Montag, 26. Februar 2024

Sprachverhunzung als Selbstmordaktion

 

Sprachverhunzung als Selbstmordaktion


Der von vielen für unseren Zustand konstatierte "Wahnsinn" hängt wesentlich an einem degenerativen Prozess der Sprache in der westlich geprägten Sprechergemeinschaft.


Viele derer, die sich für kritisch halten, beachten das nicht und setzen lieber im Wolkenkuckucksheim an als auf der handfesten sprachlichen Ebene.

Im Gegenteil, man setzt den degenerativen sprachlichen Prozess "spirituell" fort und faselt sich in alternative Wahnwelten hinein, in denen am Ende keiner mehr weiß, wovon überhaupt gesprochen wird. Es ist ein Orwellismus zweiter Güte, ganz nah am Orwellismus erster Art, in dem mit plumper Gegenteils-Rhetorik gearbeitet wird ("Lüge ist Wahrheit", "Krieg ist Frieden", Ignoranz ist Wissen"). Dass Männer keine Frauen sind, kann man noch relativ leicht erkennen, auch wenn es ständig von vielen aus verschiedenen Gründen und in verschiedenen Kontexten behauptet wird.


Auch im sogenannten Alternativbereich wird in teilweise himmelschreiender Art und Weise jedes wahrhaftige Sprechen ausgehebelt und einer hohlen, destruktiven Rhetorik unterworfen.


Etwa wenn Leute sich gegenseitig "für ihr Sein danken". Diesen Satz hört man - meist mit albern-pathetischem Tremolo vorgetragen - als Abschiedsformel neuer Art: "Danke für dein Sein".

Das soll spirituell und philosophisch klingen, viele plappern es, gedankenlos-euphorisiert und bereits sprachlich erheblich geschwächt, einfach nach, weil sie vielleicht wirklich den aufrichtigen Wunsch haben, dem anderen etwas Respektvolles zu sagen. Dahinter steht, dass sie so verwirrt sind, dass sie nicht mehr wissen, wie sich Respekt sprachlich wahrhaftig und dem sprachlichen Spiel und Regelwerk entsprechend ausdrücken kann und wie eben nicht. Auch hier ist Lüge Wahrheit geworden und produziert wie in einer Kettenreaktion verkehrte Aussagen um verkehrte Aussagen.


Jeder sprachsensible und vor allem sprachfähige Mensch weiß, dass man niemandem für sein Sein danken kann, außer vielleicht Gott alleine, der aus sich selbst heraus ist und nicht geboren wurde.

Ich kann sagen: "Wie schön, dass es dich gibt." Oder: "Gott, ich danke dir, dass du den X geschaffen und in mein Leben geführt hast." Oder: "Ich bin so froh, dass es dich gibt!" Ich kann auch ähnlich sagen: "Ich liebe dich gerade so, wie du bist." Oder: "So, wie du bist, bist du für mich wunderschön, wunderlieb, wunderbar ..."

Aber einem, der sich nicht selbst gebären kann, für sein "Sein" zu danken, offenbart, in welcher geistigen Verwirrung und Hybris wir uns allesamt befinden!


Der nächste Punkt ist, dass es schwierig ist, rein philosophisch gesehen, einem Einzelwesen "Sein" zuzuschreiben. Jedenfalls als Allgemeinaussage, die wir mit unserer Wahrnehmung dieses Einzelwesens verknüpfen. Immerhin - wenn man bescheiden und sprachmächtig wäre - müsste man erkennen, dass man nicht über das "Sein" des anderen reden kann. Man erlebt ihn im "Dasein" oder als "Seienden", aber von seinem "Sein" weiß man nichts.


Die gesamte Sprache mit ihrer Lebendigkeit und ihrem komplexen Regelwerk wird tagtäglich sowohl massenmedial als auch alternativ-medial nicht nur auf den Kopf gestellt, sondern auch zurückgeschnitten auf idiotisches Blabla, Schein-Sprache und in letzter Konsequenz wird eine solche Sprache nicht einmal mehr die Verständigungsqualität von Tierlauten erreichen können. Wer so unüberlegt daherfaselt und alles verkehrt, wird sich selbst ins Verstummen, in die Kommunikationsunfähigkeit bringen. Denn machen wir uns nichts vor: Wer anderen für ihr Sein dankt und wer so ein Lob auch noch schmeichelhaft findet, der weiß nicht mehr, wovon er überhaupt spricht. Es ist die totale Entleerung jeglicher Sprachfunktion, außer der, Fiktionen zu erschaffen, in sich Absurdes, Lügenhaftes und Bodenloses. Orwellsche Sprache wird schnurgerade in den Tod führen.


zeitschnur, [25.02.2024 13:24]

Es nützt auch nichts, dass nun alle "in Resonanz" mit diesem Gefasel gehen, denn sie fragen sich ja nicht ehrlich, was da wo genau eigentlich resoniert und ob sie nicht einfach nur einer fremden Steuerung erliegen, die weiß, auf welcher psychologischen Tastatur man spielen muss, um in Menschen irgendetwas resonieren zu lassen, das den Unterbauch kitzelt und den feinen Geist plump überschreit. Den feinen Teegeschmack kann man nicht mehr entfaltet genießen, sobald Kaffee in der Kanne serviert worden ist ...

Sie geben der inflationären Manipulationskunst auch noch eine schein-spirituelle Dimension, wozu sich die verbrecherische Propaganda des Mainstreams noch gar nicht verstiegen hat. Die Alternativen bieten das auch noch gratis dazu an.


Die alternative Geschwätzigkeit, die das tägliche Geschehen durchhechelt, ist auch abgerückt davon, dass sie etwas "wahrnimmt" oder "Wahrnehmungen" hat. Nein: heute ist alles eine "Gewahrnahme". Und was bitte soll nun der Unterschied im realen Gebrauch dieser beiden Worte sein? Da diese Leute die "Gewahrnahme" ja vorher nicht kannten und gebrauchten, wissen sie ja nicht, wie man dieses Wort gebraucht. Irgendeiner hat sie drauf gebracht, o, und schon stürzen sie sich drauf, es klingt wie "mit mir in Resonanz gehen", also nichts wie hin und ausgeweidet dieses Wort!


Auch hier: Unüberlegter Sprachgebrauch!


"Wahrnehmen" heißt, dass man etwas sinnlich erfasst und benennt. Also ich sehe, höre, rieche oder ertaste etwas, vorausgesetzt ist eine gewisse Passivität und Affektionsbereitschaft, und ich sage "Ich habe vorhin ein Rudel Rehe über das Feld rennen sehen". Man beschreibt auch Akte der Einfühlung mit dem Wort "Wahrnehmung": "Ich nahm wahr, dass er zwar schwieg, aber nicht einverstanden schien".

"Gewahrnahme" heißt ... ja was eigentlich?

Ich meine: Ohne dass wir etwas hineingeheimnissen?

Es geht schon damit los, dass die guten Leute nicht wissen, wie man "etwas gewahr werden" grammatisch korrekt gebraucht. In schöner Regelmäßigkeit wenden sie es im Dativ an (Erinnern wir uns: "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod"). Nun wird "gewahr werden" primär mit Genitiv gebraucht, zB so: "Ich wurde seiner gewahr." NICHT: "Ich wurde ihm gewahr"! Als Variante gibt es die Anwendung im Akkusativ: "Ich werde ihn gewahr."


Und letzteres zeigt uns, dass die Falschsprecher keinerlei Verständnis und Fühlung mehr für die Regeln und die Logik der Sprache haben!

Gewahrnahme wird nicht jemandem zugefügt (daher MUSS der Dativ ausgeschlossen sein!), sondern ich werde affiziert von der Erscheinung dessen, was ich wahrnehme und vollziehe dies aktiv. Das kann im Bezug auf den wahrgenommenen Gegenstand nur die Haltung der Distanz ausdrücken, also Genitiv oder Akkusativ, denn die Gewahrnahme ist nach innen gerichtet: Von außen geht etwas nach innen: In der Außenwelt ist etwas, das mich affiziert und das ich nach innen transportiere und erfasse. DAS ist Gewahrnahme, übrigens sachlich kaum etwas anderes als Wahrnehmung, nur etwas stärker als Wahrnehmung im Sinne vielleicht nur zufälliger, beiläufiger Affektion ohne weitere Mühe, sich damit innerlich zu befassen. Aber die semantischen Felder beider Worte fließen ineinander.

Ein Dativ würde sich auf das wahrgenommene Ding beziehen, das irgendwie behandelt wird. Man kann sagen "Ich werde ihm gerecht". Eine Gewahrwerdung in diesem Sinne ist unmöglich. Gewahrwerdung und Gewahrnahme liegen ausschließlich bei mir selbst und formen etwas in mir selbst, nicht beim anderen.


Mir ist klar, dass dieses hochtrabende Reden, in älterer Literatur kennzeichnet es den Dorftrampel, der nun auch mal gehoben sprechen will, der verzweifelte Versuch ist, sich aus dem sprachlichen Sumpf am eigenen Schopf herauszuziehen. Aber es geschieht tumb und arrogant, denn man ist - vor allem die bereits größeren alternativen Kanäle - erstaunlich beratungsresistent und redet nicht mit denen, die viel von Sprache verstehen. Man kocht im eigenen Sud und umgibt sich mit Gesellen auf gleichem Niveau.


zeitschnur, [25.02.2024 13:24]

Ich würde davon nicht so ausführlich schreiben, wenn ich nicht besorgt wäre darum, dass durch diese Dominanz im alternativen Bereich das angelaufene Unglück noch beschleunigt wird.

Die eigentliche Problematik liegt in einer Sprache, die sämtliche Funktionen der Sprache aufhebt.

Es sind dies die kommunikativen Funktionen, das Mittel einer präzisen und lebendigen Verständigung ebenso wie die Möglichkeit, zu Erkenntnis und Wissen zu kommen und darüber verständlich und substanziell zu sprechen. Und es sind die logischen Funktionen der Sprache, ohne die Sprache ihren gesamten Sinn verliert. An diesem letzten Punkt sind wir bereits angekommen! Kein Kommentarstrang, in dem nicht geradezu massenhafte Rechtschreibfehler sich häufen - nach Meinung derer, die da Unsinn verzapfen alles egal, man muss ja nur "irgendwie" "fühlen", was sie meinen. Ausgerechnet alle logischen Funktionen der Sprache werden in der Rechtschreibung regelmäßig nicht mehr erfasst und verkehrt geschrieben, zB die berühmte Konjunktion "dass". Man ist wirklich inzwischen so heruntergekommen, dass (!!!) man das nicht mehr verstehen kann. Ja, ich weiß: manchmal ist es nur ein Versehen, kein Verständnisfehler, es kann auch mal ein Vertipper sein, bei mir ja auch, aber grundsätzlich sollte so ein Fehler niemandem unterlaufen, der glaubt, er müsse Kommentare schreiben! Wer eine logische Funktion wie eine Konjunktion nicht versteht, weiß schlicht nicht, wovon er überhaupt spricht und sollte den Mund halten und erst einmal in sich gehen und lernen.

Wer diese Funktionen so leichtfertig aufgibt, wie es derzeit auch seitens der unsäglichen Dauer-Hetz-und-Verwirr-Propaganda der Politik und Medien getan wird, schneidet den Weg zurück für immer ab. Auch die Hetzer und Propagandisten selbst werden an den Punkt kommen, wo sie keine Wahrheit mehr verkehren können, weil ihnen wirklich abhanden gekommen ist, dass sie überhaupt noch irgendetwas selbst wahrnehmen können, geschweige denn, eines Dings gewahr werden. Sie werden dann selbst nicht mehr wissen, was wahr ist und was nicht und wie Wahrheit alleine schon aufgrund logischer Schlussverfahren konstatiert werden könnte oder auch nicht. Sie werden in ihrer eigenen Idiotenlogik ersaufen, wie man es zuletzt ja bei Correctiv gespenstisch sehen konnte.


Man mag sich dann noch über den Bauch und Emoticons verständigen, bis auch das - ansatzweise ja jetzt schon durch Politschauspieler - verwirrt ist und Tränen nur noch herausgedrückt und Lachen am offenen Grab und auf dem Schlachtfeld den Abgründen totaler Bosheit der Nichtigkeit übergeben werden, der die, die so handeln und reden, niemals mehr entrinnen können.


Ein jeder bedenke dies, bevor er sich in irgendwelche aufgestellten Fallen begibt, die unsere Wirklichkeit überziehen wie Tretminen ein Feld. Die Zukunft gehört denen, die hier nicht mitmischen, beiseite treten und hoffen, als Sprachfähige zu überleben bzw von Gott selbst hindurchgeführt zu werden.