Freitag, 29. August 2025

Satanismus, Christianismus und Gewalt – das Rad des Todes

 

Satanismus, Christianismus und Gewalt – das Rad des Todes


Auf dem Blog des russischen Philosophen Alexander Dugin wurde ein Aufsatz aus Deutschland veröffentlicht, der mich tief bestürzt hat, weil er deutlich macht, wie tief Satanismus und (traditionalistisch-katholischer) Christianismus sich in einem furchtbaren Abgrund treffen. Er beginnt mit folgenden Worten:

„„Satan! C'est le christianisme tour entier; pas de Satan, pas de Sauveur!“ (Der Satan! Dies ist das ganze Christentum; kein Satan, kein Heiland!) Dies schrieb einst der „Aufklärer“ Voltaire, der vieles war, nur eines nicht: ein Atheist. Heute können viele einen solchen Satz, von dessen Wahrheit Voltaire auch überzeugt war, nicht mehr auf ihre Fahnen schreiben, weil sie die Aussage dieses „seltsamen Jesus aus Nazareth“ nicht nur mißverstehen, sondern von der intellektiven Erfahrung geistiger Realitäten auf dem Fundament einer gesunden Philosophie in ihrer Seinsbezogenheit wissenschaftlichen Systematik nach Jahrzehnten sozialdemokratischer Gesamtschulbildung und der im Wortsinne unseligen und teuflischen Revolution der Römisch-Katholischen Kirche durch das Vatikanum II auch nicht mehr den kleinesten Schimmer einer Ahnung haben ...“

Quelle

Ist es nicht einigermaßen gruselig, dass traditionalistische Christen den Satan und die Dämonen als eigenständige und geschaffene, aber gefallene Wesenheiten (Geister) mehr brauchen als Jesus Christus?

Warum zitiert der Autor diesen Voltaire-Satz, und warum leitet er daraus ab, dass Voltaire kein Atheist gewesen sei?

Voltaire hält Gott selbst keiner Erwähnung für würdig!

Voltaire meint mit diesem Satz, dass das Christentum der Satan selbst, also gewissermaßen "in persona" sei und dass es keinen überwundenen Satan gebe, solange es das Christentum gibt.

Es befremdet mich, ausgerechnet an einer solchen Aussage den eigenen starken Teufelsglauben auszurichten anstatt etwa an biblischen Aussagen einen erlösenden Christusglauben. Es gibt zwar von kirchlichen Autoren ausführliche Dämonologien, aber sie sind niemals dogmatisiert worden.

Die Lehre von den gefallenen Engeln ist außerbiblisch und auch letztendlich außerkanonisch. Sie wurde erst im Mittelalter massiv in die christliche Welt eingeführt, insbesondere - leider - von Thomas von Aquin. Er konnte sich auf persönliche Meinungen einiger Kirchenväter stützen, etwa von Augustinus, nicht aber auf Aussagen Jesu oder Pauli. Ohne eine übersteigerte Dämonengläubigkeit hätte es schwerlich die martialische Hexenverfolgung auf deutschem Boden gegeben, die unsere Geschichte belastet.

Der Autor trägt leider nicht ein einziges theologisches Argument vor. Er vertritt einen Basta-Standpunkt: "Dugin nennt die Dinge beim Namen, er verschleiert sie nicht und redet nicht darum herum. Er verscheucht die Nebel, indem er dem gläubigen Christen Tucker Carlson unumwunden Recht gibt: „Wenn wir Christen sind, müssen wir das glauben! So sieht es die christliche Tradition!“ Es gibt von Gott geschaffene engelhafte Geister, die Ihm und uns dienen, uns helfen, sich in die richtige Richtung zu bewegen. Und es gibt gefallene Engel, böse Geister, die uns in Sackgassen führen und Verwirrung stiften."

Dass es "Geister" gibt, wird kaum jemand bestreiten, aber die Frage ist, was das genau ist.

Ob das geschaffene Wesen im Selbststand sind oder nicht doch etwas anderes.

In der gesamten Schrift, auch im NT, wird nirgends behauptet, dass das geschaffene und gefallene Geister seien!

Auch in den erzählten Exorzismen Jesu wird nirgends gesagt, dass das so sei. Es bleibt in den Texten völlig offen, um was es da geht.

Paulus vollends geht gar nicht um mit einem Dämonenglauben.

Dazu ist wichtig zu verstehen, dass "daimon" nicht dasselbe ist wie das, was wir heute unter einem "Dämon" verstehen nach fast 1000 Jahren christlicher Dämonenhörigkeit.


Wir müssen uns unbedingt klarmachen, wovon wir hier reden und was auch die griechische Vorstellungswelt in der Antike tatsächlich vor Augen hatte:


aus dem Gemoll Standard-Lexikon Altgriechisch


Das semantische Feld des Begriffs "daimon" ist eigentlich klar.

1. Es sind entweder die Seelen Verstorbener in einer Zwischenwelt zwischen Menschen der paradiesischen Zeit und Göttern. In dem Sinn "hat" jeder Mensch einen "daimon", weil jene aus ihrer Zwischenwelt als Schutzgeister zugeordnet werden zu den Lebenden. Aus diesem Strang kommen die "Schutzengel". Das heißt: Dämonen sind in diesem Verständnis Schutzengel. Wichtig: KEINE geschaffenen Wesenheiten, sondern das sind Menschen bzw der Geist von Menschen!!!

2. Der Bezug auf Dämonen meint Gott und sein Walten. "Mit Dämons Hilfe" meint "mit Gottes Hilfe".

3. a. das alte Glück und b. das Verderben

Das bedeutet, "daimon" iS eines Geistes, der irgendwo herrscht. Die Gesinnung, die jemand hat, ob gut ob schlecht: Was jemanden antreibt sozusagen.

Der allerletzte Hinweis auf das NT ist ein Ausfall aus dem semantischen Feld! Und er kommt ohne Textnachweise aus!

Es ist nicht das NT, das aus dem semantischen Feld fällt, sondern diese kirchliche "Tradition", die das tut! Aber wie kommt sie darauf, wo sie damit das semantische Feld sprengt?!

So heißt es in der LXX etwa in Ps 95 (96MT) Vers 5, alle Götter der Völker seien Dämonen. Hebräisch heißt es: "Elilim". Was sind "Elilim"?

"Elilim" sind "Nichtigkeiten" bzw "Nichtse". Buber überträgt das mit "Gottnichtse".

Die LXX meint höchstwahrscheinlich damit ebenfalls, dass es kraftlose und nichtige Vorstellungen sind, menschengemachte Idole, die nicht das können, was Gott kann, denn, so heißt es weiter: Gott (der wirkliche und einzige Gott) hat alles erschaffen. Das können diese Nichtse nicht.

Keine Spur also von wegen "geschaffene und gefallene Geistwesen". Geschaffen sind sie im alttestamentlichen Kontext alleine und einzig aus der menschliche Idolatrie. Aus dem Geist des Menschen.

Es ist durchgehende Botschaft im gesamten AT, dass es diese anderen Götter nicht als das gibt, wofür sie gehalten werden. Die Propheten, Jesaja, Jeremia, rufen es aus mit Vollmacht und Kraft: Es sind nur Vorstellungen und Schnitzwerke aus der Hand des Menschen, es sind Nichtigkeiten, die keinerlei Vermögen haben. Damit ist gemeint: Sie haben kein eigenständiges Vermögen, aber wenn der Mensch sie egregorial füttert und pflegt, erhalten sie Energien aus dem Geist des Menschen, der von Gott abgefallen ist.

Bei Dugin wissen wir, dass er einst Anhänger Aleister Crowleys war. Crowley wiederum stammt aus einem darbyistischen Hintergrund. Der Zusammenhang ist gruselig. Man mag sich ja ansehen, wie sich Crowley inszeniert hat: Das kommt wohl dabei heraus, wenn Christen zum Dämonenglauben erzogen wurden?!

Dugin hat sich davon mW niemals klar und deutlich distanziert. Das mögen Jugendsünden gewesen sein, aber man muss sich schon klarmachen, aus welchen Hexenküchen des Geistes er eben auch beeinflusst war und ist. Mit "christlicher Tradition" hat das gar nichts zu tun, sondern mit dem Satanismus des 19./20.Jh, der nach wie vor wirkt. Will der Autor das wirklich nicht differenzieren von den wirklichen biblischen Aussagen?!

Was nun wiederum Tucker Carlson gemeint hat mit seiner Bemerkung, dass heutige Politiker von bösen Geistern besessen seien, bleibt un-untersucht.

Und auch dann ist eine solche Aussage keineswegs Ausweis für einen "gläubigen Christen".

Was ist hier nur los!

Der Christ bekennt sich nicht zu Dämonen, Gottnichtsen und dem Satan, sondern alleine zu Jesus Christus als dem neuen Adam und Gott, seinem Vater.

Etwas anderes gibt übrigens auch die kirchliche Tradition, also: die verbindliche Tradition, nicht her.

Das Vaticanum II hat da in manchem auch aufgeräumt mit diesem Wust an irrsinnigem Aberglauben, der sich an die echte Tradition angeschwemmt hat und dringend einmal kritisch angesehen gehörte.

Wie kann es sein, dass Christen dem abergläubischen Satans- und Dämonenglauben nachtrauern und davon den wahren Glauben abhängig machen?

Der aggressive, apodiktische Stil und das vollkommene Fehlen jeglichen theologischen Arguments in dem Artikel muss den aufmerksamen Leser stutzig machen.

Meine Vermutung ist, dass sie - es klingt nun hart, aber was soll man sonst daraus schließen - dass sie selbst besessen sind von diesen Nichtsen und den magischen Traditionen und Gedankengebäuden wie in einem Bann und die Erlösung und Freiheit Christi von all dem letztendlich ablehnen.

Und damit geben wir Voltaire recht: DIESES Christentum, der Christianismus, ist selbst der Satan. Von Erlösung keine Spur.

Interview Tucker Carlson - Alexander Dugin

Dugin fabuliert hier jedenfalls nicht von Teufeln und Dämonen, sondern legt die bekannte Lehre vom Individualismus und seiner Abgründigkeit und Folgerichtigkeit hin zu dem, was wir heute erreicht haben, dar.

Da er Werner Olles allerdings erlaubt hat, seinen Artikel auf dem eigenen Blog zu veröffentlichen, wird er etwas Ähnliches an anderer Stelle vielleicht gesagt haben.

Bei Dugin bin ich stets hin und her gerissen. Einerseits analysiert er vieles nachvollziehbar, aber eines verstehe ich nicht:

Er sagt, der alte Liberalismus, den Tucker mit persönlicher Freiheit gegenüber dem Staat oder der Sklaverei verbindet, auch der Freiheit, das zu tun, wohin man sich geneigt sieht, logisch zum "neuen" Liberalismus führen müsse, in dem man sich nicht vom Staat oder der Sklaverei, sondern am Ende dem eigenen Menschsein befreien müsste. Kennt er die wichtige Unterscheidung zwischen Freiheit von etwas und Freiheit zu etwas etwa nicht? Er wirft es jedenfalls undifferenziert durcheinander! Eine Art Trotzkismus der "permanenten Revolution", hier in einer Verstetigung des Sich-Befreiens-von-etwas. Irgendwann bleibt einem dann nur noch, sich vom Leben selbst zu befreien.

Das ist nur eine Seite des Geschehens. Dugin erwähnt selbst, dass auf Befreiung von etwas Kontrolle über etwas geworden ist.

Dugin erwähnt Schwab, Harari, Kurzweil, aber denen geht es kaum um eine Befreiung, sondern um einen Prozess der Re-Kreation, einer alchemistischen Auflösung alles Natürlichen, um eine Welt neu zu erfinden. Der Mensch, als "trans human", ist nichts als eine Erfindung des Lebendigen als Fürst über die Schöpfungen iS einer Maschine, eines Funktionsmechanismus. In genau dem Sinn wird der Mensch als lebendige Seele von diesen Leuten geleugnet. Bewusstsein ist ein Algorithmus, der gesteuert werden kann und muss.

Wo da die "kollektive Anbindung" des Menschen aufgelöst sein soll, sehe ich nicht.

Und was hat das mit "Individualismus zu tun?

Ich sehe es nicht.

Dugin ist da im Denken gebrochen und widersprüchlich, wie ich denke.

Und nicht zuletzt frage ich mich, warum er, wenn er in den Entwicklungen der letzten 500 Jahre eine logische Folge sieht, nicht auch erkennen kann, dass das, was sich seit 500 Jahren entwickelt, ja nicht vom Himmel fiel, sondern ebenfalls eine Entwicklung dessen ist, was schon davor schief gelaufen ist.

In Einzelaspekten finde ich Dugin oft sehr interessant, aber mit Systematik und Logik auf das Ganze gesehen hat er Probleme. Er glaubt, es habe irgendwann einen Bruch mit der "Tradition" gegeben, aber er bleibt uns eine genaue Eingrenzung und Darlegung schuldig, denn dieser Bruch geschah gewissermaßen schon immer: christliche Lehre von der Abgefallenheit des Menschen setzt das logischerweise voraus.

Man mag das als schiefe Ebene ansehen, bei der es erst mal weniger schlimm war und sich dann summierte, aber es gibt letztendlich keine un-kontaminierte "Tradition". Es ist alles durchsetzt von Irrem und Bösem.

Und Traditionalismus setzt oft beim älteren Verunglückten an, nicht beim Guten ...

 Nicht zuletzt finde ich seinen Kampf gegen den Nominalismus extremistisch.

Die Nominalisten sagten ja nirgends, dass es keine Ideen gebe, zu denen das Einzelding in Relation stehe.

Das stellt er verkürzt und aus mS falsch dar.

Sie sagten nur, dass die Allgemeinbegriffe von der Seele anhand der Erfahrung mit den Einzeldingen gebildet und auch modifiziert werden. Nominalisten lehnten lediglich die Vorstellung ab, dass es irgendwo eine "Geistwelt" gebe, in der die Ideen hinter den Dingen als Geistwesen existierten.* Letzterer Denkansatz führt übrigens in zahlreiche logische Probleme und Verwerfungen, und man muss vielleicht sagen, dass der Nominalismus am Ende nicht siegte, weil ein paar Dämonen die Köpfe verhext haben, sondern weil der Realismus bzw die platonische Ideenlehre mit den gedanklichen Problemen, die sie erzeugte, nicht mehr fertig wurde und sich schlicht geschlagen geben musste. Untergründig wirkte sie weiter.

Spannende Frage wäre, inwieweit der alchemistische Wahn mit dem Realismus im Universalienstreit verbunden ist.


Hat die Entdämonisierung der Natur am Ende dazu beigetragen, dass man externe, unabhängige Geistwesen erfinden musste?

Ein Prozess, der in der Antike angestoßen wurde, als man begann, nach einem "Urstoff" zu suchen und damit die Alchemie einleitete, die zur totalen Auflösung alles Gegeben führen sollte und zu einer Neu-Coagulation, also dem, was wir "New World Order" nennen könnten?

Solange man in der Natur lebendige Energien Gottes in Wirkung annahm, schrieb man dem Einzelding weder eine "Idee dahinter" zu noch sah man nur Einzeldinge, die keinerlei Anbindung an nichts hatten (was allerdings nicht dem mittelalterlichen Nominalismus entspricht!).

Es blieb verborgen und ein Mysterium, wie das Göttliche in den Dinge wirkte.

Durch die Abstraktion und Zuweisung zu einer festen "Ideenwelt" dahinter, die man folglich erkennen und entschlüsseln könnte, verlor man diesen Aspekt des Waltens Gottes in allen Dingen, das sich dem Zugriff entzog und darum als "daimon" gesehen werden konnte, als eine Art "Sinn" oder "Schicksal", auch Vorhersehung und Souveränität Gottes, über die man weder Urteil noch Erkenntnis haben könne. "Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken" heißt es beim Propheten in der Bibel. "Soviel höher der Himmel über der Erde, so viel höher meine Gedanken über euren", lässt er Gott sagen. Damit ist weniger "Hoch-Tief" gemeint als die riesige geistige und epistemische Ferne.

Genau das ist der stolze, hochfahrende und anmaßende Menschengeist nicht bereit zu akzeptieren.

Man projizierte den eigenen Hochmut auf "gefallene Geistwesen", die angeblich wie Gott hätten sein wollen und "nicht dienen wollen".

In Wahrheit beschrieb man damit nur das eigene Denken und die eigene Anmaßung des Menschen.

Denn wer die verstörende Realität dessen, was er nicht erkennen und erklären kann, einebnen will, und sei es am Ende durch eine Schuldzuweisung an angebliche gefallene Geistwesen, die angeblich hinter der eigenen Bosheit steckten, der hat sein Kreuz immer noch nicht auf sich genommen und zugegeben, dass wir selbst es sind, die diesen Ungeist erschaffen und sich selbst damit bannen.

 

Dugin nimmt öfter Bezug auf Martin Heidegger.

Ich frage mich, ob hier nicht massive Missverständnisse seitens Dugins vorliegen.

Heidegger lehnte den Platonismus mW scharf ab.

Das goldene Zeitalter, den "ersten Anfang", als die Dinge im Lot waren, als sich das Sein frei und lichtvoll - und natürlich im Einzelgegenstand inmitten des Ganzen! (Seiendes) - entbergen konnte, lag in einer vorklassischen, sehr alten Zeit in Griechenland.

Spätestens mit dem Platonismus kam es zur Bildung des zwanghaften Entbergens des Seienden aus dem Sein, das "Ernten des Seins" zugunsten des "Gestells und eines "Bestandes", womit er sehr gut den alchemistischen Prozess und die Ausbildung dieses Weltsystems, den "kosmos", von dem auch Jesus spricht, beschreibt. Heidegger verbindet diese Fehlentwicklung mit der Technikentwicklung, stellt aber fest, das Wesen der Technik (techne) sei etwas anderes, das paradox zur Technikentwicklung in ihrem universalistischen Wahn, dennoch sichtbarer würde.

Einen neuen Anfang schrieb er dem deutschen Sprachraum zu: von dort müsse dieser neue oder andere Anfang kommen. Vorausgehen würde ein metaphysisches Geschehen, das er "Ereignis" nannte.

Ich verstehe überhaupt nicht, wie Dugin als Neuplatoniker sich ausgerechnet auf Heidegger stützen will, der im Universalismus des Judentums, des Christentums und des Platonismus den verheerenden Strang zu einer "Selbstvernichtung der Menschheit" sah.

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* Als der erste Adam allen Lebewesen einen Namen gab, also diesen Begriff bildete, wie uns Gen2 berichtet, wird nicht gesagt, er habe da Zugang zu einer "Ideenwelt" gehabt.


Der biblische Schöpfungsmythos selbst legt uns dar, dass vom Einzelgegenstand aus ein Begriff gebildet wurde.

Einerseits tut Gott das, wenn er spricht und schafft.

Andererseits bleibt aber Gottes Begriffswelt im Mysterium. Niemand kann sie dekodieren. Von daher ist der Platonismus eine unfassbare Anmaßung!

Gott hat aber dem Menschen tatsächlich die Begriffsbildung in seinem irdischen Feld übergeben: Er DARF sich Begriffe bilden und Kategorien.

Aber damit ist kein "solve et coagula!" der Alchemie gemeint!

Hier wäre neu zu bedenken, was uns diese Stelle in Gen2,19ff eigentlich sagt.

Sie sagt, dass der Mensch die Dinge benennen SOLL.

Unser Dilemma ist folglich nicht, DASS wir das tun, sondern WIE wir es tun.

Das Wie bezieht sich nicht auf eine Hinterwelt, die wir berücksichtigen müssten, zu der wir aber keinen Zugang haben!

Das Wie bezieht sich auf die geschaffene Welt als ein liebevolles Rätselspiel, etwas, das Gott unserer Entdeckerlust geschenkt hat.

Nicht unserer Deformationslust oder gar Gier und Ausbeutungsambition.

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Der gedankliche Ansatz, auch der bei Dugin, ist aus meiner Sicht ganz und gar antichristlich.

Man merkt das nicht nur an dieser merkwürdigen Satanshymne, die der Autor dem voranstellt, scheinbar ohne zu bemerken, dass er das tut, dass von Gott keine Rede ist und der Erlöser geleugnet wird, das letzte Wort in dieser kurzen Sentenz aber der Satan hat.

Lord Acton schrieb angesichts des irrsinnigen Vaticanum I (1869/70), auf dem der Universalprimat des Papstes definiert wurde samt der Unfehlbarkeit den berühmten Satz:

"Power tends to corrupt, and absolute power corrupts absolutely."

Die absolut moderne, katholische Traditionalisten-Lüge verhetzte schon im 19. Jh all das, was es in der katholischen Kirche eben auch gab, und immer noch, weil das die wahre Überlieferung Jesu war und ist: Freiheit, keine irdische Herrschaft (die satanisch ist, bedenke man die Versuchung in der Wüste!) unter Christen, Hoffnung auf die zukünftige Welt durch Jesus Christus und seine Auferweckung.

Konservative waren es, die alles bis zur Unkenntlichkeit verdrehten und die wirklich Glaubenstreuen (im Glauben an Jesus Christus!) gegen Kirchen- und Papstreue ausspielten.

Lord Acton also schrieb diese schwerwiegenden Worte an den anglikanischen Bischof 1887.

Damals stand Menschen vor Augen, was es bedeutet, Kollektiven unterworfen zu werden, keine individuellen Rechte in ausreichendem Maße zu haben. Der heutige Mensch, vor allem der Traditionalist, ist das verwöhnte Kind der Freiheit, deren er überdrüssig geworden ist und sehnt sich zurück unter die Peitsche der Sklavenhalter und nennt das "konservativ": "Verbietet uns doch endlich etwas!" schrien die FFF-Kinderchen. Aber der Schrei kommt auch aus der Kehle der Traditionalisten, nur etwas anders konfiguriert ...

Ab und zu gibt es aber mal auch Christen mit tiefer Einsicht:

Dieser Tage sprach mich eine Nachbarin an und man redete so dies und das, über die giftverspritzten Himmel, eine Zikadenplage, die in manchen Dörfern plötzlich und unerwartet vom Himmel gefallen, nicht zu bekämpfen und angeblich natürlicherweise gekommen sei ... die Bauern aber sagten hinter vorgehaltener Hand: Diese Zikade ist hier nicht heimisch, man verseucht uns die Äcker, weil sie unsere Ernten vernichten wollen. Die Insekten fressen alles ab, sogar die Kartoffeln greifen sie an. Und sie sind resistent gegen alle Mittel. Ach nee!

Dann fuhr die Nachbarin fort: Sie frage sich, warum die Herrschenden überhaupt noch Menschen übriggelassen hätten all die Jahrhunderte, wahrscheinlich nur, um ihre Felder bestellen zu lassen und sich den Hintern wischen zu lassen von Sklaven. Es ist eine einfache Frau übrigens, keine Studierte ... die Pestilenzen all die Jahrhunderte, bei denen ja auch so manches nicht gestimmt habe ... der Verdacht der Brunnenvergiftung war ja vielleicht doch wahr, nur geschah es im Auftrag der Herrschenden, wenn sie meinten, man müsse mal wieder dezimieren.

Der Realismus der Nachbarin war bestürzend: Schon immer haben sie den Untertanen nach dem Leben getrachtet, sobald man sie sie nicht mehr nutzen konnte. Und Herrschaft hat nur einen Zweck: Herrschaft zu sichern und die restlichen Menschen klein zu machen bzw zu vernichten, wenn sie einem zuviel werden oder ihre Nutzhaltung sich nicht mehr lohnt.

Um noch einmal auf das Diktum Jüngers zurückzukommen, der nach dem Attentat auf Hitler sagte, das lehne er ab, weil es zu nichts führe als einer Konsolidierung dessen, den man für den alleinigen Tyrannen hielt oder - wenn man den Tyrannen erwischt - bleibt ja seine tyrannische Struktur mit Hunderten von Mittätern und Minityrannen dennoch stehen und wird sich auf keinen Fall einfach geschlagen geben, was zu einem endlosen Leid führt.

Jünger hat das alles niemals gut geheißen mit der Herrschaft und Tyrannei. Er sagte einmal, weil irgendwelche dummen Kritiker das bis heute nicht kapieren und ihm unterstellten, er WOLLE eine solche Welt: Er beschreibe den Zustand, sagte er vor laufenden Kameras, nur das. Natürlich wollte der infantile Interviewer wissen, "was man dagegen machen" könne, denn das wollen die kleinen Geister ja immer zuerst: Was dagegen machen, "wie kommen wir aus der Nummer raus".

Ich denke, dass Jünger eigentlich sagen wollte, nüchtern und ohne kindische Illusion: Gar nicht.

Wir kommen da nicht raus!

Es war nie anders und wird erst anders, wenn der Christus kommt. Davor aber geht alles seinen Gang bis in den Abgrund, aus dem das alles stammt und wohin es geht. (Das sage ich.)

Intelligente Kritiker nannten das bei Jünger "heroischen Realismus", dieses "Aushalten auf verlorenem Posten", auch bei Oswald Spengler:

Die Zeit lässt sich nicht anhalten; es gibt keine weise Umkehr, keinen klugen Verzicht. Nur Träumer glauben an Auswege. Optimismus ist Feigheit. Wir sind in diese Zeit geboren und müssen tapfer den Weg zu Ende gehen, der uns bestimmt ist. Es gibt keinen andern. Auf dem verlorenen Posten ausharren ohne Hoffnung, ohne Rettung, ist Pflicht. Ausharren wie jener römische Soldat, dessen Gebeine man vor einem Tor in Pompeji gefunden hat, der starb, weil man beim Ausbruch des Vesuv vergessen hatte, ihn abzulösen. Das ist Größe, das heißt Rasse haben. Dieses ehrliche Ende ist das einzige, das man dem Menschen nicht nehmen kann."

Immerhin hofft ein wahrer Christ auf das "metaphysische Ereignis" (wie Heidegger, längst enttäuscht und angeekelt vom katholischen Traditionalismus, den er einst selber verfochten hatte, es formulierte, ohne mehr auf Traditionen Bezug zu nehmen!), denn nichts fürchtet die Christenheit mehr als die Wiederkunft Jesu Christi! Sie will ja ihre Hölle auf Erden endlos verlängern, weil sie es ja alles "selber machen" will, "aus der Nummer raus will", aber dem Ahasver gleich, dem unendlich lebenden Menschen, der Christus lästerte, der Zombie, der die Erlösung aus dem unerlösten Zustand herauspressen will ... in Sagen auch als "Weiße Frau" bekannt, eine Adlige stets, die in den Geschichten aus egoistischer Macht- und Herrschaftsambition die eigenen Kinder ermordet und unter diesem Fluch nicht sterben kann. Es ist ein Bild für korrumpierte Herrschaft und der Totalkorruption im Ansinnen der totalen Herrschaft.

Das ist der Fluch, unter dem wir alle stehen, das ist das, wovon uns der Christus erlösen wollte und sollte, aber wir wollten dessen Nicht-Herrschaft nicht und bauten aus seiner Gestalt einen irdischen Universalherrscher.

Es ist daher tief logisch und schlüssig, dass Autoren, die das als Heil ansehen, solche Satanshymnen an den Anfang der Gedankenstellen: Es ist der Satan, dem sie huldigen, auch wenn sie ihn "Kirche", "Papst" (als "Stellvertreter Christi") nennen oder gar gleich "Christus", aber einen Antichristus meinen.

Der Antichrist wird niemals ein kleiner Mann sein, niemals ein freier, herrschaftsfreier und herrschaftsabholder Mann, der Antichrist wird einer mit totaler Macht sein, zumindest ist das seine Ambition. Im Papsttum des Vaticanum I ist das bereits vorkonfiguriert worden, auch als spirituelle Größe. Nun muss ein solcher nur noch kommen.

Und die Traditionalisten werden ihm zu Füßen fallen, wenn er endlich alle Freiheit vernichtet haben wird und jeder einzelne Mensch unter die kollektive Bannung fällt und der Herrscher und sein Kollektiv das ius vitae necisque ungehindert ausübt über alle Menschen.

Ja, meine Nachbarin, die pietistisch ist, versteht das intuitiv, sie weiß, dass es nie anders war und dass das Recht auf Leben immer in der Hand der Herren lag und das Recht auf Ermordung der Untertanen auch.

Der Satan ist nicht nur ein Lügner, er ist auch ein "Menschenmörder von Anfang an", sagte Jesus:

"Jener war ein Menschenmörder von Anfang an und stand nicht in der Wahrheit, weil keine Wahrheit in ihm ist. Wenn er die Lüge redet, so redet er aus seinem Eigenen, denn er ist ein Lügner und der Vater derselben." (Joh8,44)

Jesus spricht hier zu solchen, "die ihm geglaubt hatten" (V31)!

Es sind nicht die anderen, die Liberalen und sowieso Bösen, nein, es sind die, die ihm geglaubt haben, und doch ist sein Wort über sie vernichtend, denn sie sind von Lüge betört und lügen sich weiter durchs Leben und töten ungeniert ihre Mitmenschen - für den Glauben und das angeblich Wahre und Gute. Es ist läppisch, einen Grabenkrieg darüber zu führen, ob dieser Satan ein gefallener Engel sei! Offenbar, auch hier in dieser Episode Jesu, tritt er in Gestalt menschlicher Erben auf. Und das ist natürlich geistig gemeint! Und es sagt uns, dass es aus Menschen kommt, dieses Ungeistige, Mörderische, Blutrünstige, dass es sich durch die Bannung in Kollektiven, die Dugin so großartig findet (!) als Satan formiert. Als Hinderer und Verhinderer der zukünftigen Welt. Weil Menschen sie nicht wollen. Sie wollen weiter leiden und ... lügen und morden. Eine furchtbare Bilanz. Nein, da ist nicht ein gefallener Engel schuld, daran sind wir selber schuld. Dass ein egoistischer Liberalismus natürlich keine Alternative sein kann, trifft zu, aber deswegen ist die Freiheit des Einzelnen dennoch das Maß, an dem gemessen werden muss! Denn Freiheit kann nur an einem Wesen im Selbststand festgemacht werden. Zwang dagegen immer am Kollektiv, das sich so "stärker" macht als der einzelne Mensch. Freiheit eines Kollektivs gibt es nicht! Der mörderische Geist der Herrschaft führt notwendig in den Abgrund und die Selbstvernichtung.

Und das Schlimme an all dem ist: DAS meinte Voltaire mit seiner Sentenz über das Christentum! Diese satanische Verkehrung ... Und man kann nicht einmal sagen, das stimme nicht. Offenbar stimmt es ...

Der vulnerable Punkt ist, dass die, die ihm zunächst geglaubt haben, sich schon frei wähnen, sie wähnen sich in einem Gestell der Sklaverei frei, weil sie Abrahams Same seien. Jesus bezweifelt das, er zeigt ihnen, dass sie Sklaven sind, weil sie die Sünde tun, das meint: dem Weltsystem völlig hörig sind in ihrer Herrschaftsvorstellung, ihrem Konservativismus und ihrem Hass gegen echte Freiheit. Aber sie verstehen nicht, wo sie stehen und missverstehen das, was Jesus sagt. Er ruft verzweifelt:

"Warum versteht ihr meine Sprache nicht? Weil ihr mein Wort nicht hören könnt." (V43)

Das liegt als Menetekel auf jedem Traditionalismus: Man kann und will diese Worte Jesu nicht hören, nicht ertragen und schon gar nicht anerkennen. Eher tötet man ihn und die, die von ihm durchwirkt sind. Man hat ein System erbaut wie ein Eisengestell und hält das für "offenbart". Aber ist tönern, es hält nicht ...

Ja, es ist leider wahr, was Voltaire da ausrief: "Satan! C'est le christianisme tout entier!"

Le christiansme, ja er, aber nur er, der Christianismus, der nichts mit Nachahmung Christi zu tun hat, sondern dem gigantischen Werk der totalen Verzeichnung des wahren Christus gewidmet war und ist, so, dass am Ende niemand mehr verstehen kann, wer oder was Christus ist, dass er der Menschensohn ist, der lebendig machende Geist, aus dem die Menschheit wirklich erneuert werden wird.

Das gigantische Werk zur Verhinderung der zukünftigen Welt.

Das sahen andere schon lange, zB. Dostojewski. Großinquisitor. Tolstoi. Sie sahen es, und sie wurden ausgestoßen.

Aber ändern konnten sie nichts an alle dem. Sie waren nur Garanten dafür, dass das einfache Wissen davon sich trotzdem nicht totschlagen lässt.

Denn die Menschen wollen erniedrigt sein, sie wollen Freiwild ihrer Fürsten sein, solange sie hoffen, ein kleines bisschen Anteil an der satanischen Macht zu erhalten. Es ist der reine Egoismus, der nach Herrschaft, Fürsten und Staat schreit ...

"Macht korrumpiert, und absolute Macht korrumpiert absolut. Große Männer sind fast immer schlechte Menschen, selbst wenn sie Einfluss und nicht Autorität ausüben, und erst recht, wenn die Tendenz oder die Gewissheit der Korruption durch Autorität hinzukommt. Es gibt keine schlimmere Ketzerei, als dass das Amt seinen Inhaber heiligt. Hier treffen die Negation des Katholizismus und die Negation des Liberalismus aufeinander und feiern ein großes Fest, und der Zweck heiligt die Mittel."

Und:

"Einen Mann ohne Rang wie Ravaillac würde man hängen; aber wenn das stimmt, was man hört, dann hat Elisabeth den Kerkermeister gebeten, Maria zu ermorden, und Wilhelm III. von England hat seinem schottischen Minister befohlen, einen Clan auszurotten. Hier sind die größten Namen mit den größten Verbrechen verbunden; diese Verbrecher würde man aus irgendeinem mysteriösen Grund verschonen. Ich würde sie höher hängen als Haman, aus Gründen der offensichtlichen Gerechtigkeit, und noch höher, noch höher, im Interesse der Geschichtswissenschaft."

Lord Acton, Letter to Archbishop Mandell Creighton, 5. April 1887

https://history.hanover.edu/courses/excerpts/165acton.html

Das sieht hier ganz anders aus als bei Dugins Augenwischerei!

Lord Acton sieht völlig zurecht, dass am Ende der Erzkatholizismus und der Liberalismus aufgrund ihrer Amtsschimmelei in brüderlicher Eintracht nur zwei Seiten derselben Herrschaftsmedaille sind.

Das Amt heilige gewissermaßen die Person. Das ist der Freibrief zum Verbrechen, auch wenn man es verbrämt und schöntut und ein paar juristische Attrappen wie etwa die Grundrechte im Grundgesetz daneben aufstellt: aber selbst dort wird nicht verschleiert, dass dieser Staatsmoloch, gegen den sie ja gedacht sein sollten (angeblich), sie jederzeit durch ein Gesetz aufheben kann!

Dass Dugin überhaupt nicht realisiert, dass dieser verhasste Liberalismus nichts als eine wildwachsende komplette Delegitimierung jeglicher Kontrolle über das, was die Herrschenden tun bedeutet und damit demselben Konzept folgt wie der einstmalige Feudalismus, der auch nur angeblich durch Religion gebunden war (Actons Beispiele sprechen von Mord und Massenmord durch Fürsten, wenns ihnen gerade opportun scheint!), verstört mich:

Kann ein einigermaßen gereifter Mensch das wirklich dermaßen verkennen?!

 

Ein besonderes Schmankerl ist die katholische Version des Geheuls vom "Delegitimieren des Staates", das unsere Herrschaftskaste angestimmt hat angesichts ihrer ungesühnten Verbrechen, sobald einer das benennt:

Wer nicht glaubt, dass der Papst ex cathedra nicht irren könne, weil das Amt ihn ja heiligt und selbst als ausgemachten Antichrist davon abhalte, hier etwas Falsches anzuordnen für den Glauben, der wird - wir erinnern uns an das Geschwätz Franziskus' - des "Pelagianismus" bezichtigt.

Was ist Pelagianismus?

Es ist ein polemisches Konzept nicht nur des Katholizismus, sondern auch vieler Freikirchen:

Der Mensch sei durch die Erbsünde ganz verdorben, wird gelehrt, aber die Pelagianer sagten, er sei nicht ganz verdorben, weil Gott ihn gut erschaffen habe.

"Im Kern lehrt die nach ihrem angeblichen Begründer Pelagius benannte Doktrin also, es sei grundsätzlich möglich, ohne Sünde zu sein (lateinisch: posse sine peccato esse). In zugespitzter Form handelt es sich um eine Lehre der Selbsterlösungsmöglichkeit und -fähigkeit des Menschen." So heißt es in der emsigen Wikipedia.

Damit wird also sehr sophisticated gesagt: Wenn eure Oberen Dreckschweine sind, dann ist das die Erbsünde, schließlich können auch sie sich nicht selbst erlösen. Aber auf dem Amt liegt alleine aus Gottes Gnade der Segen der Infallibilität in definierten Bezirken.

Zugleich soll sich aber der Untertan mächtig anstrengen, gut zu sein und an seinem Heil mitzuwirken.

Das ist einer dieser typischen, bösartigen frommen Schützengräben, die völlig absurd und irreal sind. Um von der Absurdität gar nicht zu reden ... um absolute Kontrolle über die Seelen auszuüben, sich selbst aber dabei unangreifbar zu machen ...

Natürlich bin ich verantwortlich für das, was ich tue. Aber das kann ich nur, wenn ich nicht komplett verdorben bin bzw eben auch diese Gnade der klaren, wenigstens gelegentlichen Sicht erhalte. Alles andere ist doch Quark! Wenn ich komplett verdorben bin, kann ich auch nicht mehr verantwortlich gemacht werden.

Warum man die Herrschenden da weitgehend ausspart und ihnen Dinge zugesteht, die man jeder Küchenmagd rabiat vergelten würde, muss man mir erklären ...

Vor allem dass man Bereiche definiert, die qua Amt ausgeschlossen sind von der grundsätzlichen Sündenverfallenheit und Irrtumsanfälligkeit, ist infam.

Das ist so abgrundtief böse, dass wohl die meisten dummen Herdenmenschen das gar nicht erfassen.

Und ihr Zorn wird sich immer gegen ihresgleichen, nie gegen die Herrschenden richten, es sei denn, aus jener Kaste bietet man ihnen ein paar wohlfeile Blutopfer, die dort aus Selbstreinigungszwecken einmal gebraucht werden.

Das Weltsystem, von dem Jesus spricht, ist nicht das einer Erbsünde, die mir ganz persönlich von Mutterleib und genetisch anhaftet!

Es ist ein System (griech. "Kosmos"), das so eisenhart ist, dass niemand ihm entkommt und jeder von Geburt an darin korrumpiert und verführt wird. DARAUS soll der Christusnachahmer erlöst, also: befreit! werden.

Es geht also nicht um Rituale, nicht um angebliche Selbsterlösung (ist diese Ausbeutung der Gläubigen für die rituellen Zwecke, mithilfe der er sich diese Herrscherkaste oben hält, nicht auch eine Variante einer Selbsterlösung?!), sondern um ein Herausgelöstwerden aus dem Wahnsinn. Da kam einer, in dem sich der Anspruch Gottes auf seine Menschenkinder ausdrückte. Des Gottes, der sagte: Sie sind aber meines Geblütes. Der Johannesprolog sagt uns, dass die Sklaven nicht erkannten, worum es geht, bis heute nicht ...

Wenn man nun also eine Herrscherkaste qua Amt teilweise freisetzt aus der Verfangenheit in der Erbsünde, die Untertanen aber darin gefangenhält, indem man ihnen keine solchen Gnadenbereiche zugesteht:

Da ist etwas Klugheit und Kombinationsfähigkeit gefragt!

Aber selbst bei geringer Intelligenz sollte man daraufkommen, dass das wirklich die schlimmste Häresie überhaupt ist, wie Lord Acton sagt. Denn die, die die angebliche Erlösung verwalten, setzen sich selbst frei von dem Anspruch, den sie an die Herde stellen, zumindest über ihre amtliche Unfehlbarkeit.

Warum ist es so schwer, das zu verstehen?!

Dienstag, 22. Juli 2025

Gewitter im Schwarzwald bei Karlsruhe


 

Gewitter im Schwarzwald bei Karlsruhe

Manche der Wolkenformationen erinnerten an das Meer und an sich türmende Wellen. Ich habe das zum ersten Mal so erlebt, dass Wolkenereignisse am Himmel in den Gestalten Meeresereignissen ähneln. Als wären sie ein Spiegel. Ich will nicht von Quantenverschränkung reden, weil ich skeptisch bin, ob diese Theorie so stimmt. Aber sie greift Phänomene auf, die es ja gibt. Dass Dinge einander bedingen ist eh klar, aber auch dass es eine Art Verwebung und energetische Begrenzung gibt, erleben wir ahnungsweise. Nur ob das aufgrund von "Quanten" iS von kleinsten Teilchen, etwa Lichtteilchen (Photonen) so ist, bezweifle ich eher. Es ist eine gigantische Hypothese, die durch nichts als solche bewiesen ist. Zwar wird auf der emsigen Wikipedia behauptet, man habe das "experimentell bestätigen" können. Allerdings zeigt das Experiment ja keinen "Beweis" für die Theorie, sondern weist nur eine Erscheinung auf, die zu der Theorie passen könnte, sie aber freilich nicht bestätigt. Physik ist wohl doch eher Mythologie als Wissenschaft. Wenn ein feiner kühler Luftzug durch ein Totenzimmer geht, nachdem der Betreffende gestorben ist, kann man darin auch seine ausfahrene Seele "bewiesen" sehen, es war aber objektiv nur ein Luftzug, dessen Herkunft wir nicht sicher deuten können. Solche scheinbar mit unserem Vorurteil korrelierenden Ereignisse könnten auch in einem völlig anderen Zusammenhang stehen, den wir nicht kennen und dem wir auch als einer möglichen Erkenntnis oder Ahnung durch unsere Theorie im Wege stehen. Er passt aber natürlich zu der Vorstellung. Theorien bedeuten immer auch Vorurteil und Voreingenommenheit, die Achillesverse jeder Wissenschaft, leider, aber der heutige Mensch ist zu dumm, um das noch zu begreifen, weil er nicht mehr denken kann: Denken bedeutet, dass man Distanz zu sich selbst einnimmt, dass man wie bei einem Rigorosum mit dem Advocatus Diaboli konfrontiert wird, den man mit einigem Vorsprung vorerst widerlegen kann. Aber von all dem weiß heutige "Wissenschaft" nichts mehr. Sie ist eher eine dogmatisch-sektenartige Neuerfindung der Welt, und sie steht aufgrund all ihrer Wahnirrtümer kurz vor dem Scheitern. Ihre Gläubigen reagieren deshalb auch so aggressiv, weil aus ihrer Sicht "alles" für sie auf dem Spiel steht. In Wahrheit kann man sich aber freuen auf die Ent-täuschung falscher Annahmen und einer dadurch fast vollständig zerstörten Welt.

Die Geschehnisse am Himmel sind also meiner Beobachtung nach ein Bild oder sogar eine Antwort auf das, was im Meer ist. Und umgekehrt. Wie immer genau, aber es gibt das eine nicht ohne das andere.

Wenn nun also der Mensch im Himmelsraum herumpfuscht (und damit meine ich nicht, dass er fliegt, das ist eine Spiegelung der Seefahrt und nichts Illegitimes!) mit Wetterbeeinflussung, ständig Wolken zwingt abzuregnen oder irgendwoanders hinzugehen, mit Erzeugung von Stürmen und Kunstwolken, dann dürfte das unmittelbar zurückwirken auf das Meer, von dem wir nicht so viel wissen. Manche Wetterkatastrophen dürften nicht auf die ominöse, kaum messbare oder vor allem nicht konstante "Erwärmung" zurückzuführen sein, sondern auf die Beeinflussung des Meeres durch den Menschen bzw die Herrschenden. Der gewöhnliche Mensch ist dafür nicht verantwortlich und weiß oft ja nicht einmal, was da am Himmel getrieben wird.

Anhand solcher Überlegungen müssen wir jedoch viel früher ansetzen und uns fragen, ob nicht beispielsweise die Begradigung und "Tötung" der lebendigen Wasserströme wie beispielsweise des Oberrheins hier zwischen Basel und Bingen nicht auch bereits ein massiver, destruktiver Eingriff in größere Zusammenhänge war und ist.

Warum wurde der Rhein begradigt von Johann Gottfried Tulla (*1770 in Karlsruhe - +1828 in Paris) im Auftrag der badischen, bayerischen und französischen Regierungen? Das Werk wurde ab 1817 durchgesetzt, es ist legendär, die deutsche "Ingenieurs"-Mystik kommt daher, die Karlsruher Universität geht als technische Universität auf Tulla zurück. Karlsruhe, eine seltsam geistlose, undenkerische, undichterische Stadt, sogar eine untypische Stadt für den deutschen Sprachraum, ihre Stadtanlage von 1715 ist eine freimaurerische Plananlage in weitaus größerem Maß als Mannheim. Dazu kann ich immer wieder nur das Werk von Jens Martin Möller empfehlen.

Warum also musste man den Rhein so vergewaltigen?

Und von wem sprechen wir eigentlich, wenn im 19. Jh vom "Vater Rhein" geschwärmt wurde? Wer schwärmte da, und für was genau?
Es gibt die alte keltische Mythologie über den Gott Renus, eine Personifikation des Rheins. Aber die Schwärmerei kam Ende des 18./Anfang 19. Jh auf und wird "Rheinromantik" genannt.

Es ging dabei vor allem um den Mittelrhein, der landschaftlich völlig anders aussieht und auch nicht mehr dieses mäandernde Gebilde aufweist, das hier den Süden kennzeichnete.

Man wollte wohl dieses völlig eigenartige Erscheinungsbild des Rheins der oberrheinischen Ebene zerstören, um es dem scheinbar so viel besseren Mittelrhein anzugleichen. Damit wurde der eigene Charakter und auch die eigene Geschichte des Oberrheins aus dem Bewusstsein und dem Gedächtnis der Deutschen bzw der Anwohner gelöscht.

Natürlich ging es auch um Geld: Man schiffte aus dem Schwarzwald sehr viel Holz nach Holland zu den Schiffsbauern, das sollte bequem und störungsfrei getan werden könnte. Das Märchen "Das kalte Herz" von Wilhelm Hauff (1827) zeugt davon noch - es stammt aus der Zeit, als man den Rhein zur Geldstraße vergewaltigte.

Die oberrheinische Ebene verbirgt historische Geheimnisse. Die alten Sagen sowohl in Baden als auch im Elsaß behaupten unbeirrt, die Tiefebene sei ein Meer gewesen, dort sei alles geflutet gewesen bis Bingen, dem man erst eine Öffnung habe zufügen müssen, das Binger Loch, um das Wasser zum Abfluss in den Mittelrhein, der sich womöglich aus anderen Quellen speiste, herzustellen. Das Gebiet ist bis heute sumpfig, die sogenannten "Altrheinarme" sind nicht wegzukriegen und bilden immer noch eine einzigartige Landschaft, trotz totaler Zersiedelung und Versiegelung der Flächen mit Industrieanlagen.

Auch solche gigantomanischen Aktionen verändern Wetterbedingungen! Auch sie zerstören die natürliche Kraft der Landschaften. Zu mehr als mathematisierender Ingenieurskunst reichte es in dieser Stadt Karlsruhe dann nicht mehr .... Der Geist wurde verbannt, aber er ist natürlich immer noch da. Auch in diesem Zusammenhang wäre die Kaspar-Hauser-Geschichte neu zu betrachten: NICHT als Träumerei von einem idealen deutschen Kaisertum, sondern als Idee von der weggesperrten deutschen Geistigkeit in den badischen Markgrafschaften.

Der mäandernde Geist wurde begradigt und zur Erstarrung gebracht. Hier wurde aus dem Volk der Dichter und Denker dieses Ingenieursvolk, das als solches (nur als solches!) in den letzten Zügen liegt. Der andere "Schatzhauser", der, der den Geist bewahrte, ist durch Mathematiker und Algorithmiker nicht zu erreichen.

Dienstag, 1. Juli 2025

Mittsommernächte

 Draußen um Mitternacht in dieser Zeit des Mittsommers.
Über mir das Sternenzelt, hier auf dem Lande sieht man es. Von den Feldern her ertönt ein betörendes Froschkonzert mit Vorsängern, Responsorien und Generalpausen.
Vom Zementwerk ein durchgehendes integriertes Maschinengeräusch, das ich in die Hölle wünsche, wo es hingehört.
Zum Glück hat hier kaum einer eine Wärmepumpe vorm Haus, diese maximale akustische Öko-Verschmutzung, gleich nach wummernden Bässen geistloser Idiotenmusik.
Dieses Sternenzelt ist wie ein riesiger Flügel voller Augen.
Ich konnte mir plötzlich vorstellen, woher manche Propheten im Tanach solche "Chai"-Wesen gesehen haben, solche Lebewesen, deren Flügel oder Räder voller Augen gewesen seien.
Es ist der Himmel mit seinen vielen Sternen, deren jeder ein Auge ist. Oder ein Guckloch aus der Sphäre drüber hinunter auf die Erdenbewohner.

Warum klingen die Frösche intensiver und wirklicher als die verdammten Maschinen aus dem Kalkbruch?
Und die Grillen, die geradezu betäubend zirpen, ohne dass man davon überfordert würde, jedenfalls ich nicht, ich weiß, dass Menschen schon ausrasten, wenn irgendwo ein Bächlein murmelt.

Und dann die Fledermäuse, die wie kühle und feine Hauchungen an einem vorüberwehen.
Neulich sah ich so viele von ihnen zwischen neun und zehn Uhr am Abend, dass der schimmernde Himmel schwirrte von all den geisternden Flugwesen.
Und sie stoßen nirgends an in dem Gewirr, sagte jemand neben mir. Keiner kommt dem anderen zu nah oder in die Quere.
Es wirkt fast so wie der Auferstandene, der durch eine Tür aus fester Materie ging, ohne dass er sie störte oder sie ihn.

Es ist so vieles so wunderbar inmitten des menschengemachten Wahnsinns, immer noch, ein Stimmchen aus dem Quellgraben erweist sich lebendiger, tausendmal lebendiger als das Geröhre der abgöttischen Maschinen. Zumindest solange man sie nicht aufdreht und damit alles plattwalzt, was echt ist. Und das wiederum zumindest nur solange, solange ihr der Saft reicht, um ihr totes Automatengekreise von sich zu geben.
Sie kreist und gebiert nichts als Müll und Elend und eine zerstörte Welt.

Warum finden die meisten Leute es so geil, wenn Musik elektrisch verstärkt ist und die Stimme einer Geige einfach niedergemäht wird?
Es ist der Gesang der Hölle, Sirenengesang, in ihr spiegelt sich der Hass und der Neid auf das, was wohllautet, was schön ist und was lebendig klingt und resonniert.

Das alles wird an sein schreckliches Ende kommen, das ist keine Frage.
Die Frage ist, welchen Preis die Menschheit dafür wird bezahlen müssen.

Sonntag, 8. Juni 2025

Was feiern wir am Pfingsttag?

Was feiern wir am Pfingsttag?

Gemeinhin sagt man, feiere die Christenheit die Ausgießung des Heiligen Geistes und damit die Kirche. Das ist ein sehr steiler Schritt weg von dem, was uns die Apostelgeschichte darüber berichtet ... die Kirche, jenes Machtgebilde, das angeblich irrtumsfrei ist und in einer Hierarchie von Amtsträgern, die diese Irrtumsfreiheit wie auch immer sichtbar machen sollen, nicht dagegen die Laien, die feiern wir?

In unseren Tagen kann man diese Kirche bei fallenden Schleiern wirklich nicht feiern ...

Aber sie ist auch ganz gewiss nicht der Gegenstand des Pfingstfestes, das sich aus dem israelitischen Schawuot herleitet, dem Erntefest, das sich nach 50 Tagen an Pesach anschließt, das dem Osterfest entspricht.

Ein Erntefest ist es israelitisch schon im geistigen Sinn, es kommen Früchte. Die Frucht ist aber nicht die Kirche. Frucht gibt es nur als einzelne Früchte, gereifte einzelne Früchte, und der Wurzelstock, an dem sie reifen, ist nicht das, wozu sie hinreifen, die Kirche, sondern Christus selbst, mit dem der Anfang, der Neuanfang gesetzt worden ist, als er auferweckt wurde.

Auf DEM Pfingstfest gab es ein Sprachenwunder und die Weissagung Joels, dass Söhne und Töchter weissagen würden, Alte und Junge, erfüllte sich: Alle konnten in einer geheilten Sprache plötzlich alle verstehen und auch alles, was gesagt wurde ... Dass sich hier eine Sprachverwirrung seit Babel rückgängig macht, weiß man in der Kirche zum Glück noch.

Aber haben wir seither eine geheilte Sprache erlebt?

Ganz gewiss nicht, jedenfalls nicht im Großen und Ganzen, vielleicht bei einzelnen, bei den Söhnen und Töchtern, also denen, die kein Amt haben als einfach zu dem geheilt zu werden, ganz direkt als einzelne Menschen, wozu Gott sie wollte. Hierarchische Vormünder brauchen sie eben so gewiss nicht. Und Kirche ist für sie ganz gewiss nicht dieser abstoßende Machtkoloss, der sich vollkommen pervertiert hat.

Sprachenwunder ... wir haben das Gegenteil erlebt. Über die Sprache wird das Weltgeschehen in den Abgrund manövriert. Auch in der Kirche. Schal wurde das Geschwätz dort, das gestelzte Getue, die starren Dogmen, das Propaganda-Gefasel, die Zerstörung der Botschaft vom kommenden Reich. Dazu kommen ihre maßlosen Verbrechen, deren schlimmste wir vermutlich gar nicht wissen. Noch nicht, aber es grummelt unter den sieben Hügeln. Und alles, was sich von ihr spaltete ist kaum besser. Starrheit wohin man sieht. Erkaltung, Erloschenes, Fundamentalismus oder völlige Gleichgültigkeit und Zeitgeistigkeit auf plattestem Niveau. Nur ganz selten begegnet einem einer, in dem Christus lebendig zu wirken scheint.

Und unsere Sprache?

Das Deutsche, bleiben wir bei unserer Sprache, ist verhunzt, von Mördern und Gewalttätern missbraucht, erlebte Vergewaltigung um Vergewaltigung und diente als Perversionsplattform derer, die neue Welten proklamieren wollten und dafür unendlich viel Blut vergossen haben. Mit der Sprache ists nicht ganz so einfach, sie ist kontaminiert als solche von dem, was "Sünde" wirklich meint: Lüge, Mord und Verhinderung, dass sich in der Sprache die Wirklichkeit lebendig abbildet, ohne zur bloßen Repräsentation der Wirklichkeit zu werden und damit zur Lüge und Illusion.

Spontan würde man sagen: Das Deutsche kann nichts dafür, dass es auch von Unmenschen gesprochen wurde und wird. Aber ganz so einfach ist das nicht, weil jede Sprache rück-gefärbt wird durch die, die sie sprechen. Sie wird kontaminiert durch die Mörder. Aber an diesem Punkt steige ich mit der Zustimmung aus, denn welche Sprache dieser Welt würde nicht auch von den Teufeln gesprochen? Vielleicht ist die große Verheißung des Pfingstfestes nicht die Kirche, sondern eine Befähigung, die Sprache neu zu erhalten – wie Heidegger sagen würde: aus dem „Seyn“. Ich würde sagen von dem, dessen logos alles erschafft und erneuert. „Zungenrede“ wäre demnach geläutertes Sprechen, das so weit weg ist von der landläufigen, „vernünftigen Sprache“, dass Paulus sie sogar zurückweisen musste, um dem gefallenen Menschen noch eine Möglichkeit zu lassen, ansprechbar und sprachfähig zu bleiben. Anders: Eine Sprachläuterung lässt sich nicht erzwingen, der Dichter muss in Demut in der noch herabgedimmten und kontaminierten Sprache empfangen, was aus der Reinheit auf ihn kommt, ehe sie sich klären kann.

Denn der "Weissagende" ist der Dichter:

 

Ist unbekannt Gott? Ist er offenbar wie die Himmel?

dieses glaub' ich eher. Des Menschen Maaß ist's.

Voll Verdienst, doch dichterisch,

wohnet der Mensch auf dieser Erde. Doch reiner

ist nicht der Schatten der Nacht mit den Sternen,

wenn ich so sagen könnte,

als der Mensch, der heißet ein Bild der Gottheit.

(Hölderlin: In lieblicher Bläue. 1808)


        Hanna Jüngling, Pfingsten 2025 (8. Juni)

 

Dazu auch ein Video mit genaueren Ausführungen:  Was ist eigentlich das Pfingstwunder? Von der Erneuerung durch Dichtung und dem Satz "Die Sprache ist das Haus des Seins". (4.6.2025)

Sonntag, 20. April 2025

Ostern 2025 - das kosmische Ei im Kraichgau

Hanna Jüngling: Kosmisches Ei im Kraichgau




Frühling ... Summen, Schmelzen, Leuchten ...

Ich sitze an meinem Riesenstein, dem Findling mit der Schale. Heute ist sie gefüllt wie ein Weihwasser behälter. Im Radio faseln sie wieder einmal von drohender Dürre. Der Ort hinter mir heißt Dürrenbüchig.

Die Glocken schlagen sechs Uhr abends. Eigentlich ist es fünf Uhr. Menschengemachter Zeitwandel. 

Der blühende Raps strahlt die Sonne an, räumlich, in tausend gelben Wellenlinien. Am Feldrand eine alte Eiche.

Die Ferne ist verstaubt, hellgrün, blassgelb, rosig, raumtief.

Daran hat sich nichts verändert. Man müsste sie verbrennen, verschmoren, die Erde, und selbst dann käme sie wieder zu sich.

Die Sonne zürnt. Wenn ich ihr das Auge nähere, zerfällt ihr Blick in zwei blendende, rollende Lichter. Wehe dem, der glaubt, er könne gegen sie antreten! Aber auch sie tut ihren Dienst wie es zugesichert war am Ararat.

Am Karfreitag verlor sie für Stunden ihr Licht.

Wann wird sie in unseren Tagen den Befehl des Allerhöchsten ausführen und dunkeln?

Die ägyptische Finsternis, drei Tage lang, Umnachtung, von der es heißt bei Zefanja (1,15), dass sie wiederkommt am Tag des Zorns, wie weit ist sie entfernt?
Choschekh afelah, dreitägige Finsternis. Die Sonnenhasser werden ihre verdunkelte Sonne noch erhalten. Die Geistesfinsternis ist ihnen jetzt schon sicher.
Aber hier zürnt sie über dem Land über den Frevlern, die ihr ihre Wege vorschreiben wollen und ihre Stärke. Ja, zürne nur, Schwester Sonne! Leuchte, scheine, gleise, strahle, wirf dein Licht ins Rapsfeld und auf meine Stirn und meine Brust. Was muss geschehen, dass ein Land verdorrt unter dir?

Ich will nicht mit dem Feuer spielen. Ich will es annehmen in seiner Schönheit, was sich zeigt. Erbarmungslose Strahlen - wem sind sie zugedacht?

Wenn ich die Dinge empfinge, ganz still und leicht, Schwester Sonne, Bruder Mond mit dem Sternenheer, ohne all diese Falschmünzen dazwischen, ohne alles Sprühen der Pfuscher und Lästerer.

Kommen lassen.

Empfangen.

Entgegennehmen mit Dank. Reichtum erfahren und nicht haben ...

Die Füße am Boden.

Den Kopf in den Lüften.

Vom Äther gehalten, der alles bewegt und formt.

Mitgehen, mitsummen wie die Bienen im Raps.

Summen. Was lässt sie summen, die Insekten?
Sie träumen von Blüte zu Blüte. Der Äther führt sie fort, und sie flirren in ihm mit. Deshalb summen sie.

Vögel schwirren. 

Wir atmen.

Ein Schwingen der Druckverhältnisse.
Ganz fein, der Leib pulsiert.

Der Wind kräuselt im Gras, es zittert mit, alles nur mininmal gespannt. Selbst im Sturm gibt es keine Überspannung, dieses Menschengemachte, Kranke, der Raub der Maschine, der Effizienz, der Ausbeute, nicht eine Ernte, nein: Abtrotzen.

Meine Haare machen es wie das Gras. Der Wind wird stärker, die Haare glitzern, die Sonne spielt mit: rotgolden meine Strähnen, gleisend die Sonne, selbst die leichten Graufäden leuchten.

Es sind heilige Räume.
Wir verstehen sie kaum mehr.
Ich las von einem, der im Netz einen Tempel der Erleuchtung errichten will, damit sich Wesenheiten über die Künstliche Intelligenz mitteilen können. In Algorithmen gebrochene Strukturen aus einer großen Kristallstruktur.

Die Welt vor mir - ist das eine Kristallstruktur?

Was ist ein Stein?

Ein Bote aus einer Überwelt?
Oder ein Mysterium?

Braucht Licht kristalline Flächen, um sichtbar zu werden?
Es braucht das Auge ...
Ist das Auge ein Kristall?
Faßbarkeit wieder - die faßbare geomatrische Struktur, wenns denn so stimmt.

Scheitert doch die gesamte Naturwissenschaft am Äther.

Der Äther ist das "Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken", passt in keine Formel.

Und weil sie ihn nicht einfangen konnte, sagte sie trotzig, es gebe ihn nicht.

Das Gras glitzert und zittert in Wind und Sonne, dazwischen eilen Hummeln, geführt vom himmlischen Navigator.

Was wissen wir schon.

Es schlug siebenmal. Es ist sechs Uhr. 

Hanna Jüngling

Ostern 2025 (20. April 2025)

Donnerstag, 17. Oktober 2024

Der Tod des Denkens und die Auferweckung des Gedankens

Der Tod des Denkens und die Auferweckung des Gedankens


"Die Erfahrung des Denkens bedeutet den Zusammenbruch von allem, was wir normalerweise als solches betrachten. Das Denken kann erst beginnen, wenn das, was wir für das Denken halten, beendet ist. Sowohl das alltägliche Delirium als auch die intellektuellen „akademischen Zitate“ sind Hindernisse für die Geburt des Denkens. Sie müssen abgeschafft werden. Das Denken entsteht im Moment des Wahnsinns oder der Absurdität, wenn die Rotation der Mechanismen des alltäglichen und wissenschaftlichen Bewusstseins plötzlich unterbrochen wird. Im Angesicht des Todes scheint das gut zu sein. Aber nicht für jeden. Das Pseudo-Denken schützt uns zuverlässig vor dem Tod, indem es sich mit unzähligen Instanzen, Ängsten, Berechnungen, Plänen und Hoffnungen (für Ärzte, Wunder, die Polizei, den gesunden Menschenverstand, die Wissenschaft und das „Licht am Ende des Tunnels“) gegen die Möglichkeit verbarrikadiert, ihn zu erleben. Alles ist dem Tod unterworfen, aber der Tod ist das Los der Auserwählten. Der Tod ist eng mit dem Denken verbunden. Der Gedanke wird nur im Angesicht des Todes geboren. Das, was frei und schrecklich im Angesicht des Todes geboren wird, wenn alles, was wir als „Gedanke“ hatten, zerstört worden ist - das ist der wahre Gedanke. Erst dann offenbart sich die Subjektivität, die sich sonst in den verfremdeten Feldern des verschwommenen Bewusstseins aufgelöst hat."


(Alexander Dugin)


Da ist was dran!

Die allerseits bekannte Denkverweigerung, die sich in Gedankenfestungen verbarrikadiert, wird hier gut charakterisiert.


Das, was Paulus "logismos" nennt, "Vernünftelei" oder "Pseudo-Gedanken", Sinnmechanik. Eigentlich alles Religiöse, auch das Polit-Religiöse.

Es wird deutlicher - aber versteht Dugin das selbst? - , dass "Glaube" nichts damit zu tun hat, jedenfalls nicht der Glaube, der Christus in den Tod und danach erst in die Auferstehung folgt.


Man beliebt heute ja ohne dieses "In-den-Tod-gehen" auferstehen zu wollen. Das ist zum Scheitern verurteilt. Die echte und wahre Taufe auf den Namen Jesu (wie das NT das nennt!) meinte genau das: die symbolische Bereitschaft, mit ihm zu sterben, um aufzuerstehen. So schrieb Paulus:


"3 Oder wisst ihr nicht, dass wir, so viele auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? 4 So sind wir nun mit ihm begraben worden durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus aus den Toten auferweckt worden ist durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in Neuheit des Lebens wandeln. 5 Denn wenn wir verwachsen sind mit der Gleichheit seines Todes, so werden wir es auch mit der ⟨seiner⟩ Auferstehung sein; 6 da wir dies erkennen, dass unser alter Mensch mitgekreuzigt worden ist, damit der Leib der Sünde abgetan sein soll, dass wir der Sünde nicht mehr dienen[1]. 7 Denn wer gestorben ist, ist freigesprochen[2] von der Sünde. 8 Wenn wir aber mit Christus gestorben sind, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden; 9 da wir wissen, dass Christus, aus den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod herrscht nicht mehr über ihn." (Röm6)


Die Stelle übrigens widerspricht ausdrücklich und klar der Lehre, Christus sei "stellvertretend für uns gestorben"!


Der Gedanke des stellvertretenden Sühnetodes ergibt schon alleine deswegen keinen Sinn, weil wir ja allesamt trotz des Todes Christi sterben müssen wie eh und je auch alle vor Christus. Er starb also nicht "stellvertretend" für uns, sondern genauso wie wir, in seinem Fall aber mit der Verheißung, auferweckt zu werden. Niemand zuvor wurde in dieser Weise erweckt in einen unverweslichen Leib wie er!


Würden die Kirchen und Freikirchen ein wahres Evangelium verkünden, würden sie nicht weiterhin diese seltsame Lehre vom "stellvertretenden Sühnetod" festhalten, die eher eine mittelalterliche Idee ist als ursprüngliche christliche Auffassung. An der Stelle zeigt sich wieder einmal, dass die Protestanten, insbesondere die "bibeltreuen", absolut "kirchentreu" argumentieren und die Bibel offenbar genauso wenig ernstnehmen wie das die RKK in vielem tut bzw ja nicht tut.


Was uns diese Stelle sagt, bedeutet eigentlich ziemlich klar:

Er starb genauso wie wir, obwohl er es nicht verdient hätte aufgrund seiner Sündlosigkeit, seiner Ausnahme aus dem "kosmos" mit seinen verheerenden Implikationen, als einzigartiger Sohn Gottes. Es ist dabei kaum bedeutsam, welche Todesart einer stirbt, sondern DASS er überhaupt in dieser Weise einen Tod erleben muss, der zu Erstarrung, Leblosigkeit und Zerfall führt.

Was Paulus da schreibt, bedeutet doch recht klar folgendes:

Wer sich im Namen Jesu taufen lässt, hängt seine eigene Verweslichkeit und seinen bevorstehenden Tod gewissermaßen in den Tod Christi hinein und hofft, deshalb mit ihm auferstehen zu können.

Natürlich ist Jesus in einem gewissen Sinn "vorausgestorben", damit man ihm nachsterben kann, dem eigenen Tod einen Sinn in seinem Tod geben kann. Dieser Sinn ist die Hoffnung auf Auferweckung. Der Sinn ist nicht, dass er stellvertretend gestorben wäre, weil sein Tod der war, den wir verdient hätten, denn den müssen wir ja sowieso sterben. Da er nicht im Tod geblieben ist, kann man auch theologisch kaum vertreten, dass er diese Komponente, des verdienten Im-Tod-Bleiben-Müssens stellvertretend getragen hätte. Das hat er doch offenbar gar nicht, weil genau das ihm doch erspart blieb und er auferweckt wurde!


Es ist möglich, dass durch diese verzerrte Theologie der Kirche auch der Einspruch des Islam erst einen Sinn ergibt:


"„Und weil sie sprachen: ‚Wir haben Christus Jesus, den Sohn Marias, den Gesandten Gottes getötet!‘ – Aber sie haben ihn nicht getötet und haben ihn auch nicht gekreuzigt […] vielmehr hat Gott ihn zu sich erhoben.“ (Sure4,157f)


Nun kann es sein, dass die Koranexegese diesen Satz auch verzerrt auffasst. Hinter dem Satz könnte sehr wohl stehen, dass der jüdische Anspruch, diesen Jesus getötet zu haben, auf ein arabisches oder aramäisches (christliches) Widerwort trifft, das besagt: Nein, das konntet ihr nicht, denn Gott hat ihn erhoben zu sich, was die Auferweckung und Himmelfahrt zusammenführt in eine knappe Formel. Übrigens: der "Muhammed" ist der "Erhobene". Darum glauben manche Forscher, hinter diesem Titel (kein Eigenname!) verberge sich eigentlich der Christustitel des östlichen Christentums (Ohlig et.al.).


Dieses "Sie haben ihn nicht gekreuzigt" wird damit erklärt, dass sie einen anderen für ihn kreuzigten, was gnostischen Überlieferungen entspricht, die behaupten, man hätte Simon von Kyrene an seiner Stelle gekreuzigt.

Nun kann es aber sein, dass in diesem Koranvers eine eigentlich andere Skepsis überliefert ist, nämlich die, dass Gott seinen Tod gebraucht hätte als "Sühneopfer" oder als Stellvertretertod oder etwas in dieser Art. Vielleicht steht hinter dieser Überlieferung vor allem dies: Es gibt kein stellvertretendes Opfer! Also: Er ist für unsere Sünden in DIESEM Sinn gestorben, weil wir sonst hätten sterben müssen. Noch einmal: Erstens müssen wir nach wie vor sterben, zweitens ist das Charakteristikum dieses Sterbens, dass es zur Erstarrung führt und ein lebendiger Prozess unterbrochen und zurückgeworfen wird auf das "Zurück in die Erde".

Und diesen Tod hat Christus in der Tat NICHT erduldet, weil er nicht im Grab bleiben konnte, die Erde wollte ihn nicht, weil er doch eben nicht in der Logik der Sünde stand und in der Erstarrung nichts zu suchen hatte wie unsereins, also die Sünder.

Es sieht doch eher so aus, als würde gerade diese Sache, dass er nicht im Tod bleiben konnte und durfte, auch nicht musste, das ist, was für uns entscheidend zur Erlösung ist. Wir dürfen seither uns mit diesem Christus in den Tod begeben in der Hoffnung, dort nicht bleiben zu können auf Dauer. Der Einspruch des Islam mag seinerseits verzerren oder etwas missverstehen, aber er deutet darauf hin, dass auch diese Kirchenlehre - diese "Machtkirchenlehre" - Grund für die Trennung des Islam vom Christentum ist (neben einigem anderen wie der Trinitätslehre). Der Islam mag unrecht haben in seiner Behauptung, Christus könne nicht gekreuzigt worden sein, aber er trifft doch einen wunden Punkt bzgl. der Lehre vom stellvertretenden Sterben, das an sich unmöglich ist. Niemand kann für einen anderen sterben, so, dass dieser GAR nicht sterben müsste, allenfalls als Aufschub, aber darum scheint es im NT nicht zu gehen! Dieses "Für-uns-sterben" Christi meint, dass er diesen Weg überhaupt mit uns auf sich nahm, um den Weg frei zu machen für Auferstehung. Und damit ist immer noch vieles ein Mysterium!


Dugin trifft daher einen ganz zentralen Punkt:

Alles muss sterben, unsere unausgegorenen, triebhaften Gefühle genauso wie unsere versklavten Gedanken, die stets Systemen unterworfen sind, die tote Gebilde sind.

Deswegen ist aber nicht das Fühlen oder Denken an sich verkehrt, es bedarf der Auferstehung aus dem Tod.

Und genau dieses Nadelöhr will niemand durchschreiten. Man will sich den Bußweg sparen, und genau deshalb wird alles so weitergehen wie bisher. Und eine falsche Buße in einer abstrusen Theologie wird dasselbe Ergebnis haben bzw hat es vor unseren Augen sowieso.


https://www.geopolitika.ru/de/article/anmerkungen-zum-denken

Montag, 2. September 2024

Neuer Titel erschienen! "Herodes oder Die Apokalypse der Repräsentationen" von Hanna Jüngling

 Neuer Titel erschienen: "Herodes oder Die Apokalypse der Repräsentationen"



Herodes

oder

Die Apokalypse der Repräsentationen

von Hanna Jüngling
Zeitschnur Verlag
Walzbachtal
385 Seiten, 440g
Format 20,5 x 13,5cm
ISBN 978-3-940764-2
9-4
Ladenpreis
23,00 € 

 

Erhältlich auf Nachfrage, in Buchhandlungen und auf Booklooker:

Booklooker

___________

 

Ich habe gerade ein neues Buch veröffentlicht, das für unsere Zeit und eine Schau über die komplexen Probleme hinaus betrachtet, interessant sein könnte.


Es trägt den Titel „Herodes oder Die Apokalypse der Repräsentationen“ und enthält eine theologisch und philosophisch begründete Kritik dessen, was ich als „Repräsentations-Ideologie“ bezeichne.


Ausgangspunkt meiner Überlegungen war ursprünglich ein Exposé und ein Vorwort von dem Theologen Helmut Waldmann zu einem geplanten Werk, das vermutlich den Titel „Petrus und die Herodianer“ getragen hätte, wenn er es fertiggestellt hätte. Ich habe leider keinen Kontakt mehr zu Waldmann herstellen können und vermute, dass er gar nicht mehr lebt.

Das Exposé finden Sie hier: https://publikationen.uni-tuebingen.de/xmlui/bitstream/handle/10900/43986/pdf/antichrist.pdf?sequence=1&isAllowed=y

Das Vorwort finden Sie hier: https://publikationen.uni-tuebingen.de/xmlui/bitstream/handle/10900/43994/pdf/vorwort.pdf?sequence=1&isAllowed=y


Meine Gedankenführung bewegt sich allerdings in neue Richtungen. Ich habe mich genauer mit der Gestalt des Königs Herodes auseinandergesetzt, dem „System“, das er entwickelt hat und stieß auf die interessante Tatsache, dass er ein judaistisches (nicht mehr wirklich jüdisches) MultiKulti-Reich unter der Schirmherrschaft der Römer errichtet hat. Selbst Edomiter erfüllte er damit die Prophezeiung des Stammvaters Isaak über Jakob (Israel) und Esau (Edom), dass Esau das Joch Jakobs von sich werfen und nun seinerseits (in dessen Gewand) herrschen würde. Herodes hatte das ambitionierte, aus den Makkabäeraufständen hervorgegangene, erstmals nach Jahrhunderten wieder politisch selbständige Hasmonäerreich beerbt und fortgesetzt. Ähnlich wie der heutige zionstische Staat Israel war bereits dieses Hasmonäerreich ein Versuch, das Reich für Israel ohne messianische Legitimation wiederherzustellen. Da Juda aber nicht Israel, sondern nur Nachfahre des Südreiches des zerbrochenen salomonischen Israels ist, wurde damals wie heute sowohl bei den jüdischen als auch christlichen Denkern und Gläubigen ausgeblendet, dass die alten Verheißungen für Israel nur dem ganzen Israel gelten (den „beiden Häusern Israels“, wie es heißt).
„Efraim“, das Nordreich, das im 8. Jh vChr durch die Assyrer in den Norden deportiert wurde und von da aus wahrscheinlich nach Europa einströmte und nach den Worten Jeremias sogar Gottes „Erstgeborener“ ist, wurde und wird bis heute systematisch ausgeblendet, verdeckt und vonseiten der Juden sogar geleugnet: Es sei „irgendwie“ in ihnen „aufgegangen“ und werde durch sie „repräsentiert“. Dass diese zehn Stämme irgendwo geblieben sein müssen und eine sehr große Zahl haben dürften,
die die der Juden weit übersteigt (!), wollen weder Juden noch Christen bedenken. Dabei wird noch dazu übersehen, dass die Juden heute vielleicht nicht einmal mehr Nachfahren des Stammes Juda sind, sondern aus dem herdoianischen Gemisch stammen, mithilfe dessen Herodes ein neues Israel hatte schaffen wollen.


Waldmann nun sah in der Kirche diesen herodianischen Ansatz fortgesetzt, ebenso wie beim nachchristlichen Judaismus. Die Frage nach Efraim stellte allerdings auch er nicht.
Seiner These nach war von Anfang an das Antichristliche in die Performance der Kirche eingezeichnet, weil die Apostel selbst herodianisch dachten und empfanden. Jesus Christus habe dies gewusst und vorhergesehen. Denn Jesus erschien genau zu diesem Zeitpunkt, als das Hasmonäerreich nach 150 Jahren Mord und Totschlag scheiterte und in ein herodianisch-judaistisch-edomitisches Gegenreich verwandelt worden war, das römische Gewalt perfekt für seine eigenen Zwecke zu nutzen verstand. Herodianismus ist – so wiederum meine Beobachtung – so konfiguriert, dass er auch ohne Staat jedes Staatswesen unterwandern oder infiltrieren kann, gewissermaßen als „mobiler Über- oder Unterstaat im Staat“. Vorbilder dafür liefern manche Gestalten und Szenerien des Alten Testamentes bereits. Handelte es sich dort um eine fundamentale Staatskritik seitens der Propheten, die in jeder Staatlichkeit, jedem Fürstentum Abgötterei sahen (Jesus steht in dieser Tradition, als er in der Wüste ablehnt, ein solcher Fürst zu werden, gleich ob ober- oder unterirdisch!), machte der Herodianismus daraus eine Tugend und untergrub systematisch alle Staatlichkeit sowohl aufseiten des Judaismus als auch aufseiten der Kirche. Waldmann glaubte, dass Gott das Kaiserreich diesem religiösen Moloch als Korrektiv entgegengestellt habe. Von dieser Idee bin ich mit einigen Gründen eher weniger überzeugt, weil die kasierliche Macht auf denselben Prinzipien beruht wie die kirchliche und eine Verdoppelung zwar ein In-Schach-Halten erzeugen kann, aber keinen F
rieden oder gar Gerechtigkeit. Die Hoffnung, ausufernde Macht durch Institutionen oder Gesetze zu kontrollieren, hat sich in unseren Tagen wieder einmal gründlich zerschlagen ...


Der Aufbau einer kaum mehr zu kontrollierenden Herrschaft bedurfte einer grundlegenden Vorstellung, die aus den patriarchalen Ideologien des Zweistromlandes und Ägyptens kam: Menschen seien dazu ausersehen von den Göttern, andere zu „repräsentieren“, d.h. sich an deren Stelle zu setzen, deren Wesen zu dominieren oder sogar zu rauben, sie in Unmündigkeit zu stoßen und zu steuern, zu kontrollieren und deren Kräfte auszusaugen für eine egregoriale und idolatrische Selbstdarstelluung.


Die Grundfigur dieser Ideologie findet sich in der zerrüttet-hierarchisierten Geschlechterbeziehung und greift von dort aus über in sämtliche Beziehungen zwischen Menschen in sozialen Kontexten. Wie sehr Jesus dies dekonstruierte, wie sehr er es brüskierte, unterlief und verweigerte, ist mir selbst erst anhand dieser Arbeit zu Bewusstsein gekommen.


Waldmanns gedankliche Konsequenz, dass die Kirche von Anfang an antichristlich gewesen sein muss, viel mehr als der Judaismus selbst, der allenfalls antikirchlich ist (!), ist radikal, kann aber von mir geteilt und bestätigt werden. Und auch dies, dass Jesus das wusste und geschehen ließ.


Dass jeder einzelne Christ damit vor eine enorme innere Zerreißprobe gestellt wurde, ist die logische Folge. Alles, was sich kirchenhistorisch ereignet hat und ereignet, ist im Grunde unter diesem Verdikt zu sehen: Sie konnte nicht vermeiden, dennoch Kunde zu bringen von Jesus Christus, dem „Anti-König“, dem „Anti-Helden“ am Kreuz, unterlief aber seine zentrale Botschaft von der kommenden und bereits angebrochenen „basileia tou Theou“ beständig und in erbitterter Gegenwehr durch Umdeutung, Leugnung oder Vereinnahmung in einer Repräsentationsideologie spezifisch christlicher Art. Diese innere Spannung konnte nicht anders als die Kirche immer tiefer zu spalten. Auch das ist logisch, und niemand wird leugnen können, dass es auch das ist, was wir vor Augen sehen und erleben. Sie wird vermutlich zerbrechen müssen, aber das ist nicht ihr Ende.


Die Hoffnung kann daher kaum auf diesem Prozess in der Kirche und im Judaismus selbst beruhen, sondern auf dem Wachsen des „Steines, der nicht von Menschenhand gelöst“ wurde und all die Machtgebilde zerstäubte und selbst doch wuchs und wuchs, bis unmerklich der ganze Erdkreis auf dem Fundament dieses Steines stehen wird. Mit dieser Vision des Königs Nebukadnezar aus dem Buch Daniel endet das Buch dennoch hoffnungsfroh.

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 Hanna Jüngling, September 2024