Trinitätslehre auf dem Prüfstand — Brief XV. an Unitarier und Trinitarier: Sind die Begriffe „Gott“ und „Vater“ als Titel (und nicht ontologisch) zu verstehen?
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II.
Die vollkommene Offenbarung Gottes in
Christus ist etwas Neues
Seit Jesus
Christus stellt sich nicht nur die Frage, wer er selbst genau war, sondern auch
die, wer der ist, der ihn gesandt hat. Die eine Frage kann, seitdem Jesus
Christus im Fleisch erschienen ist, nicht mehr ohne die andere angeschaut
werden.
Angesichts
Jesu wird deutlich, dass alles, was man zuvor über den Gott, von dem alles kommt, meinte, sagen zu können, vollends ins
Wanken gekommen ist, auch der Monotheismus.
Zum
Monotheismus, so verstanden, dass es nur einen Gott gibt, möchte ich die These
aufstellen, dass er immer der Zielpunkt aller Religion gewesen ist, aber einen
polytheistischen „Vorbau“ hatte, andererseits aber auch vor allem anderen ein
menschliches Konstrukt mit positiven und negativen Folgen ist.
Es ist
wichtig, sich klarzumachen, dass alles systematische oder analytische Reden von
Gott menschliches Konstrukt ist und bleiben muss. Jede „Gotteslehre“ ist, wenn
wir wirklich annehmen wollen, dass Gott Gott ist und alles, was ist, von ihm
kommt und in seinem Überblick aufgehoben ist, der uns fehlt, fragwürdig. Gott
ist keine Theorie, keine Zahlenrelation, kein Tangramspiel. Und es gibt keine
„biblische“ Gotteslehre. In der Bibel wird uns von Gott berichtet, seiner
Auseinandersetzung mit den Israeliten und denen, in deren Mitte sie lebten, und
seiner sukzessiven und überraschenden Offenbarung an Menschen, die nach Jesus
Christus eigentlich an Fahrt hätte aufnehmen sollen im „Geist der Weissagung“
und dem Charisma der Prophetie (dazu später). Es wird immer wieder von
verschiedensten Lesern und Gläubigen schlicht formuliert, dass Gott der
schlechthin „Andere“ sei. Wenn er in unser Leben tritt, kann nichts mehr so
bleiben, wie es war, vor allem nicht unser Denken über ihn und die Welt. Wenn
er der radikal Andere ist, müssen auch wir radikal anders werden. Dieses
radikale Anderssein hat für uns seine vollkommene Gussform in Jesus erhalten.
Ein rationaler
Monotheismus wird ihm nicht gerecht und entwürdigt ihn in die Begrenzungen
unseres Denkens.
Nur die
altägyptische Amarnazeit (unter Pharao Echnaton bzw Amenophis IV., 14. Jh v.
Chr.), die vermutlich vor dem Exodus liegt, kannte einen solchen radikalen
monotheistischen Gottesbegriff, von dem Unitarier, insbesondere die Muslime, bewusst
oder unbewusst bis heute glauben, er sei der Ursprung des wahren Glaubens und
drücke sich auch im AT aus.
Man kann
vermuten, dass diese Reformen Echnatons mit dem Versuch zu tun haben, einer
irgendwie belastenden und quälenden geistigen Verfassung damals zu entrinnen.
Der Exodus wird im AT ebenfalls als Befreiung aus „der Schande Ägyptens“
erzählt. Die Rückwendung zu dem eigentlich einen Gott lässt anklingen, dass die
Kulte der anderen Götter unerträglich geworden waren, entmenscht und pervers,
oder aber leer. Warum sonst sollte man ihnen absagen? Die Radikalität des
Monotheismus drückt vor allem aus, dass eine klare, unwiderrufliche
Unterscheidung vorgenommen wird zwischen dem Alten und dem Neuen. In der Hand
des Menschen artet solche Radikalität leicht in Grausamkeit und Brutalität aus.
Und es ist fraglich, ob auf diesem Weg wirklich Neues erreicht wird. Mit dem exklusiven
Monotheismus, dessen Grundstruktur meint “Ich habe den Richtigen, ihr den
Falschen/ich bin richtig, ihr seid falsch (und müsst vernichtet werden)“, kommt das blutige und grausame „Eifern“ für
Gott auf.
Ohne ein
Verständnis dieses einen Urgrundes und Schöpfergottes durch die Gestalt Jesu
Christi muss der exklusive Monotheismus ebenso fehlgehen und entgleisen wie der
inklusive Monotheismus mit seinen polytheistischen Emanationen. Aber selbst mit
einer Bezugnahme auf Jesus Christus ist noch nicht sichergestellt, dass man
nicht doch wieder den aggressiven religiös-politischen Irrungen erliegt, denen
Jesus zum Opfer fiel.
Jan Assmanns
Beobachtung, dass exklusiver Monotheismus — ich sage es mit meinen Worten etwas
abgewandelt — in seiner Entstehungs- und Verbreitungszeit zu einer
Herzlosigkeit führe und einer gewalttätigen Einstellung gegenüber
Andersgläubigen und Politik und Religion zu einem einzigen abgrenzenden
Herrschaftsanspruch formt, ist, wenn wir in die Realität schauen, nicht ganz
unberechtigt. Die psychologische Haltung des „Alles oder Nichts“, des „Entweder
die oder wir“, die darin schlummert, kann keinen inneren und äußeren Frieden
finden. Sie ist traumatisiert von einer zuvor gemachten Erfahrung der Leere und
Ausgeliefertheit ans Öde, Nichtige und Zwanghafte und anschließend — das ewige
Manko des „Konvertiten“ — von dem Drang besessen, den anderen auf die eigene
Linie zu zwingen, von der man glaubt, sie sei unabdingbar — der Projektion nach
— zum Heil des anderen und zur eigenen Stabilität in der „Wahrheit“.[1]
Der Kontakt mit Andersgläubigen oder nun „Ketzern“ und „Häretikern“ wird
gefürchtet, weil sie einen zurückziehen könnten in das, was man als falsch
erkannt hat.
Es gilt
demgegenüber, wenn man wirklich „biblisch“ denken will:
„13 Wer hat den Geist des HERRN
ermessen, und wer ist der Mann seines Rates, den er unterwiese? 14 Mit
wem beriet er sich, dass er ihm Einsicht gegeben und ihn belehrt hätte über den
Pfad des Rechts und ihn Erkenntnis gelehrt und ihn über den Weg der
Einsicht unterwiesen hätte?“
(Jes 40)
Martin Buber
übersetzt das folgendermaßen:
„Wer hat SEINEN Geistbraus begriffen,
ein Mann, dem seinen Ratschluß er
kundgäbe?
mit wem hat er sich beraten,
der zu unterscheiden ihm hülfe,
der um den Pfad des Rechts ihn
belehrte,
der Erkenntnis ihn lehrte,
Was wissen wir
wirklich von Gott? Wir alle, auch die die meinen, sie hätten einen besonderen
Zugang zu ihm?
Radikaler
Monotheismus verkennt vor allem eine Tatsache:
Das gesamte
Heidentum ging ebenfalls von einem Ein-Gott-Glauben aus, der aber häufig in
einen Kosmotheismus oder auch Pantheismus eingekleidet war: Gott ist einer in
allem. Es ist ein inklusiver, offener Monotheismus.
Man kann das
analog zur Polygamie sehen: auch deren Vertreter wissen, dass im strengen Sinn
ein Mann nur eine „echte“ Ehefrau
haben kann. Nur gestehen sie ihm neben der „echten“ noch „Nebenfrauen“ zu, die
aber im Haus als „rangniedriger“ gelten.
Ganz ähnlich
ist es mit dem Polytheismus: er konnte und wollte das Bewusstsein dafür, dass
es „eigentlich“ nur einen Gott gibt,
niemals auflösen. Dafür stehen die bekannten antiken Formeln „hen to pan“ (Einer
ist alles) bzw „hen kai pan“ (ein und alles). Es gab und gibt keinen absoluten
Polytheismus. Aller Polytheismus meint am Ende die eine (oft unbekannte oder
unbenennbare) Gottheit.
Alle noch
aktiven polytheistischen Religionen weisen (wie antike Überlieferungen, die
untergegangen sind) genau diesen Befund auf, besonders gut erkennbar in den bis
heute sehr lebendigen Hindureligionen, die mit dem „Brahman“ diesen Urgrund
meinen, in dem alles ist und von dem alles kommt, im Sanskrit die „heilige
Rede“ bzw das „Urwort“ oder die „heilige Kraft“, die die Hypostasen der
verschiedenen Götter ausbildet. Da kein Mensch diesen Urgrund ohne Vermittlung erfassen
kann, werden uns in diesen Religionen abgeschwächte, fassbare Hypostasen oder
auch Emanationen der verborgenen Gottheit gegeben. Was im Polytheismus mit
persönlichem Gesicht erschien, gestaltete der Neuplatonismus dann in seiner
Emanationslehre abstrakt.
Es ist mE all
diesen polytheistischen und neuplatonischen Gedankenmodellen und Praktiken
wesentlich, dass sie in die Sphäre Gottes eine Hierarchie oder Rangordnung
projizieren. Die Vorstellung, dass der Gott, der in allem wirksam ist, dort
„abgeschwächt“ wirkt bis hin zu seiner völligen Abwesenheit (dem „Bösen“), ist
eigentlich undenkbar: wie kann sich etwas, das göttlich ist, „abschwächen“?
Zugleich zeigt
uns aber die gefallene Welt überdeutlich, dass sie nicht mehr im selben Maß gut
ist wie ihr Schöpfer, sondern ihm sogar entgegensteht. Aus diesem Dilemma kommt
man gedanklich nicht heraus. Die polytheistischen Religionen haben das Böse
daher als göttliche Energie gedeutet, die irgendwie in die unbegreifliche Größe
Gottes gehöre.
Die
Genesiserzählung gibt eine etwas andere Richtung vor: Der Geist Gottes schwebt
über den Urfluten und dem Tohuwabohu, dem Chaos. Das bedeutet: er hat den
Überblick, wird aber mit dem Chaos nicht identifiziert. Die „Erkenntnis von
Gutem und Schlechtem“ ist uns zwar mit dem „Essen vom Baum der Erkenntnis des
Guten und Schlechten“ als tägliche Erfahrung möglich geworden, nicht aber eine
Überschau darüber. Auch die Schrift gibt uns keinen Zugang zu dieser Überschau,
die in der Frage „Woher kommt das Böse“ beantwortet werden müsste. Alle
Antworten, die wir erreichen, sind unzureichend geblieben und müssen
unzureichend bleiben. Wir mühen uns täglich ab in der Bekämpfung des
Schlechten, aber es ist unmöglich, es zu überwinden — eben weil wir keine
Überschau darüber haben wie Gott und noch dazu geschwächt sind durch unser
Begehren, es zu „erkennen“, also: selbst durch und durch zu erfahren und
kennenzulernen.
Gerbers
Neigung zum hierarchischen Argumentieren steht in einer alten Gefahr, die
Gefallenheit der Dinge der Restaurierungsabsicht Gottes in einem verfestigten
Rangdenken festzuhalten und aus ihnen einen Zugang zu Gott herstellen zu wollen.
Jesus Christus
lässt jedoch kein Rangdenken mehr zu. Er hat es mehrfach gesagt oder fast
satirisch konterkariert, wie schon seine Mutter im Magnifikat: Gott stürzt die
Mächtigen vom Thron und erhebt die Niedrigen, aber nicht so, dass nun die
Rollen vertauscht werden, sondern alles vor Gott „eben“ wird, weil sonst Gott
nicht eintreten kann zu uns:
„3 Eine Stimme ruft: In der
Wüste bahnt den Weg des HERRN! Ebnet in der Steppe eine Straße für unseren
Gott!“ 4 Jedes
Tal soll erhöht und jeder Berg und Hügel erniedrigt werden! Und das Unebene
soll zur Ebene werden und das Hügelige zur Talebene!5 Und
die Herrlichkeit des HERRN wird sich offenbaren, und alles Fleisch miteinander
wird es sehen. Denn der Mund des HERRN hat geredet.“ (Jes 40)
Das „Hoch“-
und „Niedrig“-Denken ist Hindernis für Gottes Einzug in unserer Mitte.
Daraus folgt
natürlich nicht, dass Jesus „homoousios“ mit dem Gott ist, — das ist ebenfalls
ein Rückfall ins projektive hierarchische Denken — aber in seiner erhobenen
Gestalt zur Rechten Gottes wird das Rangdenken obsolet. Die trinitarische
Formel hat an anderer Stelle wieder eine Entfremdung aufgerissen: zwischen
Jesus als dem Ersten der Auferweckten, dem, der sich von Gott zu unserem
vollständigen Heil einsetzen ließ — und uns anderen auf der Wesensebene.
Es ist dem
Menschen offenbar fast unmöglich, ohne solches Denken auszukommen. Obwohl es
ihn sein Leben lang quält, hält daran wie an einem Fetisch fest. Die ganze
Menschheit seufzt unter der Ordnung der Welt in Ränge und Ausbeutung,
symbolisch ausgedrückt in der „Sklaverei in Ägypten“ bis heute. Der politische
und gott-lose Schachzug mancher Gleichmacherei heute ist nur eine Inversion des
Rangdenkens und daher genauso verkehrt.
In der
neutestamentlichen Formel „Einer achte den
anderen höher als sich selbst“ (Phil 2,3) wird das Nächstenliebegebot noch überschritten
und alle Forderungen nach der „Untertänigkeit anderer (unter mich oder den oder
jenen)“ (denn darum geht es ja allen, die davon so gerne sprechen!) entlarvt.
Es kann nicht darum gehen, dass man die, die einem gleichgestellt sind, etwa in
einer „Bitte nach Ihnen“ - Höflichkeit, höflichkeits- oder formelhaft höher
achtet, sondern dass man die, von denen man glaubt, dass sie einem „untergeordnet“,
seien wirklich höher achtet als sich
selbst und ernsthaft erkennt, dass sie einem nicht untergeordnet sind: Herren sollen also die Diener höher
achten als sich selbst, Männer ihre Frauen, Eltern ihre Kinder. Dies aber
natürlich mit Vernunft und ohne Sentimentalität. Diese Höherachtung soll, wenn
es nicht anders geht (!), mitten im System dieser Welt mit ihren sozialen
Hierarchien verwirklicht werden.
Die
verschiedenen Kosmotheismen, die einen immanenten Monotheismus aufweisen,
kennen alle eine „Verarbeitung“ des Bösen, die in den Kulten bestimmter Götter
zu grausamen Tier- und Menschenopfern und schändlichen Ritualen geführt haben. Das
Opferdenken setzt immer das Rangdenken voraus: weil die Götter über uns stehen,
müssen wir sie abfinden.
Die Polemik
und der Abscheu der Propheten im AT richten sich immer wieder gegen solche
grausamen Opfer und Rituale. Israel installiert aber selbst ebenfalls einen
grausamen Tier-Opferkult, dessen Sinn auf „Reinigung“ von Sünden abzuzielen
scheint. In dieser Absicht stimmt er mit den Grausamkeiten der anderen überein.
Jede Sühnopfertheorie muss daran scheitern, dass uns mehrfach gesagt ist,
sowohl im AT als auch im NT, dass der
Gott weder etwas nötig hat, noch bedient oder befriedigt werden muss.
Der Opferkult
wird daher noch im AT immer wieder kritisch in Frage gestellt als etwas, das
Gott eigentlich nicht wollte. Es ist nicht nur die genaue Intention
altisraelischer Opfer bis heute unklar geblieben. Aufgrund archäologischer
Funde nimmt man an, dass vor der Konzentration der Opfer im Tempel eine mehr
oder weniger „wilde“ Opferpraxis üblich war, die von Gott weder geboten noch
erwünscht war. Es muss angemerkt werden, dass es einen Fleischgenuss in der
Antike niemals außerhalb von Opferkulten gab. Die Adventisten haben recht
damit, wenn sie darauf hinweisen, dass der Fleischgenuss ursprünglich nicht für
den Menschen vorgesehen war. Die gesamte Menschheit hat ihn daher nur im Rahmen
solcher Kulte gewagt. Der Fleischkonsum ist ebenso wie die Praxis des
Tieretötens Ausdruck der Sünde. Noch im NT wird jeder Fleischkonsum aufgrund
eines Kultopfers verstanden. Daher wird den Christen wie schon den Israeliten
der Konsum von Fleisch verboten, das anderen Göttern geweiht worden war.
Die
Konzentration und gesetzliche Festlegung könnte man damit als Begrenzung und
Eindämmung dieser altorientalischen Grausamkeiten deuten, von denen die
Menschen nicht ablassen konnten. Die Klage der Israeliten in der Wüste und ihre
Sehnsucht zurück an die „Fleischtöpfe Ägyptens“ erhält so eine Deutung, die uns
etwas sagt darüber, was in diesem „Ägypten“, diesem „Sklavenhaus“ so schändlich
war.
Die radikale
Ablehnung blutiger Opfer, zB in Ps 40,6 oder 51,16, oder bei Jer 7,22f oder
Amos 5,22 oder Micha 6,6, die es nicht aufnehmen können mit einem demütigen
Geist, spricht eine deutliche Sprache:
„22 Denn ich habe nicht mit euren
Vätern darüber geredet und ihnen nichts geboten über das Brandopfer und das
Schlachtopfer an dem Tag, da ich sie aus dem Land Ägypten herausführte
(…)24 Aber sie haben nicht gehört und ihr Ohr nicht geneigt, sondern sind
nach den Ratschlägen und in der Verstocktheit ihres bösen Herzens gegangen; und
sie haben mir den Rücken zugekehrt und nicht das Gesicht.“ (Jer 7)
Die
ausführliche Gesetzes-Litanei über Opfer, die auf heutige Leser durchaus
befremdlich wirken kann, im Buch Numeri wird damit in ein seltsames Licht
getaucht: wie etwa das Verstoßungsrecht des Mannes gegen seine Frau, das Gott
erlaubt habe, werden auch diese Opferpraktiken in die Nähe eines Zugeständnisses
gerückt, weil die Menschen so verstockt und pervers waren, dass sie unfähig und
unbelehrbar für ein einigermaßen angemessenes Gottesverständnis waren.
Die Auseinandersetzung
Israels mit den Heiden drehte sich, wenn man die Schrift aufmerksam liest, nicht
primär um eine Differenz darüber, ob es „einen Gott“ oder „mehrere Götter“ gebe,
denn auch die Heiden glaubten an einen Allgott, einen „Allerhöchsten“, wie er
auch in der Schrift immer wieder genannt wird.
Die Frage war
vielmehr, wer dieser eine ist, der hinter allem steht, und wer mit ihm im Bund
steht.
Dabei wird
genau diese Frage im Buch Exodus vorläufig gar nicht beantwortet. Gott wird
dort nicht als der Gott vorgestellt,
sondern als ein spezieller Gott der Nachkommen Isaaks:
Mose hat sein
Dornbuscherlebnis am Berg Horeb. Bei dieser Begegnung gibt sich Gott als der
Gott des Ahnen, „deines Vaters“, als „der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und
der Gott Jakobs“ zu erkennen (Ex 3,4ff). Es ist der Forschung bis heute
unmöglich, die religions- und sprachgeschichtlichen Zusammenhänge, die bei genauer
Betrachtung schillernd sind, zu erkennen.[3]
Mose erklärt
dem Gott am Dornbusch, dass die Hebräer offenbar diesen Gott ihrer Väter nicht
mehr kennen und von ihm werden wissen wollen, wie dieser Gott heiße. In dem
Zusammenhang bekräftigt Gott, dass sein Name mit den Namen Abrahams, Isaaks,
Jakobs für dieses Äon verbunden sei und in allen Generationen so bleibe, was im
Kontext hier auf die Israeliten bezogen gilt. Es fällt der geheimnisvolle Name
„Ich werde (da)sein, der ich (da)sein werde“, der tatsächlich im Tetragramm
JHWH verborgen sein könnte (V 13f), aber vor allem angesichts des geplanten
Exodus eine Beistandsformel ist. Das heißt im Klartext: die Hebräer folgten
diesem Gott der Väter längst nicht mehr, waren ägyptisiert, hatten vergessen,
was Abraham und Isaak und Jakob erfahren haben.
Gerne
tradieren auch die Christen diese beeindruckende Erzählung und beziehen sich
darauf bis heute. Aber wenige Abschnitte später heißt es ohne erkennbaren
Anlass, Gott sei Mose auf dem Weg zum Pharao auf einem Rastplatz nachts
entgegengetreten und habe ihn töten wollen (Ex 4,24). Mose wird vor Gott durch
seine Frau errettet: Sie schneidet dem gemeinsamen Sohn die Vorhaut ab und
bestreicht mit dem blutigen Stück Haut die Beine Moses. Gott lässt dann wieder
von ihm ab. Diese Episode ist verstörend, und die meisten Christen haben noch
nie von ihr gehört.
Der Pharao,
dem Mose den Gott der Hebräer als „JHWH“ vorstellt, sagt später, er kenne
diesen Gott gar nicht. Er hält die Behauptung Moses, dieser JHWH sei ihm
begegnet und verlange eine Opferanbetung in der Wüste, für eine faule Ausrede,
um sich vor der Arbeit zu drücken.
JHWH erscheint
daher in diesem Kontext zunächst als
einer der vielen Götter, die es gibt und nicht als der einzige echte Gott in
einem später unterlegten monotheistischen Sinn.
Er ist hier
der richtige Gott für ein Volk, das dieser Gott sich auswählt. (Es ist nicht
umgekehrt.)
Im ersten Gebot
des Dekalogs verlangt dieser Gott von denen, die er aus Ägypten geführt hat,
dass sie keine anderen Götter mehr neben ihm haben (Ex 20,2-3):
„Ich bin der HERR, dein Gott, der ich
dich aus dem Land Ägypten, aus dem Sklavenhaus, herausgeführt habe. Du sollst
keine andern Götter haben neben mir.“
Das bedeutet streng
genommen nicht, dass es diese Götter nicht gibt, sondern dass JHWH der einzige
Gott der Israeliten sein will. Ein radikaler, exklusiver monotheistischer
Schluss ist auch hier nicht oder noch nicht möglich.
Die folgende
Geschichte Israels dreht sich um eine ständiges Hin und Her zwischen
JHWH-Verehrung und der Verehrung weiterer regionaler Götter oder sogar
JHWH-bezogener Kultgegenstände wie dem Nechuschtan (2 Kön 18,4).[4]
Israel scheitert an der JHWH-Verehrung das ganze AT hindurch und im NT, aber —
und das ist wichtig zu bemerken — nachdem es sich einigermaßen „monotheisiert
hat“, scheitert es dann am Messias dieses Gottes.
Das wirft ein
kritisches Licht auf die Meinung, es hänge etwas an der theoretischen
Definition, wie viele Gott sei. Auch im radikalen Monotheismus, den viele
jüdische Gelehrte zur Zeit Jesu nun vertreten, kann man scheitern.
In der Rede
Pauli auf dem Areopag tritt uns eine ganz andere Auffassung entgegen: Alle
Gottesverehrung, sowohl die der Juden als auch der Heiden wurzelt generell und
positiv gedeutet in der tastenden Suche nach dem einen Gott, von dem alle
wissen und der niemandem fern ist. Die Zerstreuung in polytheistischen Glauben
kann denselben Grad an Gottvergessenheit erzeugen wie ein radikalisierter
Monotheismus, der auf seine Weise die Gottsuche nach menschlichem Maßstsab gestaltet
und dabei auch noch anmaßend wird gegenüber allen anderen. In den Worten des
Paulus wird deutlich, dass alle Suche um den „unbekannten Gott“ kreist und erst
in Jesus Christus eine Erfüllung findet. Die Athener verlangen von ihm zuvor
Rechenschaft, ob er etwa „fremde Gottheiten“ verkünde, weil er von Jesus
spricht (Apg 17,18). Er sagt jedoch nicht: So, liebe Leute, ich verkünde euch
jetzt endlich den einen Gott, sondern er sagt ihnen, dass der unbekannte Gott,
den sie auch verehren, nicht mit den gängigen Mitteln religiöser Praktiken
angemessen verehrt oder geglaubt werden kann. Dieser Gott kann vom Menschen
weder bedient noch erfasst werden. Es konnte auch niemand für diesen Gott
sprechen:
„30 Nachdem nun Gott die Zeiten
der Unwissenheit übersehen hat, gebietet er jetzt den Menschen, dass sie alle
überall Buße tun sollen, 31 weil
er einen Tag festgesetzt hat, an dem er den Erdkreis richten wird in
Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat, und er hat allen
dadurch den Beweis gegeben, dass er ihn auferweckt hat aus den Toten.“ (Apg 17)
Zu beachten
ist hier, dass der „Beweis“ der endgültigen und unwiderruflichen, nie mehr
gefährdeten Gottessohnschaft für alle
auch in dieser Aussage Pauli nicht in einer ominösen „Zeugung aus Maria“ oder
des gleich wieder konterkarierten „Messiaszeugnisses“ durch Petrus besteht,
sondern erst in der Auferweckung. Dass manchen Menschen wie Maria selbst,
Johannes, Elisabeth, Zacharias, Joseph, Simeon und Hanna vorher aufgrund einer
persönlichen Ansprache Gottes schon gezeigt wurde, dass dies der Erlöser sein
werde, ist noch kein „Beweis für alle“. Und es fällt auf, dass Jesus nie
wollte, dass Menschen, die ein „Gesicht“ hatten darüber, es vor der Zeit
ausplauderten. Mir scheint es so zu sein, dass er selbst wusste, wie schwer
sein Weg werden würde und den Tag nicht vor dem Abend gelobt sehen wollte. Wie
man an der Szene im Garten Gethsemane sieht, hätte er auch im letzten Moment „Nein“
sagen können. Er musste erst — was ihn betrifft— sagen können: „Es ist
vollbracht!“
Paulus predigt
nicht über die Frage, ob es einen oder mehrere Götter gibt, sondern darüber,
dass alle Zeit vor Jesus „Unwissenheit“ war. Die Zeit des Tastens und Suchens
macht Paulus nicht nieder, sondern gesteht zu, dass auch diese Zeit in Gottes
Gnade eingeschlossen war. Mit der Auferweckung Jesu aber ist diese Zeit der
Unwissenheit vorbei, Jesus Christus ist der lebendige Aufruf zur Umkehr nun für
alle, und der Gerichtstermin steht bereits an.
Diese Frage,
wer Gott ist, ist unsere Frage bis heute. Es geht um den „echten Gott“ unter
falschen Göttern, um den wirklichen Gott unter dispersiven Götzen und destruktiven
Dämonen, aber auch inmitten eines himmlischen Heeres, von dem v.a. in Psalmen
(Ps 24; 80; 84; 148) und an wenigen Prophetenstellen gesprochen wird. Er ist
der „Höchste“ in dem Sinn, dass er der Schöpfer aller ist und alles von ihm
stammt. Unser größtes Problem ist, dass wir ihn verwechseln mit solchen
Göttern, von denen wir glauben, sie seien es.
Es ist
inzwischen einigen gedämmert, dass wir nicht automatisch „an denselben Gott“
glauben nur deswegen, weil wir annehmen, es gäbe nur einen:
Der Atonglaube
der Amarnazeit hat mit der mosaischen Offenbarung Gottes nur entfernt zu tun, auch
mit dem „Hen“ der Neuplatoniker nicht, der koranisch-sunnitische Allah ist dem
Gottesbild nach nur ganz entfernt verwandt mit einem menschlich vielleicht
verzerrten JHWH, nicht aber — was uns bewegt — mit dem Vater Jesu Christi, der
wiederum von Manichäern und Markioniten anders verstanden wird als von solchen,
die sich jedem Gnostizismus gegenüber verschließen. Nicht zuletzt stieß die
Offenbarung Gottes im AT von alters her vielen als völlig „anders“ als die des
Vaters im NT auf, so sehr, dass sie meinten, es müsse sich doch um zwei verschiedene
Götter handeln. Ihre Argumente sind keineswegs unbegründet oder unverständlich.
Christliche Apologetik befasste sich auch gerade mit dieser Frage immer wieder
aufs Neue bis heute.
Im Zentrum der
theologischen Auffassungen vom „einen Gott“ steht aber übereinstimmend immer
die Beziehung zum Menschen bzw zur Position des Menschlichen gegenüber dem oder
im Göttlichen.
In den
Eingott-Theologien, die die Gottheit der Schöpfung regelrecht exklusiv gegenüberstellen,
liegt es nahe, Gott als den Titelchef und Herrscher (miss-) zu verstehen.
Aber damit
wissen wir noch nichts über sein Wesen. Ein solch exklusives Verständnis
scheint in der Schrift sukzessive überwunden zu werden, wie ich später zeigen
will. Aktuell finden wir das am ehesten radikal gelebt im Islam,
ultraorthodoxem Judentum und fundamentalistischen Formen des Christentums.
Jan Assmann
schreibt:
„Natürlich
war die Welt, wie jeder weiß, schon vor der Entstehung des Monotheismus voller
Gewalt, Hass und Schuld. Ich konstatiere lediglich, daß der Monotheismus eine
Religion ist, in deren kanonischen Texten die Themen Gewalt, Hass und Sünde
eine auffallend große Rolle spielen und eine andere, nämlich spezifisch
religiöse Bedeutung annehmen als in den
traditionellen,„heidnischen" Religionen. Dort gibt es Gewalt im
Zusammenhang mit dem politischen Prinzip der Herrschaft, aber nicht im
Zusammenhang mit der Gottesfrage. Gewalt ist von Haus aus eine Frage der Macht,
nicht der Wahrheit.“[5]
Das
Missverständnis, Gott sei wie ein irdischer Herrscher ein „Monarch“, ein absolutistischer
„Chef“, der das Entweder-Oder für oder gegen ihn wahrnimmt und von uns
einfordert, führt langfristig notwendig zur politischen Gewalt gegen alle, die
sich nicht einem spezifischen Gottesbild „unterwerfen“. Dass sich im christlichen
Glauben diese Tendenz erhielt, obwohl die Hinrichtung des einzigen Sohnes
Gottes diese Tendenz konterkariert hat wie nichts sonst auf der Welt, ist die
besondere Tragik des Christentums, die mit der Reformation (in allen westlichen
Konfessionen) zunächst noch extremer auf diese schiefe Ebene geführt wurde.
Mit bloßem
Biblizimus muss man irre werden an diesen Fragen. Die martialische Sprache des
Eiferns für den einen wahren Gott etwa im Buch Deuteronomium ist teilweise noch
schlimmer als alles, was an Martialischem im Koran steht. Wir glauben zwar
derzeit zumeist, dass solche (wohl nur literarische) Gewalttätigkeit in
Christus überwunden ist, aber sie liegt als Missverständnis und ständig
lauernde Gefahr — wie wir im Islam sehen — immer schlummernd in unserem
Unterbewusstsein. Wir lügen uns etwas vor, wenn wir glauben, das Christentum
sei im Gegensatz zum Islam vor solchen Exzessen, die aus der Sprache in die Tat
umgesetzt werden, gefeit. Die grausame Ermordung von Ketzern, Hexen und
Missionsunwilligen in unserer Geschichte ist zu beschämend, als dass man sie
einfach leugnen darf.
Die Reduktion
der Gottesfrage darauf, ob er — nach irdischen Quantifikationsmethoden — konzentriert
einer oder aufgefaltet mehrere ist, hilft so nicht, diesen einen Gott als den
zu erkennen, der er ist. Letztendlich bedeutet die Abwehr des Polytheismus die
These „Du darfst dir Gott nicht in einer anderen Gestalt ausgedrückt
vorstellen“. Gott bleibt so unsichtbar und unserem Erkennen fern. Nun wird aber
Jesus Christus immer wieder das ganze NT hindurch als perfektes Abbild und in
der Gestalt Gottes bezeichnet, so, wie es allgemein vom Menschen ursprünglich
gesagt wurde. Die Bannformel gegen den Polytheismus kann so folglich nicht
greifen, weil man damit auch den Christus als den, in dem die ganze Fülle der
Gottheit wohnt, wieder verliert.
Auch die
Vorstellung, dass Gott den obersten Titel hat, ist lächerlich angesichts seines
Urgrundseins, das absolut keine Rangtitel nötig hat, aber auch aufgrund der
Theodizeefrage brüchig: die alte Frage danach, wie einer, der allmächtig und
absolut gut ist, so viel Leid auch bei Unschuldigen zulässt, quälte schon
Psalmisten und treibt bis heute zahlreiche Menschen um. Versuche, dies zu
„erklären“, enden immer in noch quälenderen Vorstellungen, entweder in der
islamischen Vorstellung eines voluntaristischen Herrscher-Gottes, der in seiner
Herrlichkeit eben trotz der Behauptung, er sei „Allerbarmer“ doch aus der Sicht
des betroffenen Menschen erbarmungslos und unberechenbar tut, was ihm aktual
gefällt, oder einer manichäischen Vorstellung von einem mächtigen Widersacher
Gottes, der gleich stark wie er sein muss, um so viel zerstören zu können, oder
aber der Meinung, Gott sei auch irgendwie eine Art Teufel, oder einer
Dämonisierung des Menschen, dem man alle Schuld für jegliches Leid der Welt
zuschustert und selbst dem Frömmsten suggeriert, dass er irgendetwas getan
haben muss, das sein Leid erklärt und aufs eigene Konto verbucht. Ähnlich
gelagert scheint mir die Karmalehre, die die Zuschreibung eigener Ursächlichkeit
am Leiden über mehrere Leben hinweg „entzerrt“, im Ziel aber das Leben selbst
als Illusion oder Nichtigkeit entwertet.
All das
befriedigt uns nicht, weil wir spüren, dass solche Modelle, so bestechend sie
unter einem bestimmten Blickwinkel erscheinen, in konkreten Situationen ungerecht
sind und so nicht der Wahrheit entsprechen können. Bis hier und heute reißt das
Fragen des Menschen nicht ab, verstummt seine Klage über all dem nicht.
Was immer man
dazu denken will, eines wird überdeutlich: Gott ist nicht in demselben wesenhaften
Sinn „Herr“ wie man das von menschlichen Herren sagt und meint, die ihr Recht aufgrund
einer ihnen entweder übertragenen oder selbst angemaßten Herrschaft durchsetzen.
Er ist auch
nicht eine Art „Robin Hood“ oder „Rächer der Enterbten“ und insofern „Herr“,
auch wenn die Exodus-Erzählung daran Anklänge zeigt, denn sie soll aus der
„Knechtschaft in Ägypten“ führen und ihr ein exklusives Gottesvolk
entgegensetzen, das sich damit legitimiert und auch kampfbereit macht. Die
Gewalttätigkeit richtet sich weniger nach außen als nach innen: alle Mitglieder
des Volkes werden intern auf etwas eingeschworen, ob sie wollen oder nicht.
Wenn sie sich nur ansatzweise wehren, erfahren sie grausame Gewalt.[6]
Wie Meister
Eckhart mE richtig bemerkte, ist dennoch der Gott Jesu so anders als alles, was
wir begrifflich fassen können, dass nichts, was man von ihm sagen kann, einschließlich
der Zählbarkeit, ihm gerecht werden kann.[7]
Wenn die Rede von dem „einen Gott“ nicht eine bloße oberflächlich-mathematische
Relation oder eine bloße Abgrenzung zu falschen anderen Göttern ausdrückt, aber
auch keinen Kosmotheismus beinhaltet, den die Kirche immer verworfen hat,
obwohl er im NT durchaus anklingt, wäre zu fragen, was es in der Tiefe heißen
soll. Alle Rede von Gott kann für uns nur in Beziehung zu uns gedacht werden.
Für alles andere fehlen uns die „Sensoren“ und die „Ausstattung“.
Gerbers Vorschlag,
„Gott“ und „Vater“ als „Titel“ und Rangmarkierung aufzufassen, greift mE zu
kurz angesichts der vorhandenen religionsgeschichtlichen und religionsphilosophischen
Problematik, die auch in der Schrift selbst ausgefochten wird. Auch wenn es
vielen nicht bewusst ist, bewegt sich die Frage danach, wie viele Gott
ist/sind, auf philosophischem Terrain. Es reicht nicht, Bibelzitate
zusammenzustellen, denn diese Zitate müssten ja interpretiert und verstanden
werden. Dies bedarf aber der methodischen Hilfe durch die Philosophie, die
Literaturwissenschaft, Rhetorik und Logik. Die Maxime, „rein biblisch“ argumentieren
zu wollen, nach der Gerber vorgeht[8],
gibt sich über diese Notwendigkeit keine Rechenschaft und führt langfristig zum
islamischen Weg, der jedes Interpretieren ausschließt und in einer bloßen
Koranrezitation hängenbleibt wie in einer endlosen Warteschleife, die zu keinem
Ziel und keinem Verstehen mehr führt. Dass Schriftwort immer der Interpretation
bedarf, zeigt uns eindrücklich die Geschichte vom Kämmerer aus Äthiopien, zu
dem der Apostel Philippus geschickt wird, um ihm Interpretationshilfen zum Jesajabuch
zu geben (Apg 8,26ff).
„Siehe ich mache alles neu!“ berichtet uns die Offenbarung Jesu
Christi an Johannes einen Ausspruch Gottes (Apk 21,5). Dieses „alles“ umfasst
auch das, was wir von Gott offenbart erhalten.
Mit der
Erscheinung Jesu im Fleisch ist uns ein radikal neues Bild von Gott gezeigt
worden, das einzige, das zum „Vater“
führt. Die radikal unitarischen Juden werden zurückgelassen: Ihr Weg ohne
diesen Christus führt nicht zum Vater. Der Christus ist zentral, nur er führt
zum Vater, er ist nach eigener Aussage „Weg, Wahrheit und Leben“ (Joh 14,6), Träger
exklusiver göttlicher Attribute, er spiegelt die Fülle der Gottheit (Kol 1,15)
und bietet insofern tatsächlich eine Identifikationsgestalt Gottes (s. I). Wenn
wir von dem ausgehen, was in Christus sichtbar wurde (Dienstbarkeit, Hingabe),
kann es sich bei Gott, bei diesem
Gott, den der Christus vollkommen abbildet, nicht um einen Titelchef handeln.
Seine
„Autorität“ ist, zugespitzt gesagt, eine alles menschliche Trachten
brüskierende Nichtautorität, die aber keine Gleichgültigkeit ausdrückt, sondern
größtmögliches Interesse und tiefste Liebe Gottes zum Menschen, was auch die
Theodizeefrage in ein anderes Licht setzt.
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[1] Jan Assmann:
Monotheismus und Gewalt. Originalveröffentlichung in: Peter Walter (Hrsg): Das
Gewaltpotential des Monotheismus und der dreieine Gott (Quaestiones disputatae
216), Freiburg – Basel – Wien 2005, S. 18-38
Online lesbar: https://core.ac.uk/download/pdf/35127588.pdf
[2]
Bücher der Kündung. Verdeutscht von Martin Buber gemeinsam mit Franz
Rosenzweig. Darmstadt 1985, S. 126
[3] Der Wiki-Artikel gibt eine gute
Zusammenfassung der Forschungsprobleme: https://de.wikipedia.org/wiki/JHWH
[5] A.a.O. Assmann, S. 3
[6] Die
einschlägigen, martialischen und zutiefst bestürzenden Zitate aus dem AT hat
Jan Assmann in seinem Artikel zusammengestellt. A.a.O.
[7]
Meister Eckehart: Deutsche Predigten und Traktate. Hg. und übersetzt von Josef
Quint. Zürich 1979. In der Armutspredigt, hier der Zählung nach Predigt 32, S.
303ff. In der Bulle Johannes XXII wird Eckhart zitiert mit: „Gott ist auf alle Weisen und in jedem
betracht nur Einer, so daß in ihm selber keinerlei Vielheit zu finden ist,
weder in der Vernunft noch außerhalb der Vernunft; wer nämlich Zweiheit oder
Unterschiedenheit sieht, der sieht Gott nicht, denn Gott ist Einer außerhalb
aller Zahl und über alle Zahl und fällt mit nichts in Eins zusammen. Daraus
folgt: In Gott selbst kann demnach keinerlei Unterscheidung sein oder erkannt
werden.“ S. 453
[8] A.a.O
Gerber, S. 2
Nun, Jesus Christus selbst sprach immer "vom Gott Abrahmas, Isaaks und Jakobs", nicht des Moses.
AntwortenLöschenUnd er rief am Kreuz zu Eli als dem gütigen Schöpfer und Vater "abba" als Gottesnamen usw. .
Christuswege
http://www.christuswege.net
Der erste Satz: richtig. Nur, er spricht sogar davon distanziert. "Euer Vater Abraham" sagt er den jüdischen Disputanten, und setzt sich davon ab - das fällt vielen nicht auf. Abraham nennt er nirgends als seinen eigenen Vater. Sein Vater ist alleine der Vater im Himmel. Gegenüber Mose tritt Jesus korrigierend auf (bzgl Schabbat, Auge um Auge, Frauenverstoßung, Feindesliebe). Man kann schon nachvollziehen, dass Markion daran zB irre wurde: wie kann das dann derselbe Gott sein (also der Gott Moses und der Vater Jesu Christi)? Oder anders: wie kann man denken, das Gesetz sei heilig und vollkommen, wenn Jesus es so klar und hart kritisiert in diesen "ihr habt gehört... ich aber sage euch"-Sätzen?
LöschenMan merkt daran aber, wenn man "biblisch" bleiben will: Man kann unmöglich alles wörtlich und ahistorisch verstehen, man ist gezwungen zur Relativierung und auch Verwerfung bestimmter Sätze, muss eine Entwicklung annehmen, die manches hinter sich lässt, deren Zwischenstufen Zugeständnisse waren (wie Jesus es über die Frauenverstoßung sagt).
Zum Tod am Kreuz: "Eli" heißt aram./hebr. "mein Gott" und ist hier aber ein Psalmzitat (Ps 22,2)
Zu "abba": in Lk 23,34 sagt Jesus nicht "abba", auf Griechisch steht "pater", ebenso V46.
Zur Thematik "Vater" komme ich noch - es ist dies in der Tat im AT NICHT Gottesname und auch nur ganz seltene Gottesmetapher. Erst Jesus hat diesen Begriff so stark eingesetzt, aber in einem Sinn, der der heidnisch-phallischen Vaterverehrung völlig entgegenläuft bzw mit ihr nichts mehr zu tun hat. Der Gott "El" war ein vorderorientalischer Gott, sein Name wurde ins hebräische übernommen von außen, von den Heiden. Auch das weist auf eine langsame Entwicklung hin.
Ich habe zu "Vater/abba" aber noch ein Kapitel geschrieben, das ich aber erst demnach hier auf den Blog setze.