israels richteten. Es heißt etwa von Deborah, dass sie unter einem Baum Rechtssachen
verhandelte. Es gab keinen Codex — außer einigen Thoragesetzen vielleicht, aber
die regelten v.a. rituelle Gesetze und weniger die für den Alltag. Es heißt,
die Frau sei Prophetin gewesen (Ri 4), und sie war erfolgreich und
gottesfürchtig.
Auch die Art, wie im frühen Mittelalter Recht gesprochen
wurde, ist nicht codifiziert. Erst im 13. Jh geschieht ein
Codifizierungsprozess und damit die Einleitung übelster Zustände. Hexenjagden, Inquisition
und grausame Folter sind erst dann massenhaft überliefert.
Wo Wahrheit herrscht, sind Gesetze überflüssig. Wo Wahrheit
herrscht, sind Gewalt, ja letztlich sogar ein Staat oder Fürst überflüssig.
Jeder kann hier für sich alleine weiterdenken und sich
fragen, wo wir stehen.
Ein bloßer politischer Aktionismus von rechts oder links
greift zu kurz.
Es tut mir leid, wenn ich damit einige enttäusche, die ihre
Hoffnung auf eine dieser Bewegungen setzen. Ich befürchte, dass sie ihre Kraft
verschwenden, aufs falsche Pferd setzen, tiefschürfende Menschen im Panikmodus
bezichtigen, sie würden „Scheindebatten“ führen, seien zu „theoretisch“, aber all
diese Rhetorik wird nicht helfen, denn sie finden auf einem sinkenden Schiff
statt, dem niemand mehr befehlen kann, dass es wieder auftaucht. Der beanstandeten "Scheindebatte" korrespondiert der Scheinpragmatismus.
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