Donnerstag, 19. August 2021

Urwirbel

Urwirbel

 

Martin Buber übersetzte das hebräische Wort „tehom“ (sprich: „t‘hom“), das gleich im zweiten Vers der Genesis zum ersten Mal auftaucht (Gen 1,2), mit dem deutschen Begriff „Urwirbel“, an anderer Stelle, auf die ich später kommen werde, mit „großer Wirbel“. 

„Die Erde aber war Irrsal und Wirrsal.
Finsternis über Urwirbels Anlitz.
Braus Gottes schwingend über dem Antlitz der Wasser.“ 

Dieser Satz, der hier den Anfang der Welt setzt, die wir kennen („Bereschit“, „Im Anfang“) und als die „unsere“ ansehen, stellt uns drei vorweltliche Dinge (außer Gott selbst) vor: 

1. eine unbewohnbare Erde („haaretz hajtah tohu wavohu“). Es war eine „Erde“ (hebr. „eretz“) bereits da, aber offenbar vollkommen verwüstet und lebensfeindlich, verbacken mit dem Urwasser. In der Verbindung „tohuwavohu“ ist nur der Begriff „tohu“ ein echtes Wort und meint „Ödland“, „Wüste“, „Verworrenes“, auch das „Ungeformte“. „Vohu“ wird lautmalend dazugesetzt, um ein poetisch verstärkendes Hendiadyoin zu schaffen. Das „tohuwavohu“ ist sprichwörtlich in der deutschen Sprache als „Tohuwabohu“ bekannt. 

2. eine Lichtlosigkeit oder Finsternis („choschekh“)  

3. ein als „Abgrund“, „Tiefe“ oder „Ur-“ oder „Chaoswasser“ vorgestelltes „tehom“ 

Das Wort „tehom“ kann man ableiten von dem Verb „hamah“, das „rauschen“, „brummen“, „knurren“, „lärmen“, „toben“ oder „aufregen“ bedeutet. Ein „hamon“ ist ein „Lärm“, eine „Aufregung“, ein „Getümmel“ oder auch eine „(Volks-)Menge“. Eine „hemjah“ ist ein „Rauschen“, eine „Aufregung“. Eine „hamullah“ ist „Lärm“ oder ein „Geräusch“. „Himum“ ist das „Entsetzen“. Es gibt noch viel mehr Begriffe, die man hier anführen könnte. Alles sind Derivate von „h-m“. Daneben gibt es einen Anklang zwischen „tehom“ und „tohu“. Im Deutschen ist uns das lautmalende „H-m“ eines feindseligen, abwehrenden oder bedrohlichen Knurrens oder Grollens, aber auch eines Summens, Vibrierens oder Brummens ebenfalls als onomatopoetisches Stammwort solcher Derivate bekannt, aber auch in einem weiteren Sinn einer stockenden oder sogar abrupten Sprachlosigkeit. Das Grimmsche Wörterbuch gibt die Interjektion „hm“ alternativ mit „hem“ wieder, das auch als Adjektiv bezeugt ist, etwa bei Behaim: „… wann es was ain minister (geistlicher), dem warn diese Wiener gram und hem ...“. Die Verbbildung dazu war „hemsen“ (hm sagen im Sinne eines missbilligenden Grummelns). Es klingt genauso an in dem lautmalerischen „Hamham“ für „essen“ oder „verschlingen“. Das Hebräische kennt im Piel, das stets eine Intensivierung des Stammverbs im Qal formt, „himhem“ als Begriff für „hm sagen“. Es findet sich so tatsächlich im Langenscheidt-Achiasaf. Das „hm sagen“ ist verbunden mit Stutzen, einem Nicht-Weiter-Wissen, einem gedanklichen Aus-der-Bahn-Geworfensein. Es besteht hier ohne jeden Zweifel eine Verbindung zwischen dem Hebräischen und dem Deutschen, so, als habe sich im Deutschen die Präzision des hebräischen Wortes für das numinos-sprachlose oder übersprachliche Nichtpräzise ironisch niedergeschlagen. Die Anklänge im letzten Buch des Neuen Testamentes an diese Urerfahrung des Ungeordneten, die schillernd zugleich eine „Über“-Ordnung assoziiert, müssen wohl in Beziehung zum ersten Buch der Torah gesetzt werden, verweisen auf ein Paradox: 

„Und ich hörte ⟨etwas⟩ wie eine Stimme einer großen Volksmenge und wie ein Rauschen vieler Wasser und wie ein Rollen starker Donner, die sprachen: Halleluja! Denn der Herr, unser Gott, der Allmächtige, hat die Herrschaft angetreten.“ (Apk 19,6) 

Daniel sieht in einer Vision einen Mann in strahlendes Leinen gekleidet, der zu ihm spricht „kekol hamon“, wie „die Stimme eines Brausens/einer Volksmenge“ (Dan 10,6). 

Auch Ezechiel hat eine solche visionär-auditive Schauung: „Und ich sah: Und siehe, ein Sturmwind kam von Norden her, eine große Wolke und ein Feuer, das hin- und herzuckte, und Glanz war rings um sie her. Und aus seiner Mitte, aus der Mitte des Feuers, ⟨strahlte es⟩ wie das Funkeln von glänzendem Metall. Und aus seiner Mitte hervor ⟨erschien⟩ die Gestalt von vier lebenden Wesen (…) Und über den Häuptern des lebenden Wesens war etwas wie ein festes Gewölbe [hebr. „rakia“ - „Himmelsgewölbe“], wie das Funkeln eines Furcht einflößenden Kristalls, ausgebreitet oben über ihren Häuptern. Und unter dem festen Gewölbe waren ihre Flügel gerade ⟨ausgebreitet⟩, einer gegen den anderen; und jedes hatte zwei ⟨Flügel⟩, die ihnen ihre Leiber bedeckten. Und wenn sie gingen, hörte ich das Rauschen ihrer Flügel wie das Rauschen großer Wasser, wie die Stimme des Allmächtigen, das Rauschen einer Volksmenge, wie das Rauschen eines Heerlagers. Wenn sie stillstanden, ließen sie ihre Flügel sinken. Und es kam eine Stimme von ⟨dem Raum⟩ oberhalb des festen Gewölbes, das über ihren Häuptern war.“ (Ez 1,4+5; 22-25) 

Bei Ezechiel ist der Vergleich der Stimmen mit dem „Rauschen großer Wasser“ durch das „kekol majim rabbim“ ausgedrückt und die „Stimme des Lärmes“ mit „kol hamullah“

Wie immer wir die vorweltliche Situation beurteilen wollen, die in Gen 1,2 geschildert wird: Sie wird als wüst und finster beschrieben, aber nicht als still oder schweigend oder stumm. Die Idee, dass Gott aus dem „Nichts“ schaffe, scheint ausdrücklich verwehrt in diesen knappen Sätzen. Es heißt dementsprechend auch im Buch Job nicht, dass er aus dem Nichts geschaffen habe, sondern aus dem „Bli ma“, dem „Ohne etwas“, dem Ungeformten (Job 26,7). Die Nuance darf nicht verschliffen werden. Der „adon olam“, der „Herr der Weltzeit“, wie eine alte jüdische Hymne es singt, ist „bli reschit“ und „bli tachlit“, „ohne Anfang und ohne Ende“, im Grunde durchaus nahe am „Bli ma“, dem „Ohne etwas“. Formlosigkeit und Ordnung liegen sich hier paradoxerweise nah. Gott hängt daher nicht eine Weltkugel ins „Nichts“ eines angeblichen Vakuums (Alls), sondern Gott schafft die Erde voraussetzungslos aus Ungeformtem. Das ist etwas erheblich anderes. 

Freilich stellt sich die Frage, ob uns die Schrift nahelegt, dass es ungeformtes Etwas als eigene und ständige Qualität geben könne. Ich neige dazu, dieses Ungeformte als einen Aspekt des Geformten anzusehen. Beides ist nicht denkbar ohne das andere. Wenn ich Dinge als Ordnung wahrnehme, muss ich zwingend und logisch auch deren Deformation mitdenken. Dass Gott aus dem „Bli ma“ schafft meint nach meinem Verständnis, dass er alleine es ist, der Urstoff und Form gibt. 

Die Vorwelt ist zwar lebensfeindlich, aber sie ist aufgeregt, lärmend, rauschend, noch nicht (wieder) gebändigt. Immer wieder wurde darüber spekuliert, ob es eine vorherige, aus den Fugen geratene Schöpfung gegeben haben könnte, eine erste Erde, die dann „tohuwavohu“ wurde. Der Text gibt in keinem Fall dazu eine berechtigte Gedankenentwicklung her, aber er deutet in der Tat etwas an, ein Vorher-Sein, aber es bleibt unpräzise, was es damit auf sich hat. Die Vorwelt ist numinos und irgendwie formlos, chaotisch, laut. Ihre Lichtlosigkeit, obwohl die „ruach elohim“ sie überschwingt, ist rätselhaft, ob sie überhaupt raumzeitlich gemeint ist, bleibt offen. Man könnte denken: Solange die „ruach“ über ihr brütet, ist noch Finsternis. Sobald sie sie durchdringt, wird Licht sein. Aber sicher bin ich mir nicht über diesen Gedanken. Immerhin belässt der Schöpfer in der Schöpfung „choschekh“, Finsternis, und nennt sie „laila“ (Nacht) (Gen 1,5). Die „laila“ aber ist nie ganz dunkel, weil Gott sie durch den Mond und die Sterne erleuchten lässt. Die Komplementarität von lichtlosem „tehom“ und schöpferischer Form wird so, im Tag-Nachtwechsel, in die an sich gänzlich durchgeformte Schöpfung implementiert, von der Gott andererseits mehrfach sagt, sie sei „tov“, „gut“. Das Verwirbeln von Form-Nichtform als Ausdruck der aktualen Energie, die aus der Potenz Gottes quillt, tritt uns als ewiges und belebendes Geheimnis vor Augen, das wir auch in der Natur sehen. Alles „strömt und ruht“, wie C.F.Meyer es dichtet (s.u.), oder Rilke im XXII. „Sonett an Orpheus“ (Teil I) ausspricht: „Alles ist ausgeruht:/ Dunkel und Helligkeit,/ Blume und Buch.“ Die dunkle Beschreibung mag der Versuch sein, einen Vorgang der logos-Tätigkeit zu beschreiben, bevor sie manifest wird, einen Zustand, den es eigentlich nicht geben kann für den menschlichen Erkenntnishorizont. Für uns ist alles Sein ein „Da-Sein“ oder „So-Sein“. Die enorme „dynamis“ oder „potentia“, die jeder „energeia“ oder jedem „actus“ vorausgeht, können wir zwar logisch denken, aber nicht phänomenal vorstellen. In Lk 1,35 sagt der Erzengel Gabriel Maria an, die „dynamis“ des Allerhöchsten werde sie überkommen und das „pneuma hagion“ sie überschatten. Hier tritt eine Parallelisierung dieser Urpotenz Gottes mit dem Begriff des „Heiligen Geistes“ auf, literarisch als Hendiadyoin gestaltet und damit gleichgesetzt. Der Zustand der Lichtlosigkeit (Um-/Überschatten), des „choschekh“ aus den drei vorweltlichen Zuständen wird dem beigeordnet. Man kann daher auch annehmen, dass die urwirbelnde „dynamis“ Maria förmlich verschattet, während das ordnende, schöpferische „pneuma hagion“ sie überkommt und befähigt, den Christus in dieser „dynamis“ hervorzubringen – ohne Mann. Der vorweltliche Zustand kann daher nicht als eine Art satanische Gegenwelt gedacht werden, sondern ein potenzieller göttlicher Zustand, der dem hellen und klaren Akt logisch, aber nicht zeitlich vorausgeht. Wir können es nicht weiter entschlüsseln. Die Scholastik ging davon aus, dass bei Gott Potenz und Akt in eins fallen. 

Eines aber ist klar vorgegeben: Dieser Gott ist kein „unbewegter Beweger“, wie Aristoteles es meinte, er („elohim“) oder sie („ruach elohim“) braust, schwingt, vibiriert und spricht. Die Vorwelt mag eine Konzeption der Urkräfte sein, die sich aus Gott in seine Schöpfung in einer Art Geburtsprozess („Akt“) entladen und tatsächlich abnabeln oder sogar selbstorganisieren, aber doch ohne die Herkunft aus seiner Potenz, aus ihm, ohne die Durchflutung seines Lichtes, seiner Liebe, seines „So-Seins“ und seines „logos“ niemals lebensfähig oder -freundlich sein können. Die Verneinung der Herkunft, des Herstammens aus seinem Schoß bedeutet Sterbenmüssen, ein Absterben, ein undenkbarer Gedanke, aber für uns doch Wirklichkeit, die uns zutiefst bestürzt und Fragen über Fragen offen lässt. Blankes Sein als reine, ungerichtete, formlose Potenz, als vor ihrer energetischen Geordnetheit gedacht, ist dennoch – und vielleicht will uns der Vers einfach nur das sagen – ganz und gar von Gott gehalten und umfasst, er selbst aber tritt immer als So-Seiender in unser Leben, als „ehieh“, als „Ich werde (so/da)sein“ (Ex 3,14). 

„Wer hat das Meer mit Türen verschlossen, als es hervorbrach, dem Mutterschoß entquoll, als ich Gewölk zu seinem Gewand machte und Wolkendunkel zu seinen Windeln und ich ihm meine Grenze zog und Riegel und Türen einsetzte und sprach: Bis hierher kommst du und nicht weiter, und hier soll aufhören der Stolz deiner Wellen?“ (Job 38,8-11) 

Wir entnehmen auch diesen Worten des Herrn aus dem Sturm an Job, dass das „tehom“ einem „Mutterschoß“ entquoll, der ohne jeden Zweifel nur der Gottes sein kann bzw seiner „ruach elohim“. Der Schoß, hier der „rechem“, von dem auch Gottes „Erbarmen“ abgeleitet wird, gewissermaßen seine „Mutterschöße“, die „rachamim“, manchmal auch als „ruchamah“ bezeichnet, ist einer der alttestamentlichen Schlüsselbegriffe für Gott selbst. Über dieser Vorwelt also schwingt, brütet, vibriert die „ruach elohim“, der Geist Gottes, ebendiese Potenz, die „dynamis“, bildhaft gezeichnet wie eine Art Vogelmutter, die über all dem ist, schwebt, fliegt, mit stiller Leichtigkeit, und Irrsal, Finsternis und Urwirbel förmlich bebrütet. Die „ruach elohim“ schwebt, vibriert, „merachefet“ über den Wassern. Eine Selbstreferenzialität Gottes wird angedeutet, keine Bini- oder Trinität, wie oft behauptet wird, aber eine Selbstschauung, der eben ganz und gar nichts Narzisstisches anhaftet ... „Rachaf“ bedeutet „brüten“ oder „schweben“ und wird hier im Partizip feminin Piel, also der verstärkenden Form angewandt, das Schweben erscheint vibrierend, energetisch, flirrend, summend, in einer geheimnisvollen Korrespondenz zum Lärmen des Urwirbels und des „tohuwavohu“. Das Flirren und Summen ist geordnetes Geräusch, Stimme, nicht mehr lärmend, aber doch durchdringend, am Ende stärker als das stärkste Tosen, wie ein großer Magnet, der fast lautlos alle Dinge ausrichtet und stabilisiert. Die alte Vorstellung, in der Mitte der Erde sei ein Magnetberg, an dem alles ausgerichtet sei, was ist, kommt dieser Vorstellung sehr nah. Es ist denkbar, dass die Dinge dabei weiterhin toben und lärmen, aber dennoch lassen sie sich energetisch einfassen von der mütterlichen „ruach elohim“ und in Ordnungen bringen sobald „elohim“ beginnt zu sprechen. Auch das Verb „amar“ (sprechen) klingt noch an das „h-m“ oder „(a)m“ an. Mit ihm wird der dritte Vers der Genesis eingeleitet: „Wajomer elohim ...“ … „und Gott sprach“. 

Die „Stimme des Allmächtigen“, der „kol schaddaj“ bei Ezechiel, erscheint so kaum unterscheidbar vom „tehom“ oder merkwürdig in dessen phänomenaler Nähe. Das Lob der Engelwesen um den Gewaltigen erinnert an das Tosen des „tehom“. Es ist enorme Bewegung da, wo Gott ist, ein gewaltiges Rauschen, zugleich ein feines Summen und Schweben, das aber energetisch so stark ist, dass es das Grollen des „tehom“ mit Leichtigkeit bändigen kann. Die Vorstellung, dass Gott die Welt aus Klang, Vibration, einer energetisch gebärenden Potenz heraus erschaffen hat, liegt im biblischen Kontext sehr nahe. Der spätere Johannes-Prolog deutet die „Bereschit“-Erzählung als ein „en arche en ho logos“, „im Anfang war das Wort“. Der geheimisvolle und unübersetzbare „logos“ bedeutet in jedem Fall etwas, das Konzeption, Wollen, Formen und Sprechen konzentriert. Im Sanskrit ist uns der Urklang, aus dem alles geschaffen wurde, als die Silbe „Om“ bekannt. In ihr klingt ebenfalls das „h-m“ an, von dem oben die Rede war. „Hm“ oder „Om“ bringt die Dinge zum Schwingen, zum Vibrieren. Wer längere Zeit „Hm“ singt wird spüren, wie seine Lippen und allmählich der ganze Leib zum Schwingen kommen, so sehr, dass es unangenehm und „kribbelnd“ werden kann. 

 „Der Klang des Om von 136,10 Hz in der Tonlage CIS steht für den transzendenten Urklang, aus dessen Vibrationen nach hinduistischem Glauben das gesamte Universum und auch unsere Welt entstand. Das erhabene Symbol und sein Klang begleiten uns von Zuständen tiefster, innerer Ruhe über Traumzustände bis hin zum vollkommen bewussten Wachzustand. Es vereint alles was war, alles was ist und alles was sein wird in seinem schwingenden Klang. In der traditionellen Tempelmusik wird diese Tonlage ebenfalls verwendet. Außerdem klingen viele Glocken in genau diesem Klang.“

Eine Ähnlichkeit finden wir im biblischen Wort „Amen“. Es leitet sich vom Verb „amen“ her und bedeutet „(gewiss) so sein“. Interessanterweise bedeutet hebräisch „em“ „Mutter“, die Konjunktion „im“ meint das „wenn“ oder „sofern (etw so ist)“, in älterem Deutsch durchaus mit „so“ übertragbar („so es so ist ...“). Eine Anhängung eines „nun“ (Buchstabe n im hebr. Alphabet) an einen hebräischen Wortstamm, in diesem Fall also an das „(a)m“, ist eine Form der Substantivierung von Verbstämmen bzw der Ableitung weiterer Nomen von einem Stammwort. Das „(a)m“ als ein „so“ wird zu einer „So-heit“. Traditionell fassen alle Christen deshalb die Formel „Amen“ am Ende von Gebeten als ein „So sei es!“ auf. Das „Amen“ ist ebenfalls wie im Sanskrit das „Om“ ein heiliges Wort und taucht an allen alttestamentlichen Belegstellen ausschließlich in theologischen Zusammenhängen auf.ii 

Bei Jesaja ist der „elohei amen“ der „Gott des Amen“, also der Gott der „So-heit“, der Treue, Zusage und Gewissheit (Jes 65,16). Aber es geht eben der „So-heit“ dieser „Urwirbel“ voraus, diese unvorstellbare Potenz Gottes, die sich energetisch manifestiert. Und an dieser Stelle müssen wir dieses In-Gang-Setzen annehmen, das von Gott ausgeht, das er ist, und vor jeder Raumzeitlichkeit liegt, den „Urwirbel“, der niemals aufhört zu wirbeln und in ein „So“ gebracht zu werden. Er ist die Grundform alles Lebens in der Schöpfung. 

Auffallend ist, dass das deutsche „wirbeln“ hebräisch „lehitarbel“ heißt, ein reflexives Verb in der Intentivform ist iS von „sich vermischen“. „Irbul“ ist dementsprechen das geordnete „Mischen“ (v.a. von Materialien etwa in einem Betonmischer). Die Stammähnlichkeit ist dabei zu beachten, das „(w)-rb-l“ und lässt einmal mehr ahnen, dass es zwischen dem Hebräischen und Deutschen tiefe Beziehungen geben muss. Mir erscheint ein inneres Bild davon, dass der aus Gott geborene Urwirbel zunächst tatsächlich in eine Art „Selbststand“ versetzt ist, in dem er zwar „wirbelt“, aber ungeordnet, er mischt die Dinge durcheinander ohne Ziel und Maß. Ihm fehlt der Herzschlag, ein pulsierendes Verwirbeln, die „chokhmah“, die Weisheit. Er ist so etwas wie eine losgelassene, ungeordnete Göttlichkeit. Durch das „amar“ Gottes, das Sprechen des Schöpfers, ordnen sich die chaotischen Bewegungen des „tehom“ zu freien und geordneten, zusammenklingenden Wirbeln. Wirbel meinen Drehbewegungen um gedanklich hinzugefügte Zentren, wir kennen das aus Wasserbewegungen, Windbewegungen, vom Feuer, wir erleben es tagtäglich, ohne dass wir darüber nachdenken. Luftwirbel erleben wir, wenn wir Trillerpfeifen blasen, wenn wir Drachen steigen, Fahnen wehen lassen. Wasserwirbel, wenn wir Steine in einen See werfen, wenn wir dem Wasser in einem schnellen Bach zusehen, wie es verwirbelnd seinen Weg im Bachbett geht. Genauso kann der Blutkreislauf eines Lebenwesens als Wirbelströmung angesehen werden, ein zweiseitiges, mäanderndes Zusammenspiel in niemals geraden Grenzen. Unsere Kinder schrauben sich förmlich durch unseren Geburtskanal, vieles erscheint spiralig angelegt. Wassertropfen, die an einer Scheibe herabfließen, tun das niemals gerade, sondern in Mäandern. Zwischen den Längswirbelströmungen der unbegradigten Flüsse bilden sich Querwirbel, es gibt explosive und implosive Wirbel mit jeweiligen energetischen Effekten. Viktor Schauberger (1885-1958), ein von schulphysikalischen Eiferern hart bekämpfter und lächerlich gemachter Naturforscher, erkannte in jedem Fall die durchgehende Wirbelstruktur in der gesamten Natur. Seine Erkenntnisse werden inzwischen auch von Behörden angewendet. Der Dokumentarfilm „Die Natur kapieren und kopieren“ von 2008 von dem freien, lange für das ZDF arbeitenden Filmemacher Franz Fitzke, gibt einen sachlichen und seriösen Einblick. Der Wikipedia-Artikel samt der Diskussionseite dagegen weist heute, am 17.8.2021, die bekannten, unsachlich-hämischen Hetzstrukturen auf, die seit Jahren von interessierter Seite unerwünschten Denkern und Forschern nach „Faktenchecker-Manier“ angetan werden. Der Hass schien so weit gegangen zu sein, dass man versucht hat, einen Wiki-Eintrag über den Forscher gänzlich zu unterdrücken.iii 

Erinnert sei an Conrad Ferdinand Meyers sieben Gedichtfassungen vom „Römischen Brunnen“, in denen er – als ergäbe sich dies aus dem Thema – nach einer immer dichteren und knapperen Sprache suchte, die den Wirbelstrom prägnant „sichtbar“ und „hörbar“ macht, bis er die Endfassung 1882 fand: 

"Aufsteigt der Strahl und fallend gießt
Er voll der Marmorschale Rund,
Die, sich verschleiernd, überfließt
In einer zweiten Schale Grund;
Die zweite gibt, sie wird zu reich,
Der dritten wallend ihre Flut,
Und jede nimmt und gibt zugleich
Und strömt und ruht."

In der Erzählung der Sintflut wird bei genauer Betrachtung nichts anderes erzählt, als der Entzug des ordnenden Sprechens Gottes. Dem „tehom“ wird der „logos“ weggenommen, und es kann seinen „Stolz“ (s. Job) austoben, begrenzt auf 40 Tage (Gen 7,11f): 

„An diesem Tag aufbrachen
alle Quellen des großen Wirbels.
Und die Luken des Himmels öffneten sich.
Der Schwall geschah vierzig Tage, vierzig Nächte auf die Erde.“ 

Nicht nur unsere Tage bewegen sich zwischen den Polen der Ruhe und der Bewegung, alles ist schwingend in geordnetem Wirbel. Eine Kosmologie, die diesen Gedanken nicht berücksichtigt, kann nur falsch sein. In die Bereiche jenseits des Urwirbels und jenseits der „Über“-Ordnung Gottes kann kein Mensch hindenken. Eines aber müssen wir schließen aus all dem: Es gibt ein Jenseits zur raumzeitlichen Erfahrung, aber dafür sind wir nicht disponiert oder die Disposition dazu ist deaktiviert. Das So-Sein Gottes ist eine Überfülle, eine unendliche Energie aus einer unendlichen Potenz, „bli reschit bli tachlit“, ohne irgendeine Begrenzung. Es muss Übergänge geben zwischen seiner Unbegrenztheit und der Begrenztheit, von der er zu Job sprach, der wir unterliegen in diesem Leben. Jede Kosmologie muss das mit bedenken. Eine Verlängerung unserer Begrenztheit in ein angeblich unendliches „All“ der Begrenztheiten, das trotz sagenhaft vieler "Galaxien" und Sonnen einfach nur Finsternis bleibt (Olberssches Pradoxon!), ist Selbstbetrug und ein Selbstausschluss aus dem ewigen Leben oder der wirklichen „Basileia tou Theou“, dem Königreich Gottes, dem Reich des Unbegrenzten, in dem „die Finsternis finstert dir nicht, / Nacht leuchtet gleichwie der Tag, / gleich ist Verfinsterung, gleich Erleuchtung“ (Ps 139,12). Nur dort kann es licht sein, wo die Begrentzeit geborgen ist im "bli reschit bli tachlit", das Gott zukommt, ihm und nur ihm.

Je nachdem, wie wir die von uns erlebten physikalischen Kräfte beschreiben, gelangen wir in den Widerspruch, die Selbstaufhebung derselben und das Eingeständnis, dass selbst die physikalische Welt sich in einer Dimension verlängern könnte, an die wir weder hindenken noch hin-vorstellen können, und dies obwohl wir mitten darin leben.

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i https://karmandala.de/blog/om-die-heilige-silbe/

ii https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/amen-at/ch/41d4fdc2f7354104b43bffa3a112a610/

iii „Die Löschung der Seite „Viktor Schauberger“ wurde ab dem 28. Februar 2007 diskutiert. In der Folge wurde der Löschantrag entfernt. Bitte gemäß den Löschregeln vor einem erneuten Löschantrag die damalige Diskussion beachten.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Viktor_Schauberger#Seri%C3%B6se_Quellen?

 

1 Kommentar:


  1. Weshalb 1. Johannes 5,7.8a in die Bibel gehört

    http://hauszellengemeinde.de/cj/

    Die Bedeutung der Stelle und die theologische Diskussion über ihre Echtheit ergeben sich daraus, dass dieser Satzteil ein biblisches Zeugnis für die Dreieinheit GOTTES darstellt.

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