Meditationen zum Grundgesetz: Menschenwürde
Als Podcast/Video: Meditationen zum Grundgesetz - Menschenwürde
Als Podcast/Video: Meditationen zum Grundgesetz - Menschenwürde
Aus
dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland:
Die
Grundrechte
Art
1
(1)
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu
schützen ist Verpflichtung aller staatlichen
Gewalt.
(2)
Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und
unveräußerlichen Menschenrechten als
Grundlage
jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit
in der Welt.
(3)
Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende
Gewalt und Rechtsprechung als
unmittelbar
geltendes Recht.
Was
ist das, diese „Menschenwürde“?
Würde
ist – anders als ein Wert - mE stets etwas, das mir persönlich und
individuell gegeben wird. Es gibt keine allgemeine Würde oder eine
Würde eines ganzen Kollektivs. Auch dann, wenn eine Würde allen
gleichermaßen zukommt, kommt sie nur insofern allen zu, als sie
unbedingt jedem einzelnen ausdrücklich und autonom zukommt. Ob ich
also eine bestimmte Würde erhalten habe hängt nicht daran, dass
andere sie auch erhalten haben, sondern alleine daran, dass ich sie
erhalten habe.
Würdenträger
erhalten ihre Würde irgendwann einmal. Eine Würde kann nicht mehr
annulliert werden. Sie versieht den, der sie erhält stets mit einem
unveräußerlichen Wesensmerkmal.
Das
Grundgesetz geht davon aus, dass jeder Mensch diese Würde als Mensch
erhalten hat, und dass der Erhalt dieser Würde jeder feststellung
darüber bereits voraus geht. Das heißt: Ich
habe diese Menschenwürde nicht deshalb, weil das Gesetz sie mir
zuspricht, sondern das Gesetz erkennt an, dass ich mit dieser Würde
bereits vom Mutterleib an versehen worden bin.
Wir
kennen andere Würden, die im Laufe eines Lebes übertragen werden,
etwa die Priesterwürde. Auch die Königswürde wurde förmlich
übertragen in einer Salbungs- und Krönungsordo und durchweg nicht
von anderen Menschen verliehen, sondern in einem Akt, der den
transzendenten Urheber herabrief. Diejenigen, die die Würde in der
Ordo übertrugen, waren nicht diejenigen, die diese Würde persönlich
herstellten oder zu vergeben hatten. Sie fungierten immer nur als
Diener des Gottes oder der Götter oder der Geister – je nachdem,
in welcher Kultur und Religion wir uns befinden.
Das
Grundgesetz beruft sich ebenfalls in seiner Präambel auf Gott, dem
gegenüber die Verfasser sich in Verantwortung sehen. Nur von ihm her
können sie dieses Grundrecht des Menschen auf seine eigene Würde
aussprechen und anerkennen und daraus Folgerungen für das
Zusammenleben der Menschen und Völker beschreiben.
Bereits
hier stoßen wir aber auf einen neuralgischen Punkt in der gesamten
Rede über „Menschenwürde“: Wenn man die Herleitung der Würde
von einem anderen, Transzendenten, Überschreitenden her bestreitet,
bleibt nur die Selbsterklärung bzw eine philosophische Setzung, die
ohne weitere Schwierigkeiten bestritten werden kann. Eine
Selbstzuerkennung von Würde ist nicht möglich. Ich habe nicht
deshalb eine Würde, weil ich sie mir selbst initial zuschreibe.
Daraus würde ja folgen, dass ich als Mensch zuerst in einem Stand
bin, in dem mir diese Würde nicht zukommt, danach aber dann, wenn
ich sie mir selbst zugesprochen habe, schon. In dieser Konstruktion
kann ich jederzeit wieder in den Stand ohne die fragliche Würde
zurückversetzt werden. Wenn es mich als Irgendwie-Wesen ohne Würde
gibt, das sich selbst Würde verleiht, hebt sich diese Würde wieder
auf und ich habe sie infolgedessen auch nicht inne. Auch die
Zuerkennung durch andere Menschen stellt vor dasselbe Problem: Immer
kann man mich so ohne diese Würde denken, und die Abhängigkeit
meiner Würde vom Zugeständnis anderer oder meiner selbst, hebt sie
sachlich wieder auf.
Würde
ist immer Wesensmerkmal. In eine Würde wird man passiv, aber für
immer erhoben. Wir haben in der säkularisierten Welt das Verständnis
für diesen Zusammenhang verloren. Letzte Reste davon finden wir etwa
in der Auffassung, dass auch ein laisierter Priester die
Priesterwürde niemals mehr verliert, verlieren kann. Er kann
allerdings gegen diese eigene Würde schwer verstoßen – aber los
wird er sie nie mehr.
Würde
darf daher nicht mit einem „Amt“ verwechselt werden, das dem
Prinzip nach unpersönlich gezeichnet ist und über einen bestimmten
Aufgabenbereich und Kompetenzen definiert wird. Meine Würde ist
jedoch kein Amt, keine Aufgabe, sondern ein Seinsstatus.
Selbstverständlich ergibt sich aus meinem ontologischen Stand auch
so etwas wie eine „Aufgabenstellung“, aber er ist deshalb nicht
selbst eine Aufgabenstellung wie dies für ein Amt gilt. Aus einem
Amt kann man ausscheiden, aus einer Würde niemals mehr. Man kann
eine erhaltene Würde schwer beschädigen und verwunden.
Letzte
Spuren dieser Unterscheidung kennen wir in der Rede davon, dass
jemand ein „Emeritus“ ist oder ein Richter „im Ruhestand“
oder dergleichen: er ist es seinshaft noch, übt aber das damit
verbundene Amt nicht mehr aus. Auch der Status als Vater oder Mutter
ist unveräußerlich und ontologisch begründet, nicht in einer
bloßen Aufgabe. Auch eine siebzigjährige Person wird ihre
100jährige Mutter in aller Regel als „Mutter“ ansprechen und in
ihr die Würde der Mutter anerkennen, auch wenn sich der
Aufgabenbereich der sehr alten Mutter gegenüber ihrer inzwischen
ebenfalls alten Tochter modifiziert, in manchem Fürsorgeaspekt sogar
umgekehrt haben dürfte.
Wenn
also das Grundgesetz allem, was dann folgt, diese Menschenwürde als
ein Faktum voranstellt, dann nicht, weil es jenes erst erschafft,
sondern weil es es als Vorgefundenes anerkennt.
Dieses
Grundrecht darauf, dass meine Menschenwürde anerkannt wird,
beinhaltet wesentlich, dass ich niemals verzweckt werden darf. Meine
gesamte Anwesenheit in diesem Leben erfolgt nicht um eines
definierbaren Zweckes willen, sondern um meiner selbst willen. Aber
auch dieser Satz kann nicht begründet werden ohne die Annahme, dass
ich da bin, weil Gott mich geschaffen hat und liebt. In den meisten
Fällen spiegelt sich diese göttliche Zweckfreiheit in der Liebe der
Eltern zu ihren Kindern und der Kinder zu den Eltern. Der
Kinderwunsch junger Paare resultiert dem Prinzip nach nicht aus einem
objektiven Zweckdenken heraus. Die Frage, warum jemand eigentlich so
unbedingt ein Kind wolle, lässt sich nicht plausiel aufgrund
zweckhafter Erwägungen beantworten. Der Kinderwunsch resultiert aus
ihrer Liebe zueinander, die sich selbst überschreiten und darum
freisetzen will. Das Kind ist daher prinzipiell der Ausdruck der
größten menschlichen und gottgewollten Freiheit. Dies gilt auch
dann, wenn Eltern oder Gesellschaften diese Zielsetzung verfehlen,
dennoch Verzweckungen vornehmen oder sich nicht dessen bewusst sind,
dass sie ihre eigene Würde aufgrund von Verzweckungen verfehlen.
In
einer langen historischen Entwicklung, die vor allem in der römischen
Reflexion (insbesondere bei Cicero) und der alttestamentlichen
Entwicklung des Menschen- und Gottesbildes und der Beziehung zwischen
Gott und Mensch ausgesprochen wurde, sind wir zu dieser Vorstellung
der Menschenwürde gekommen, die sich dann im Christentum massiv Bahn
brach. Der universalistische Gedanke, dass Gott alle Menschen
gleichermaßen liebt und um ihretwegen auch Erlösung in Jesus
Christus aus der schmerzlich erfahrenen alltäglichen
Würde-Verwundung schafft, führt direkt zu einer allgemeinen
Anerkennung der Menschenwürde aller, die nicht an Vorbedingungen -
etwa anständiges oder tugendhaftes Verhalten - geknüpft ist. Wohl
kann diese Würde aber angegriffen, geschändet und verleugnet
werden. Als ontologisches Merkmal kann sie damit aber niemals
aufgehoben werden.
Die
derzeitigen Vorgänge bringen zum Ausdruck, wie sehr wir uns schon
lange der Gefahr ausgesetzt haben, in unserer Würde mit Füßen
getreten zu werden. Utilitaristische
Denkgewohntheiten, die immer nur nach der Nützlichkeit fragen, haben
das Kinderhabenwollen verzweckt – etwa um Altersversorgungen zu
sichern oder Hilfe zu haben, nicht allein zu sein, einen Thron- oder
Geschäftsnachfolger zu haben, Kanonenfutter
für Kriege oder
dergleichen. So verständlich diese Nützlichkeitserwägungen im
Daseinskampf ahie
und da auch
erscheinen mögen,
sie verletzen schon im Kern die Menschenwürde und
lästern Gott. Das sei ausdrücklich erwähnt, denn manche Religion
puscht Fortpflanzung, um damit Glaubenskriege zu gewinnen.
Ausdrücklich
mus dem entgegengehalten werden: Kinder sind kein Zweck für
irgendetwas, auch dann nicht, wenn sie im natürlichen Geben und
Nehmen der Generationen eigene Aufgaben übernehmen werden.
Aus
diesen Verletzungen der Menschenwürde auf abstrakter Ebene folgen
Verletzungen auf konkreter Ebene: Die
Frau etwa,
die dem König keine Kinder gebar, wurde verstoßen. Der Mensch, der
nichts zum Gemeinwohl beiträgt, wird „nutzloser Esser“,
„underman“
oder gar „lebensunwertes Leben“.
Behinderte treibt man am besten gleich frühzeitig ab, weil sie ja
doch nur nur
eine Belastung sind und
einem verengten, aber krampfhaft vorausgesetzten Daseinszweck nicht
genügen werden können.
Wie
sehr hinter dem zum Beispiel auch von Papst Franziskus immer wieder
gegeißelten, vermeintlich übersteigerten Individuaismus unserer
Tage knallharte gegenseitige und
kollektive
Verzweckungsphantasien schlummern, bricht jetzt aus als die
eigentliche geistige
Seuche
hinter
der angeblichen Corona-Pandemie.
Eine Frau sagte neulich empört zu mir, es könne nicht angehen, wenn
alte Leute gelassen bleiben und sagen, es sei ihnen egal, ob sie an
Corona sterben oder halt
an etwas anderem.
Es sei unmöglich, sich in dieser Weise der Gemeinschaft zur
Belastung zu machen, denn die müsse ja solche Alten dann behandeln
und pflegen und die Kosten tragen. Mit meinem Argument, dass es
erstens Freiheit jedes Menschen ist, eine Krankheit nicht zu fürchten
bzw das Risiko einzugehen, sie zu bekommen und zweitens jeder
irgendwann an sein Ende kommen werde
und
damit in gewisser Weise der Gemeinschaft zur Last falle, ließ sie
nicht gelten, weil
solche „Infizierten“ sich auch noch zu Gefährdern anderer
machten.
Ganz
so, als wäre ein todessicheres Leben möglich und als wäre jeder
noch so harmlose Infekt bereits eine Rücksichtslosigkeit der einen
gegen die anderen.
Diese
Episode ist nur symptomatisch dafür, wie wenig wir verstehen, wass
alleine der erste Satz unseres Grundgesetzes eigentlich bedeutet. Er
meint den Menschen wie er ist, auch als ein Wesen, das krank werden
könnte und irgendwann sterben wird. Die Möglichkeit des
Krankwerdens und Sterbens wird aber nun nicht mehr erst dann ins Auge
gefasst, wenn es tatsächlich soweit kommt, sondern als permanenter
Makel, der dem anderen so stark anhaftet, dass er mir zur permanenten
Gefahr wird.
Mit
scheint, dass dringend eine neue anthropologische Debatte angestoßen
werden müsste, in der wir reflektieren, wer oder was der Mensch
eigentlich ist. Die derzeitige geistige Verwirrung über das
Menschenbild beruht auf der sträflichen Vernachlässigung einer
Befassung mit solchen Fragen bei jedem einzelnen und der ganzen
Gesellschaft.
Die
Verpflichtung des Staates, die Menschenwürde vor allem anderen zu
schützen und zu achten, wie es im Gesetz steht, wird von unserer
Regierung aus meiner Sicht mehr als missachtet. Ich würde sogar von
einer Verhöhnung der Menschenwürde sprechen. Entsprechend Absatz 2
von GG §1 zerstört die Bundesregierung derzeit mithilfe der
Landesregierungen und Parlamente vorsätzlich das, was ein
friedliches und wertschätzendes und sich gegenseitig würdigendes
Zusammenleben in der Gemeinschaft erst voraussetzt. Ein
Hingehaltenwerden in niemals ausreichend erklärten Schikanen, die
unsere natürlichen sozialen Beziehungen kriminalisieren
(„Mindestabstand“, „Mundschutz“, Vesammlungsverbote,
Ausgangssperren etc.) in Verbindung mit einer permanenten
Verängstigung bzw Traumatisierung der Menschen mit der Panik vor
einer virtuellen, im ralen Lebensfeld nirgends feststellbaren
„Epidemie“ alias Seuche und der autoritären Drohung, uns
jederzeit wieder einzusperren, wenn mehr positive Tests behauptet
(aber niemals nachgewiesen!) werden, auch dann, wenn wir uns aber
alle gesund erleben, verletzen in eklatanter Weise die Menschenwürde
und werden schwerwiegende Störungen in der gegenseitigen Wahrnehmung
der Menschen hinterlassen. Die Idee, dass wir uns gegenseitig als
Brüder und Schwestern wahrnehmen, ist damit getötet worden. Unsere
Regierung suggeriert uns, dass wir alle potentielle Todesengel sind.
Wer im anderen nur noch eine tödliche Gefahr wähnt, kann ihm seine
Würde nicht mehr zuerkennen.
Ich
möchte meine Leser und Zuhörer dazu einladen, sich darüber ihre
eigenen Gedanken zu machen. Sie können sie gerne in Ihren
Kommentaren mitteilen.
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