Was feiern wir am Pfingsttag?
Gemeinhin sagt man, feiere die Christenheit die Ausgießung des Heiligen Geistes und damit die Kirche. Das ist ein sehr steiler Schritt weg von dem, was uns die Apostelgeschichte darüber berichtet ... die Kirche, jenes Machtgebilde, das angeblich irrtumsfrei ist und in einer Hierarchie von Amtsträgern, die diese Irrtumsfreiheit wie auch immer sichtbar machen sollen, nicht dagegen die Laien, die feiern wir?
In unseren Tagen kann man diese Kirche bei fallenden Schleiern wirklich nicht feiern ...
Aber sie ist auch ganz gewiss nicht der Gegenstand des Pfingstfestes, das sich aus dem israelitischen Schawuot herleitet, dem Erntefest, das sich nach 50 Tagen an Pesach anschließt, das dem Osterfest entspricht.
Ein Erntefest ist es israelitisch schon im geistigen Sinn, es kommen Früchte. Die Frucht ist aber nicht die Kirche. Frucht gibt es nur als einzelne Früchte, gereifte einzelne Früchte, und der Wurzelstock, an dem sie reifen, ist nicht das, wozu sie hinreifen, die Kirche, sondern Christus selbst, mit dem der Anfang, der Neuanfang gesetzt worden ist, als er auferweckt wurde.
Auf DEM Pfingstfest gab es ein Sprachenwunder und die Weissagung Joels, dass Söhne und Töchter weissagen würden, Alte und Junge, erfüllte sich: Alle konnten in einer geheilten Sprache plötzlich alle verstehen und auch alles, was gesagt wurde ... Dass sich hier eine Sprachverwirrung seit Babel rückgängig macht, weiß man in der Kirche zum Glück noch.
Aber haben wir seither eine geheilte Sprache erlebt?
Ganz gewiss nicht, jedenfalls nicht im Großen und Ganzen, vielleicht bei einzelnen, bei den Söhnen und Töchtern, also denen, die kein Amt haben als einfach zu dem geheilt zu werden, ganz direkt als einzelne Menschen, wozu Gott sie wollte. Hierarchische Vormünder brauchen sie eben so gewiss nicht. Und Kirche ist für sie ganz gewiss nicht dieser abstoßende Machtkoloss, der sich vollkommen pervertiert hat.
Sprachenwunder ... wir haben das Gegenteil erlebt. Über die Sprache wird das Weltgeschehen in den Abgrund manövriert. Auch in der Kirche. Schal wurde das Geschwätz dort, das gestelzte Getue, die starren Dogmen, das Propaganda-Gefasel, die Zerstörung der Botschaft vom kommenden Reich. Dazu kommen ihre maßlosen Verbrechen, deren schlimmste wir vermutlich gar nicht wissen. Noch nicht, aber es grummelt unter den sieben Hügeln. Und alles, was sich von ihr spaltete ist kaum besser. Starrheit wohin man sieht. Erkaltung, Erloschenes, Fundamentalismus oder völlige Gleichgültigkeit und Zeitgeistigkeit auf plattestem Niveau. Nur ganz selten begegnet einem einer, in dem Christus lebendig zu wirken scheint.
Und unsere Sprache?
Das Deutsche, bleiben wir bei unserer Sprache, ist verhunzt, von Mördern und Gewalttätern missbraucht, erlebte Vergewaltigung um Vergewaltigung und diente als Perversionsplattform derer, die neue Welten proklamieren wollten und dafür unendlich viel Blut vergossen haben. Mit der Sprache ists nicht ganz so einfach, sie ist kontaminiert als solche von dem, was "Sünde" wirklich meint: Lüge, Mord und Verhinderung, dass sich in der Sprache die Wirklichkeit lebendig abbildet, ohne zur bloßen Repräsentation der Wirklichkeit zu werden und damit zur Lüge und Illusion.
Spontan würde man sagen: Das Deutsche kann nichts dafür, dass es auch von Unmenschen gesprochen wurde und wird. Aber ganz so einfach ist das nicht, weil jede Sprache rück-gefärbt wird durch die, die sie sprechen. Sie wird kontaminiert durch die Mörder. Aber an diesem Punkt steige ich mit der Zustimmung aus, denn welche Sprache dieser Welt würde nicht auch von den Teufeln gesprochen? Vielleicht ist die große Verheißung des Pfingstfestes nicht die Kirche, sondern eine Befähigung, die Sprache neu zu erhalten – wie Heidegger sagen würde: aus dem „Seyn“. Ich würde sagen von dem, dessen logos alles erschafft und erneuert. „Zungenrede“ wäre demnach geläutertes Sprechen, das so weit weg ist von der landläufigen, „vernünftigen Sprache“, dass Paulus sie sogar zurückweisen musste, um dem gefallenen Menschen noch eine Möglichkeit zu lassen, ansprechbar und sprachfähig zu bleiben. Anders: Eine Sprachläuterung lässt sich nicht erzwingen, der Dichter muss in Demut in der noch herabgedimmten und kontaminierten Sprache empfangen, was aus der Reinheit auf ihn kommt, ehe sie sich klären kann.
Denn der "Weissagende" ist der Dichter:
Ist unbekannt Gott? Ist er offenbar wie die Himmel?
dieses glaub' ich eher. Des Menschen Maaß ist's.
Voll Verdienst, doch dichterisch,
wohnet der Mensch auf dieser Erde. Doch reiner
ist nicht der Schatten der Nacht mit den Sternen,
wenn ich so sagen könnte,
als der Mensch, der heißet ein Bild der Gottheit.
(Hölderlin: In lieblicher Bläue. 1808)
Hanna Jüngling, Pfingsten 2025 (8. Juni)
Dazu auch ein Video mit genaueren Ausführungen: Was ist eigentlich das Pfingstwunder? Von der Erneuerung durch Dichtung und dem Satz "Die Sprache ist das Haus des Seins". (4.6.2025)
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