Samstag, 3. August 2013

Geister im Weizenfeld



Geister im Weizenfeld



1. Discretio spirituum: hanc donationem secundum gratiam da nobis hodie, Domine!





Von Anfang an bedurfte die Kirche der Gabe der Unterscheidung der Geister. Das mysterium iniquitatis, das Geheimnis der Bosheit, hat immer in der Kirche gewühlt.
Der Apostel Paulus schrieb dazu: Nam mysterium iam operatur iniquitatis; tantum qui tenet nunc, donec de medio fiat – denn das Geheimnis der Bosheit wirkt bereits; nur muss der, der jetzt noch aufhält, aus der Mitte gerückt werden.[1] Die Beseitigung des geheimnisvollen Hemmnisses wird zur Erscheinung des Antichristen führen. Eingeleitet wird dieses Ereignis durch eine zuvor stattfindende große Apostasie. Wenn der Mensch der Bosheit, der Sohn des Verderbens, der homo iniquitatis, filius perditionis auf dem Höhepunkt seines Erfolges ist, wird der Herr wiederkommen und ihn mit dem Hauch seines Mundes töten, Dominus Iesus interficiet spiritu oris sui et destruet illustratione adventus sui.[2]
Auf vielerlei Weise wird seit einigen Jahrzehnten versucht, diese Blickrichtung des Gläubigen abzulenken ins reine Diesseits. Besonders perfide ist es, wenn dabei mit Worten der Schrift argumentiert wird: …ut non cito moveamini a sensu neque terreamini (…) quasi instet dies Domini. Ne quis vos seducat ullo modo... - Lasst euch nicht leicht durcheinander bringen oder schrecken (…) als sei der Tag des Herrn schon da. Lasst euch von niemand und auf keine Weise irreführen.“ [3] Mit Zitaten wie diesem will man uns festfrieren: Der Herr kommt nicht so bald, das kann dauern… Mit Hilfe des Parusie-Verzögerungs-Schemas wird uns gelehrt dargelegt, dass der Herr wahrscheinlich überhaupt nicht kommt oder in so weiter Ferne, dass es dem berühmten Sankt-Nimmerleinstag gleichkommt. Schließlich ist seine Wiederkunft sowieso „immanent metaphorisch“ gemeint – Christus als eine Art Schlaraffenland, das sich die Menschheit in unaufhaltsamem Fortschritt selbst schaffen wird. Der Herr selbst wird zitiert, der gesagt hat, wir wüssten weder den Tag noch die Stunde seiner Wiederkunft – quia nescitis diem neque horam.[4] Man beeilt sich zu versichern, dass der bloße Gedanke an das Ende für das geistliche Leben irrelevant sei. Es wird unterschlagen, dass Jesus ausdrücklich dazu ermahnt, wachsam zu sein, eben weil wir nicht Tag noch Stunde wissen: Videte, vigilate; nescitis enim, quando tempus sit (…) ne, cum venerit repente, inveniat vos dormientes. – „Haltet die Augen auf, wacht, ihr wisst nämlich nicht, wann die Zeit ist (…) damit er nicht, wenn er wiederkommt, euch schlafend vorfindet.“ [5]
Wir können demnach zwar die exakte Zeit („Tag“, „Stunde“) nicht wissen, aber uns werden doch Zeichen für das nahende Ende genannt. Jesus beschreibt „Eröffnungswehen“, die – wie viele Frauen wissen – lange dauern können. Die „Wehen“, die Jesus nennt, sind das massenhafte Auftreten von falschen Propheten, Irrlehrern und Leuten, die behaupten, sie seien Christus oder hätten ihn irgendwo konkret als Wiedergekommenen gesehen. Es sind gehäufte Naturkatastrophen und weltweite, massiv verdichtete, chaotische Verhältnisse.[6] „Wehen“, unter denen der, qui tenet nunc, donec de medio fiat, „der noch aufhält aus der Mitte gerückt wird“, zum „Geburtskanal“ hin getrieben wird, wie ein ausgereifter Fötus im Mutterleib. Die Kirche ist gewissermaßen in „Kindsnöten“ mit dem Kind, mit dem sie so lange schwanger war. Das apokalyptische Bild von der gebärenden Frau, das uns die Johannes-Offenbarung im 12. Kapitel berichtet, führt uns die Gestalt der mater ecclesia vor Augen, einerseits in der konkreten Gestalt der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria, andererseits in der mystischen Person der Braut, der Kirche, in der der Heilige Geist SEINEN Logos gezeugt hat, den sie gebiert, den Sohn der Verheißung, den Retter und Heiland. Aber kaum geboren will der Drache IHN verschlingen. Das Kind wird zu Gott entrückt und die Frau kann sich in die Wüste retten. Die weihnachtliche Geburt Jesu Christi aus der Jungfrau Maria wird hier zum Zeichen für die ganze Geschichte der Kirche. Die Erscheinung Jesu, seine Geburt und sein Tod, werden durch die Kirche im sakramentalen Geschehen seit ihrer Entstehung in die Zeit hinein verlängert. Sein unergründliches Opfer wird vergegenwärtigt bis er kommt. Wir können IHN durch unser Priester wirklich und leibhaftig in unsere Mitte holen. Aus diesem Grund muss die Gottesmutter mitgedacht werden: sie ist bei all diesem realen sakramentalen Geschehen unlösbar dabei, wie sie schon die historisch-leibhaftige Erscheinung des Herrn von Anfang bis Ende treu und tragend begleitet hat.
Wer ist also in medio, in der Mitte, und soll de medio, aus der Mitte gerückt und anschließend sofort gefressen werden, damit sich der totale „Antichrist“ an seine Stelle setzen kann? Ist es nicht Jesus, der „Erbe des Alls“, verborgen und sichtbar anwesend im Allerheiligsten Altarsakrament?
Durch die Aufklärung wird die königliche Realpräsenz Jesu und die Andacht zu seiner allerseligsten Mutter philosophisch und politisch noch rabiater ausgehöhlt und bekämpft als durch die Reformation. Mit der Liturgiereform von 1970, die sich lange vorbereitet hatte, wurde ER auch räumlich aus der Mitte gerückt, verbannt in Seitenaltäre oder frei stehende Tabernakel, die auf jeden Fall nicht mehr im Zentrum sind. Sein Platz in der Mitte - ist geistlich leer, ersetzt durch den diesseitigen Menschen. Wir ehren in IHM heute nicht mehr den Mensch gewordenen Gott, sondern den vergötterten Menschen, das Geschöpf. Jesus sagt uns, dass das Ende dann unmittelbar bevorsteht, wenn videritis abominationem desolationis, quae dicta est a Daniele propheta, stantem in loco sancto – „ihr dann am heiligen Ort den unheilvollen Gräuel stehen seht, der durch den Propheten Daniel vorhergesagt worden ist“[7]. Noch ist die Verehrung des rein Menschlichen anstelle des Herrn nur eine Verzerrung, noch ist es kein konkretes „Gräuel-Bild“. Aber von der theoretischen Umdeutung des Gottessohnes, des Gottmenschen Jesus, in einen bloßen „Menschensohn“ ist der Weg zu einem Gräuel nicht weit. Die Kirche hat im 4. Jahrhundert die Todeskrankheit des Arianismus durch definitive konziliare Lehrentscheidungen noch einmal überwunden. Obwohl diese Definitionen bekannt und gültig sind, stammt die heutige Häresie aus derselben Wurzel, die die Gottgleichheit Jesu auch damals nicht anerkennen wollte und bedeutet im heutigen Kontext einen klaren Glaubensabfall bei vollem Bewusstsein.
ER ist sowohl in der Lehre als auch sichtbar in den Kirchen zugunsten einer zerdeuteten Verdiesseitigung SEINER Erscheinung beiseite geschoben worden. Der Begriff „Messopfer“ wird vermieden. Die stattdessen eingeführte Rede von der„Eucharistiefeier“ erinnert an ein Erntedank-Wort, evoziert mit dem Begriff „Gabenbereitung“ den Altar, den die Bauern am Ende des Sommers symbolisch mit ihren Feldfrüchten aufbauen… Funktional also dem Messopfer entgegengesetzt, in dem sich das Kreuzesopfer Christi real vollzieht, trägt die Eucharistiefeier schwebend Züge des Kainsopfers. So lässt sich der Hass der Hirten gegenüber dem Abelaltar der früheren Zeiten erklären: Gott nimmt das „Feld-Opfer“ nicht „gnädig an“ - die Kirche löst sich seit dieser Reform innerlich auf! Der Neid auf die Sammlung um die Stätten, an denen die Alte Messe gefeiert wird, treibt manchen Hirten zur Zerstörung an, wie wir es jüngst beobachten konnten, als Papst Franziskus dem Orden der Franziskaner der Immaculata die Feier im Alten Ritus per Dekret, ohne Grund und entgegen dem geltenden Recht verbot.[8] Es steht abzuwarten, was man im liturgischen Geschehen an den geistlich leeren Platz des Herrn in medio stellen wird. Das interreligiöse Gebetstreffen in Assisi 1986, initiiert durch Johannes Paul II., war ein erster Schock[9]. Jesus fügt in seiner Rede zu diesen Dingen einen herausfordernden Rätselspruch ein: qui legit, intellegat![10] – „Wer liest, verstehe!“
Seit 200 Jahren verdichtet sich die Austreibung des Kindes Jesus samt seiner Mutter aus seinem Eigentum. Seit 200 Jahren aber mahnt uns regelmäßig Maria, manchmal ER selbst, auch in Gestalt des „Kindes Jesus“:
Die Erscheinungen von Lourdes, La Salette und Fatima oder die Visionen einzelner Gläubiger wie beispielsweise Katharina Emmerick, Faustyna Kowalska, Thérèse Martin oder Maximilian Kolbe können als Hilfe angesehen werden, die uns gegeben wird, um tatsächlich die Zeit nicht zu verschlafen. Ist es nicht eine große Gnade, dass die Gottesmutter, als apokalyptisches Zeichen, uns immer wieder gewarnt und an Gottes große Barmherzigkeit erinnert hat, die er uns in Jesus erweist?
Das Wort Jesu fordert meine Wachsamkeit ein. So eindringlich Jesu Mahnung zur Wachsamkeit, so eindringlich auch die Mahnung zur Vorsicht … und zur Unterscheidung der Geister.
Nach dem Willen Jesu ist es das ordentliche Lehramt, das für uns die Geister unterschied und endgültige Entscheidungen traf, mit denen wir den Glaubenskampf bestehen konnten. Seit dem 2. Vatikanischen Konzil, dem „Pastoralkonzil“, einer Art klerikalem Dampfbad, sind wir zunehmend verwaist. Ein großer Teil der Hirten macht, was er will, liest in die lehramtliche Tradition hinein und heraus, was ihm beliebt, und hat damit schon zwei Generationen verwirrt und verführt, ohne dass dies gravierende Konsequenzen vonseiten Roms (gehabt) hätte. Es gibt kaum noch sichere und klare Weisung. Autorität haben einerseits die geweihten Hirten, vor denen man inzwischen vor allem seine Seele retten muss. Andererseits sind es – auch das muss ausgesprochen werden - die Frauen und Mütter, die Gott vor allem als „marianische“ Autorität in der Unterweisung der Nachkommen eingesetzt hat. Eine fast „größere“ Vollmacht, die der Frau gegeben ist und von ihr abgelehnt wird. Wie viele Kinder werden aus den Leibern ihrer Mütter gerissen, bevor sie das Licht der Welt erblickt haben? Wie viele Frauen weisen das Amt der Mutterschaft kategorisch – nicht nur aufgrund äußerer Umstände - ab? Und wie viele Kinder werden von den Müttern wirklich in Gottesfurcht erzogen? Wie viele werden in den Schulen von Lehrerinnen verbogen, denen nicht in erster Linie pädagogische oder wissenschaftliche, sondern die geistliche Kompetenz fehlt, ohne die wir nichts recht tun können? Warum stehen die Klöster leer? Es ist furchtbar, das sagen zu müssen: Viele Frauen, eigentlich zur geistigen und leiblichen Mutterschaft berufen, wie die geweihten Hirten mit einer hohen Autorität ausgestattet, sind wie sie zu Verderberinnen der Seelen geworden. Das Kreuz unserer Tage ist der große Abfall vom dreifaltigen Gott und die Mühe, die sich jeder aufrichtig Fragende machen muss, auf die Suche zu gehen, die Lehre der Kirche bis 1960 besonnen und angesichts ihrer Autorität hörbereit zu studieren. Es geht existentiell darum, sich von den falschen und dabei rechtmäßigen Autoritäten nicht verführen zu lassen – eine tragische Situation. Die Gabe der Unterscheidung ist folglich für jeden einzelnen heute notwendig und wird in reichem Maße gespendet, sobald wir darum bitten. Je größer die Verwirrung, desto größer Gottes Barmherzigkeit. Ich glaube das, weil Jesus versprochen hat, dass die Seinen seine Stimme erkennen werden: Oves meae vocem meam audiunt (…) et non rapiet eas quisquam de manu mea. – „Meine Schafe hören auf meine Stimme (…) und niemand wird sie meiner Hand entreißen.“[11] Dieses Wort versichert jedem, dass er in dem für ihn notwendigen Maß die Gabe der Unterscheidung erhält.
Unterpfand ist die Gottesmutter, die nach der Offenbarung des Johannes ihre Kinder – die, die Jesus gehorchen – um sich schart und mit ihnen in die Wüste flieht. Dies ist gesagt, als müssten wir mit einem vollständigen Versagen des Papsttums rechnen. Wenn dies geschehen wird, bleibt unsere Mutter ihrer von Gott verliehenen Autorität treu und wacht, wo der Klerus längst die Schafe reißt. Der Klerus bis auf Johannes, ihren Kleinod-Sohn, der als einziger Mann unter vielen Frauen tapfer den Kreuzweg bis ganz zum Schluss mitgegangen ist. Es gibt diese wunderbaren Mariensöhne unter den Priestern. Wir dürfen darauf vertrauen, dass Maria ihre Kinder, die SEINEN, einander zuführt. Und weil sie ein Fleisch ist mit dem Heiligen Geist, werden wir unter ihrem Schutzmantel geborgen die Geister unterscheiden können.
Seit 50 Jahren versagen sowohl das Papsttum als ein übergroßer Teil des Episkopats in ihrer ureigensten Aufgabe, nämlich dem unfehlbaren Lehramt, auf eine konvulsivische und schmerzhafte Weise. Man kann diesen Prozess tatsächlich mit Wehen vergleichen. Der Schmerz ebbt gelegentlich wieder ab…und kommt umso heftiger wieder. Gerade Frauen müssten das leibhaftig und geistlich am besten erkennen können…
Die Zeit der Immaculata ist gekommen.

2. Das Gaudium im Weizenfeld


Gaudet mater ecclesia… Mit diesen Worten eröffnete Johannes XXIII. im Oktober 1962 das 2. Vatikanische Konzil.[12] Man möge mir meine nun folgenden kritischen Überlegungen verzeihen. Was die wehenartigen Konvulsionen betrifft…es fällt mir bei Benedikt XVI. nicht schwer, ihn als den „Heiligen Vater“ zu ehren. Johannes Paul I. durften wir nicht kennenlernen. Johannes Paul II. hatte Züge eines „Heiligen Vaters“, die aber ganz plötzlich verblassen konnten hinter einer schillernden venezianischen Maske… oder umgekehrt? Bei Johannes XXIII., Paul VI. und Franziskus bleibt mir jede zärtliche und respektvolle Anrede im Halse stecken. Warum? Die Anrede „Heiliger Vater“ ergibt nur Sinn, wenn ich im pastor pastorum die Stimme des guten Hirten vernehmen kann, wie sie mich auch sonst in meiner Andacht anspricht … es tut mir leid. Aber zurück zur Eröffnungsrede des Konzils. Sie ist der Schlüssel zum Verständnis sowohl des Konzils als auch zu den Ereignissen seither.[13] Großspurig wies Johannes XXIII. in ihr die vaticinatores rerum adversarum, die „Unglückspropheten“ zurück, die immer nur das Schlechte befürchteten, quasi rerum exitum instet, als stünde das Ende der Dinge bevor.[14] Möglicherweise hat er den Anklang an das Paulus-Zitat aus dem 2. Thessalonicher-Brief bewusst gesucht. Ganz abgesehen davon, dass der mater ecclesia das gaudium seither sichtlich vergangen ist, kann es einem heutigen Gläubigen kalt den Rücken hinablaufen, wenn er sich die Worte des damaligen Papstes noch einmal vor Augen stellt. Die Worte Johannes XXIII. zeugen heute, im Aggiornamento-Standby-Modus, der buchstäblich alles herbeigeführt hat, was die vaticinatores rerum adversarum in prophetischer Klarsicht befürchtet hatten, von einer unbegreiflichen Überheblichkeit und Fahrlässigkeit. Allein wegen dieses gespenstischen Faktums dürfte er nicht heiliggesprochen werden… Befremdlich ist auch die Einordnung, die er für dieses Konzil vornimmt. Wenn Benedikt XVI. und andere nach einer Kontinuität zur Tradition suchen und den faktischen Bruch im Leben der Kirche seit dem Konzil für ein Missverständnis überspannter Modernisten halten, dann möchte ich sie zurückfragen, ob sie nicht sehen, dass schon in der Eröffnungsrede diese konziliare Hybris offenkundig wird. Johannes XXIII. widerspricht der Auffassung, dass die Moderne das geistliche Leben der Kirche bedrohe. Dieser Auffassung haben seit der französischen Revolution alle seine Vorgänger Ausdruck gegeben! Ich möchte dazu nur das Stichwort „Antimodernisteneid“ in den Raum rufen… Ihn scheint weder das gerade überwundene moderne, infernalische „Dritte Reich“ mit seinen Vernichtungslagern, denen Millionen Menschen zum Opfer fielen, in irgendeiner Weise zu beunruhigen, noch der kaum zurückliegende moderne 2. Weltkrieg mit weiteren Millionen von Opfern, noch das moderne, teuflische Regime des Kommunismus, das dabei war, die halbe Welt zu knechten und weitere Millionen in seinen Gulags zu ermorden, ganz aktuell die Kuba-Krise inszeniert und die kafkaeske Berliner Mauer errichtet hatte, und schon gar nicht die moderne, eiskalte Fratze des Kapitalismus, die bereits im 19. Jahrhundert durch Leo XIII. in „Rerum novarum“ von 1891 als der Sklavenhalter des modernen Menschen erkannt worden war[15]. Die Tatsache, dass all diese Gräuel nur aufgrund der modernen geistigen und technologischen Entwicklung sein konnten und können, ficht ihn nicht an. Im Gegenteil: er schwadroniert von einer „Neuen Gesellschaftsordnung“, auf die die Welt zugehe, und man darf sich fragen, woher er diesen Begriff nimmt. Aus dem depositum fidei stammt er jedenfalls nicht. Das kennt nur den heilsgeschichtlichen Plan Gottes, die Sorge der Kirche um die Rettung der Seelen angesichts des schrittweisen Offenbarwerdens des mysterium iniquitatis vor der Wiederkunft Jesu Christi. Warum Johannes XXIII. einen Seitenhieb auf vorangegangene Konzilien machen muss, wo er doch gleichzeitig deren Geistgewirktheit in pathetischen Worten preist, ist ebenfalls unerklärlich. Die sachlich unhaltbare Behauptung, die Konzilien vergangener Tage hätten nicht wirklich frei ablaufen können, weil die säkulare Macht sie beeinflusst oder sogar initiiert, das anstehende Konzil jedoch endlich die notwendige Freiheit erreicht habe, wie ein wahrer „neuer apostolischer Abendmahlssaal“ zu sein[16], für den es – so muss man dazwischenrufen – doch weder Verheißung noch Notwendigkeit gab (!), kann nur Kopfschütteln auslösen.[17] Vollends irritierend ist die total inhaltsleere Erzählung über das Zustandekommen der Konzils-Idee:
Zuerst haben Wir fast unerwartet dieses Konzil im Geiste erwogen, dann haben Wir es in schlichten Worten vor dem heiligen Kollegium der Kardinäle an jenem denkwürdigen 25. Januar 1959 (…) ausgesprochen. Sogleich wurden die Anwesenden durch eine plötzliche Bewegung des Geistes, wie vom Strahl eines überirdischen Lichtes, berührt, und alle waren freudig betroffen, wie ihre Augen und Mienen zeigten. Zugleich entbrannte in der ganzen Welt ein leidenschaftliches Interesse, und alle Menschen begannen eifrig auf die Feier des Konzils zu warten.[18]
Was konkret außer dem Wort „Konzil“, das im übrigen schon lange diskutiert, von Pius XII. vorbereitet und aus Furcht vor einem Einbruch durch den Modernismus aufgeschoben worden war, hier solchen emotionalen Furor ausgelöst haben soll, erschließt sich dem aufmerksamen Leser nicht. Johannes XXIII. bezieht sich weder auf die Vorarbeiten zu einer Fortsetzung des 1. Vatikanischen Konzils durch seine Vorgänger, noch erwähnt er die Notwendigkeit, das durch den deutsch-französischen Krieg unterbrochene 1. Vatikanische Konzil zu Ende zu führen. Er redet, als finge mit seinem Pontifikat etwas ganz und gar Neues an. Es ist fragwürdig, was sich hinter dem Satz „Statim adstantium animi subito tacti sunt, quasi supernae lucis radio coruscante, et suaviter omnes affecti in vultu oculisque“ verbirgt. Johannes XXIII. sagt nicht, dass der Heilige Geist die Kardinäle ergriffen, sondern ein „aus der Höhe kommender Lichtstrahl“ sie berührt und erregt habe (radio lucis supernae). Auch will das ärgerlich starke Vorhandensein der vaticinatores rerum adversarum, der „Unglückspropheten“, nicht so recht in diesen behaupteten allgemeinen Freudentaumel passen. Die Aussagen des damaligen Pontifex erscheinen unglaubwürdig, wenn man bedenkt, dass die meisten Bischöfe der Weltkirche vor dem Konzil in ihren vota tatsächlich die Verurteilung des Kommunismus, eine endgültige Ablehnung des Modernismus und die Erklärung eines Dogmas zur Miterlöserschaft Mariens gewünscht hatten.[19] Alles in allem jedenfalls scheint es, Johannes XXIII. habe die Terminologie der Kirche ausgehöhlt und mit einem hochmütigen Gemisch neuzeitlicher, humanistischer Weltverbesserungsideen ausgestopft. Aus seinen Worten geht hervor, dass er es ist, der den Anspruch eines „Superkonzils“ formuliert hat. Ich habe selbst früher geglaubt, Johannes XXIII. habe sich eben etwas blumig, aber doch rechtgläubig geäußert. Seitdem ich genauer hinsehe, kann ich meine damalige Überzeugung nicht mehr aufrechthalten. Der Anspruch, die sichere und wahre Lehre, die doctrina certa et immutabilis, ohne Abgrenzung von Irrtümern, die sich angeblich von selbst auflösen, nun „vor allem pastoral“, praesertim pastoralis, und quam tempora postulant nostra, „wie es unsere Zeiten verlangen“, zur Erbauung des ganzen Menschengeschlechts zu verbreiten, ist irrig. Denn es war nie Lehre der Kirche, dass Irrtümer einfach verschwinden können „wie Morgennebel“ und die Menschen ohne Belehrung „ganz von selbst“ darauf kommen, dass der Verstoß gegen Gottes Gebote und der Fortschrittswahn nur zur Zerstörung führen.[20] Ein Blick in unsere Wirklichkeit 50 Jahre nach dieser Rede zeigen in beschämender Weise, dass die Menschen, ganz im Gegenteil, immer schlimmer gegen Gottes Gebote verstoßen. Das 2. Vatikanische Konzil wird mit dem Anspruch, die ganze Welt auf „pastorale“ Weise zu durchsonnen und politisch zu befrieden eingeführt. Konzilien hatten niemals eine pastorale, sondern eine klärende, definierende, rein lehramtliche Funktion für die Kirche. Die Mission der Kirche ging niemals über das Bezeugen, Lehren und Taufen hinaus – auch wenn es einen zeitweise engen Schulterschluss zwischen weltlicher Macht und Kirche gab. Wie sollte man ohne geklärte Begriffe in den Ortskirchen und in der Mission „pastoral“ fruchtbar sein können? Wir sehen eine Kirche vor uns, in der nicht mehr gelehrt wird, in der paradoxerweise die Pastoral zusammengebrochen ist. weil man sich in das, was der Mensch schon „von selber“ verstehen wird, nicht mehr „einmischen“ will (wie mir ein Hochwürden ungehalten sagte). Für das Lehramt war nie relevant, was die „Zeiten fordern“, sondern was die Forderung Gottes zu jeder Zeit ist. Folglich konnte kein Konzil ohne Dogmenerklärung und Verwerfung in Auseinandersetzung mit seiner jeweiligen Zeit auskommen. Johannes XXIII. kann nicht erklären, warum dies nun heutzutage ganz anders sein sollte als in den Jahrtausenden davor, sagt er doch selbst, dass sich die Probleme des Menschen nicht geändert hätten. Er deklariert in beispielloser Arroganz den Widerspruch zur tradierten Mission der Kirche als deren allerneueste Mission. Die Weigerung, Definitionen und Verwerfungen vorzunehmen heißt, die Kirche dem Zeitgeist auszuliefern – und genau so ist es geschehen. Mit der Bezugnahme auf Jesu Gebet am Vorabend seines Opfertodes ("Ut unum sint") projiziert der damalige Papst das Mysterium der Einheit als weltlich verstandene Einheit an den Himmel. Ebenso verkehrt Johannes XXIII. die Vision vom Himmlischen Jerusalem in eine ausschließlich diesseitige Hoffnung. Die „Einheit des Menschengeschlechtes“ sei die notwendige Voraussetzung dafür, dass die irdische mit der himmlischen Stadt verähnlicht werde: hoc sibi proponit Oecumenica Synodus Vaticana Secunda – „dies hat sich das 2. Vatikanische ökumenische Konzil zur Aufgabe gemacht“.[21] Bis dahin war die Kirche davon ausgegangen, dass diese Welt nicht vervollkommnet, sondern vergehen wird. Von Weltverbesserertum war niemals die Rede. Der Christ folgt dem Meister hinaus vor die irdische Burg, wie ER in der Welt kaum geduldet: Exeamus igitur ad eum extra castra, improperium eius portantes; non enim habemus hic manentem civitatem, sed futuram inquirimus. – “Lasst uns also zu ihm vor das Lager hinaus ziehen und seine Schmach auf uns nehmen. Denn wir haben hier keine Stadt, die bestehen bleibt, sondern wir suchen die künftige.“[22]
Jedem sorgfältigen Leser muss auffallen, dass die Lehre Johannes XXIII. nicht mehr der Tradition der Kirche entspricht. Die eingebauten rechtgläubig klingenden Passagen können darüber nicht hinwegtäuschen.
Welcher Geist hat diesen Mann getrieben, der sich den Namen des Kleinod-Priesters Johannes gegeben hat und dessen Haltung und Wesenszüge perfekt konterkariert hat? Seine Rede ist ihrem Stil und ihrer ausgehöhlten Begrifflichkeit nach schlicht und einfach … esoterisch, die Rede eines Logenbruders! Roncalli war ein Pseudo-Johannes!

Jesus hat uns ein bedeutsames Kriterium zur Unterscheidung der Geister genannt: Attendite a falsis prophetis, qui veniunt ad vos in vestimentis ovium, intrinsecus autem sunt lupi rapaces. A fructibus eorum cognoscetis eos; numquid colligunt de spinis uvas aut de tribulis ficus? – „Hütet euch vor den falschen Propheten; sie kommen zu euch wie (harmlose) Schafe, in Wirklichkeit aber sind sie reißende Wölfe. An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Erntet man etwa von Dornen Trauben oder von Disteln Feigen?“[23]
Ich will mich nicht versteigen, aber den Worten Jesu folgend kann man nichts anderes feststellen, als dass die vollmundig angekündigten Früchte dieses Superkonzils in der Hauptsache Dornen und Disteln sind. Die verheerenden Wirkungen entlarven das Konzil und seine damals so erregten „Macher“ als – lupi rapaces, reißende Wölfe. Es erscheint mir grenzenlos naiv oder unaufrichtig, dies alles nur für ein Missverständnis zu halten.
Seither haben die, die Jesus nicht mehr gehorchen, aber dennoch in der Kirche wirken wollen, der mater ecclesia einen hinterhältigen Bürger-Krieg mit den Waffen sophistischer Begriffsentkernungen bereitet. Mit päpstlichem Segen wurde die mater ecclesia der Herrschaft der historia, quae vitae magistra est, unterstellt. Diesen humanistischen Satz schleuderte Johannes XXIII. den „Unglückspropheten“ entgegen. Er widersprach damit nicht nur ihnen, sondern auch der tradierten christlichen Auffassung, dass nur der Heilige Geist wahrer Lehrer der Kirche ist.[24] Der Trumpf der reißenden Wölfe ist mit päpstlicher Legitimation der evolutionäre („relativistische“) Wahrheitsbegriff, den sie in bewussten Gegensatz zum tradierten Wahrheitsbegriff der mater ecclesia setzen. Sie betreiben mit gelehrter Blasiertheit ihr babylonisches Verwirrspiel und nehmen dafür keinen geringeren als den Heiligen Geist, den sie zu einer geschichtlichen Wahrheitsfunktion degradiert haben, die in ihr eigenes Ermessen gelegt ist,  in Anspruch.[25] Man sagt dies und meint jenes, wobei jenes immer vage und unklar bleibt angesichts des unbändigen Flusses inflationärer Bedeutungsverschiebungen. Es gibt keinen Begriff der Dogmatik, der nicht bereits x-mal gescannt und verfremdet worden wäre. Das Ergebnis ist allgemeiner Wildwuchs und Resignation. Die einfachsten Glaubenssätze sind zum Problem geworden. Seit dem Konzil verlassen Priester scharenweise ihren Stand und die Kirchenaustritte der Laien nehmen immer weiter zu… Wer dennoch klare Worte spricht, wer mutig einsteht für die unteilbare Wahrheit, die einen Namen hat: !Dominus Jesus!, der wird innerhalb der Kirche verhöhnt und domestiziert. Dieser Hohn steckte in den Worten Johannes XXIII, der diesen Menschen vorwarf, ihnen fehle der „Sinn für Differenzierung und Takt“[26].
In immer neuen Anläufen will man denen, die den konkreten Geboten Jesu folgen wollen, Maulkörbe verpassen und ihnen weismachen, dass sie Polarisierer und Friedensstörer seien. Das Pontifikat Benedikts XVI. war trotz aller erwähnten Abstriche, die gemacht werden müssen, ein kurzer Lichtblick, eine „Wehenpause“, in der viele Glaubenstreue wieder Mut schöpften. Seitdem Franziskus zum Papst gewählt worden ist, erleben wir nicht nur den raschen Zerfall dessen, was der noch hinter den Mauern lebende Heilige Vater versuchte zu integrieren. Vor unseren bestürzten Augen trennt sich ein großer Teil der sogenannten Konservativen wie Spreu vom Weizen. Auch sie verweigern nun offen, mit der Sprache und den Sätzen redlich umzugehen und haben sich dem Trend des oberflächlichen Zerdeutens angeschlossen. Sie lassen sich leiten vom Ansehen der Person und einem kranken Gehorsamsbegriff, als müsste ein Gläubiger dem Satan gehorchen, nur weil der sich als Engel des Lichts ausgibt und schon längst in den höchsten klerikalen Ämtern Platz genommen hat. Präzise Argumentationen werden aggressiv oder in der Verkleidung einstudierter Demut abgewehrt. Auf konservativen Internet-Plattformen wie Kath.net hat sich seit Monaten die Zensur gegenüber allen kritischen Stellungnahmen etabliert. Klare und aufrichtige Gedanken sind der Düsternis, die die Kirche inzwischen zu weiten Teilen unbewohnbar macht und lähmt, unerträglich. Sie fürchtet nichts mehr als das helle Licht der Barmherzigkeit Gottes, die naturgemäß ohne Gericht nicht auskommen kann – welchen Sinn sollte der Begriff Barmherzigkeit ohne drohendes Gericht auch haben? Per viscera misericordiae Dei nostri, in quibus visitabit nos oriens ex alto, illuminare his, qui in tenebris et in umbra mortis sedent, ad dirigendos pedes nostros in viam pacis. So hat es uns das lateinische Benedictus so unübertrefflich zugesagt. „Durch die fleischgewordene Barmherzigkeit unseres Gottes wird uns besuchen der Oriens (die „im Osten aufgehende Sonne“, der „uns Orientierung gebende“) aus der Höhe, damit die erleuchtet werden, die im Finstern und im Todesschatten sitzen, und unsere Füße auf den Weg des Friedens geleitet werden.“ Jeder, der diesem Oriens in aller schlichten Klarheit folgt, gleißt in der Finsternis wie ein Prisma und wird gehasst für die Verletzung, die er dem trüben und erschlafften Auge zufügt. Man bevorzugt die Funzeln der Dämonen mit ihrem weichlichen Rotlicht.
Die sogenannten Konservativen haben den Fehler gemacht, unbesehen „Vergangenes“ für wahr zu halten, anstatt differenziert danach zu fragen, was präzise und ohne Relativierung ewige Lehre der Kirche ist. Nur eine Klärung des Wahrheitsbegriffes rettet vor dem Abgleiten in Häresie und Apostasie. Die Konservativen haben solche Analysen bislang verschlafen. Die Wahrheit, der in die Zeit gesetzte rote Faden, ist keine evolutionäre Einrichtung. Es ist immer derselbe Faden - auch wenn er so lang ist wie die Heilsgeschichte. Und dies nicht symbolisch, nicht „im übertragenen Sinne“, sondern im Sinne des Logos, des Lammes Gottes, in viscera misericordiae Dei, ganz leibhaftig. Nichts drückt diese Wahrheit mehr aus als das Geheimnis des Messopfers, das vollkommen vergegenwärtigte, in die Zeit verlängerte fleischgewordene Opfer, das von mir nichts Geringeres fordert, als mich in sich hineinziehen zu lassen. Dieses Geheimnis kann ein Mensch nur durch die Erleuchtung des Heiligen Geistes verstehen. Er empfängt sie, wenn er aus Maria, der Braut, ins Reich Gottes hineingeboren wurde und von ihr weiterhin erzogen wird. Der Kniefall bei der Feier des Messopfers wird ihm dann eingegeben werden, jene liturgische Geste der totalen Hingabe, die von so manchen inzwischen, was nur schlüssig ist (!), verweigert wird. Das behauptete gaudium der mater ecclesia ist ein herrischer Befehl an die Gottesmutter, sich gefälligst zu freuen. Sie selbst hat nämlich 1917 ihren großen Schmerz über das Ausmaß des Unglaubens verkündigt und aufgetragen, den dritten Teil des Fatima-Geheimnisses 1960 zu veröffentlichen, was Johannes XXIII. zu verhindern wusste. Ihr dolor wird nach ihren eigenen Worten ein triumphus sein und steht noch aus: ihr unbeflecktes Herz wird triumphieren – am Ende.[27] Am Ende, an das wir in unserem Hochmut und unserer Selbstgefälligkeit nicht kommen wollen, dessen Triumph Johannes XXIII. aus eigener Vollmacht und vor der Zeit auf die selbstgemalte Fahne einer humanistisch umgedeuteten Kirche schreiben wollte. Mit ihm hat der beispiellose Niedergang des Papsttums und der Kirche eingesetzt, den wir seither erleben. Johannes XXIII. hat die Immaculata nicht nur einfach ignoriert. Er hat ihr die Feindschaft angetragen, indem er sie beiseite geschoben, ihr den Mund verboten und das Gegenteil zu ihren Warnungen verkündet hat. Ist nicht unsere allerseligste Mutter die Exponierteste unter den „Unglückspropheten“? Die Abneigung dieses Papstes gegenüber dem gottgegebenen fraulichen und mütterlichen Einfluss auf den Klerus gewinnt von da aus betrachtet einen doppelt finsteren Sinn.[28]

3. Der Taumel im Weizenfeld


Seit dem Konzil wird gerne das Gleichnis vom Unkraut und vom Weizen[29] angeführt, um uns in der Krise davon abzuhalten, das Charisma der Unterscheidung der Geister auszuüben.
Oft wird darauf hingewiesen, dass das Unkraut wohl der berüchtigte Taumellolch war, der noch dazu von einem Pilz befallen wurde, der das ganze Weizenfeld verderben konnte. Die Arbeiter in dieser Erzählung kommen zum Hausherrn und fragen ihn irritiert, ob er denn nicht guten Samen gesät habe. Der Angesprochene begreift, dass ein Feind ihm den bösen Samen ins Feld gesetzt haben muss. Den Vorschlag, das Unkraut auszureißen, verwehrt der Herr: Nicht dass ihr den Weizen mit dem Unkraut ausreißt! Lasst alles ausreifen bis zur Ernte, dann wird getrennt. Aha, rufen nun die Schlaumeier, da seht ihr es - man könnte Weizen für Unkraut halten und umgekehrt. Das ist jedoch Unsinn: mit keiner Silbe wird ausgedrückt, dass Unkraut und Weizen nicht unterscheidbar wären. Jesus sagt in seiner Deutung, das Weizenfeld sei die Welt. Die Welt – nicht das Reich Gottes. Ist die Welt nicht so? Hat Gott nicht alles gut geschaffen? Hat nicht der Satan dies durch seine Saat verdorben? Und ist nicht durch die Jungfrau Maria und ihr unvergleichliches Fiat wieder guter Same ins gnadenvolle, reine Herz einer Frau gegeben, die den neuen Adam, Jesus, gebar – ? Es gibt die Menschenkinder, die mit Maria das Fiat sprechen und die, die diese Gnade abweisen. Man kann sie und ihre Werke nach den Worten Jesu aufgrund der Früchte voneinander unterscheiden, ja, man muss sie sogar voneinander unterscheiden können, wie Jakobus schreibt.[30] Allerdings muss man genau hinsehen, sich die Mühe aufrichtiger und vorsichtiger Prüfung machen. Es kann also in dem Gleichnis nicht darum gehen, dass wir zu keinem Urteil über die Dinge um uns herum kommen dürften. Wie anders sollte das Lehramt sonst prinzipiell seinem Auftrag, zu binden und zu lösen, gerecht werden können? Wie sollte sonst überhaupt ein Mensch selig werden können?
Es geht vielmehr darum, dass in dieser gefallenen Schöpfung alles mit allem verbunden ist. Alle sind ineinander verflochten, die Guten und die Bösen. So wie sich die Wurzeln des Taumellolchs mit dem des Weizen unter der Erde verschränken. Die eschatologische Perspektive dieses Gleichnisses will keine Debatte darüber anregen, ob wir überhaupt unterscheiden können, was gut oder böse ist. Die Gabe der discretio spirituum wird sichtlich vorausgesetzt. Sie führt vielmehr vor Augen, dass allein Gottes Liebe und Gnade es ist, die bis zum Ende ausharren will, bis der letzte Weizenhalm ausgereift ist, die dieselbe Sonne aufgehen lässt über Gerechte und Ungerechte, die nicht aufhören lässt Saat und Ernte, Frost und Hitze, bis die „Vollzahl“ derer, die gerettet werden, erreicht ist.[31] Es muss offenbar werden, was in jedem von uns steckt. Und jeder bekommt ein ganzes Leben lang Zeit. Gnadenzeit.
Nur wer vom Taumellolch gekostet hat, kann Unkraut und Weizen nicht mehr unterscheiden. Wir sollen nicht auf den Urheber des Unkrautes hören und ins euphorische Taumeln kommen, sondern der Stimme des guten Hirten folgen, die wir erkennen dürfen, wenn wir darum bitten. Der narkotische Taumel, den das Unkraut verursacht, etwa der Wahn, man könne oder müsse (warum eigentlich?) ein „2. Pfingsten“ erzeugen oder gar einen „neuen Abendmahlssaal“, stammt nicht von Jesus. Was nach genauer Betrachtung in einem blasphemischen Irrlicht erscheint, darf auf keinen Fall verwechselt werden mit der Freude, die das Herz festigt, wenn der Heilige Geist es beseelt, der mit dem Pfingstfest, das uns die Apostelgeschichte erzählt, im übrigen ein für alle mal gegeben ist. So wie es nur ein Weihnachten, einen Karfreitag, ein Ostern etc. gibt, wenn auch in „in die Zeit gesetzter Verlängerung“. Aber das ist etwas anderes als der hier proklamierte Neuansatz!
Aus Liebe zu den anderen Menschen sollen wir geduldig abwarten und für sie beten, solange sie und wir Zeit geschenkt bekommen.
Ist diese Zeit verstrichen, wird Gott das Unkraut aussondern und verbrennen lassen und den Weizen alleine übrig lassen. Im Ergebnis ist das Gleichnis eine Geschichte vom kommenden Gericht nach einer langen Gnadenzeit.
Die euphorische Rede Johannes XXIII. zur Eröffnung des Konzils wirkt heute wie eine schale Brühe. Was er proklamierte, ist nicht nur nicht eingetroffen, sondern das blanke Gegenteil hat sich schleichend, Schritt für Schritt seither vollzogen. Es ist kein gaudium im Weizenfeld, sondern narkotischer Taumel, es ist kein „zweites Pfingsten“ und kein „neuer Abendmahlssaal“, was er da angestoßen hat, sondern Krankheitsrausch und lacrimae, lacrimae, lacrimae, Katzenjammer über den großen Schaden, der entstanden ist. Wollte ich glauben, dass dieses Konzilsdesaster den Heiligen Geist als Urheber haben soll, müsste ich meinen Glauben aufgeben! Ein gesunder Baum kann doch nicht solch faule Früchte tragen! Es sind ja nicht verfehlte Reaktionen auf eine klare Lehre des Konzils, die so destruktiv sind, wie uns die Verfechter der „Hermeneutik der Kontinuität“ es darstellen wollen. Nein, es sind die widersprüchlichen Lehren des Konzils selbst, das kein wahres Konzil sein wollte – und nur ein Konzil, das die Lehre definiert, ist ein wahres Konzil! -, die zu dieser Agonie geführt haben.
Die Wachsamkeit, die Jesus uns abverlangt, beansprucht alle unsere intellektuellen und seelischen Kräfte. Niemand kann sich mehr um eine Entscheidung herumdrücken. Wer ausweicht, fällt unweigerlich dem Ungeist zum Opfer, der in der mater ecclesia so frech immer mehr Platz einnimmt.
Die Zeit ist unleugbar weit vorangeschritten. Was wird als nächstes geschehen?
Ich erwarte es mit Grauen. Aber noch viel mehr erwarte ich den Herrn und hoffe, dass ER selbst mir und allen meinen Geschwistern dazu verhilft, diese Hoffnung nicht zu verlieren. Nur das wahrhaft unbefleckte Herz Mariens kann uns angesichts der fast total korrumpierten Amtshierarchie in dieser Verwirrung noch ein verlässliches Lehramt sein. Damit wird plötzlich verständlich, warum seit 100 Jahren sowohl durch Erscheinungen der Gottesmuter als auch durch private Visionen eindringlich die Andacht zur Immaculata als Heilmittel angeboten wurde: Jesus sagte, kein Mensch könnte mehr selig werden, wenn nicht die schlimme Zeit am Ende verkürzt würde.[32] Wir sind seit Generationen so verwirrt, dass wir kaum noch zu erkennen vermögen, wie verdorben unser gesamtes Denken und Fühlen ist. Nur das „unbefleckte Herz“ der Gottesmutter kann hier noch Orientierung bieten – dies aber wie eine frische Quelle. Wer sich ihr weiht, kann mit Siebenmeilenstiefeln fortschreiten in der Nachfolge Christi. Die Immaculata selbst „springt“ ein für die abgefallenen Apostel, die wie Sterne vom Himmel gestürzt sind, und steht den wenigen Wunderwerken Gottes, den echten Kleinod-Priestern, diesen kleinen Zeugen des Jüngers Johannes, als himmlische Mutter zur Seite und damit uns allen. Welche tiefe Weisheit, kurz vor diesen Geschehnissen im Jahre 1950 ihre leibliche Aufnahme in den Himmel zum Dogma zu erklären. Maria ist definitiv Königin über die Engel und Apostel und darf uns so zweifellos vertrauenswürdige Hüterin in dieser schweren Zeit sein.
O Maria!
© Hanna Jüngling 2013


[1] 2. Thessalonicher 2, 7
[2] 2. Thessalonicher 2, 3+8
[3] 2. Thessalonicher 2, 2+3 – deutscher Text eigene Übersetzung
[4] Mt. 25, 13
[5] Mk. 13, 32, 33+36
[6] Vgl. Mt. 24, 3ff
[7] Mt. 24, 15
[9] Die Vorgänge haben viele treue Katholiken besorgt. In einem Schreiben baten sie Benedikt XVI. im Jahr 2011, in diesem Stil nicht weiter zu verfahren: http://www.katholisches.info/2011/01/12/widerstand-gegen-interreligioses-treffen-assisi-3-offener-brief-an-papst-benedikt-xvi (3.8.2013)
[10] Mt. 24, 15
[11] Joh. 10, 27+28
[12] AAS 54 (1962), 786
[13] Roberto de Mattei: Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte. Stuttgart 2012. S. 224
[14] AAS 54 (1962), 789 - Saepe quidem accidit, quemadmodum in cotidiano obeundo apostolico ministerio comperimus, ut non sine aurium Nostrarum offensione quorundam voces ad Nos perferantur, qui, licet religionis studio incensi, non satis tamen aequa aestimatione prudentique iudicio res perpendunt. Hi enim, in praesentibus humanae societatis condicionibus, nonnisi ruinas calamitatesque cernere valent ; dictitant nostra tempora, si cum elapsis saeculis comparentur, prorsus in peius abiisse ; atque adeo ita se habent, quasi ex historia, quae vitae magistra est, nihil habeant quod discant, ac veluti si, superiorum Conciliorum tempore, quoad christianam doctrinam,
quoad mores, quoad iustam Ecclesiae libertatem, omnia prospere ac recte processerint. At Nobis plane dissentiendum esse videtur ab his rerum adversarum vaticinatoribus, qui deteriora semper praenuntiant, quasi rerum exitium instet. In praesenti humanorum eventuum cursu, quo hominum societas novum rerum ordinem ingredi videtur, potius arcana Divinae Providentiae consilia agnoscenda sunt, quae per tempora succedentia, hominum opera, ac plerumque praeter eorum exspectationem, suum exitum consequuntur, atque omnia, adversos etiam humanos casus, in Ecclesiae bonum sapienter disponunt. - In der täglichen Ausübung unseres Hirtenamtes verletzt es uns, wenn wir manchmal Vorhaltungen von Leuten anhören müssen, die zwar voll Eifer, aber nicht gerade mit einem sehr großen Sinn für Differenzierung und Takt begabt sind. In der jüngsten Vergangenheit bis zur Gegenwart nehmen sie nur Mißstände und Fehlentwicklungen zur Kenntnis. Sie sagen, daß unsere Zeit sich im Vergleich zur Vergangenheit nur zum Schlechteren hin entwickle. Sie tun so, als ob sie nichts aus der Geschichte gelernt hätten, die doch eine Lehrmeisterin des Lebens ist, und als ob bei den vorausgegangenen Ökumenischen Konzilien Sinn und Geist des Christentums, gelebter Glaube und eine gerechte Anwendung der Freiheit der Religion sich in allem hätten durchsetzen können. Wir müssen diesen Unglückspropheten widersprechen, die immer nur Unheil voraussagen, als ob der Untergang der Welt unmittelbar bevorstünde. In der gegenwärtigen Entwicklung der menschlichen Ereignisse, durch welche, die Menschheit in eine neue Ordnung einzutreten scheint, muß man viel eher einen verborgenen Plan der göttlichen Vorsehung anerkennen. Dieser verfolgt mit dem Ablauf der Zeiten, durch die Werke der Menschen und meist über ihre Erwartungen hinaus sein eigenes Ziel, und alles, auch die entgegengesetzten menschlichen Interessen, lenkt er weise zum Heil der Kirche.
[15] ASS XXIII [1890-1891] 641-670 Leo XIII. Spricht darin von der verderblichen Wirkung des „Geistes der Neuerung“
[16] AAS 54 (1962), 789/90 Etenim satis est cursim ecclesiasticos annales pervolvere, ut statim manifesto pateat, vel ipsa Oecumenica Concilia, quorum vicissitudines aureis litteris Ecclesiae fastis consignatae sunt, saepe non sine gravissimis difficultatibus ac doloris causis, ob indebitam civilis potestatis interpositam auctoritatem, celebrata fuisse. Huius enim mundi Principes interdum sibi quidem proponebant sincero animo Ecclesiae patrocinium suscipere ; quod tamen plerumque non sine spirituali detrimento ac periculo fiebat, cum iidem saepius rationibus politicis ducerentur suisque utilitatibus nimium studerent. Fatemur quidem hodie Nos vehementi dolore affici, quod inter vos complures Ecclesiae Pastores desiderantur, Nobis sane carissimi, qui ob Christi Fidem in vinculis detinentur vel aliis impedimentis praepediuntur, et quorum recordatio Nos permovet ut pro ipsis fiagrantissimas
Deo preces admoveamus; attamen non sine spe ac magno solacio Nostro hodie factum esse cernimus, ut Ecclesia, tot profanis praeteritae aetatis impedimentis tandem expedita, ex hoc Vaticano Templo, veluti altero Apostolorum Cenáculo, per vos vocem suam, maiestatis gravitatisque
plenam, attollere possit. -  Es genügt ein kurzer Blick auf die Kirchengeschichte, um sofort zu erkennen, wie die ökumenischen Konzilien selber, die doch eine Reihe ruhmreicher Taten der Kirche waren, oft durch unzulässige Einmischung der staatlichen Autoritäten nicht ohne große Schwierigkeiten und Schmerzen begangen werden konnten. Die Fürsten dieser Welt nahmen sich zwar zuweilen vor, mit aller Aufrichtig dem Schutz der Kirche zu dienen, aber das geschah meistens nicht ohne geistlichen Schaden und Gefahr, da jene Herren oft von politischen Gesichtspunkten geleitet wurden und eine recht eigensüchtige Politik trieben.
Wir möchten Euch heute gestehen, wie sehr Wir darunter leiden, daß viele unserer Bischöfe hier abwesend sind, uns aber sind sie sehr teuer. Sie wurden wegen ihrer Treue zu Christus eingekerkert, oder sie werden durch sonstige Hindernisse festgehalten. Der Gedanke an sie veranlasst Uns, glühende Gebete an Gott zu richten. Dennoch erkennen Wir nicht ohne Hoffnung und zu Unserem großen Trost wie die Kirche heute, endlich von so vielen Hindernissen irdischer Art befreit, aus dieser Vatikanischen Basilika wie aus einem neuen apostolischen Abendmahlssaal durch Euch ihre Stimme in voller Majestät und Größe erheben kann.
[17] Roberto de Mattei, S. 197 ff: Die politische Bedrohungslage durch den Kommunismus und eine geheime Abmachung zwischen Kardinal Tisserant und dem russisch-orthodoxen Erzbischof Nikodim, einem KGB-Funktionär, hatte sogar erheblichen Einfluss auf das Zurückweichen des Konzils vor einer Verurteilung des Kommunismus. Unsere Liebe Frau von Fatima hatte die verheerenden „Irrtümern Russlands“ vorhergesagt. Das Konzil konnte sich trotz Ihrer Warnung und trotz der Voten vieler Bischöfe nicht zu einer Verwerfung durchringen.
[18] AAS 54 (1962), 788 - Quod autem ad originem et causam attinet maximi huius eventus, propter quem placuit Nobis vos hic congregare, satis est iterum afferre testimonium humile quidem, sed quod Nos ipsi experientia possumus probare : primo enim paene ex inopinato hoc Concilium mente concepimus, ac deinde simplicibus verbis enuntiavimus coram Sacro Purpuratorum Patrum Collegio fausto die illo vicesimo quinto mensis Ianuarii anno millesimo nongentesimo quinquagesimo nono, in festo Conversionis
Sancti Pauli Apostoli, in ipsa eius Patriarchali Basilica ad viam Ostiensem. Statim adstantium animi subito tacti sunt, quasi supernae lucis radio coruscante, et suaviter omnes affecti in vultu oculisque.
Simul vero vehemens studium toto terrarum orbe exarsit, cunctique homines Concilii celebrationem studiose exspectare coeperunt. -
[19] Roberto de Mattei, S. 153+154
[20] AAS 54 (1962), 787
[21] AAS 54 (1962), 794
[22] Hebr. 13, 13+14
[23] Mt. 7, 15f
[24] Vgl. Joh. 16, 13: Cum autem venerit ille, Spiritus veritatis, deducet vos in omnem veritatem; non enim loquetur a semetipso, sed quaecumque audiet, loquetur et, quae ventura sunt, annuntiabit vobis.
[25] Der Begriff des „Neuen Pfingsten“ für das 2. Vatikanische Konzil zeugt von einer Hybris. Ein Beispiel für die alltägliche klerikale Hybris dieser Haltung ist folgendes Zitat: Pfarrer Josef Mohr auf http://www.se-nord-hd.de/html/2012694.html?t=c27272cc0839d12580bab49e67e13020& - Predigt vom 27.5.2012: "Es geht um die Zukunftsfähigkeit der röm.-kath. Kirche: „Wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen!“ Dieses Sprichwort, so fürchte ich, wird sich für unsere Kirche auf dramatische Weise immer mehr bewahrheiten, wenn sie nicht wage-mutig einen neuen Aufbruch, ja einen neuen Ausbruch wagt aus jener Erstarrung und Lähmung, welche der Pfingstgeist immer neu überwinden will."
[26] Vgl. Anm. 14
[28] Artikel in der „Welt“ vom 27.10.2008 hatte die Überschrift: „Johannes XXIII. – der sturste aller Päpste“ und beschreibt, wie dieser Papst Priestern sogar verbot, mit ihrer eigenen Mutter im Auto zu fahren.
[29] Mt. 13, 24 ff
[30] Vgl. Jakobus 2
[31] Gen. 8, 22
[32] Vgl. Mt. 24, 22
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