Sonntag, 27. November 2016

Adventus I



Adventus I 

Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters. Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.

„Was aber die Zeiten und Fristen betrifft, Brüder, so habt ihr nicht nötig, dass man euch darüber schreibe. Denn ihr wisst selbst sehr wohl, dass der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht“ (1 Thess 5, 1-2)

Wir leben in einer Zeit großer Verwirrung. Die einen sind fanatisiert und schlagen destruktiv um sich, die andern glauben an das „Anything goes“. Dazwischen gibt es tausend konkurrierende oder umarmende Entwürfe. Und doch müssen am Ende alle davon und werden vor dem ewigen Richter stehen. Wir alle wissen das tief in uns und fürchten und konditionieren uns entweder auf eine vollkommene, achselzuckende Taubheit gegenüber dieser Frage, oder wir drängen uns und andere in eine religiöse Schockstarre.
Allerdings wird uns ein gerechter Richter mit Sicherheit nicht danach fragen, was uns die Panik oder ein machtgeiler religiöser Mob eingab, die fanatische Leugnung oder die zynische Verdrängung, sondern was uns eine ruhige Offenbarungstradition, unsere Vernunft und das Gewissen zu lehren versuchten. Doch nichts hat heute schlechtere Karten als das Gewissen und die feine und vernünftige Stimme des Herzens.

Rom, Kalixtuskatakombe, Krypta der Hl. Caecilia: Christusgesicht
Heute ist der Erste Advent. Wir gehen der Inkarnation des göttlichen Wortes in unserem liturgischen Gedächtnis entgegen. Viele Abendländer fühlen sich von der barbarisch auftretenden und blutrünstigen "Stärke" der mohammedanischen Religion bedroht. Mit Recht, solange sie nicht wissen, woher sie selbst einst kamen!
Die Häresie der Wüstenleute besteht darin, einen Glauben kreiert zu haben, der dieses lebendige Wort Gottes, das Christus heißt und Mensch wurde, verwechselt mit dem Stammeln der babylonisch verwirrten menschlichen Sprache, die an sich selbst immer unzulänglich ist und alles Göttliche nur wie einen schwachen Abglanz zurückhallen lassen kann.
In die Starre und Sterblichkeit des menschlichen Sprechens gezwungen erstickt ein solcher Menschenwort-Glaube jede Lebendigkeit. Selbst natürliche Menschensprachen sind Instrumente lebendiger Geistesbewegungen. Diese Leute aber, die daraus ein Steinbild machen, ein verbales Götzenbild, können folglich weder frei denken noch Inspirationen erhalten, mit deren Hilfe sie sich selbst überschreiten können. Und das ist ihr Problem. Sie versinken in einem unsäglichen Zorn, einer großen emotionalen Unruhe, im rituellen Selbstmitleid und letztendlich im Selbsthass und der trotzigen Sehnsucht nach der Hölle auf Erden.
Der Mensch, der zum lebendigen Nachdenken, zur Kontemplation geschaffen ist, soll Maria nacheifern. Sie ist die gotterwählte Spitze der Menschheit, die Jungfrau und Gottesmutter Maria.
Sie empfing das göttliche Wort in ihrem Herzen und "bewegte" es, ja sie durfte es sogar leibhaftig gebären! Wer die Inkarnation Gottes und die Trinität ausdrücklich und grundsätzlich leugnet, wird zur Verschließung vor dem lebendigen Gott unterworfen und fällt ins Bodenlose.
Und sie fallen und reißen im Fallen mit sich, was noch zu fassen ist. Brände legen sie gerade im Heiligen Land! Dornen und Brennnesseln überwuchern ihre Felder. Mord und Totschlag bringen sie über andere. Und die ihnen hierzulande von den Unseren zujubeln, mögen vielleicht nicht ihrer totenstarren konkreten Glaubensverweigerung folgen, aber sie steuern eine Totenstarre eigener Art hinzu, die sich mit der der Steinewerfer, Brandleger und Selbstpeiniger verwandt weiß.
Und doch: wer weiß, wie viel unerfüllte Sehnsucht nach der Wahrheit in deren Reihen verborgen liegt und nicht wagen darf, zu seufzen?

Heute ist der 1. Advent, und ich wünsche allen, die einem verbalen Steinbild unterworfen wurden, und die sich doch nach dem Lebendigen sehnen, dass sie es erkennen können, dass es bei Gott keine erstarrten Menschenworte geben kann, sondern nur Worte, die Herzen bewegen und „nicht leer zurückkommen“, wie es in der Schrift heißt, die eine Überfülle an weiteren Worten, an schöpferischen, liebevollen und klaren Worten hervorbringen, neue Klänge, Erfindungen und Ideen und eine Vorübung auf die selige Anschauung Gottes im Himmel, die nie zu Ende geht, weil der ewige Gott nie zu Ende geschaut werden kann.
Was aber bedeutet es für uns, wenn es uns vergönnt sein darf, dort anzulangen, in diese ewige Gottheit einzutauchen!

Denn wie der Regen und der Schnee vom Himmel fällt und nicht dorthin zurückkehrt, sondern die Erde tränkt und sie zum Keimen und Sprossen bringt, wie er dem Sämann Samen gibt und Brot zum Essen,
so ist es auch mit dem Wort, das meinen Mund verlässt: Es kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will, und erreicht all das, wozu ich es ausgesandt habe.
Voll Freude werdet ihr fortziehen, wohlbehalten kehrt ihr zurück. Berge und Hügel brechen bei eurem Anblick in Jubel aus, alle Bäume auf dem Feld klatschen Beifall.
Statt Dornen wachsen Zypressen, statt Brennnesseln Myrten. Das geschieht zum Ruhm des Herrn als ein ewiges Zeichen, das niemals getilgt wird.

(Jesaja 55)

Jeder denke nach, mit aller Kraft, welch ein unerschlossener Schatz hier für uns angelegt wurde.
Diejenigen, die bedroht werden, über diese Dinge nachzudenken, denen Angst gemacht wird, sie fielen vom Glauben ab oder kämen in die Hölle oder ihre Mitmenschen bereiteten ihnen die Hölle auf Erden:
Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten?
Niemand kann euch in eure Herzen sehen und niemand kann ein Gebet an den wahren lebendigen Gott verhindern. Wenn es den „wahren, lebendigen Gott“ gibt, kann  man ihn einfach mit diesem Namen ansprechen. Er weiß, dass er gemeint ist und schenkt alles weitere dem, der beschenkt werden und sich der Resignation nicht überlassen will.

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