Trinitätslehre auf dem
Prüfstand: Brief XIV an Unitarier und Trinitarier — Was bedeutet der Satz „Ehe
Abraham war, bin ich“?
Um
diese Stelle recht zu verstehen, ist es notwendig, sich den gesamten
Zusammenhang anzusehen. Ich bitte meine Leser um geduldiges Studieren
desselben:
„37 Ich weiß, dass ihr Abrahams
Nachkommen seid; aber ihr sucht mich zu töten, weil mein Wort nicht Raum in
euch findet. 38 Ich
rede, was ich bei dem Vater gesehen habe; auch ihr nun tut, was ihr von eurem
Vater gehört habt. 39 Sie
antworteten und sprachen zu ihm: Abraham ist unser Vater. Jesus spricht zu
ihnen: Wenn ihr Abrahams Kinder wäret, so würdet ihr die Werke Abrahams tun; 40 jetzt
aber sucht ihr mich zu töten, einen Menschen, der ich euch die Wahrheit gesagt
habe, die ich von Gott gehört habe; das hat Abraham nicht getan. 41 Ihr
tut die Werke eures Vaters. Sie sprachen nun zu ihm: Wir sind nicht durch
Hurerei geboren; wir haben einen Vater, Gott. 42 Jesus
sprach zu ihnen: Wenn Gott euer Vater wäre, so würdet ihr mich lieben, denn ich
bin von Gott ausgegangen und gekommen; denn ich bin auch nicht von mir selbst
gekommen, sondern er hat mich gesandt. 43 Warum
versteht ihr meine Sprache nicht? Weil ihr mein Wort nicht hören könnt. 44 Ihr
seid aus dem Vater, dem Teufel, und die Begierden eures Vaters wollt ihr tun.
Jener war ein Menschenmörder von Anfang an und stand nicht in der Wahrheit,
weil keine Wahrheit in ihm ist. Wenn er die Lüge redet, so redet er aus seinem
Eigenen, denn er ist ein Lügner und der Vater derselben. 45 Weil
ich aber die Wahrheit sage, glaubt ihr mir nicht. 46 Wer
von euch überführt mich einer Sünde? Wenn ich die Wahrheit sage, warum glaubt
ihr mir nicht? 47 Wer
aus Gott ist, hört die Worte Gottes. Darum hört ihr nicht, weil ihr nicht aus
Gott seid. 48 Die
Juden antworteten und sprachen zu ihm: Sagen wir nicht recht, dass du ein
Samariter bist und einen Dämon hast? 49 Jesus
antwortete: Ich habe keinen Dämon, sondern ich ehre meinen Vater, und ihr
verunehrt mich. 50 Ich
aber suche nicht meine Ehre: Es ist einer, der sie sucht und der richtet.51 Wahrlich,
wahrlich, ich sage euch: Wenn jemand mein Wort bewahren wird, so wird er den
Tod nicht sehen in Ewigkeit. 52 Die Juden sprachen nun zu ihm: Jetzt
erkennen wir, dass du einen Dämon hast. Abraham ist gestorben und die
Propheten, und du sagst: Wenn jemand mein Wort bewahren wird, so wird er
den Tod nicht schmecken in Ewigkeit.53 Bist
du etwa größer als unser Vater Abraham, der gestorben ist? Und die Propheten
sind gestorben. Was machst du aus dir selbst? 54 Jesus
antwortete: Wenn ich mich selbst ehre, so ist meine Ehre nichts; mein Vater ist
es, der mich ehrt, von dem ihr sagt: Er ist unser Gott. 55 Und ihr
habt ihn nicht erkannt, ich aber kenne ihn; und wenn ich sagte: Ich kenne ihn
nicht, so würde ich euch gleich sein: ein Lügner. Aber ich kenne ihn, und ich
bewahre sein Wort. 56 Abraham,
euer Vater, jubelte, dass er meinen Tag sehen sollte, und er sah ihn und freute
sich. 57 Da
sprachen die Juden zu ihm: Du bist noch nicht fünfzig Jahre alt und hast
Abraham gesehen? 58 Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich
sage euch: Ehe Abraham war, bin ich. 59 Da
hoben sie Steine auf, um sie auf ihn zu werfen. Jesus aber verbarg sich und
ging aus dem Tempel hinaus.“ (ELB Joh 8)
Trinitarier
pflegen in dem Schlusssatz „Ehe Abraham
war, bin ich“ einen Hinweis auf die Präexistenz Jesu beim Vater zu sehen
und damit einen deutlichen Hinweis auf die Trinität. Ebenso sehen sie in Jesu „Ich bin“-Wort eine göttliche Formel,
abgeleitet von der Begegnung Moses mit dem Engel des Herrn am brennenden
Dornbusch (Ex 3,14), als Gott seinen Namen bekannt gab: „Ich bin, der ich bin“. Das „Ich
bin“ Jesu lautet auf Griechisch „Ego
eimi“. Es ist eine Tatsache, dass es im Hebräischen keine präsentischen Eigenformen
gibt. Man muss entweder auf ein Gerundium ausweichen oder eine andere Zeitform.
Das „Ich bin, der ich bin“ heißt
wörtlich „Ich werde sein, der ich sein
werde“ (hebr. „ehieh ascher ehieh“).
Kurz danach, im selben Vers, trägt Gott dem Mose auf, er solle den Israeliten
sagen, der „Ich werde sein“ (der „ehieh“) habe ihn gesandt. Die LXX
übersetzte diesen Namen wie folgt ins Griechische, und Jesus bzw die, die ihm
diese Worte in den Mund auf Griechisch legen, die er vermutlich auf Aramäisch
oder Hebräisch gesagt hatte (!), werden diese Formel ganz gewiss gekannt haben:
„Ego eimi ho on“. Und: „ho on“, „der Seiende“ habe Mose
gesandt. Hier fällt auf, dass die LXX die Kurzform in Vers 14 vom „ehieh“, der Mose sendet, nicht mit dem „ego eimi“ überträgt, sondern mit der
prädikativen Bestimmung „ho on“.
Dieser Umstand spricht gegen eine besondere Betonung des „ego eimi“ als eigenständiger Formel. Nicht einmal das hellenistische
Judentum scheint dies iS späterer Verteidiger der Trinität so aufgefasst zu
haben.
Es
ist zutreffend, dass im Johannes-Evangelium „ego
eimi“-Sätze mit Prädikaten versehen und ohne solche häufig vorkommen, im 8.
Kapitel treten die ohne prädikative Bestimmung am meisten auf.[1]
Das ist ganz gewiss auffallend und verdient Beachtung. Ob dies aber etwas mit
dem alttestamentlichen „ehieh“ zu tun
hat, liegt keineswegs auf der Hand. Ein Gebrauch ohne prädikative Bestimmung
ist nach den grammatischen Regeln sowohl des Griechischen als erst recht des
Hebräischen nicht korrekt. Damit ist die Selbstbenennung Gottes am Dornbusch im
Hebräischen bereits auffallend und verlangt förmlich nach einer prädikativen
Erweiterung. Sie geschieht dort durch das „Ich
werde der ‚Ich werde sein’ sein“. Nicht unplausibel wird dies zB von der EÜ
mit „Ich bin der ‚Ich bin da’“
übertragen. Eine solche Erweiterung hat auch die LXX geleistet und übersetzt
wörtlich: „Ich bin das Seiende.“ Da
das hebräische „Imperfekt“ das Futur ist und auch als Jussiv verstanden werden
kann, liegt in der Selbstbenennung Gottes als „ehieh ascher ehieh“ eine Zusage, eine Selbstverpflichtung sogar,
in jedem Fall eine Verheißung an den, dem sich Gott als dieser „ehieh“ mitteilt. Der Anklang an ein abstrakt
oder philosophisch verstandenes „ewig Seiendes“ oder dergleichen liegt mE in
der hebräischen Grundaussage allenfalls am Rand, nicht im Zentrum des Namens.
Der Gottesname ist in der Tat, wie es die moderne Theologie heute versteht, ein
Beziehungsname und liegt damit auf derselben Ebene wie der Name „Gott
Abrahamas, Isaaks und Jakobs“.
In
den absoluten „Ich bin“-Worten Jesu bleibt
die Spezifizierung jedoch komplett aus, anders als in „ego eimi ho on“ und dem hebräischen Vorbild. Der hebräischen
Originalversion fehlt darüber hinaus jeglicher Anklang an hellenistische und
spätantike griechische oder gar neuzeitliche westliche Philosophie. Und hier
sind wir bereits in vermintem Gelände: nach 2000 Jahren intensiver Philosophien
über das „Sein“ und das „Seiende“ ist es schwer, die alten Worte der Schrift
unvoreingenommen und aus ihrem eigenen Kontext heraus zu verstehen. Ich hoffe,
dass es mir gelingt.
Man
könnte sich fragen, warum es in der hebräischen Grammatik unmöglich ist, in dem
uns geläufigen, absoluten Sinn „Ich bin“ zu sagen. Dieses „Ich bin seiend“ kann nur JHWH sagen,
der geschwächte und gefallene Mensch nicht, und selbst JHWH tut es futurisch,
weil es die Zeitform Präsens im Hebräischen nicht gibt. Das Fehlen der
Möglichkeit, „Ich bin seiend“ zu
sagen, kann man als eine theologische Aussage auffassen. Aber auch im
Griechischen ist es nicht korrekt, einfach nur „ego eimi“ zu sagen. Uns fehlt etwas, dies sagen zu können. Die
prädikative Ergänzung in Ex 3,14 kommt nur Gott zu. Wir sind aus dem Sein halb
herausgefallen. Als Sterbliche, die zerfallen können, kommt uns nicht zu, uns
als „seiend“ anzusehen in einem absoluten Sinn. Daraus kann aber nicht
geschlossen werden, dass es dem Menschen seiner Natur nach überhaupt nicht
zukommen kann, diesen Satz zu sagen. Die Natur des Menschen vor seinem Fall war
noch intakt. Wenn er im Bild und in der Gestalt Gottes war und ist, wie es in
Gen 1 und auch nach dem Fall trotz allem bestätigt wird und heißt (Gen 5,1f;
9,6), dann müsste dem Menschen dieser Satz zugekommen sein, wenn auch in
Abhängigkeit vom Urbild des Seins, nämlich Gott. In Gen 5 wird eine Analogie
der Abbildlichkeit Seths zu „adam“
mit denselben Worten ausgesprochen, die in Gen 1 die Abbildlichkeit des „adam“ als Mann und Frau zu Gott
benennen: Der „adam“ sei 130 Jahre
alt gewesen (man kann das tatsächlich so verstehen, dass beide Eltern gemeint
sind, weil „adam“ „Mensch“ bedeutet
und es in Gen 5,2 ausdrücklich heißt, Gott hätte diese beiden Menschen „adam“,
„Mensch“ genannt!), als er Seth hervorbrachte „bi d’muto k’zalmo“: „in
seiner Gestalt und seinem Bild“. Das sind exakt die Worte, mit denen der „adam“ als Mann und Frau von Gott in
dessen „Gestalt“ („bi d’mut“) und
Bild („b’zelem“) geschaffen wurde
(Gen 1,26+27; Gen 5,1). Die Abkünftigkeit eines Menschen von seinen Eltern wird
in wörtlicher Analogie zur Abkünftigkeit des Menschen von Gott beschrieben. Die
Bezeichnung Jesu als „Sohn Gottes“, aus diesem Zusammenhang beleuchtet, kann
als die wiederhergestellte oder in der Wiederherstellung begriffene Gestalt des
Menschen „in der Gestalt Gottes“ und als sein „Abbild“ verstanden werden. Jedenfalls
liegt dies wesentlicher näher als die Ansicht, Jesus müsse darum selbst der Gott sein.
Selbst
wenn Jesus also damit Anklänge an die alttestamentliche Gottesbezeichnung hätte
machen wollen bzw der Autor des Johannes-Evangeliums dies getan haben sollte,
kann nicht geschlossen werden, dass Jesus sich deshalb als „Gott“ bezeichnet in
dem Sinn, dass er mit ihm wesensgleich wäre oder eine Identität bestünde, die
über das geschöpfliche Menschsein hinausgeht. Er könnte damit ein intaktes
Menschsein oder schlicht seine besondere Stellung im Heilsgeschehen vor Gott
meinen.
Wie
sehr die trinitarische Auffassung die böswilligen und unverständigen
Unterstellungen der jüdischen Elite gegen Jesus fortsetzt und daraus ein
eigenes Evangelium macht, möchte ich noch anhand einer weiteren Stelle aus dem
Johannes-Evangelium (Joh 18,3-8) zeigen, die von Trinitariern gerne als
weiterer Beweis für die „ego eimi“-Anklänge
Jesu an den Gottesnamen gesehen wird:
„3 Als nun Judas die
Schar und von den Hohenpriestern und Pharisäern Diener genommen hatte,
kommt er dahin mit Leuchten und Fackeln und Waffen. 4 Jesus
nun, der alles wusste, was über ihn kommen würde, ging hinaus und sprach zu ihnen:
Wen sucht ihr?5 Sie
antworteten ihm: Jesus, den Nazoräer. Er spricht zu ihnen: Ich bin es! Aber
auch Judas, der ihn überlieferte, stand bei ihnen. 6 Als
er nun zu ihnen sagte: Ich bin es!, wichen sie zurück und fielen zu Boden. 7 Da
fragte er sie wieder: Wen sucht ihr? Sie aber sprachen: Jesus, den
Nazoräer.8 Jesus antwortete: Ich habe euch gesagt, dass ich es bin. Wenn
ihr nun mich sucht, so lasst diese gehen!“ (ELB)
Man
muss sich die Szene vorstellen: Mitten in der Nacht, mit Fackeln und Laternen,
rückt eine komplette Kohorte von 600 römischen Soldaten samt der jüdischen
Obrigkeit unter der Führung des Judas an und baut sich vor Jesus und den
Jüngern auf! Welch ein Aufgebot für die paar Männer, die es zu überwältigen
gilt!
Jesus
wirkt in dieser Erzählung sehr mutig, denn er wartet nicht passiv ab, was ihm
geschieht, sondern er tritt hervor und fragt die Soldateneinheit, wen sie
suchen. Als sie seinen Namen nennen, antwortet er mit „ego eimi“ und in V6 wird uns berichtet, dass „sie“, nachdem er „ego eimi“ gesagt hatte, zurückwichen
und zu Boden fielen. Trinitarische Logik sagt hier: da seht ihr es doch, sie
fielen vor Schreck in Ohnmacht, weil er sich mit dem Gottesnamen benannte, und
wenn er sich damit benannte, muss er ja Gott sein.
Abgesehen
davon, dass diese Logik mehrere Hinkefüße hat, auf die ich gleich zu sprechen
komme, geht die Geschichte jedoch weiter: Jesus ist von der Umfallerei völlig
unbeeindruckt und fragt noch einmal: „Wen sucht ihr?“ Wieder antworten „sie“,
sie suchten Jesus von Nazareth. Und wieder sagt Jesus „ego eimi“. Diesmal fallen „sie“ nicht wieder um. Es ist in aller
Tragik eine geradezu groteske Szene.
Zu
den Hinkefüßen: „Sie“ suchen nicht Gott und fragen nicht nach Gott, sondern
nach Jesus von Nazareth. Es ist nach allen vernünftigen Regeln der
Kommunikation völlig abwegig, das bekennerische „ego eimi“ Jesu plötzlich auf eine Selbstdarstellung als Gott zu
beziehen. Es wird nach dem Menschen Jesus gefragt, und dieser Mensch sagt, er
sei (es). Das „es“ steht tatsächlich nicht dabei, aber vielleicht muss es das
grammatisch auch nicht, weil der prädikative Bezug durch die vorangegangene
Frage nach Jesus vollkommen klar ist. „Bist du der NN?“ fordert als Antwort nur
eine Bestätigung, wenn der Gefragte der Gesuchte ist. Es ist auch im Deutschen
möglich, eine solche Frage bejahend mit „Ich bin (es)“ zu beantworten, ohne
dass jemand auf die Idee kommen kann, man meine damit in Wahrheit einen anderen.
Es wäre aber in der Szene auch sehr weit hergeholt, mitten in der bedrohlichen,
wirklich aufregenden Lage 600 Soldaten und ein paar jüdischen Oberen zu
erklären „ego eimi“, ganz
zusammenhanglos zu allem anderen Gesprochenen, um die Situation dafür zu
nutzen, sich nun endlich als der
Gott zu outen. Das wirkte absurd. Allerdings fragt man sich, warum „sie“ zu
Boden fielen. Wer waren die „sie“? Die römische Kohorte? Die jüdische
Obrigkeit? Gemeinhin pflegt niemand von denen, die die Macht haben und schwer
bewaffnet sind, zu Boden zu fallen, wenn einer gefangengenommen wird, der ohne
Macht und waffenlos ist. Die römischen Soldaten werden von „ego eimi“ und seinem Sinn, den man heute darin sehen will, mit großer
Wahrscheinlichkeit nichts gewusst haben. In welcher Sprache wurde hier
gesprochen? Verstanden sich die Soldaten und die Juden sprachlich überhaupt so
ohne weiteres? Oder konnten die wenigen jüdischen Oberen den römischen Soldaten
noch schnell mitteilen, dass niemand einfach so „ego eimi“ sagen darf, was einschlug wie eine Bombe und alle sofort
umfallen ließ etc.? Kann das Zurückweichen vor Jesus nicht schlicht und einfach
mit seiner Gestalt, mit seiner Erscheinung zu tun gehabt haben? Man war
losgezogen mit einem Kriegsheer gegen einen solchen Mann, dessen Inneres sich mit Gewissheit in seinem Äußeren
vollkommen spiegelte?! Statt eines gewalttätigen Aufrührers trat ihnen dieser
harmlose und beherzte Mann gegenüber? Ich finde es viel plausibler, dass die
Soldaten zurückwichen, weil sie mit allem, nur nicht damit gerechnet hatten,
nicht mit einem solchen geraden und sanften Mann. Die gewaltlose und kraftvolle
Präsenz Jesu rief mehr als Sprachlosigkeit hervor. Aus der Nachfrage Jesu geht
hervor, dass die Soldaten nicht glauben wollen, dass er wirklich der gesuchte,
angeblich so gefährliche Jesus ist. Sie antworten erneut, dass sie Jesus
suchen, und jener bestätigt wiederum, „ego
eimi“, also nicht „Ich bin Gott“, sondern „Ich bin (es, den ihr sucht, der
Jesus von Nazareth)“. Alles andere ist im Zusammenhang abwegig, man kann sagen:
an den Haaren herbeigezogen, eines „normalen“, historischen Lesens entwöhnt und
im Reich der Zitate und zusammenhanglosen „spirituellen“ Verse gelandet. Denn
bevor man einen weit hergeholten Bezug zum brennenden Dornbusch bemüht, wäre es
vernünftiger, erst einmal den Bezug zu der Geschichte, in der die Worte fallen,
herzustellen. Der Satz Jesu in V8 „Ich
habe euch gesagt, dass ich es bin (auch hier als „ego eimi“ formuliert!). Wenn
ihr nun mich sucht, so lasst diese gehen! weist ebenfalls stark in die
Richtung, dass die Soldaten nicht glauben können, dass er derjenige ist, der
gesucht wird und den Gesuchten eher unter den Jüngern vermuten. Die
Wiederholung der Frage nach dem Gesuchten und die Insistenz darauf, dass er es
ist, machen vollends ziemlich eindeutig klar, dass hier in keinem Fall ein
Anklang an das „ego eimi“ am
brennenden Dornbusch intendiert war. Der wehrhafte Petrus geht danach mit dem
Schwert auf den Diener des Hohenpriesters los und schlägt ihm das Ohr ab. Jesus
heilt das Ohr und weist Petrus an, mit dieser Art von Wehrhaftigkeit
aufzuhören.
Es
kann aber auch so gewesen sein, dass tatsächlich die jüdische Obrigkeit bei den
Gefangennahme angesichts der Worte „ego
eimi“ in gekünstelte Hysterie ausgebrochen ist — immerhin hatten sie ihm
zuvor so oft vorgeworfen, er habe sich zu Gott gemacht. Und letztere Blasphemie
war aus jüdischer Sicht auch das Hauptmotiv für den Wunsch, ihn zu töten. Man
suchte nach jedem weiteren Indiz, ihn der Blasphemie zu überführen. Den Römern
konnte man mit jüdischen Haarspaltereien wohl nicht kommen, daher hatten die
Juden den Römern weisgemacht, Jesus sei ein Aufrührer gegen den Kaiser, um ihn
auch bei jenen als einen hinzustellen, der den Tod verdient. Sie selbst hatten
keine Befugnis, Todesurteile zu vollziehen.
Trinitarier
pflegen häufig damit zu argumentieren, dass Jesus, wenn er ein Missverständnis
in die Richtung, dass er auf keinen Fall Gott sei, hätte ausschließen wollen,
dies auch ausdrücklich gesagt hätte. Logisch betrachtet ist das ein äußerst
unsauberes Argument. Doch davon abgesehen: Wenn Trinitarier in der Geschichte
vom reichen Jüngling einwenden (s.u.), Jesus hätte sagen müssen „Ich bin nicht
Gott“, wenn er das gemeint hätte, dann kann man hier entgegen halten: Jesus
hätte sagen müssen „Ich bin Gott“, wenn er das gemeint hätte. Aber er tut weder
das eine noch das andere. Er lässt sich auf diese Ebene nicht ein, obwohl sie
ihm schon von den missgünstigen damaligen gelehrten Juden immer wieder mit List
und Tücke nahegelegt und unterstellt wird.
Dass er sich als seiend ansieht —
zumindest in der griechischen Überlieferung
seiner vermutlich nicht griechisch gesprochenen Sätze — kann man nicht bezweifeln, zu eindeutig sind
seine Worte. Von Interesse wäre in der Aussage „Ehe Abraham war, bin ich“ aber
auch, was er auf Aramäisch, das ja ähnlich „funktioniert“ wie Hebräisch, gesagt
hat — wirklich „ego eimi“? Oder
womöglich „ego eimi ho on“?
Das
ist nicht nur aus grammatischen Gründen unwahrscheinlich. Wie gesagt versuchten
die Juden ihm ja zu unterstellen, dass er sich mit Gott gleichgestellt habe, um
einen Tötungsgrund zu haben. Ist die Quintessenz des christlichen Glaubens,
dass Jesus sich tatsächlich mit Gott gleichgestellt hat, aus Pietät und
Opportunismus genau dies aber von den Evangelisten und Aposteln nicht deutlich
ausgesprochen wurde? Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür in den Texten, dies so
zu sehen. Die (vermeintlichen) Anhaltspunkte liegen eher in der Schwierigkeit,
aufgrund der Textüberlieferung zu verstehen, wer Jesus wirklich ist.
Hat
Jesus das Gottsein aber nicht sogar abgewiesen in der Erzählung vom reichen
Jüngling: „Jesus aber sprach zu ihm: Was
nennst du mich gut? Niemand ist gut als nur einer, Gott.“ (Lk 18,19)? Es
gibt die besagten Ausleger, die in dieser Aussage Jesu nicht erkennen wollen,
dass Jesus von sich selbst sagt, er sei nicht Gott. Wenn er das habe sagen
wollen, hätte er sagen müssen „Ich bin nicht Gott“.[2]
Vorausgegangen war, dass der Jüngling, der trotz seiner Gesetzestreue wissen
will, wie er das „ewige Leben erlangen“
kann, Jesus „guter Meister“ genannt
hatte. Die Erzählung findet sich in drei Evangelien. Dem Bericht in Lk 18
ähnelt stark der Bericht in Mk 10,18. Eine vielleicht hilfreiche Abweichung
finden wir in Mt 19,16ff (ELB): „Und
siehe, einer trat herbei und sprach zu ihm: Lehrer, was soll ich Gutes tun,
damit ich ewiges Leben habe? Er
aber sprach zu ihm: Was fragst du mich über das Gute? Einer ist der Gute. Wenn
du aber ins Leben hineinkommen willst, so halte die Gebote!“ Hier
fällt auf, dass der junge Mann Jesus nur „Meister“, nicht „guter Meister“
nennt. Die Rede vom „Guten“ ist hier
nicht an Jesus geknüpft, sondern an Handlungen. Spontan entsteht der Eindruck,
dass der Jüngling von Jesus etwas über ein Gutes erfahren will, dass nicht in
den Geboten steckt, die er kennt. Dieser Sachinhalt befindet sich aber auch in
den Parallelstellen, wenn man unbefangen liest: der junge Mann sollte eigentlich
wissen, was er tun muss, aber er erhofft sich von Jesus ein „Mehr“, vielleicht
sogar eine Art Geheimwissen. Die Frage wäre an dieser Stelle auch, was „ewiges Leben“ im damaligen jüdischen
Kontext eigentlich bedeutete. Das Alte Testament kennt diesen Begriff
jedenfalls so nicht.
Wir
finden in manchen Handschriften in Vers 16 ein eingeschobenes „agathe“ nach „didaskale“, so, dass also auch hier der „Meister“ als „gut“
bezeichnet wird. In den vollständigen ältesten Handschriften fehlt dieser
Zusatz jedoch und erscheint daher als später hinzugefügt, wahrscheinlich, um
die Differenz zu Lk und Mk zu glätten.[3]
Es ist hier sehr interessant, dass der reiche Jüngling, der ein frommer Jude
ist, Jesus nicht „Rabbi“ nennt, wie es im Johannes-Evangelium an vergleichbaren
Stellen vorkommt, dass Jesus in seiner Funktion als Lehrer „Rabbi“ genannt
wird. Das ist insofern merkwürdig, als der Jüngling Jesus ja in dieser Funktion
anspricht, selbst Jude ist und dennoch einen anderen Begriff wählt, nämlich den
des „didaskalos“, des Lehrers bzw
Meisters. Ein „didaskolos“ ist ein
„Erklärer“ und „Dirigent“ oder „Regisseur“.
Dem
Sinn nach geht es nicht darum, ob Jesus — wie Gott — gut ist, sondern ob Jesus
Zugang zu Gott hat und Geheimnissen des Guten, die Israel sonst fehlen. Jesu
Abweisung würde, so verstanden, die Frage, ob er Gott ist, nicht ernsthaft
berühren, sondern dass von ihm nichts zu erfahren ist über ein abstraktes
Bonum, das nicht schon in Form von Geboten gesagt worden wäre und nur von Gott
alleine als solches ausgesprochen werden könnte. Er vernimmt zwar alles vom
Vater, aber er ist nicht der Verwalter der Gutheit Gottes. Dies passte auch zu
der Aussage, ihm sei „alles übergeben“ worden vom Vater, ausgenommen der, der
es ihm übergeben hat (1 Kor 15,27).
Jesus
fügt aber dennoch etwas hinzu: Wenn der Fragende vollkommen sein (zur Reife
kommen) wolle, solle er in seine Nachfolge treten und die Lösung von aller
materiellen Habe zugunsten der Armen vollziehen. Dann würde der Jüngling einen „Schatz im Himmel“ , einen „thesauron en ourano“ haben (V21).
Deutlich wird hier, dass es das Gute als ein abstraktes Bonum, zu dem man
mithilfe des Einhaltens von Gesetzen kommt, nicht gibt. Gott selbst IST das
Bonum, und alles Gute kommt aus ihm alleine. Das Gute kann folglich nur durch
radikalen Entschluss und Wandel zum Guten hin erreicht werden. Das Gute meint
hier auch das Zu-sich-selbst- und zur Von-Gott-gemeinten-Gestalt-Kommen. Diese
vollkommene Gestalt des einzelnen Geschöpfes kann durch Gesetzehalten alleine
deshalb nicht erreicht werden, weil das Einhalten von Gesetzen immer ausweist,
dass man in einer Gestalt ist, die mit ihnen grundsätzlich nicht übereinstimmt.
Wer bewusst Vater und Mutter ehrt, um eines der Beispiele Jesu an der Stelle zu
nennen (V19), würde es nicht selbstverständlich tun, sondern muss sich dazu
motivieren. Gebotehalten deutet so immer Unvollkommenheit und die fortgesetzte
Neigung zum Nichteinhalten an, schafft aber doch einen Weg „ins Leben hinein“ (V17), macht einen Vorgeschmack auf wirkliches,
„ewiges Leben“, auf ein „zoen aionion“
(V16) erlebbar. Es kann sein, dass hinter dem Vollkommenheitsbegriff, der hier
auftaucht, das hebräische „neza“
steht, die „Vollständigkeit“. „Ewiges Leben“ wäre so „Leben in Fülle“.[4]
Der Jüngling spürt, dass das Gebotehalten ihn sogar von Gott immer in einem
Sicherheitsabstand hält.
Vollkommenheit
bedarf keiner Gebote mehr und wird nicht durch Gebote erreicht: der Vollkommene
ist im vollständigen Einklang mit Gott, der alleine gut ist. Der Einwand, dass
Jesus als Sündloser doch auch „gut“ ist, trifft zu, aber er ist es „nicht aus sich selbst heraus“, sondern
aufgrund des Einklangs mit dem göttlich Guten, von dem her seine ganze
Inspiration rührt (vgl oben Joh 8,42).
Wäre
dies die wahrscheinliche Deutung dieser Schriftstelle, würde zugleich entlarvt,
dass alle anderen Versuche, sie für oder gegen den Trinitarismus zu
vereinnahmen, ideologischer Missbrauch sind. Ich neige dieser Ansicht stark zu.
Zurück
zu Joh 8. Der Schlusssatz Jesu wird häufig so verstanden, als habe er eine zeitliche Abfolge gemeint: Er
war schon da, bevor Abraham da war, und da er nicht sagt „Bevor Abraham war,
war ich“, sondern „Ehe A. war, bin ich“, glaubt man seine ewige Existenz, die
ihn als Gott kennzeichne, zu erkennen.
Dieses
Verständnis wird unterstützt durch die Streitrede der Juden, die ihm kurz vor
dem besagten Schlusssatz Jesu sarkastisch vorhalten, er sei doch noch keine 50
Jahre alt und wolle Abraham gesehen haben (V57). Mit dieser Wendung im Mund der
Juden entsteht der Eindruck, Jesus habe eine zeitliche Abfolge ausdrücken
wollen. Die trinitarische Argumentation übersieht hier allerdings, dass es uU
eine Verdrehung der Intention Jesu sein könnte, dass die Juden ihm
gewissermaßen „das Wort im Mund herumdrehen“. Mindestens aber muss man aufgrund
des Textes selbst annehmen, dass sie Jesu hintergründige Worte platt
missverstehen: „Mein Wort findet nicht
Raum in Euch“ (V37). Es ist daher ein gewagtes Vorgehen, ausgerechnet die
Auffassungen der unverständigen Juden als den eigentlichen Sinn der Worte Jesu
zu verstehen.
Der
gesamte Streit dreht sich um „Väter“. Die Juden berufen sich auf ihren Vater
Abraham. Jesus gesteht ihnen zwar eine leibliche Abstammung von ihm zu, spricht
ihnen aber mithilfe einer Andeutung die geistige ab. Obwohl er selbst Jude ist,
leitet er sich nicht von Abraham her, sondern nennt Gott als seinen Vater. In
der ersten Andeutung, wer der geistige Vater der mit ihm streitenden Juden sein
könnte, wird spürbar, dass jener ein Widersacher des wahren Vaters im Himmel
ist. Das ruft begreiflichen Ärger in den Gelehrten hervor, und sie beharren
darauf, dass Abraham ihr wahrer Vater ist.
Sie legen nach und versetzen Jesus einen Stich mit der Bemerkung, sie stammten
nicht aus einem Ehebruch und meinen damit vermutlich „aus einem Ehebruch wie
Jesus“, dessen leiblicher Vater unbekannt und nicht Josef war. Sie rücken ihn
in die Nähe eines „Mamser“, eines Bastards, eines Sohnes, der der Hurerei
entstammt, der im Judentum als eine Art Kastenloser, als Paria behandelt wird.
Jesus ist und bleibt allerdings geschützt durch Josef, der sich öffentlich als
Vater bekannte, auch wenn er es dem Leib nach nicht war.
Die
Spitze gegen Jesus ist verletzend und bösartig und betont die „reine“ leibliche
Herkunft.
Jesus
pariert darauf unbeirrt und schonungslos: Er erhebt den Anspruch, alles, was er
sagt, von Gott selbst zu haben und nicht aus sich selbst. Wer ihn nicht hören
will und nicht versteht, kann nicht Gott zum Vater haben.
Jesus
legt die jeweiligen Väter als die Ursprünge der geistigen Haltung zugrunde und spricht
aus, dass die Haltung der Juden einen anderen Vater hat als Abraham, nämlich
den „Vater der Lüge“, den „Teufel“ (V44).
Immer
wieder brechen die Juden die Worte Jesu auf eine merkwürdig ungeistliche,
geistlose Ebene herunter. Er spricht von geistigen Dingen, sie machen daraus
eine absurde leibliche Aussage:
Jesus
wirft ihnen vor, Gott nicht zum Vater zu haben und darum auch nicht Abraham
(dem Geist nach), weil sie ihn nicht verstehen; sie kontern damit, dass er
besessen sei von einem Dämon wegen seines Anspruches — anders als sie — die
Worte Gottes zu vernehmen und zu sagen. Dabei irritiert die verblendete Logik:
sie selbst haben ja ebenfalls den Anspruch, Gott zum Vater zu haben und sein
Gesetz richtig auszulegen … Sie geben den Vorwurf einfach nur plump zurück.
Jesus
sagt, wer seine Worte höre und annehme, werde den Tod nicht schmecken in
Ewigkeit und meint damit den geistlichen Tod, den „zweiten Tod“, der für immer
aus der gleichschwingenden Verbindung zu Gott ausschließt. Sie vulgarisieren
diese Worte und machen daraus, er habe gesagt, dass solche Menschen nicht mehr
sterben müssten. Alle, alle seien doch gestorben, auch die Propheten und
Abraham, was maße er sich da an. Das Beispiel Elias aber vermeiden sie
tunlichst, auch das des Henoch, die nicht gestorben sind.
Jesus
bekennt, dass nicht nur er den Vater, sondern auch der Vater, Gott, ihn ehrt,
und ihm die ihm gegebene Ehre zuerkennt. Die Juden ehren nur sich selbst.
Dieser
letzte Satz ist eine Mahnung an all jene Unitarier, die mit „Rangfolgen“
operieren. Sie stehen in der Gefahr, der verkehrten jüdischen Haltung auf ihre
Weise nachzueifern. Das Argument , dass Jesus doch „im Rang“ unter Gott stehe,
sollte in der Debatte nicht ausgespielt werden, denn wen Gott selbst ehrt und
verherrlicht, der ist nicht mehr im Rahmen von „Rängen“ zu messen. Mit nachvollziehbarer
Scheu haben an diesem Punkt die Trinitarier immer empfunden, dass es nicht
angemessen ist, Jesus als „Rangniedrigeren“ aufzufassen. Der Unitarismus
arianischer Prägung hat den Trinitarismus damit förmlich heraufbeschworen durch
sein schiefes, hierarchiversessenes Bild der Dinge. Im Königreich Gottes ist
von „Rang“ keine Rede mehr. Dafür spricht auch, dass die Seinen dermaleinst
seinen Namen auf ihrer Stirne tragen werden, während sie sein „Angesicht schauen“ (Apk 22,4). Das ist
eine ungeheuerliche Aussage, die sich mit Rangfolgen nicht mehr erfassen lässt.
Jesus wurde „alle Gewalt im Himmel und
auf Erden“ gegeben (Mt 28,18) —
das bedeutet: er hat sie nicht aus sich
selbst wie der Gott, sie wurde
ihm verliehen, aber er hat sie! — , ausgenommen der, der sie ihm verliehen hat.
Und er sitzt neben Gott, nicht unter ihm. An dieser Stelle muss dem Unitarismus,
kulminierend im Islam, klar eine Grenze gesetzt werden, weil er sonst selbst
zum Zerstörer wird und eine destruktive, öde und leere Erscheinung wird. Dem
Unitarismus mangelt es, soweit ich es überblicken kann, sehr häufig an einer
tiefen und ernsthaften Erkenntnis der Erhöhung Jesu Christi als dem Ersten
seiner Geschwister durch den Vater neben
sich selbst. Und sie weichen den Aussagen aus, die den Menschen
grundsätzlich „in der Gestalt Gottes“ ausweisen. Die Frage nach Jesus kann mE
nur von diesem ursprünglichen Menschenbild der Genesis her verstanden werden!
Ein Operieren mit Rängen und einem mehr oder weniger immer erniedrigten oder
herabgestuften Menschen, kann nur zu Missverständnissen führen. Dass ein so hoch
Erhobener — durch Gott selbst hoch Erhobener (!) — wie ein Quasi-Gott verehrt
wird, ist nicht abwegig und auch nicht „unbiblisch“. Dem entspricht die
Formulierung des heidnischen Rechtsgelehrten Plinius des Jüngeren (*61/62 n.
Chr., †113/115 n. Chr.),
die ein frühes Zeugnis ist, die Christen würden in ihren Zusammenkünften im
Morgengrauen „carmenque Christo quasi deo
dicere“.[5]
Über diese Formulierung wurde schon viel diskutiert wegen der Wendung „carmen dicere“ (eigentümliche Wendung
wörtlich „Gesang sagen“). Nicht fraglich ist aber das „quasi deo“: Es bedeutet, dass die Christen dem Christus „wie einem
Gott“ Lieder singen bzw ihr (liturgisches) Gebet vortragen. Eine Differenz
zwischen „dem“ Gott und „wie einem Gott“ wird durch das „quasi“ vor dem Dativ
bzw Ablativ subtil ausgedrückt: sie preisen ihn so „wie einen Gott“, nicht „als
Gott“. Der Christus steht Gott also unendlich nahe, aber er ist nicht identisch
mit ihm. Das jedenfalls hat der heidnische römische Jurist, der differenziert
zu schreiben und aufzufassen wusste, so aus seinen Verhören der Christen
aufgenommen. Es ist demnach kaum korrekt, wenn manchmal aus unitarischer Feder
behauptet wird, man habe Jesus vor dem 4. Jh als reinen Menschen aufgefasst und
dies sei auch die „biblische“ oder gar „vernünftige“ Auffassung. Hier muss
bemerkt werden, dass die ältesten vollständigen Handschriften des NT aus der
Zeit nach Plinius stammen, wir also keine originalen Textquellen darüber haben —
von Fragmenten abgesehen.
Es
ist aber andererseits seitens der Trinitarier ein Übergriff, zu behaupten,
Jesus Christus müsse dann identisch mit Gott sein.
Auch
wenn Unitarier es nicht gerne hören: nicht nur das Trinitätsdogma ist ein
(wahrscheinlich nur vermeintliches) Geheimnis, sondern die Gestalt Jesu ist
auch im NT ein Geheimnis. Er bleibt uns in seiner vollkommenen Gestalt immer
ein Stück verschlossen, eben weil er erhoben wurde auf den Thron Gottes, ihm
zur Rechten sitzt, also wie ein Ebenbürtiger behandelt wird. Gott behandelt ihn
wie sich selbst. Und das ist so ungeheuerlich, dass wir es nicht glauben
können. Das steht aber nun einmal an vielen Stellen im NT, nicht dagegen finden
wir dort, dass Jesus eindeutig als der
Gott bezeichnet wird oder sich selbst so ausgibt. Er spiegelt aber den Gott
vollkommen und kann tatsächlich „ego
eimi“ sagen, weil er als Mensch Gott ähnlich ist, wie Gott es ursprünglich
gedacht hatte.
Wenn
wir anfingen, genauer hinzuhören, müssten wir das auch zugeben, denn Jesus
weist gerade in Johannes 8 ganz klar ab, dass er sich mit Gott gleichsetzt. Er
sagt eindeutig, dass er ein Mensch ist und nichts anderes. Die Frage, die wir
ausblenden, lautet aber: Was und wer ist eigentlich der Mensch?
„…jetzt aber sucht ihr mich zu töten, einen Menschen, der ich euch die
Wahrheit gesagt habe, die ich von Gott gehört habe…“ (V40)
Es
ergäbe keinerlei Sinn, hier zu betonen, dass man Mensch ist, wenn nicht dazu,
jeden Gedanken an eine Selbstvergottung auszuschließen!
Was
heißt demnach „Ehe Abraham war, bin ich“?
Es
heißt schlicht und einfach, dass Abraham auf dem langen Weg der Heilsgeschichte
seit den Tagen Evas, der der Nachkomme verheißen wurde, der die Schlange
zertreten würde, zwar eine der menschlichen Stationen war, aber alles auf Jesus
Christus hin geordnet und vorgesehen war. Denn nicht „durch ihn“ wurde die
ganze Schöpfung gemacht, sondern „auf ihn hin die Zeitalter“:
1 Nachdem Gott vielfältig und auf
vielerlei Weise ehemals zu den Vätern geredet hat in den Propheten, 2 hat
er am Ende dieser Tage zu uns geredet im Sohn, den er zum Erben aller Dinge
eingesetzt hat, durch den er auch die Welten gemacht hat; 3 er,
der Ausstrahlung seiner Herrlichkeit und Abdruck seines Wesens ist und alle
Dinge durch das Wort seiner Macht trägt, hat sich, nachdem er die Reinigung von
den Sünden bewirkt hat, zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt; 4 und
er ist um so viel erhabener geworden als die Engel, wie er einen vorzüglicheren
Namen vor ihnen ererbt hat.
(Hebr 1,1-4 ELB)
Auch
die ELB liefert hier eine ungenaue, sogar irreführende Übertragung. Das „di“ (dia) kennen wir zwar auch im
Deutschen als „durch“, hindurch“ in Begriffen wie „Dialektik“, Dialyse“,
„Diagnose“, merken aber schon an der Stelle, dass eine Übertragung der Formulierung
„di hou kai epoiêsen tous aiônas“
(Schluss von V2) sehr schwierig ist. Es ist merkwürdig, dies als „durch
den er auch die Welten gemacht hat“ zu übertragen. Die „Äonen“ sind nicht die
„Welten“, sondern die „Zeitalter“. Damit fängt die abwegige Übertragung schon
an. Es ist auch unverständlich, wie „durch ihn“ diese Zeitalter gemacht worden
sein sollen. Es ergäbe viel mehr Sinn, wenn man übersetzte: „…auf ihn hin /wegen
ihm hat er auch die Zeitalter geschaffen…“. Hier spielt die Frage hinein, warum
überhaupt Äonen sind — seinetwegen nämlich, des Christus wegen, eines Menschen,
mithilfe dessen Gott einen erlösungsbedürftigen Zustand wieder heilen wird. Es
heißt aber nicht, Gott hätte durch den Christus die „Welt erschaffen“. Es heißt
eher, dass die Äonen deshalb geschaffen wurden, um Erlösung zu schaffen, und
die trägt der Christus wesentlich für alle Menschen auf seinen Schultern
aufgrund des Willens Gottes.
An
der Stelle kann man auf die Idee kommen, dass der Mensch überhaupt dazu
erschaffen wurde, Erlösung zu schaffen, selbst mit verwundet wurde, aber Gott
sich sein Werk nicht hat nehmen lassen wollen und den Samen der Frau dennoch
sandte — als Mensch, den er aber ausnahm aus der Verwundung und erneut
entscheiden ließ, ob er das Werk des Menschen vollziehen würde oder nicht.
Wir
haben überliefert bekommen, dass er es vollzogen hat und das kann dem
Glaubenden nur einen einzigen Lobpreis ablocken: Halleluja.
Wir
verstehen so etwas besser, „warum alles so lange dauert“.
Wenn
aber Gott die Zeiten auf den Christus hin geschaffen hat, dann ist auch klar,
warum der Christus im Ratschluss Gottes schon ist, ehe Abraham ein kleines
Wegstück auf ihn hin bahnen durfte.
[1] https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/ich-bin-worte-1/ch/fb5066945f0fbf929694e1f0187e4f60/
[3] „Die
erste der ausgewählten Stellen steht in Vers 16 und bezieht sich auf die Anrede
Jesus durch seine Jünger mit der Bezeichnung dida,skale. In einer Variante die
durch eine Vielzahl an Zeugen belegt ist wird als Ergänzung hierzu das Adjektiv
avgaqe, eingefügt.
Diese Variante wird bezeugt durch C (Codex Ephraemi
Syri Rescriptus), W (Codex Freerianus), Q (Codex Coridethianus), die
Minuskelfamilie ƒ13, die Minuskel 33, Û (Mehrheitstext), einer altlateinischen
Vulgata Handschrift, der syrischen, der sahidischen, der mittelägyptischen,
sowie Teilen der bohairischen Überlieferung und Zitaten bei den Kirchenvätern
Marcus, Justinus und Origines.
Die Standardlesart wird durch folgende Quellen
bezeugt: a (Codex Sinaiticus), B (Codex Vaticanus), D (Codex Bezea
Catabrigiensis), L (Codex Regius), die Minuskelfamilie ƒ1, die Minuskel 892,
wenige Handschriften, die von Û abweichen, altlateinischen Handschriften,
Teilen der bohairischen Überlieferung, sowie dem Teil eines Zitats von Kirchenvater
Origines.
Mit drei Zeugen der Kategorie I, sowie zwei Zeugen der
Kategorie II ist die Standardlesart etwas besser bezeugt, als die Variante, die
aber auch von drei Zeugen der Kategorie II und zwei Zeugen der Kategorie III
bezeugt wird. In diesem Fall sprechen die äußeren Kriterien also für die
Standardlesart. Auch die inneren Kriterien sprechen dafür, dass avgaqe, später
hinzugefügt wurde und somit die kürzere Standardlesart die ursprüngliche ist
(lectio brevior). In: Anonym, 2010, Der reiche Jüngling in Mt 19, 16-22. Eine
neutestamentliche Exegese, München, GRIN Verlag,
https://www.grin.com/document/428859
[5] https://www.uni-siegen.de/phil/kaththeo/antiketexte/ausser/8.html?lang=de
AntwortenLöschenSophia, die Weisheit Gottes – Orthpedia
orthpedia.de/index.php/Sophia,_die_Weisheit_Gottes
01.02.2010 – Die Ikone „Sophia, die Weisheit Gottes“ hat in der Russischen Orthodoxen Kirche eine besondere Stelle inne. Die Ikone stellt die Gottesmutter …
Sophia – Gottes weibliches Gesicht – Kirche heute
https://www.kirche-heute.ch/kirche-heute/beitraege/5impuls/2011-33-Impuls.php
13.08.2011 – Als Gott den Himmel festmachte, war die Weisheit dabei; als er den Horizont abgrenzte über der Urflut. (Foto: Stefan Laszczyk). Sprüche 8,22– …
Weisheit (Personifikation) (AT) – Lexikon :: bibelwissenschaft.de
https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/34659/
… Weisheit · 1.2.5. Sophia und Philosophie in hellenistischer Zeit … Esr 7,25 verwendet die Weisheit Gottes als Synonym zum Gesetzbuch. Vollendet wird die …
Weisheit – Wikipedia
https://de.wikipedia.org/wiki/Weisheit
Weisheit (engl. wisdom, altgr. σοφία, lat. sapientia, hebr. hokhmah) bezeichnet vorrangig ein … Während noch Homer, Pindar oder Heraklit sophia in ihrer ursprünglichen Bedeutung … In der Bibel wird Weisheit als Geschenk Gottes dargestellt.
[PDF]Die Vision von Sophia, der Göttlichen Weisheit des heiligen …
http://www.oki-regensburg.de/sophia.pdf
Sophia – der Göttlichen Weisheit, der sie die ersten Kirchen in Kiew, … eindeutig identifiziert wurde mit Christus, dem Logos, „Gottes Kraft und Gottes Weisheit“,.
Die Vision von Sophia, der Göttlichen Weisheit
http://www.oki-regensburg.de/solov_17.htm
Vladimir S. Solov’ev, dem dreimal in seinem Leben diese Gestalt als „Sophia … dem Logos, „Gottes Kraft und Gottes Weisheit“, kommt nun bei den Slawen ein …
Sophia – Philos Website
http://www.philos-website.de/autoren/sophia_g.htm
Vom Trachten nach Weisheit · Das Hohelied der Weisheit Das Buch Hiob (Ijob) Das Lied von der Weisheit Gottes · Christosophia (Jakob Böhme)
Der spätantike Theologe Pseudo-Dionysius Areopagita, dessen neuplatonisch geprägte Werke im Mittelalter hohes Ansehen genossen, führte den Begriff „Theurgie“ in die christliche Theologie ein. Er bezeichnete damit das Wirken des Heiligen Geistes und Jesu Christi und insbesondere die von Gott herbeigeführte Wirksamkeit der Sakramente.
Auch der christliche Mystiker Dionysios Areopagita verwendete das Wort „Theurgie“ also im Zusammenhang mit dem Heiligen Geist als Geist Gottes. (siehe auch Elias Erdmann usw.)
Der stark vom Neuplatonismus beeinflusste spätantike Theologe Pseudo-Dionysius Areopagita übernahm den Begriff „Theurgie“ in die christliche Theologie.
Theurgie (griechisch θεουργία theourgía „Gotteswerk“) ist eine antike Bezeichnung für religiöse Riten und Praktiken, die es ermöglichen sollten, mit göttlichen Wesen in Verbindung zu treten und von ihnen Hilfe zu erlangen. Der Ausübende wird „Theurg“ genannt. Nach der gängigen Auffassung der antiken Theurgen wurde nicht versucht, die erwünschte Reaktion der Götter mit magischen Mitteln zu erzwingen, sondern es ging um ein Zusammenwirken von Gott und Mensch, bei dem sich der Theurg göttlichem Einfluss öffnete. Siehe dazu auch Johannes „Scottus“ Eriugena und Clemens von Alexandrien als Heiligen Klemens und seinen Schüler Origenes und den Heiligen und Kirchenlehrer Albertus Magnus zur Hermetik als hermetischen Philosoph und christlichen Hermetiker.
Der Heilige Geist ist sträflich vernachlässigt worden
https://www.idea.de/glaube/detail/der-heilige-geist-ist-straeflich-vernachlaessigt-worden-105313.html