Reflexionen zur Infallibilität des Papstes
„Was
vermag nicht eine konsequente verketzernde Intrigue! Das Unglück ist, daß die
wahrhaft Kirchlichen und Einsichtsvollen unter den Bischöfen den Ehrgeizigen an
Energie weit nachstehen. (…) Diese Zeloten und Spiritualen dem Worte nach,
bereiten, wenn Gott nicht bald uns würdigt einzuschreiten, einen neuen Abfall
von der Kirche vor, und zwar ihren eigenen Abfall, sobald einmal ein Papst
ihnen nicht zu Willen ist, da sie Gehorsam nicht gelernt haben. In einem solchen
Falle würden sie auch nicht anstehen, die von ihnen als Prüfstein der
Orthodoxie verteidigte Unfehlbarkeit des Papstes aufzugeben.“[1]
Die Kirche hat sich sichtlich mit
der Verabsolutierung des Papsttums in eine Lage geritten, die für keinen
Menschen mehr lösbar scheint. Wie man es dreht und wendet – man verstrickt sich
in logische Widersprüche und die Realität der Kirche hier und jetzt ist in
jeder Hinsicht als chaotisch zu bezeichnen.
Niemals wurde in Rom mit dem
notwendigen Ernst bedacht, dass Päpste nur Menschen sind und irren können, ja
sogar irren wollen könnten. Der Fall
wurde abgetan als eine Unmöglichkeit und die Gestalt des Papstes trotz – was
die menschliche Seite betrifft - verheerender historischer Fakten mit geradezu
magischer Kraft und Unfehlbarkeit aufgeladen. Er wurde zum Idol. Das
ausgewogene Verhältnis des Petrus zu den andern Aposteln wurde im 19. Jh
letztendlich auf der Basis eines hysterischen Antiliberalismus wie die anfangs
weite und luftige Welt der Maus in Kafkas „Kleiner Fabel“, ein für allemal
zerstört und in eine erstickende Enge getrieben.[2]
Mit ungläubigem Entsetzen mussten
die Gläubigen erleben, wie sich in der langfristigen, aber dennoch unmittelbaren
Folge des Papstdogmas die Päpste nach und nach als nicht nur irrende Männer,
sondern als regelrechte Häretiker
entpuppten und die Kirche immer tiefer in den Abgrund gerissen haben.
Fassungslos stehen wir vor einer Kirche, die nun nach vielen Abstiegen in immer
weitere Sakrilegien von einem Menschen namens Franziskus geführt wird, der mit
fast jedem Wort verdunkelt, verunklart und verdreht, was bisher gelehrt wurde
und was vor allem in der Heiligen Schrift bezeugt ist. Nachdem heuer in Rom
sogar offiziell das Sakrament der Ehe, für dessen Gültigkeit in früheren
Jahrhunderten Männer zu Märtyrern wurden, aufgelöst wird, ist nun auch noch der
letzte fromme Katholik aus seiner Papstseligkeit erwacht und versteht die Welt
nicht mehr. Wie immer er es durchdenkt – etwas kann nicht stimmen mit dem Dogma
von 1870, und sei es auch nur dessen haltlose Einseitigkeit und penetrant-absolutistische
Interpretation.
Während die atheistische Welt dem
Papst zujubelt, sind die verbliebenen Gläubigen wie in einem Schockzustand,
weil ihnen allmählich aufgeht, dass sie die Zeichen der Vorgängerpäpste aus
lauter Papolatrie, die ihnen das Lehramt selbst eingeimpft hatte, übersehen,
schöngeredet, womöglich sogar gutgeheißen haben. Ganze Traditionslinien stehen
in Frage, die gerade die ganz Frommen für nie mehr angreifbar gehalten haben. Eine
weitere Erschütterung des naiven konservativen Glaubens kommt dadurch hinzu,
dass sich nach der Öffnung der Vatikanischen Geheimarchive manche historische
Situation gänzlich anders darstellt und in der bisherigen „rechtgläubigen“
Deutung beim besten Willen nicht mehr aufrechterhalten werden kann.
Franziskus bindet den lange
aufgefüllten Sack nun unbekümmert um die Gläubigen zu.
Die Flucht vieler Kirchenkatholiken
in eine Art „Winterstarre“, bis wieder ein rechtgläubiger Papst kommt, wird
allmählich zu lange, denn es befinden sich bereits mehrere Generationen in
dieser Starre. Viele trösten sich mit Erscheinungen, Illusionen und
Charismatismus über die quälende Lage hinweg. Die anderen, die
Traditionalisten, lehnen den Papst auf die eine oder andere Weise ab, leisten
ihm „Widerstand“ oder halten ihn für Luft, wenn er ihrer Meinung nach häretisch
ist – eine Haltung, die, will man das Papstdogma ernstnehmen, protestantisch und
damit häretisch und schismatisch ist. Faktisch haben sich FSSPX und die ihnen
verwandten Sedisvakantisten in einem katholischen Bilderbuchprotestantismus im
Zeit-Kolorit des „Struwwelpeters“ eingerichtet. Wenn heute ein ordentlicher
Stellvertreter Petri käme, würden sie ihn wahrscheinlich für den Leibhaftigen
halten, nachdem sie sich nun schon so lange in selbstgebastelte theologische
Trutzburgen eingeigelt haben. Aber auch andersherum kann einem bange werden:
Was ist, wenn einer kommt und gezielt ihre Erwartungen und nun lange eingeübten
Vorurteile und Fiktionen bedient, der ein echter, wirklicher Wolf im Schafspelz
ist?
Und die angeblichen oder wirklichen
„Modernisten“?
Sie hatten gehofft, das Vaticanum
II würde die Kirche aus der erstickenden Enge führen, aus diesem System von
Angst und subtiler Gewalt, hierarchischer Arroganz und Geheimniskrämerei, die
die Reaktionäre den Freimaurern vorwarfen und doch selbst mit dem Kampf gegen
den Modernismus in ein ausgefeiltes innerkirchliches Spitzel- und
Denunziationssystem übergehen ließen, das bis heute funktioniert, auch wenn es
vielleicht inzwischen unter anderer geistlicher Führung sein könnte. Aber wer
weiß das schon so genau?
Die progressive Hoffnung hat sich
sichtlich auch nicht erfüllt. Das von Johannes XXIII. erfundene und seinen
Nachfolgern immer wieder neu proklamierte „Neue Pfingsten“ war ein mediales
Strohfeuer und geistlich erschreckend schlappes Flämmchen geblieben, das
aufgrund des allmählich versiegenden Öls in der Lampe nun fast erloschen ist.
Wenn Franziskus heute wieder einmal das „Neue Pfingsten“ bemüht, löst das
keinerlei Reaktion mehr außer einem müden Abwinken aus.
Es ist die Frage jedes ernsthaften
Gläubigen, wie es dazu kommen konnte, und wovon er sich, will er gerettet
werden, verabschieden muss an kirchlichen Irrungen. Denn es steht ja nichts
weniger als das Seelenheil auf dem Spiel: wer jetzt noch dem Papst folgt, weil
er denkt, er könne sein Heil nur mit dem Papst erwirken, muss Christus
verleugnen. Und da ein Urteil über die Rechtgläubigkeit des Papstes aufgrund
der Versäumnisse des Vaticanum I grundsätzlich niemandem außer ihm selbst
zusteht, sind die vielen „Widerständler“ und Sedisvakantisten zwar ein Hort
altbackener Gebräuche und teilweise sogar längst verworfener theologischer
Meinungen und Irrtümer neben der dankenswert unbeirrten Zelebration des alten
Ritus, aber keineswegs die Arche, die die Kirche doch sein soll. Auch in diesen
Kreisen vermischt sich der Irrtum heillos mit der Schönheit des Glaubens.
Wer den Herrn, wer Jesus liebt,
muss kritische Distanz zum Papsttum einnehmen. Es ist anderseits unmöglich,
dass der Herr gewollt haben kann, dass der Gläubige einem solchen Wahnsinn
ausgesetzt wird. Hier stimmt etwas nicht mehr, schon lange nicht mehr, nicht
erst seit dem Vaticanum II, sondern lange, lange vorher.
Ich versuche im folgenden, das
Dilemma als historischen Prozess zu beschreiben, um eine Lösung als dennoch
denkbar zu evozieren.
1. Das vorletzte Dogma
Nach Intrigen, vielen Merk- und
Fragwürdigkeiten, dem demonstrativen Auszug der sogenannten Minoritätsbischöfe,
also derer, die das Unfehlbarkeitsdogma ablehnten oder nicht überstrapazieren
wollten, und kurz vor dem Abbruch des Konzils wegen der heranrückenden
italienischen Truppen, wurde unter brütender Hitze am 18. Juli 1870 das Dogma
von der Unfehlbarkeit des Papstes verkündet, ein Solitär, herausgebrochen aus
dem ausführlichen Schema „De ecclesia
Christi“, das eigentlich hätte diskutiert und definiert werden sollen und
aus unerfindlichen Gründen hinter der Unfehlbarkeitsdebatte und –definition
zurückstehen musste. In der Stunde der Entscheidung brach über dem Petersdom
ein Sturm aus. Durch den Druck eines gewaltigen Donnerschlags zerbarst eines
der mächtigen Fenster. Manche hielten das für ein apokalyptisches Zeichen[3]
– ähnlich wie den Blitz, der am Tage des Rücktritts Papst Benedikts XVI. in die
Kuppel des Petersdoms einschlug. Das Dogma lautet folgendermaßen:
„Im
treuen Anschluss also an die Überlieferung, wie Wir sie von der ersten Zeit des
Christentums an überkommen haben, lehren Wir zur Ehre Gottes unsres Heilandes,
zur Verherrlichung der katholischen Religion und zum Heil der christlichen
Völker, unter Zustimmung des heiligen Konzils, und erklären es als von Gott
geoffenbartes Dogma: Wenn der römische Papst „ex Cathedra“ spricht, - das
heißt, wenn er in Ausübung seines Amtes als Hirte und Lehrer aller Christen mit
seiner höchsten Apostolischen Autorität erklärt, dass eine Lehre, die den
Glauben oder das sittliche Leben betrifft, von der ganzen Kirche gläubig
festzuhalten ist, - dann besitzt er kraft des göttlichen Beistandes, der ihm im
heiligen Petrus verheißen wurde, eben jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche
Erlöser seine Kirche bei Entscheidungen in der Glaubens- und Sittenlehre
ausgerüstet wissen wollte. Deshalb lassen solche Lehrentscheidungen des
römischen Papstes keine Abänderung mehr zu, und zwar schon von sich aus, nicht
erst infolge der Zustimmung der Kirche. Wer sich aber vermessen sollte, was
Gott verhüte, dieser Unserer Glaubensentscheidung zu widersprechen: der sei im
Bann."[4]
Ein Teil der Kirche fieberte vor
Begeisterung und im Rausch, endlich in Sicherheit zu sein: nun könne der Lehre
nichts mehr passieren, nun, da die cathedra
Petri für immer und ewig und sicher als unfehlbar erklärt worden sei.
Manche extreme Infallibilisten wie Kardinal Manning waren in einem
hochfahrenden Gestus zu dem Zweck angereist, die „Häretiker“ bzw. diejenigen,
die sie dafür hielten, an dieser Frage allesamt zu entlarven und zu
exkommunizieren. Welch übergriffiger Hochmut sich in seiner Haltung offenbart,
wollten und wollen ultramontane Kreise bis heute nicht wahrnehmen – denn es ist
und bleibt ein Ding der Unmöglichkeit, wenn ein einzelner Bischof schon vor
einem allgemeinen Konzil weiß, was das Konzil zu beschließen hat und bereits
zuvor die Bischöfe, die seiner eigenen Absicht entgegenstehen, offen als
Häretiker bezeichnet, die man erst gar nicht anzuhören bräuchte.[5]
Eine latent seit der Gründung des
Jesuitenordens nachweisbar und formell vorwärtsgetriebene, bizarre
Verabsolutierung des Nachfolgers Petri brach sich endgültig nach der
Dogmenverkündung Bahn. Entgegen allen anderslautenden Beteuerungen wurde im
Kirchenvolk seither eine ungesunde Anhänglichkeit an den „Heiligen Vater“
verfestigt, die in völlig ernstgemeinten Sprüchen wie „Ein guter Katholik geht eher mit dem Papst in die Hölle als ohne ihn
in den Himmel“ zum Ausdruck kommt. Die Welt nennt so etwas nach der
ignatianischen Wortschöpfung negativ „Kadavergehorsam“. Diese Haltung fand
alsbald auch politischen Ausdruck in diversen Faschismen. Ist das katholisch?
Wenn ich an das geschlagene, liebe
Gesicht des Herrn denke, muss ich angesichts eines solchen „frommen“ Satzes
zusammenzucken und weiß, dass er blasphemisch ist. Dieser Satz offenbart, dass
die Verabsolutierung des Papstes den Ernst der Lage für die Seelen leichtfertig
aufs Spiel setzte, wenn nicht sogar bewusst um eines dunklen Zieles willen zu
verspielen bereit war und ist. Letztendlich sagt der Satz, dass der Papst
Vorrang vor dem Seelenheil der Herde hat. Die Herde wird eingeschworen auf das,
was ein bestimmter, fehlbarer Mensch tut, ohne dass ihr ein Raum gelassen wird,
dessen einzelne Akte im Notfall – nicht aus einem generalisierenden Vorbehalt
heraus! - zu prüfen. Ein antichristliches Moment leuchtete schon in dem
berüchtigten Satz des Gründers der Gesellschaft Jesu auf: „Wir müssen immer in allem festhalten, um das Rechte zu treffen: Von
dem Weißen, das ich sehe glauben, dass es schwarz ist, wenn die hierarchische
Kirche es so bestimmt.“[6]
In diesem Satz ist der
voluntaristische Grundstein dafür gelegt worden, dass man dem Papst auch dann
glauben müsse, wenn er dem zu widersprechen scheint, was bislang Lehre war –
man muss auch das, was man für schwarz hält, als weiß annehmen…
Gewöhnlich entgegnen
Infallibilisten auf solche Einwände damit, dass in der Kirche schließlich alles
„Vermittlung“ sei und Gott das so gewollt habe.
Ich möchte dem entgegenhalten, dass
die derart solitär und absolutistisch zugespitzte Rolle des „Felsens Petri“
aber nicht zwingend ist für ein Konzept der Vermittlung und auch aus der
dogmatischen Definition nicht zwingend folgt.
Und weiter befremdet mich das
stalinistische Konzept der ja selbst so modernen und inzwischen postmodernen
Reaktionäre.
Wo der Heilige Geist wirkt, ist
Transparenz und feines Weben, davon berichten die heiligen Mystiker und vor
allem Mystikerinnen der Kirche. „Vermittlung“ unter der Leitung des Heiligen
Geistes kann unmöglich den Eindruck vermitteln, man habe es mit einer eiskalten
Geheimgesellschaft automatisch, „qua Amt“
eingeweihter Vermittlungs-Geheimnis-Träger zu tun, denen man sich willen- und
geistlos unterwerfen müsse. Wenn wir alle, wie der heilige Paulus es schreibt,
„in ihm weben“ und wie Jesus sagt, „seine Schafe seine Stimme hören“ können,
dann müssen wir auch eigene Wahrnehmungsorgane dafür haben und nicht nur ein in
eine undurchschaubare Hierarchie verlagertes Totalvertrauen tumber geistlicher
Toren.
Mit der zitierten berüchtigten
Regel 13 aus den ignatianischen Exerzitien im Kapitel „Sentire cum ecclesia“ ist ungewollt oder vielleicht sogar gewollt die
Perversion der Rolle Petri ausgesprochen worden. Denn was, wenn man als
Gläubiger den triftigen Eindruck hat, auf dem Stuhl Petri säße ein Betrüger
oder ein immer schon gewesener oder sich so entwickelnder Häretiker? Was, wenn
eine Lehre offenkundig einem Schrifttext logisch regelrecht widerspricht oder
bereits zuvor getroffenen dogmatischen Definitionen oder anderen Lehren in
einem logischen Sinne widerspricht? Das Vaticanum I hat sage und schreibe
keinerlei Sicherung „eingebaut“, um mit einem möglichen Häretiker und möglichen
Unstimmigkeiten auf dem Papststuhl fertig zu werden. Mit einem magischen
Glauben hielt man offenbar ein Versagen des Stuhles Petri für unmöglich, obwohl
in der Geschichte mehrfach und immer wieder Päpste massiv versagt haben. Viele Bischöfe versuchten auf
dem Vaticanum I verzweifelt, auf diese historischen Fakten hinzuweisen, etwa
der Bischof von Rottenburg Carl Joseph Hefele, der eine mehrbändige
Konziliengeschichte verfasst hat, wurden aber nicht mit der ausreichenden
Nüchternheit angehört. Allerdings waren sie hinsichtlich theologischer
Argumente auch überrumpelt und schlecht aufgestellt und davon abgesehen keine
homogene Gruppe. Die Gründe für den Vorbehalt gegenüber dem Dogma waren
verschieden. Die konservativen und reaktionären Bischöfe des 19. Jh befanden
sich teilweise in einem absolutistischen Rausch und in der Mehrheit.
Man vermittelte den Gläubigen
entweder den tautologischen Wahn, der Papst könne niemals irren, weil er eben
der Papst ist, etwa so, als werde er mit seiner Wahl zum Papst in Gottes
willenlose Marionette verwandelt, in ein heiliges Supermedium, das eher tot
umfällt, als einen Irrtum auszusprechen und man müsse ihm daher immer und in
allem fraglos gehorchen.[7]
Dass damit eine Vergötzung eines lebenden Menschen eingeleitet wurde, auch wenn
das wohl kaum intendiert gewesen sein kann, fiel vielen Zeitgenossen, aber
wenigen der Frommen auf. Dogmatiker wie der Mainzer J.B. Heinrich behaupten
gleich ohne weitere Differenzierung, dass alles, was das Lehramt ordentlich und außerordentlich lehre, letztendlich
aufgrund der inneren Beziehung zwischen beidem zwangsläufig „unfehlbar“ sein
müsse – ein atemberaubender logischer Fehlschluss! Postmoderne Sedisvakantisten wie Hermann Weinzierl, der ursprünglich aus der FSSPX kommt, stützen sich gerne auf diesen (und andere) maximalistische Autoren des 19. Jh :
„Heinrich
schreibt in seiner Dogmatik (Bd. 2 S. 215), daß es zwei Arten von Akten des
Magisteriums (Lehramtes) gibt: „gewöhnliche
und ordentliche Akte des allgemeinen Magisteriums“ einerseits und „außerordentliche und förmliche Lehrentscheidungen
oder Lehrdeklarationen“ andererseits. Er fährt fort: „Mag
nun das kirchliche Lehramt in jener oder in dieser Weise eine Wahrheit als eine
von Gott geoffenbarte und im kirchlichen Depositum enthaltene uns zu glauben
vorstellen, in beiden Fällen ist es unfehlbar und sind wir zum Glauben
verpflichtet.“[8]
Wenn gilt, dass der Papst bei den
Entscheidungen, die er bezüglich des Glaubens und der Sitten unter Bezugnahme
auf die höchste Autorität fällt, infallibel spricht, folgt daraus logisch
nicht, dass er, wenn er wiederum in seiner alltäglichen Lehre Bezug auf diese
Definition nimmt, ebenfalls unfehlbar spricht. „Fehlbar“ heißt aber nicht, dass
er sich in der logischen Negation „irrt“. Vielmehr heißt „fehlbar“, dass es
Wahrscheinlichkeitsgrade von Aussagen gibt, die die Möglichkeit offenlassen,
dass der Sachverhalt doch noch ganz anders sein könnte. Nur bei infalliblen
Definitionen eben trifft das nicht zu und es bleibt keinerlei Möglichkeit mehr
offen.[9]
Der sedisvakantistische Autor Hermann
Weinzierl blendet aus oder weiß vielleicht nicht, dass der Dogmatiker Johann
Baptist Heinrich nur ein einfacher Priester war, also nicht dem „ordentlichen
Lehramt“ zugehörig, der durchaus von seinem Bischof, dem bekannten Bischof
Ketteler, gerade wegen dieser infallibilistischen Meinung 1870 hart kritisiert und
zurückgewiesen wurde:
„Außerdem
sind Sie ganz erfüllt von der Idee des Absoluten und können keine an Bedingungen
geknüpfte Macht auffassen, ohne in diesen Bedingungen eine Zerstörung derselben
zu finden. Mir sind das Sophistereien, ebenso wie die andere Auffassung, die
nicht mehr im Stande ist, die Begriffe: Bedingung und Ursache zu unterscheiden
… Lauter armselige Verkennungen der einen großen, allheiligen Wahrheit, daß nur
Gott in allen seinen Acten unbedingt ist, daß dagegen alle Acte der Menschen an
Bedingungen geknüpft sind und daß die Bedingungen nicht Ursache dieser Acte
sind, sondern nur der handgreifliche Beweis, daß über dem, von dem dieser Act
kommt, ein höherer, ein unbedingter Wille steht, der die Thaten der Menschen,
auch der Hochgestellten, nach göttlicher Weisheit im rechten Maße geordnet
hat.“[10]
Bischof Ketteler weist auf nichts
geringeres als die Abhängigkeit des Papstes hin, nicht die von der Kirche,
sondern die von dem, der alleine unfehlbar sein kann, und auf die
Gefährlichkeit eines Denkens, das diesen „defectus
materiae“ (die Abhängigkeit von Bedingungen), dem auch der Papst
unterliegt, leugnet.
Zu Kettelers Lebzeiten (+ 1877)
noch, ab 1873, begann Heinrich, seine umfangreiche „Dogmatische Theologie“ zu
veröffentlichen, deren letzte Bände erst nach seinem Tod erscheinen konnten. Ob
und inwieweit Ketteler, der nach der Gründung des Deutschen Reiches in
schwerwiegende politische Konflikte verwickelt war, die umstrittenen Passagen
darin noch zur Kenntnis nahm, konnte ich derzeit nicht rekonstruieren. Er hat
jedenfalls selbst das glatte Gegenteil von seinem Untergebenen gelehrt. Man kann
nüchtern feststellen, dass Heinrich seinem Bischof jedenfalls nicht gehorchte…
Aber wir finden auch in anderen
Dogmatiken, etwa der sehr bekannten von Ludwig Ott, selbstverständlich genau gegenteilige
Aussagen, die die Wahrscheinlichkeitsgrade katholischer Lehrsätze genau
auseinanderlegen und abstufen (s.o.). In zahlreichen Werken, die unmittelbar
nach dem Vaticanum I verfasst und von Pius IX. anerkannt wurden, finden wir die
Aussage, dass die Akte des ordentlichen (alltäglichen) Lehramtes
selbstverständlich nicht unfehlbar
sind, u.a. auch in einem Büchlein von Bischof Ketteler. Schließlich hat das
Dogma von 1870 eine eindeutige Eingrenzung vorgenommen!
In seinem Breve an den Münchener
Erzbischof Scherr hatte Pius IX., allerdings aufgrund der Text-Vorgabe seines
Ghostwirters Joseph Kleutgen SJ, wesentlich rabiatere Töne angeschlagen, als sie
später auf dem Konzil durchgesetzt werden konnten.
Andere Personenkreise wiegeln das
explosive Problem ab mit der Meinung, nur wenn der Papst ex cathedra spreche, müsse er unfehlbar sein – ansonsten dürfe er
sich irren bis zum Abwinken. Wenn das aber so wäre, müsste man die Frage
beantworten, warum auf dem Konstanzer Konzil (Gegen-)Päpste als „Häretiker“
verurteilt wurden, obwohl sie nicht eine einzige Irrlehre ex cathedra verkündet hatten oder wieso Papst Honorius aufgrund
seiner Unterstützung des Montheletismus in Briefen – also ohne ex cathedra zu sprechen – dennoch auf
dem Konzil von Konstantinopel als Häretiker verurteilt und exkommuniziert
wurde, ein Urteil, das mehrfach von Nachfolgepäpsten immer wieder bestätigt
worden war und erst im späteren Verlauf der Kirchengeschichte zur Lappalie
erklärt worden ist, die eigentlich doch nicht ernst gemeint gewesen sei?
Ein Zirkelschluss aufseiten der
oben genannten Sedisvakantisten ist, dass sie einerseits die Häresie des
Honorius marginalisieren, weil er ja nicht ex
cathedra gesprochen und insgeheim, offenbar von mehreren späteren und
selbstverständlich unfehlbaren Päpsten unerkannt, doch rechtgläubig gedacht habe[11],
andererseits aber behaupten, alle lehramtliche Äußerung der Päpste müsse
unfehlbar sein.
Dass aber Papst Honorius posthum
als Häretiker verurteilt und exkommuniziert wurde, und dies mehrfach von
Päpsten später bestätigt wurde, ist nun einmal eine lehramtliche Tatsache, und
es ist ein Ausdruck des aktuellen Wahnsinns, wenn Sedisvakantisten, die doch
sonst die Unfehlbarkeit päpstlicher Urteile und Meinungen totalisieren, sie in
einem solchen Falle bis zur Bedeutungslosigkeit umkehren oder gar aufheben
wollen, um ihre ideologische Position zu beweisen![12]
Der Volksmund kommentiert solche Versuche mit dem Spruch „Reim dich, oder ich fress dich!“ Oder: „Was nicht sein kann, das nicht sein darf!“
Der historische Umgang der Kirche
mit häretischen Päpsten zeigt uns in jedem Fall eines ganz genau: Um als
Häretiker zu gelten, muss ein Papst nicht erst eine Häresie ex cathedra verkünden. Es genügt, dass
er in welcher Weise auch immer kundtut, dass er einer Häresie oder einem
Häretiker anhängt.
Die unter Traditionalisten der FSSP
und FSSPX häufige Ansicht, solange ein Papst keine Häresie ex cathedra verkündet habe, könne man ihn beruhigt als Papst
anerkennen, ist sachlich falsch.
Offen ist nur die Frage, wer den
Papst, wenn er Häretisches sagt oder tut, öffentlich dingfest machen kann. In
früheren Zeiten erlaubten sich Könige und Kaiser solche Feststellungen. Oder
Bischöfe.
Mit der Totalisierung des
Jurisdiktionsprimates und der Loslösung des Papstes aus der geistlichen
Abhängigkeit von der Kirche ist dies aber ein für allemal verunmöglicht worden.
Besiegelt wurde diese Konsequenz aus dem Papstdogma sichtbar darin, dass Pius
X. das Vetorecht weltlicher Herrscher bei der Papstwahl unter Androhung der
schärfsten Kirchenstrafen gleich nach seiner Wahl vor allem hinsichtlich einer
Entgegennahme eines solchen Vetos durch Kardinäle verbot.
Gewiss muss diese Maßnahme als
Reaktion auf den Verlust christlicher Regierungen bezogen werden. Ob aber ein
Rückzug auf sich selbst eine angemessene Reaktion war, ist für mich trotzdem
fraglich.
Andere Bischöfe unternahmen nach
dem Vaticanum I teilweise nicht ganz aufrichtige oder gewundene Anstrengungen,
um die bis heute in den Herzen nicht ausgeräumte Missverständlichkeit dieses
Dogmas, die unbestimmte Angst und die Empörung vieler gebildeter Gläubiger und Kleriker
gegen eine Überzeichnung des Dieners gegenüber dem Herrn zu entwirren und eine
„wahre“ von einer „falschen Unfehlbarkeit“ abzugrenzen.[13]
Sie mussten den Spagat schaffen, etwas, das sie zuvor für unmöglich,
„inopportun“ oder sogar regelrecht falsch gehalten hatten, nun den Gläubigen
als Wahrheit zu einzuschärfen. Viele, die während des Konzils mit triftigen und
keineswegs nur aus taktischen Gründen gewarnt und geseufzt hatten vor einem
drohenden Unfehlbarkeitsdogma, mussten es hernach ihren Diözesen erklären. Tiefe
Widersprüche in den Aussagen der betroffenen Bischöfe waren die Folge und eine
systematisch erzwungene Unaufrichtigkeit.[14]
Neben einer großen Unruhe kam es
auch zum Bruch und einer Abspaltung: die altkatholische Kirche entstand und
verwuchs mit anderen, bereits zuvor abgefallenen Teilen der Kirche. In die
altkatholische Kirche gliederte sich teilweise die „Petite église“ ein, die sich
nach den Entgleisungen Papst Pius VII. abgespalten hatte. Hunderttausende
Franzosen hatten damals den Eindruck, nach den Konkordaten mit Napoléon und der
unbegreiflichen päpstlichen Assistenz zur angemaßten Selbstkrönung des
Emporkömmlings zum abendländischen Kaiser liege eine Sedisvakanz vor.
Bezeichnenderweise ließ man auf dem Vaticanum I keine Debatte über den
schwierigen Pontifikat Pius VII. zu, an dessen Rechtgläubigkeit so offen und
von so vielen mit gravierenden Gründen gezweifelt worden war.
Auch der von Leo XIII.
rehabilitierte, englische Bischof John Henry Newman war ein ausgewiesener
Gegner des Papstdogmas und wurde u.a. deswegen von Infallibilisten schwer
verleumdet. Dazu muss hinzugefügt werden, wie oft er betonte, dass er
persönlich die Unfehlbarkeit des Papstes immer geglaubt habe.
Die Dogmatisierung lehnte er aus
verschiedenen Gründen trotzdem ab. Ein Grund war die dringende Befürchtung,
dass das persönliche Gewissen des Gläubigen durch dieses Dogma außer Kraft
gesetzt werden könnte. Ein anderer Grund aber ist komplexer und lässt uns
vielleicht ahnen, was an dem Dogma so problematisch sein könnte:
Newman erkannte in der Definition
der päpstlichen Unfehlbarkeit die „größte
Gefahr, der die Kirche je ausgesetzt war“[15].
Das mutet erstaunlich an, wenn man
bedenkt, dass andere Bischöfe, wie etwa sein ultramontaner Kontrahent Manning
sich genau davon die „Krönung“ und ewige, sichernde Versiegelung der Kirche
erhofften.
Was bewog Newman zu dieser Sicht?
Er schrieb dazu im Dezember 1869,
nach der Konzilseröffnung, folgendes in sein Tagebuch:
„1.
Ich habe mich immer an die Lehre von der Unfehlbarkeit des Papstes gehalten,
aber vage. Warum also sie nicht definiert wünschen(?)
2.
und überhaupt: warum vage (.) Ich befürchte, dass man sie schwächt, wenn man
sie definiert.
3.
Weil man sie in Grenzen stellt. Bis jetzt gibt es nichts, das, wenn er es getan
hat, nicht Bestand hätte.
4.
Was so viele Katholiken provoziert ist, als ein ganzes Dogma glauben zu müssen,
was sie in einzelnen Akten zugestehen würden.
5.
Ich frage mich, ob die Immaculata Conceptio und die Assumptio, sobald
definiert, den Glaube schlussendlich vermehren, oder nicht vielmehr begrenzen.
6.
‚Quieta non movenda.’ In der alten Kirche waren sie gezwungen zu definieren
wegen Arius etc.
7.
Aber schau, was für eine Riesenkontroverse sie eröffnet haben – 2 oder 3
Jahrhunderte. Es gibt noch einen anderen Grund, jetzt nicht zu definieren, weil
man es nicht sofort machen kann. Das ist es, was ich antworte auf ‚Warum also sie nicht definiert wünschen?’
8.
Das Vermehren der Spötter – das Zurückstoßen der Fragenden.
9.
‚Rettet die Kirche, o meine Väter, vor einer Gefahr die größer ist, als alles,
was ihr je geschehen ist.’“[16]
Vielleicht kann man Newmans
quälende Bedenken (!) folgendermaßen verstehen:
Die göttliche Offenbarung bedarf
manchmal präziser Definitionen, vor allem, wenn eine Glaubenswahrheit in Frage
steht und die Kirche sich abgrenzen muss von Irrlehren. Es gibt aber auch
Dinge, die sich einer genaueren Definition grundsätzlich entziehen. Würde man
sie genauer definieren, würde man sie zerstören. Der Glaube lebt eben auch mit
dem Geheimnis, das nicht restlos aufgeklärt werden kann. Man hat in den
christologischen Debatten der frühen Kirche eindeutig Grenzen erreicht, die die
Kirche am Ende sogar als nicht überschreitbar definiert hat. In der Formel von
den zwei Naturen Christi etwa, der „wahrer Gott“ und „wahrer Mensch“ sei, die
„unvermischt“ und „ungetrennt“ in seiner Gesamtpersönlichkeit real sind – diese
paradoxe Formel hat ein für allemal jeden genaueren Versuch der weitergehenden Definition
unterbunden.
Möglicherweise ist es bei der
Unfehlbarkeit des Papstes ebenso: sie bleibt ebenso wie das Papstamt in einer
Vagheit, die kaum aufzuklären ist, ohne dabei neuen Irrtümern aufzusitzen.
Man hat immer geglaubt, der Papst
erfahre den Beistand des Hl. Geistes, aber wie genau – das ließ man offen.
Warum? In Respekt vor dem Satz Jesu:
„Der
Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht,
woher er kommt und wohin er fährt. So ist es bei jedem, der aus dem Geist
geboren ist.“ (Joh 3, 8)
Der Papst steht hier wie jeder
andere unter dieser Nicht-Vereinnahmbarkeit des Heiligen Geistes.
Es ist und bleibt ein Unterschied,
ob ich mich darauf verlasse, dass der Heilige Geist im Ergebnis immer das tut,
was für die Kirche gut ist und sich des Papstes dabei bedient, wenn auch nicht
im Sinne eines Automatismus, oder ob ich menschlicherseits bestimmen will, wann
und unter welchen genauen Umständen der Papst „unfehlbar“ den Beistand des
Heiligen Geistes beanspruchen und damit im Zweifelsfall auch die Gewissen der
Gläubigen erpressen kann.
Der kindliche Glaube der Älteren,
dass im Ergebnis alles recht wird, auch wenn der Papst vielleicht, weil er
Mensch ist und nicht vollendet, auch an manchen Stellen unbeabsichtigt oder
sogar böswillig irren könnte, wurde mit dem Dogma zerstört.
Sie waren nun gezwungen, nichts
mehr offenzulassen, was aus Rom kam, wenn sie den Eindruck hatten, es gehe
nicht mit rechten Dingen zu. Vor ein unerbittliches Entweder-Oder gestellt
zerbrach die Katholische Kirche von innen und verschleuderte immer mehr
Meteoritenstückchen in alle Welt. Was man mit blumig-überspannten Worten mit
dem Dogma glaubte hervorgerufen zu haben, nämlich eine „kindliche Anhänglichkeit“ an den wahren Glauben, hatte man damit
verunmöglicht. Wenn wir uns umsehen, wissen wir, dass dies spätestens mit Pius
X. und seiner despotischen Gedankendiktatur nicht mehr möglich war: der Glaube
wurde Ergebnis von Kontrolle der letzten Bewusstseinswinkel, Zwang und Drohung.
In postmoderner Politsprache
ausgedrückt hat die Idolisierung des Papstes die Kirche in einem Jahrhundert zu
einem „failed state“ gemacht, einer
gescheiterten, im Innern chaotischen, unregierbaren Institution.
Beim Vaticanum I bereits – ebenso
wie später beim Vaticanum II - wurde in Europa davon gesprochen, dass ein
„Bruch“ entstanden sei. Nicht von ungefähr appelliert der Chefhistoriker im
Vatikan, Kardinal Brandmüller, an den Glaubensgehorsam all jener Kräfte, die
nach dem Vaticanum II entweder im „Widerstand“ oder ganz von der
„Konzilskirche“ abgefallen sind, mit dem Verweis auf die Wirren um das Vaticanum
I: auch damals habe man das Dogma als „Bruch“ empfunden, aber erkennen müssen,
dass es in Kontinuität und Übereinstimmung mit der Lehre stehe.[17]
Walther Brandmüller weist auf die
Absurdität der Argumentationen postmoderner Traditionalisten und Sedisvakantisten
hin und knüpft darin an unser Eingangszitat an: Dieselben ideologischen Kreise,
die sich eben noch im Vaticanum I von einem Kadavergehorsam gegenüber dem Papst
und einer totalitären hierarchischen Struktur die Rettung der Reinheit der
Lehre und Pastoral erwartet hatten und die Möglichkeit, dass der Papst oder gar
ein ganzes ökumenisches Konzil irren oder die Kirche verführen könnte, kategorisch
ausgeschlossen hatten, dieselben Kreise also hielten genau dies nach dem
Vaticanum II in einer geradezu atemberaubenden Kehrtwende eben doch für möglich,
in aller Regel unter Zuhilfenahme einer fantastischen, aber unbeweisbaren
Verschwörungstheorie, die behauptet, Freimaurer hätten den Vatikan usurpiert. Vielleicht
ist es Merkmal der Verwirrung, dass man sich mit derlei Märchen tröstet und
halsstarrig den sichtbaren Zusammenhang ignoeriert.
Es kam doch tatsächlich genauso,
wie es der spätere altkatholische Bischof Joseph Reinkens es vor dem Vaticanum
I vorausgesehen hatte: diese Kreise kündigten dem Papst entweder die
Anerkennung bzw. den Gehorsam mit derselben Erbitterung auf, mit der sie zuvor
dessen möglichst totale Unfehlbarkeit, solange er ihren Vorstellungen
entsprach, mit allen Bandagen versucht hatten durchzusetzen. Der offene
Ungehorsam begann schon nach dem Tod Pius X., als die Bischöfe den Kurs
Benedikts XV. während des 1. Weltkrieges vielfach ignorierten, verhöhnten oder
ihm regelrecht zuwider handelten. Genauso hatten reaktionäre Kreise in der
Kirche schon die Soziallehre Leos XIII. topediert und unterlaufen.
Päpste waren überdeutlich vor allem
zu Gallionsfiguren gegnerischer kirchlicher Lager geworden, und man kann sich
fragen, wie viel Freiheit sie eigentlich hatten.
Die heftigen Kämpfe zum Dogma von
1870 und die große Aufregung, in der sich die gesamte Kirche deswegen befunden
hatte, geben bis heute Rätsel auf. Erst nach und nach werden die Quellen
erschlossen und offenbaren die tieferen geistigen Zusammenhänge.
Dass es sich dabei aber wohl doch nicht
nur um eine Feststellung gehandelt haben könnte, die die Kirche so ohnehin
geglaubt hatte, geht alleine aus der verräterischen Formulierung Pius X. 1904
hervor:
Denn wer vermag die geheimen
Gnadenschätze zu ermessen und aufzuzählen, die Gott auf die Vermittlung der
seligsten Jungfrau hin diese ganze Zeit hindurch der Kirche zugewendet hat? Aber abgesehen davon: Haben wir nicht zur
rechten Zeit die Abhaltung des Vatikanischen Konzils erlebt und damit die
Glaubenserklärung der Unfehlbarkeit des Papstes, die allen künftigen Irrungen
rechtzeitig einen wirksamen Riegel vorschiebt? Sind wir nicht Zeugen
ungeahnter und nie da gewesener Beteuerungen der Liebe gewesen, die aus allen
Ständen und Länderstrichen die Gläubigen schon seit längerer Zeit hierher zog,
dem Stellvertreter Christi Verehrung und Huldigung zu erweisen?[18]
Ob das „Huldigen“ aller Stände und
Länder gegenüber dem Papst zwingend ein „geistlicher Wert“ oder ein Zeichen für
tiefe Frömmigkeit oder Rechtgläubigkeit ist? Ist es wirklich primäre Frage, ob
Menschen den Nachfolger Petri „lieben“? Und dies alles herausgestrichen in
einer Enzyklika, die eigentlich der Verehrung der Immaculata, der „Überwinderin aller Häresien“ gewidmet
sein sollte?
Wenn die Definition des Vaticanum I
jetzt erst „künftigen Irrungen einen
Riegel vorschiebt“, dann heißt das logisch, dass dieses Dogma vorher nicht
in dieser Weise Lehre der Kirche war und so nicht geglaubt worden war, wie es
nun entschieden worden war. Denn hätte die Kirche dies auch vorher geglaubt,
hätte dieser Glaubenssatz auch vorher gegolten, brächte er nun ja keinerlei
Neuerung oder besondere Hilfe. Er würde nur festschreiben, was vorher schon
galt und gegen jeden Widerstand „funktionieren musste“. Pikant ist an der
Angelegenheit, dass die Autorität des Papstes in geistlicher Hinsicht nicht in
Frage stand und immer wieder einmal auf Konzilien gefestigt wurde.
Man müsste mit Fug und Recht sagen:
Das galt schon immer und bewahrte die Kirche schon immer vor Irrtümern. Denn
logisch betrachtet gilt dieser Satz ja nicht erst in dem Moment, in dem er
definiert wird, sonder er wird definiert als etwas, das sowieso schon immer
wirksam war. Wenn dies aber so ist – wozu definieren?
Genau diese letztere logische
Feststellung bewog die „Minimalisten“ (die Bischöfe, die eine Dogmatisierung
der Unfehlbarkeit des Papstes ablehnten), zu denen auch Newman zu rechnen ist,
der eine Teilnahme am Konzil jedoch ablehnte, eine solche Definition für überflüssig
zu halten:
Sie würde nur die Gemüter erhitzen,
unendlich viele Missverständnisse und Verwucherungen erzeugen und überhaupt nichts
bringen, weil sie keine strittige Offenbarungswahrheit im strengen Sinne ausspricht,
sondern eine eher administrative bzw. „politische“, und sich qualitativ von
allen bis dahin je getroffenen Glaubensaussagen unterscheidet.
Behandelt man dagegen die
Unfehlbarkeit des Papstes wie einen Glaubenssatz, erhält der Papst damit
automatisch eine „gefühlte“ Göttlichkeit, die ihm aber nach der Lehre niemals
zukommen kann, weil er ein noch lebender, noch nicht vollendeter, irrender
Mensch ist, dessen Ende offen ist.
Bischof Ketteler von Mainz sah,
ähnlich wie Reinkens, voraus, dass dieses Dogma, sofern es im Sinne der
Infallibilisten absolutistisch aufgefasst würde (was spätestens mit Pius X. auch
offiziell geschah), der Beginn einer Revolution sein würde: Ein hierarchischer
Absolutismus in der Kirche würde dasselbe Ende finden, das bereits der weltliche
monarchische Absolutismus gefunden hatte und durch einen revolutionären
Absolutismus ersetzt werden.[19]
Über den Absolutismus sagte er: „Absolutismus
hominem ipsum corrumpit.“[20] Das Wesen des Menschen werde in einer
absolutistisch missverstandenen oder besser missbrauchten Hierarchie verdorben.
Was mir jedoch noch viel mehr
aufstößt ist der Aspekt, dass der Heilige Geist in seiner Freiheit zu wehen, wo
er will, suggestiv begrenzt wurde und in einer gewissen Hinsicht dem Dirigat
der Hierarchie bzw. des Papstes von der Tendenz her offenkundig gegen seine Beseelung der einzelnen
Gläubigen eingegliedert wurde. Anders ist die wahnwitzige Idee Johannes XXIII.,
die von den Nachfolgern immer wieder bestätigt und neu proklamiert wurde, der
Papst habe die Vollmacht, ein „Neues Pfingsten“ zu erzeugen, überhaupt nicht zu
begreifen. Was aber Traditionalisten grundsätzlich übersehen, ist, dass dieser
Wahnwitz keine „freimaurerische Idee“, sondern eine unmittelbare Folge des maximalistisch
missbrauchten Papstdogmas ist. Ohne dieses Dogma hätte kein Papst gewagt, sich
soweit aus dem Fenster zu lehnen!
Bis heute befremdet die
Dogmatisierung der Unfehlbarkeit des Papstes als „Glaubenswahrheit“ und ist das
Dogma, an dem auch die Päpste im und nach dem Vaticanum II mit aller Schärfe
festhielten und festhalten, gleich was sie sonst aufgeweicht oder ganz über
Bord geworfen haben mögen.
Nicht einmal dem Trienter Konzil,
das doch historisch aufgrund der protestantischen Verwerfung des hierarchischen
Prinzips am meisten mit einer Totalinfragestellung des Papsttums konfrontiert
war, war es in den Sinn gekommen, eine solche Wahrheit als „Glaubenssatz“ zu
formulieren. Man hatte sich früh immer zu begnügen gewusst damit, den Primat
der cathedra Petri stichwortartig
festzuhalten, etwa als Bonifaz I. 422 in einem Brief feststellte:
„Niemals
war es erlaubt, über das, was einmal vom Apostolischen Stuhl festgelegt wurde,
wiederum zu verhandeln.“[21]
Dennoch vermied man andererseits
eine allzu genaue Definition seiner Befugnisse.
Ebenso in der Auseinandersetzung
mit den Ostkirchen auf dem Florentinum 1439 in einer Bulle:
„…
dass der römische Bischof den Primat über den gesamten Erdkreis innehat … , das
Haupt der ganzen Kirche und der Vater und Lehrer aller Christen ist … und ihm
ist … die volle Gewalt übertragen worden …“[22]
Man wird einwenden, dies sei aber
in einer Bulle keine unfehlbare lehramtliche Definition gewesen und hätte darum
noch einer besonderen Definition bedurft, die sie als „infallibel“
qualifiziert. Das dürfte aber bei diesem Gegenstand überflüssig scheinen, da
die Kirche immer auf diesem Prinzip bestanden hatte und es an keiner lehramtlichen
Stelle je anders formuliert worden wäre. Dennoch legte sie den Primat des
Papstes nicht totalitär aus und hielt auch Interventionen des Kaisers, wenn er
etwa Konzilien einberief und deren Ergebnisse erst durch seine Unterschrift
gültig wurden (und nicht die des Papstes!), für rechtgläubig. Dass einem Papst
in Schwäche stets andere Gläubige zur Seite gestellt wurden, teilweise mit
prophetischem Auftrag und Vorrang, ist schon im Konflikt zwischen Petrus und
Paulus, in dem Paulus das größere Recht hatte, angedeutet, setzte sich aber in
der weiteren Kirchengeschichte fort, wenn Katharina von Siena den Papst
eindringlich mahnt – ohne dass dies beanstandet worden wäre. Man hielt ein
solches Prophetenamt für möglich und
wirklich und ließ zu, dass es in einer bestimmten Hinsicht selbst dem Papst
übergeordnet sein konnte. Auch die Diskussion um das Frauenpriestertum kam erst
auf, nachdem man die Infallibilität des Papstes dogmatisiert und seinen
Jurisdiktionsprimat gleich mitbehandelt hatte. Die unerbittliche Hierarchisierung
und Zentralisierung der Kirche nahm vor allem den Frauen ihre bisherigen
geistlichen Räume.
Ein Festhalten am „Primat“ des
Papstes schloss und schließt allerdings nicht zwingend die totale Unfehlbarkeit
in jeder Hinsicht ein. Wie es Ketteler in den Auseinandersetzungen um das
Vaticanum I ausdrückte, ist „plena
potestas“ nun mal keine „potestas
infinita“. In den alten Formulierungen blieb immer noch Raum, mit einem
häretischen Papst leichter umzugehen und Konzilien, wie es ja jahrhundertelang
geschah, im Notfall auch ohne Papst einzuberufen. Immerhin ist jede Sedisvakanz
zwischen dem Ableben eines alten und der Wahl eines neuen Papstes niemals eine
„unregierbare Zeit“ gewesen, und es lag immer in der Hand der Bischöfe, einen
Papst aus ihrer Mitte zu wählen und die Geschäfte weiter zu führen. Das Vaticanum
I versäumte, unverzeihlich, das genaue Verhältnis der Bischöfe zum Papst und
die Unfehlbarkeit der gläubigen Herde zu klären.
In der Lesart, die sich mit dem
Vaticanum I scheinbar dogmatisch korrekt einschlich, war der Eindruck
entstanden, dass ein Papst zwar ganz und gar ein Kind der Kirche sei, das alle
Stadien ihrer mütterliche Formung durchliefe, mit seiner Wahl aber wie ein
Gasballon endgültig losgelöst und in schwindelnde Höhen entlassen würde,
unverbunden mit den Bischöfen und dem Volk, wie ein Quasi-Medium Christi. Der
Okkultismus dieser Vorstellung stieß vielen, sehr vielen Menschen auf und sie
versuchten auf verschiedene Arten demselben zu entgehen.
Viele Bischöfe wurden erst auf dem
Konzil mit der isolierten Debatte über die Infallibilität des Papstes
überrascht. Die Einberufungsbulle „Aeterni
Patri“ von 1868 hatte dieses Thema nicht erwähnt. Und die vorbereiteten
Schemata enthielten es nur als Unterkapitel des Schemas über die Kirche „De ecclesia Christi“. Ebenso enthielt
das Schema „De doctrina catholica contra
multiplices errores ex rationalismo derivatos“ überhaupt keinen Hinweis
darauf, dass die Frage nach der Infallibilität des Papstes an oberstes Stelle
geklärt werden müsse. Das Thema wurde schlicht nicht genannt.[23]
Das Vorantreiben einer
Infallibilitätsdefinition wurde als hinterhältiges Überrumpeln und das Wirken
einer innerkirchlichen Geheimgesellschaft, die nach Belieben ihr missliebige,
aber dennoch rechtmäßige Bischöfe ausschloss, gelegentlich sogar als ein
Phänomen der Jugend und der Neuerungssucht wahrgenommen. So schrieb etwa der
bayerische Ministerpräsident Bray in einem Brief an den römischen Botschafter von
Tauffkirchen 1870:
„…man
darf sich der Wahrnehmung nicht verschließen, daß, wenn auch die Mehrheit der
gebildeten Laien und ein Theil des Clerus, besonders des älteren, der
Definition der päpstlichen Unfehlbarkeit entschieden abgeneigt sind, doch die
größere Zahl der jüngeren Geistlichen sich dieser Lehre zuneigt…“[24]
Die Frage nach der absoluten
päpstlichen Infallibilität und nach dem totalitären päpstlichen Jurisdiktionsprimat
war dennoch schon lange ein Politicum
geworden:
2. Das drittletzte Dogma: Die „Immaculata conceptio“
Manche Zeitgenossen werteten die
formale Vorgehensweise bei der Dogmatisierung der Unbefleckten Empfängnis
Maiens als „Probelauf“ zum Vaticanum I.
Interessanterweise taten sie es
kontrovers.
Pius IX. hatte zunehmend autoritäre
Akte durchgeführt. Er ernannte im Alleingang, ohne irgendwelche Rücksichten zu
nehmen, Bischöfe.[25]
Er wechselte 1867 etwa den Rektor des Anglicanums
aus, ohne es für nötig zu befinden, die englischen Bischöfe einzubeziehen.[26]
Ebenso wird berichtet, bei der
Verkündung des Dogmas von der Immaculata
Conceptio sei es weniger um deren Glaubensinhalt gegangen, der ja ohnehin
schon fester Bestandteil auch des liturgischen Kalenders und der allgemeinen
Glaubensüberzeugung im Volk war, wenn auch einige Exponenten wie Thomas von
Aquin und Katharina von Siena sie abgelehnt hatten, sondern um die Art und
Weise, wie diese Definition vorgenommen worden war, nämlich durch den Papst
alleine.
Anders: Anhand einer im Prinzip
unstrittigen Glaubensüberzeugung wurde erstmalig ein solitärer, autoritärer
Dogmatisierungsakt durch den Papst alleine „durchgespielt“.
Auf die Frage zweier Bischöfe, ob
denn in der Verkündigungsbulle nicht das Einvernehmen mit den Bischöfen erwähnt
werden sollte, wurde geantwortet, die Definition durch den Papst alleine
beweise dann künftig die Souveränität und Infallibilität des Nachfolgers Petri,
mit der Jesus ihn umkleidet habe. Außerdem zeige die spontane Zustimmung des
Volkes die Autorität der ganzen Kirche in Lehrfragen. Böse Zungen erkannten
natürlich schnell, dass es strategisch dabei weniger um die Unfehlbarkeit des
ganzen Kirchenvolkes als um die des Papstes ohne die Bischöfe gehen dürfte.[27]
Interessant ist in diesem
Zusammenhang, dass die Muttergottes von Fatima am 13. Juni 1929 in Tuy die
Weihe Russlands an ihr Unbeflecktes Herz eben nicht durch den Papst alleine, sondern „in Gemeinschaft mit allen
Bischöfen der Welt“[28]
gefordert hatte und daher alle bisherigen solitären Weiheversuche durch Päpste
alleine wirkungslos blieben. Es ist, als ob der Gottesmutter dieses
absolutistische Gehabe des Papstes so nicht gefallen habe damals, als er ihre
unbefleckte Empfängnis zum Dogma erhob!
Vor dem Vaticanum stellte Pius IX.
eine einseitig-ultramontane Vorbereitungsgruppe zusammen, was bereits im
Vorfeld böses Blut hervorbrachte. Wie inzwischen bekannt ist, schreckte er
nicht einmal davor zurück, den als formellen Häretiker vom Heiligen Officium verurteilten
und an schweren Straftaten (mehrfache Verstrickung in Morde) beteiligten, des
fortgesetzten Bruchs des Beichtgeheimnisses und mehrfacher Sittlichkeitsvergehen
überführten, aber reaktionären und ultramontanen „Vater der Neuscholastik“,
Joseph Kleutgen SJ, erst – ohne dass der einen erkennbaren Akt der echten
Umkehr aufgewiesen hätte - zu begnadigen und anschließend mit weitreichenden
Konzilsvorbereitungen und der Formulierung von lehramtlichen Texten, unter
anderem dem Papstdogma (!), zu beehren. [29]
Ebenso betraute Pius IX. den aus
Bayern entfernten, ehemaligen Erzbischof Reisach von München mit der
Vorbereitung des bevorstehenden Konzils, obwohl auch er wegen Anhänglichkeit an
ein okkult-spiritistisches Medium in Altötting und zahlreiche damit verbundene
Unregelmäßigkeiten, die ebenfalls mit einer häretischen Mystik, entgleister
Sexualität (mystisch „erlaubtem“ Zölibatsbruch) und einem massiven Missbrauch
des Beichtgeheimnisses und des Gehorsamsgelübdes gegenüber Ordensmännern einhergingen,
in eine ausgesprochen fragwürdige Position geraten war.[30]
Offenbar galten schon unter Pius
IX. in Rom keine Regeln mehr für den Papst, und er konnte sich problemlos über
alles hinwegsetzen, was ihm nicht ins Konzept passte. Die rabiate Bulle „Cum ex apostolatus officio“ von Paul
IV. aus dem Jahr 1559, ein beliebtes lehramtliches Dokument, mit dem
Sedisvakantisten heute beweisen wollen, dass ein Häretiker kein gültig
gewählter Papst sein kann, hat jeden und sei es der Papst, der einen Häretiker unterstütze
oder gar dessen Rat einhole, selbst als Häretiker verurteilt und automatisch exkommuniziert.
Ein Häretiker konnte allerdings – und das ist nicht unmittelbar evident - dieser
Bulle zufolge nie mehr „begnadigt“ werden, was seinen Status betrifft, selbst
dann, wenn er bereut:
„Bei
offenkundigen Zeichen wahrer Reue und Anzeichen gebührender Buße sollen sie
aufgrund der Nachsicht und Güte des Heiligen Stuhls in ein Kloster oder an
einen anderen Ort mit klösterlicher Ordnung gebracht werden, um für immer beim
Brot des Leides und beim Wasser der Trauer Buße zu tun. Als solche Abgefallene
sollen sie von allen betrachtet, behandelt und angesehen werden, welchen
Standes, Grades, Ranges, Berufes sie auch sein mögen oder von welcher
hervorragenden Würde.“[31]
Niemals mehr - jedenfalls müsste
strammen Unfehlbarkeitsverfechtern, die dem Papst eine über bloße ex cathedra-Sätze hinausgehende
Unfehlbarkeit zuerkennen wollen, hier der Atem stocken – niemals mehr dürfte man
einen solchen als Häretiker Verurteilten als Verfasser lehramtlicher Texte,
geschweige denn von Dogmendefinitionen einsetzen!
Gerade die maximalistischen Infallibilisten
haben sich damit selbst ad absurdum
geführt, denn wollte man ihrer Argumentation folgen, wäre Pius IX. eindeutig
alleine aufgrund dieser Protektion des Häretikers Kleutgen selbst ein Häretiker
und damit automatisch nicht der Papst. Während das Dogma von der Unbefleckten
Empfängnis Mariens nach einer solchen maximalistsichen Definition noch gültig
wäre, müsste man die Gültigkeit des Papstdogmas von 1870 sicher bezweifeln.
Andere Mahner vor dem
Unfehlbarkeitsdogma wie der englische Bischof John Henry Newman, hoben immer
wieder darauf ab, dass aber doch gerade aufgrund der Art und Weise, wie Pius
IX. sich vor der Definition des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis
verhalten hatte, eine so ausdrückliche und unvorsichtige Überzeichnung der
„einsamen“ Unfehlbarkeit des Papstes gar keinen Anhalt fände. Pius IX. hatte
die Bischöfe der Weltkirche wegen der Frage angeschrieben und deren Beobachtungen
über den Glauben im katholischen Volk zu der Frage der Immaculata Conceptio abgefragt. Erst nachdem er überwältigend
positive Antworten erhalten hatte, schritt er weiter und verkündete das Dogma.
Die Begeisterung in der Kirche, die sich in dieser Definition voll und ganz
finden konnte, war überschwänglich, als das Mariendogma verkündet wurde!
Bischof Newman hatte sich
wissenschaftlich eingehend mit der Arianismuskrise des 4. Jahrhunderts
beschäftigt. Ein erheblicher Teil der Verantwortung für die Wahrung des rechten
Glaubens musste demnach sehr wohl in der Hand der Laien liegen, denn sie waren
es, die am rechten Glauben festgehalten hatten, während fast die gesamte
Hierarchie in Häresie gefallen war. Wenn man die Verantwortung und eine vom
Papst möglicherweise unabhängige „Unfehlbarkeit“ des sensus fidei bei den Laien bestreiten will, wie Infallibilisten
dies durchweg tun, müsste man konsequenterweise zugestehen, dass der Arianismus
folglich der rechte Glaube gewesen sein müsste – eben weil er durch die
Hierarchie und nach einigen Schwankungen sogar von Papst Liberius vertreten
wurde.
Auch bei Liberius wollen
eingefleischte Traditionalisten und Sedisvakantisten dessen häretisches
Abdriften bagatellisieren: er habe es ja nur unter Druck so weit getrieben und
sei doch eigentlich rechtgläubig gewesen.
Ohne den komplizierten Fall des
Papstes Liberius hier aufrollen zu können, erinnert doch die Beschwörung
solcher „Eigentlichkeit“ frappierend an die „Eigentlichkeit“, die
nachkonziliare Traditionalisten zum Ärger vieler Sedisvakantisten ihren Päpsten
zugestehen: Sie seien ja „nur materielle“ und „keine formellen Häretiker“, wie
es der der FSSPX „verschworene“ Pfarrer Hans Milch stets in mündlichen Reden
betonte, und meinten es ja in Wahrheit schon recht…, ein Glaube, der
frappierend an das „Wenn das der Führer wüsste“ vieler Deutscher erinnert, die
nicht glauben wollten, dass all die Verbrechen, die die Nazis begingen, mit
Wissen und auf Geheiß des Führers passierten. Dies ist jedoch ein klassisches
Zeichen des idolatrischen Sektierertums und nicht etwa eines nüchternen
Christusglaubens.
Während schon genannte
Sedisvakantisten-Autoren dieses Argument hinsichtlich der nachkonziliaren
Päpste nicht gelten lassen wollen, bemühen sie es selbst, wenn es um Päpste der
Vergangenheit geht – etwa Liberius.
Immerhin aber kann jeder den
Glaubensabfall des Liberius in dessen eigenen Zeugnissen im „Denzinger“ und in
der Conciliengeschichte – Erster Band von Carl Joseph Hefele[32]
nachlesen. Dabei ist die Frage, ob er vor dem Abfall einmal orthodox glaubte,
ja kein Beweis gegen den späteren Abfall. Es geht einzig um die Frage, ob man
die lehramtlichen oder jurisdiktionellen Äußerungen eines Papstes immer für
unfehlbar bzw. „geschützt“ halten muss. Sieht man den Fall des Liberius an,
muss man eines zugestehen: Auch ein Papst kann unter Druck oder aufgrund
intellektueller Schwäche einknicken, und dies bei klarem Bewusstsein dafür, was
er tut.[33]
An ihm jedenfalls hatte die Kirche in der Arianismuskrise keinerlei Stütze, und
alleine dieses Faktum hätte den Infallibilisten zu denken geben müssen. Wenn
ein solch katastrophales Versagen eines Papstes in der Krise einmal möglich
ist, ist es prinzipiell immer möglich. Und wenn der wahre Glaube einmal bei
wenigen, von diesem Papst mehrfach und ausdrücklich zurückgesetzten und
ausgeschlossenen Bischöfen wie Athanasius und vor allem zahlreichen Laien
bewahrt wird, dann ist dies als prinzipielle Möglichkeit nicht mehr so
kategorisch auszuschließen wie es der traditionelle Papalismus, wie er etwa bei
Pius X. formuliert wird[34],
tut. Andererseits kann man das Gewissen der Priester und Laien nicht dermaßen
diktatorisch und mithilfe einer sektiererisch anmutenden Gedankenkontrolle des
Einzelnen auf den Papst einschwören, wie dies insbesondere unter Pius X. dann
mit zahlreichen zentralistischen Maßnahmen mit verheerenden Folgen geschah.
Hinzu kamen administrative Maßnahmen, deren Segen zweifelhaft geblieben ist:
die wohl doch viel zu früh angesetzte Erstkommunion ab 7 Jahren (auch eine nie
da gewesene „Neuerung“!), die die weichen Kinderherzen in einem Stadium großer
Unreife eher zum „rechten Glauben“ und zu „Gewissensprüfungen“ erpresste als
überzeugte, und der berüchtigte Antimodernisteneid für Priester, der nichts
anderes hervorbrachte als Bitterkeit, ein präfaschistisches, freimaurerisch
anmutendes Spitzelsystem in der Kirche und heuchlerische Lippenbekenntnisse,
die – wenn man die Früchte ansieht – nicht nur ohne gute Wirkung geblieben
sind, sondern das glatte Gegenteil hervorgebracht haben. Pius X., so teilte es
Pietro Kardinal Gasparri bei dessen Seligsprechungsprozess mit, „billigte, segnete und ermutigte einen geheimen
Spionagedienst außerhalb und oberhalb der Hierarchie, der gegen Mitglieder der
Hierarchie selbst und sogar gegen Ihre Eminenzen, die Kardinäle, spionierte.
Kurzum, er billigte, segnete und ermutigte eine Art Freimaurertum innerhalb der
Kirche, und dies war etwas, was es bislang in der Kirchengeschichte nicht
gegeben hatte.“[35]
Die bereits erwähnte Reaktion Pius
X., zum Jahrestag der Dogmenverkündung der Immaculata
Conceptio ungeniert nicht vor allem die Gottesmutter zu loben, sondern die
mit dem Dogma verknüpfte Konsolidierung der absoluten päpstlichen Macht, zeigt
einmal mehr, dass die Verkündigung des Mariendogmas ein Probelauf und Hintertürchen
für das folgende Papstdogma war.
Newman hatte in der Geste Pius IX.,
den Glauben der Laien hinsichtlich der Immaculata
Conceptio zu erforschen, ursprünglich eine Berücksichtigung der unfehlbaren
Funktion der ganzen Kirche erkannt. Umso weniger konnte er den radikalen
Ausschluss der gesamten Kirche, der durch die einseitige und teilweise intrigante
Vorbereitung und Durchführung des Konzils selbst die bischöfliche unanimitas für nichts mehr wert
erachtete, noch begreifen. Die Strategie, jeden Bischof, der nicht nach dem –
wenn auch reaktionär - neuerungssüchtigen Dirigat des Papstes und seiner
fragwürdigen Berater sprang, kurzerhand als „Häretiker“ abzuschmettern, auch
wenn derselbe zuvor immer treu und rechtgläubig war (im Gegensatz zu der Garde,
die Pius IX. um sich scharte!), entsetzte ihn. Worüber heutige Reaktionäre
vielleicht bereits vollkommen abgestumpft sein mögen nach 150 Jahren Papstdogma
– dem Zeitgenossen wollte dieses autoritäre und rücksichtslose Verhalten nicht
in den Kopf.
Newmans Kommentar zu der
autoritären Vorgehensweise Pius IX. auf dem Vaticanum I nach den Vorgängen um
das Mariendogma lautete:
„What have we done to be treated,
as the faithful never were treated before?”[36]
3. Zwei Versuche, mithilfe Marias die päpstlichen Macht im
Erlösungsgeschehen zu erhöhen
Wie Newman mehrfach feststellte,
steht und stand der Inhalt der Mariendogmen, auch des erst noch zu
definierenden von der Aufnahme Mariens in den Himmel durch Pius XII. 1950, als
Glaubenssatz innerhalb der römisch-katholischen Kirche nicht in Frage und wurde
ohnehin genauso bereits geglaubt.
Nicht nur bei Pius X. fällt die
merkwürdige Verklammerung des Mariendogmas mit der Übersteigerung des Papsttums
auf. Die Gottesmutter wurde in seiner Diktion zu einer systemstabilisierenden
Funktion des Papsttums.
Wie aber kann das sein, wo die
allerseligste Jungfrau und Gottesmutter doch meilenweit über Engeln und
Aposteln, also auch dem Papst, steht und sich jeder funktionellen Vereinnahmung
dadurch entzieht?
Weg
1: Die Parallelisierung des heiligen Joseph mit der Gottesmutter
Muss man sich vorstellen, dass der
Gottesmutter ein menschlicher „Vater“ zugeordnet werden sollte, etwa wie der
heilige Joseph, womöglich in einzigartiger Weise gar noch aufgefasst wie ein „Schatten des himmlischen Vaters in dieser
Welt“[37]? Und
dies, obwohl der heilige Joseph in der Tradition der römisch-katholischen
Kirche bei aller Hochschätzung niemals den Rang der Gottesmutter erreichen
konnte und merkwürdig verborgen hinter ihr blieb, eben weil er „nur“ distanzierter
und zeitweiliger Beschützer und nicht selbst Träger der Gottesmutterschaft,
Bräutlichkeit und vorauserlösten Sündlosigkeit und Erhabenheit Marias war? Ein
treffendes Bild für diese Auffassung der Kirche kam zuletzt in den
Marienerscheinungen in Mettenbuch im 19. Jh zum Ausdruck. Die Seher-Kinder
erblicken dort am 1. Dezember 1876 die Heilige Familie:
Eine der Zeuginnen berichtete, die
Muttergottes sei auf einem Thron gesessen, angetan mit weißen und goldenen
Kleidern. Hinter ihr sei „ein Mann mit
einem langen Bart, einem breiten Mut (sic – meint offenkundig: Hut!), einen
Stock in der Hand. Dieser sah auf das Kindlein hervor.“[38] Auch wenn man diese Erscheinung nicht
für echt hält, gibt sie doch kund, wie man noch in der zweiten Hälfte des 19. Jh
im frommen Kirchenvolk die heilige Familie wahrnahm.
Interessant ist in diesem
Zusammenhang, dass einer der aggressivsten und dubiosesten[39]
deutschen Verfechter der päpstlichen Infallibilität und Macht, Bischof Ignaz
Senestrey von Regensburg, eng befreundet mit Kardinal Manning (!), diese
Marienerscheinung mithilfe erpresserischer und widerrechtlicher Methoden gegen
die Zeugen abwürgte und nicht anerkannte.
Wohin führen also solche
Intentionen, die die einzigartige Stellung der Gottesmutter offenbar zu dem
Zweck definieren wollten, um auf diesem Weg die geistliche Rolle des „Heiligen
Vaters“ viel höher zu veranschlagen, als es ihm möglicherweise zukommen dürfte?
Die Idee, den heiligen Joseph „endlich“ auch angemessen zu verehren und aus
seiner Verborgenheit hinter Maria herauszuholen wie eine Figur auf einem
strategischen Spielbrett, tauchte tatsächlich erst im Pontifikat Pius IX. offiziell
auf. Pius IX. lehnte dessen Einfügung in den Messkanon zwar noch ab, erklärte
ihn aber neben der Gottesmutter zum
„Schutzherrn“ der Kirche. Dieser Vorgang ist an sich noch nicht abwegig oder
befremdlich, denn Joseph war ja der
Beschützer Mariens und des Jesuskindes. Merkwürdig ist, dass dies der Auftakt
zu einer Verschiebung auf dem strategischen Spielbrett der Kirche wurde, der
von Modernisten und Traditionalisten gleichermaßen genutzt wurde:
Parallel zu dieser Aktion Pius IX. ernannte
Johannes XXIII. 1962 den heiligen Joseph
zusammen mit der Gottesmutter als Schutzpatron des Vaticanum II. Der
Vorrang und die wesentlich anders geartete Stellung Mariens wurde dadurch
nivelliert, wie sich bald in dem Konzilstext „lumen gentium“ zeigen sollte. Das Fest „Joseph der Arbeiter“ am 1.
Mai führte Pius XII. 1955 als
Zugeständnis an die sozialen Bewegungen ein. Das Werk, ihn doch in den
Messkanon einzufügen, setzte Johannes XXIII. um, und Johannes Paul II., der dem
heiligen Joseph eine Exhortation widmete („Redemptoris custos“ 1989[40]),
fügte ihn dann in mehrere der vielen neu erfundenen Hochgebete ein. Heute kann
man nun von Gläubigen, die durch die Schule Johannes Pauls II. gegangen sind,
durchaus die Meinung hören, der heilige Joseph sei „neben“ der Gottesmutter der mächtigste Fürsprecher im Himmel. Und
hier wird deutlich, dass die moderne Josephsverehrung abweicht von der rechten
Lehre.
Eine paradoxe Situation entstand:
Man komplimentierte die Gottesmutter dem Anschein nach auf der Verehrungsleiter
nach oben, um sie auf diese Weise dem Papst unterzuordnen, der sich nicht mehr
nur als Nachfolger Petri, sondern als kryptischen Nachfolger des heiligen
Joseph ansah, der ihr schleichend vorgelagert wurde, unter dessen
Schirmherrschaft der „Heilige Vater“ seit 1870 nun unfehlbar regieren sollte.
Das Geheimnis des heiligen Joseph, der in der Schrift immer nur demütiger Diener
und niemals Herr ist und nach der vollendeten Kindheit Jesu sang- und klanglos aus
den Evangelien verschwindet, wurde seinem fast 2000jährigen Schweigen entrissen
und ins Licht modernistischer wie traditionalistischer Lehren gezogen. Er ist
zum beliebten Gegenstand progressiver und
reaktionärer Theologie und Spekulation geworden, was ein bemerkenswertes Faktum
ist!
Der Mann, der freiwillig vollkommen
geschwiegen hat und ausschließlich Weisungen befolgte, gewinnt so den Charakter
des „ersten Teilhabers“ an den göttlichen Geheimnissen:
„Ich
glaube nämlich, das neuerliche Nachdenken über die Teilnahme des Gemahls
Mariens am göttlichen Geheimnis wird es der Kirche, die zusammen mit der ganzen
Menschheit auf dem Weg in die Zukunft ist, gestatten, ständig ihre eigene
Identität im Rahmen dieses Erlösungsplanes wiederzuentdecken, der seine Grundlage im Geheimnis der
Menschwerdung hat.“[41]
Es stellt sich die Frage, warum das
„neuerliche“ Nachdenken über den
heiligen Joseph die „Rolle der Kirche im
Erlösungsplan wiederzuentdecken“ helfen soll.
Hat denn die Kirche ihre Rolle im
Erlösungsplan vergessen oder niemals richtig erfüllt? Und wenn ja – seit wann?
Und warum ist dann ausgerechnet die Besinnung auf die Rolle des heiligen Joseph
die Rettung aus diesem Verlust? Galt nicht Maria immer als die „Gussform der Kirche“? Warum genügt es
nicht, sich wie schon immer, auf sie zu besinnen?
Johannes Paul II. begründet die
besondere Rolle des Joseph so:
„Er
wurde (…) in einzigartiger Weise ein Hüter des Geheimnisses, das »von
Ewigkeit her in Gott verborgen war« (vgl. Eph 3, 9), so wie es Maria in jenem entscheidenden Augenblick
wurde, den der Apostel die »Fülle der
Zeit« nennt, als nämlich »Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau,
sandte, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die
Sohnschaft erlangen« (vgl. Gal
4, 4-5)“[42]
Dieser Satz mag noch einsichtig
sein, deutet aber doch die Verwischung und Verunklarung der Verhältnisse an.
Nach der Schrift und der Natur gibt es im natürlichen und übernatürlichen
Geschehen einen grundsätzlichen Unterschied zwischen den Geschlechtern, der für
jegliche Menschwerdung der Frau einen Part anvertraut hat, den der Mann nur von
außen und ohne Vorstellung davon, was dies im Bewusstsein und Werk einer Frau
bedeutet, erleben kann. Auch wenn man sicher sagen kann, der heilige Joseph sei
in einzigartiger Weise in das Geheimnis der Menschwerdung Jesu Christi eingebunden
worden, reicht diese Einzigartigkeit alleine schon aus natürlichen Gründen
nicht an die der Gottesmutter heran und ist auch nicht solitär.
Dass der heilige Joseph daher
einzigartig „so wie (…) Maria“
teilhatte, vermag ich nicht zu glauben.
Dem scheinen noch triftige andere Argumente
entgegenzustehen:
Maria war vorauserlöst und
unbefleckt empfangen. Nur diese einzigartige – diesmal wirklich einzigartige
Stellung – befähigte sie überhaupt, in diesem vollkommenen Maße Teilhaberin an
Gottes Erlösungsplan zu werden. Kein Mensch, der noch unter dem Gesetz der
Erbsünde steht, auch wenn er zu den „Gerechten“ zählt wie Joseph, konnte in dieser
innigen Weise Teilhaber werden!
Johannes Paul II. bekräftigt jedoch
die Teilhaberschaft des heiligen Joseph noch einmal so, als habe er dabei sogar
Vorrang vor Maria gehabt:
„Der erste Hüter dieses
göttlichen Geheimnisses ist Josef, zusammen mit Maria.“[43]
Bei aller Hochschätzung des
heiligen Joseph - aber wie ist das möglich angesichts der göttlichen
Begnadigung Mariens, von der weder bei Joseph noch sonst bei einem Menschen jemals
die Rede war?
Stets galt doch Maria als die erste
Hüterin und leibhaftige Trägerin des Geheimnisses, mit dem sie alleine verwoben
wurde, und haben wir nicht stets, vor allem im freudenreichen Rosenkranz, nach
Maria zuerst Elisabeth und ihr ungeborenes Kind als die zweiten Teilhaber
dieses Geheimnisses kennengelernt? Während Joseph noch gar nichts weiß, macht
sich Maria nach der Verkündigung auf zu Elisabeth, ihrer Cousine, die als
Unfruchtbare und Ältere doch noch ein Kind empfangen hatte, und Elisabeth ist
es, die als Erste eine Eingebung des Heiligen Geistes hat und die Gottesmutterschaft
Mariens bezeugt! Bestätigung erfährt Elisabeth durch das Hüpfen ihres
ungeborenen Kindes in ihrem Leib, als Maria eintritt. Was das auserwählte
ungeborene Kind der Elisabeth, Johannes der Täufer, von dem es hieß, es werde „schon im Mutterleib vom Heiligen Geist
erfüllt sein“ (Lk 1, 15), durch die Bauchwand seiner Mutter sofort
erkannte, blieb den Augen des heiligen Joseph verschlossen, und er musste erst
im Traum von Gott eine Weisung erhalten, der er allerdings gehorsam und demütig
folgte. Jesus nennt folgerichtig später auch dieses Kind, Johannes den Täufer,
den „größten Menschen“ im Alten Bund, als eine Verkörperung Elias (V. 14), und
nicht seinen Nährvater Joseph (Mt 11, 11 ff).
Die Aussage Johannes Pauls II.,
Joseph sei der „erste Hüter des
göttlichen Geheimnisses“ gewesen, ist durch diese Fakten aus den Evangelien
und aufgrund der frühen überlieferten
mariologischen Definitionen zweifelhaft.
Hat die Kirche 2000 Jahre einen
wichtigen Glaubenssatz über den heiligen Joseph verpasst?
Und was hat es für ideologische und
dogmatische Konsequenzen, wenn man versucht, ihn weitgehend oder sogar vollständig
mit Maria zu parallelisieren?
Gerät nicht das gesamte Gefüge, in
das die Muttergottes in einzigartiger – wirklich herausragend und unerreichbar
einzigartiger – Weise im Erlösungsplan eingebunden ist, vollkommen aus dem
Gleichgewicht, wenn der heilige Joseph in dieser Weise überzeichnet wird?
Die Lehre von den zwei Naturen
Christi hinterlässt auch in Maria eine „doppelte“ Anlage: sie ist zwar Braut
des Joseph, will und darf ihm aber nicht angehören, wie eine Ehefrau dies
normalerweise tut. Ihr wahrer und übergeordneter Bräutigam ist der Heilige
Geist, von dem sie auch ihre Leibesfrucht empfängt. Ähnlich „doppelt“ wie Jesus
„Gottes- und Mariensohn“ ist, ist sie Gottes- und Josephsbraut zugleich. Joseph
erhält durch die Ehe Anteil an der Frucht ihrer bräutlichen Beziehung zu Gott,
hinter der er aber vollkommen in jeglichem Anspruch zurücktreten muss und will,
den ein Mann sonst an seine Frau stellen könnte.
Wird aus der „Mutter Kirche“, deren
Bräutigam und Vater Gott selbst ist, nun eine „Mutter Kirche“, die irgendwie
auch „Vater Kirche“ ist oder vor allem durch den „Vater“ und eben nicht durch
die „Mutter“, wie es bisher doch gedacht wurde, repräsentiert wird? Und wer ist
dieser „Vater“ real und sichtbar, wenn nicht der Papst? Was fangen wir mit dem
Gebot Jesu an, wir sollten auf Erden niemand „Vater“ nennen und was mit der
Warnung, falls wir es doch tun?
9
Und ihr sollt niemanden unter euch Vater nennen auf Erden; denn einer ist euer
Vater, der im Himmel ist.
10 Und ihr sollt euch
nicht Lehrer nennen lassen; denn einer ist euer Lehrer: Christus.
11 Der Größte unter
euch soll euer Diener sein.
12 Denn wer sich
selbst erhöht, der wird erniedrigt; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht.“ (Mt 23, 9)
In jedem Fall ist es nicht von der
Hand zu weisen, dass die moderne Überbetonung des Papstes durch die
Überbetonung und Parallelisierung des heiligen Joseph zur Gottesmutter dem
Volksglauben nahegebracht werden soll, auch unter der Vorgabe, man wolle damit
dem christlichen Familien-Vater ein Vorbild geben, was für sich genommen ehrenwert
wäre, in der Kombination mit einer Relativierung der Rolle der Gottesmutter bzw.
der Übersteigerung der Rolle des Papstes aber bedenklich wird.
Die christliche Autorität des
irdischen Vaters gewinnt überhaupt erst ihr richtiges Maß darin, dass jeder
Vater bereit sein muss, vollkommen hinter dem Vater im Himmel zu verschwinden,
ja: zu verstummen.
Das ist es doch, was Joseph in
größter Reinheit und Gerechtigkeit vorgelebt hat.
Zugespitzt formuliert könnte man
sagen: Wenn der Papst sich schon am heiligen Joseph orientieren will, dann
müsste ihn das zu größter Zurückhaltung und einem Hang zum Schweigen angeregt
haben.
Genau das ist aber nicht geschehen…
Bischof Graber hat zurecht darauf hingewiesen,
dass mit dem Ende des Alten Bundes der Mann, der sich als Sündenfolge über die in
der Mutterschaft leiblich zutiefst geschwächte Frau als Herrscher aufschwingen musste
und wollte und sie vielfach in unbeschreiblicher Überheblichkeit zum Schweigen gebracht hatte, zunächst auffallend von Gott
selbst ins Schweigen zurückgestellt wurde, kurz bevor der Herr ins Fleisch kam.
Zacharias, der nicht glauben will, dass seine alte Frau noch Mutter werden
würde (obwohl der Glaube Israels genau das anhand der Gestalt Saras doch immer
festgehalten und in den Prophetenbüchern immer wieder reflektiert hatte!), wird
von Gott zum Schweigen verurteilt:
„Weil
du meinen Worten nicht geglaubt hast, die in Erfüllung gehen, wenn die Zeit
dafür da ist, sollst du stumm sein und nicht mehr reden können.“ (Lk 1, 20)
Und Zacharias verstummt und kann
nicht mehr reden. Vor diesem Hintergrund gewinnen die Worte seiner Gemahlin Elisabeth
eine ganz andere Kraft, wenn sie, „vom
Heiligen Geist erfüllt“(V. 41), - aber wie sollte es auch anders sein, da
ihr Kind schon ungeboren ebenfalls von Ihm erfüllt ist! – beim Anblick der
Gottesmutter ruft:
„Selig
ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr gesagt hat.“ (Lk
1, 45)
Marias Reaktion darauf ist die
maximale Lösung ihrer Zunge, die schon zuvor frei war, und sie singt das
Magnificat.
Der heilige Joseph ist ein
„Gerechter“ des Alten Bundes und muss nicht zum Schweigen gebracht werden, weil
er aufgrund seiner Gerechtigkeit von selbst schweigt, wie die Schrift uns
erzählt. Sein bereitwilliges Verstummen ist wie ein großes Zeichen für das Verblassen
des Alten Testamentes und Raumeröffnens für das Neue. Neque ex voluntate viri, sagt der Johannesproplog, „nicht aus dem
Willen des Mannes“, „sed ex Deo“, aus
Gott, werden die Kinder Gottes geboren. Der Mann muss schweigen, wenn Gott
schafft und die Rolle einnehmen, die ihm angewiesen wird. Joseph ist der Zeuge
männlicher Demut und in der Tat das Modell des „neuen Mannes“ in Christus: er
schweigt, nimmt sich zurück, gehorcht der Weisung des Herrn prompt und ohne
Zweifel zu äußern. Er hat in der heiligen Familie nicht die Hauptrolle und
füllt seine Führungsrolle ausschließlich zum Wohl aller und mit Hingabe aus.
Auf mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Darstellungen wäscht Joseph Windeln,
führt die Arbeiten eines Knechtes aus und ist das, was man heute „Security“, Leibwächter der Muttergottes
und ihres göttlichen Kindes nennen würde.
Auf eine atemberaubend totale Weise
werden die Frauen hineingenommen in das Wunder der Inkarnation: Maria und
Elisabeth sind die ersten Zeuginnen und leibhaftigen Hilfen des göttlichen
Wunders der unmittelbaren Fleischwerdung![44]
Wie groß die Rolle des heiligen Joseph auch immer sein mag – es gehört nicht zu
seiner Berufung, selbst mit seinem ganzen Sein Träger dieses Geheimnisses zu
werden. Er kann als Mann nur durch die Frau vermittelt Anteil gewinnen.
Nur eine Frau konnte den Sohn
Gottes ins Fleisch bringen. Und so hat es schon das Protoevangelium in der
Genesis angekündigt. Die unmittelbare und erbitterte Feindschaft zwischen dem
Satan und dem Menschen trägt die Frau aus – so hat es Gott bestimmt. Nur der
inkarnierte Gottmensch ist als Mann in der Lage, zu siegen. Der irdische vir muss schweigen oder untergehen.
Es ist problematisch, wenn man
diese Ankündigung nun in gewisser Weise „gendernd“ verwässert und den
weiblichen Part dem Mann ebenfalls ohne Differenzierung zuschreibt. Ebenso
wenig wie eine Frau Priester sein kann, ebenso wenig ist Joseph der „erste Hüter des Geheimnisses (…), mit
Maria“. Auch wenn er tatsächlich der Beschützer von Mutter und Kind war,
hatte er dennoch nicht die Rolle seiner Frau inne. Dementsprechend verschwindet
der heilige Joseph aus den Evangelien nach der Episode mit dem 12jährigen
Jesus, zu dem Zeitpunkt, zu dem ein junger Mann als erwachsen und mündig galt
und sich der väterlichen Obhut entzieht. Joseph, so muss man annehmen, ist der schützende
Begleiter Jesu in der Kindheit, aber danach wendet sich Jesus geistlich ganz an
seinen himmlischen und eigentlichen Vater, lässt dagegen den innigen Kontakt
zur Mutter nie abreißen. Der junge Jesus gibt dies deutlich zum Ausdruck, als
er den Vorwurf seiner Mutter, „dein
Vater“ und sie selbst hätten ihn voll Angst gesucht, mit der Frage
beantwortet, ob sie denn nicht gewusst hätten, dass er „in dem sein (müsse), was meinem Vater gehört“ (vgl. Lk 2, 48 f).
Auch wenn es heißt, er sei ihnen anschließend „gehorsam“ nach Nazareth gefolgt, ist das kein Gehorsam, den er
ihnen geschuldet, sondern um ihrer Sorge und vorläufigen Verständnislosigkeit
(V. 51) willen zugewendet hat. In jedem Fall wird in dieser Szene eine
Konfrontation ausgesprochen, ja vielleicht sogar eine Unvereinbarkeit spürbar
zwischen dem Nährvater und seiner
Rolle und dem himmlischen Vater:
Joseph sollte dem Kind Jesus eine familiäre normale Kindheit garantieren, aber
die Vaterrolle war einerseits keine leibliche und andererseits wesentlich
beschnitten durch das direkte, unermesslich größere Anrecht des himmlischen
Vaters an seinem eingeborenen Sohn. Wenn der heilige Joseph Hochschätzung
verdient, dann vor allem für diese Hingabe, die nichts für sich selbst
beanspruchte, sich ausleihen ließ ohne einen Lohn in Aussicht zu haben –
welcher Mann unter Sünde hätte sich sonst darauf eingelassen? Er war ein heiliger
Mann, daran kann kein Zweifel bestehen, musste er doch der erhabenen Gottesmutter
und erst recht ihres göttlichen Kindes würdig sein, aber eben in diesem zurückhaltenden Sinn.
Hat man den Eindruck, dass sich das
Papsttum daran orientiert hätte?!
Marias Rolle hat demgegenüber
wesentlich andere Züge. Sie ist nach ihrem „Fiat“ die leibliche Mutter des
Herrn und wird seinen Weg für immer als Hilfe mitgehen. Simeon, ein weiterer
Teilhaber des göttlichen Geheimnisses der Menschwerdung, sagt ihr voraus, dass
ein Schwert durch ihre Seele gehen werde mit diesem Kind, das am Ende am Kreuz
hängen würde und von einer Lanze durchbohrt würde, während sie unter dem Kreuz
stehen würde, durchdrungen von Schmerz.
Ein gravierender Einwand gegen eine
Parallelisierung des heiligen Joseph mit Maria liegt in der Tatsache begründet,
dass alle Weissagungen, die um Jesus herum geschehen, entweder Ihm selbst oder
Maria gelten. Keine einzige gilt dem heiligen Joseph. So wird auch mehrfach
einseitig berichtet, dass Maria über alles, was mit Jesus zusammenhing,
nachdachte. Von Joseph wird keinerlei vergleichbare kontemplative Aktivität
berichtet. Marias Rolle im Erlösungsgeschehen endet im Neuen Testament nicht
mit der Kindheit Jesu, sondern bleibt für immer bestehen. Sie ist bräutliches adiutorium nicht nur des Kindes, damit
es nicht umkommt, bevor es groß ist, sondern sie ist adiutorium des Erlösers bis heute. Sie war mit den Aposteln bis zum
Pfingstfest immer zusammen und lebte bis zu ihrer Aufnahme in den Himmel bei
dem Jünger, den Jesus liebhatte: Johannes, als geistliche Mutter dieses Jüngers
und aller Gläubigen.
Weg
2: Die Parallelisierung des heiligen Petrus mit der Gottesmutter
Weiteren Aufschluss über die
merkwürdige Parallelisierung des Papsttums mit der Rolle der Gottesmutter
finden wir bei dem Neuscholastiker Mathias Joseph Scheeben in der Schrift, die
Joseph Schmitz 1936 unter dem Titel „Maria, Schutzherrin der Kirche“ herausgab,
die Scheeben selbst ursprünglich in den „Periodischen Blättern“ 1869/70
veröffentlicht hat.[45]
Dort wird nicht mit dem heiligen
Joseph operiert, der diesmal bezeichnenderweise überhaupt nicht beachtet wird,
sondern mit dem Begriff der „Makellosigkeit“, die dem „sedes sapientiae“ (Maria) ebenso zukomme wie der „cathedra sapientiae“ (Petrusamt).
Bereits Scheebens
Einleitungsabschnitt ist eigenartig gewunden in schlangenartigen Sätzen, die
kaum die Schwäche der Argumentation verbergen können, die ihnen innewohnt. Nach
der Formulierung der These, es bestünde eine „innige Verwandtschaft“ zwischen
der Lehre von der Immaculata und der Infallibilität des Papstes, referiert
Scheeben kurz die unentweihte, makellose Reinheit der Heiligen Jungfrau und
fährt dann fort:
„Die
Unfehlbarkeit des Papstes aber zeigt uns die unbefleckte Reinheit und den
übernatürlichen Charakter der Wahrheit auf der Cathedra des hl. Petrus, welche,
weil ihr Inhaber zum Stellvertreter des Sohnes Gottes, zum sichtbaren
Oberhaupte seiner Kirche und zum stetigen Organ seiner Wahrheit bestellt ist,
als die „Mutter und Lehrerin aller Kirchen“ sich in ihrer Lehre, ebenso wie die
Jungfrau in ihrem Leben, als unentweihten „Sitz der Weisheit“ und den
makellosen „Spiegel der Gerechtigkeit“ offenbaren, und als das Haupt der Braut
Christi in ihrer Lehre , durch welche sie die Glaubensreinheit der ganzen
Kirche bewirkt, so beschaffen sein muß, wie der Apostel die Braut Christi
selbst haben will, „ohne Makel und ohne Runzel oder etwas dergleichen“ – und
das aus demselben Grunde, aus welchem die Kirche in ihrem Priestertum, in
welchem sie als Mutter und Spenderin der Gnade auftritt und im hochheiligen
Altarsakrament ihr Haupt in geheimnisvoller Weise wiedergebiert, trotz aller
Sünden und Mängel ihrer Diener ihren vom Heiligen Geist befruchteten Schoß
stets unbefleckt bewahrt.“[46]
Während die Jungfrau Maria als
Sündlose tatsächlich unmittelbar und ohne „defectus
materiae“, nicht nur theoretisch, sondern auch persönlich „unentweihter
Sitz der Weisheit“ werden konnte, lässt sich dies von der Cathedra Petri nicht
so ohne weiteres sagen, an der die Angeschlagenheit des Menschen zwar nicht den
Sieg davon tragen, aber dennoch sichtbar werden kann.
Scheeben argumentiert gebrochen, wenn
er hier die Funktion des Priestertums in der Kirche mit der des Lehramtes
vermischt. Es trifft zweifellos zu, dass im hochheiligen Altarsakrament das
Haupt der Kirche durch die Funktion der Priester – trotz deren Mängel und
Sünden – unentwegt wiedergeboren wird. Das hat aber sachlich nichts mit der
gefährdeten Rolle des Lehramtes zu tun. Das Lehramt ist kein Sakrament und hat
keine sakramentale Zusage Jesu Christi. Es ist ein einfacher Auftrag an Petrus,
der den Herrn mehrfach brüskiert und verleugnet hat, die „Brüder zu stärken“ und die „Lämmer
zu weiden“.
Wie gefährdet das Lehramt ist,
lässt uns die Episode ahnen, die unmittelbar nach der „Tu es Petrus“-Szene
berichtet wird. Jesus kündigt nach dem Christusbekenntnis des Petrus sein
Leiden an. Petrus nimmt ihn beiseite und will ihm das ausreden:
„Gott
bewahre dich, Herr! Das widerfahre dir nur nicht!
Er
aber wandte sich um und sprach zu Petrus: Geh weg von mir, Satan! Du bist mir
ein Ärgernis; denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.“
(Mt 16, 22)
Gerade das Lehren hat Jesus, anders
als das Binden und Lösen, anders auch als das Feiern des hl. Messopfers, nicht
den Aposteln alleine anvertraut und auch nicht als Sakrament formuliert. Jesus
hat mehrfach Jünger zur Predigt, zu Botschaften, Weisungen und Lehre
ausgesandt, und es waren beileibe nicht immer Apostel im engeren Sinn. Das
verbale Zeugnis für den Glauben scheint nach der Schrift Aufgabe aller Gläubigen
zu sein. Dabei ist die Autorität, die Lehren zu definieren und zu bewahren, und
die, sie zu verbreiten, nicht komplett ein und dasselbe. Man kann aber das eine
vom andern auch nicht trennen.
Das Lehren wird immer wieder als
gefährlichstes Charisma benannt, weil die Zunge, so klein sie ist, am
schwersten zu zähmen ist von allem, was dem Menschen Beschwerden macht. Die
Zunge trägt ungehindert nach außen, was im Herzen ist:
„Liebe
Brüder, nicht jeder von euch soll ein Lehrer werden; und wisst, dass wir ein
desto strengeres Urteil empfangen werden. Denn wir verfehlen uns alle
mannigfaltig.“ (Jak 3,1 f)
Oder in V. 3:
„Si
quis in verbo non offendit, hic perfectus est vir. – Wenn einer sich im Wort
nicht verfehlt, dann ist er ein vollkommener Mann.“
Doch von wem könnte man das – außer
von der Frau Maria - sagen?
Und was fangen wir mit der oben
erwähnten Warnung Jesu an, der den Jüngern einschärfte, niemand solle sich
„Lehrer“ nennen lassen?
„Nec
vocemini Magistri, quia Magister vester unus est, Christus. – Lasst euch nicht
Lehrer nennen, denn euer Lehrer ist einer, Christus.“ (Mt 23, 10)
Was ist davon zu halten, wenn
gerade ein Papst wie Pius X. bald in jedem Text darauf pochte, dass es an ihm
sei, das Magisterium der Kirche zu vertreten und dabei jeden anderen
herabstufte in einer möglichen Teilhabe?
Nicht, dass ich damit sagen wollte,
er hätte nicht die Autorität des Lehrstuhles Petri innegehabt, aber warum hat
es ihn so wenig bekümmert, dass Jesus den Lehrern auftrug, sich nicht „Lehrer“
nennen zulassen? Hat Jesus nicht in derselben Textstelle angekündigt, dass die,
die sich selbst erhöhen würden, erniedrigt würden? Könnte uns nicht auch dies
erklären, warum Pius X. keinen Erfolg haben konnte?
Und was bedeutet uns die Tatsache,
das es gerade Maria ist, die über so vieles nachdenkt, kontempliert und dies
„in ihrem Herzen“, wo sie auf den Lehrer hört, der der einzige wahre Lehrer
sein kann? Zeigt uns nicht ihre Gestalt, wie sehr jeder irdische Lehrer nur ein
schwacher, extrem schwacher Famulus des wahren Lehrers sein kann?
Wenn das aber so ist – kommt das in
den überspannten Ausführungen Scheebens, in deren Geist später Pius X. ganz
ähnlich schreibt und agiert, überhaupt noch zum Ausdruck, oder wurde hier nicht
vielmehr die Kirche förmlich auf den Kopf gestellt, indem man den schwachen
Verwalter des Herrn wie den Mond vor das strahlende Taggestirn schob, im Wahn,
es werde dadurch großgemacht, und es doch nur fast vollständig verdunkelt hat?
Der Mond, wenn er sich nicht der Sonne ergeben beiordnet und
durch ihren Glanz strahlend umkleidet wird, so, wie es uns in rechter Weise die
Muttergottes doch vollkommen vorlebt, wird schwarz und finster, wenn er sich direkt
vor die Sonne stellt… niemals würde sich die allerseligste Jungfrau vor den
Herrn platzieren und sich für die Menschen als dessen solitäres Zeichen
ausgeben. Niemals! Und weil sie dies nicht tut, lässt Er sie Sein inniges
Zeichen sein! Und weil sie dies nicht tut, hat sie auch den Mond unter ihren
Füßen…
Was aber mit einem Papsttum, dass
sich selbst zu dem erklären will, wozu es immer aufs Neue nur der Herr selbst
befähigen kann, wenn Er es in Seiner Allmacht bestimmt und will?
Ist das der Grund für die Scheu
Newmans, dieses erhabene und göttliche Wirken auf die Cathedra Petri festlegen zu wollen, noch dazu autoritär durch
dessen Inhaber, für den von diesem Moment an gälte „wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden“?
Newman hat dieses göttliche Wirken
niemals angezweifelt, sondern unbedingt geglaubt, aber er wusste darum, dass
der Papst die Gnade – anders als die sündlose und reine Magd Maria – nicht total, sondern von Schritt zu
Schritt aufs Neue würde empfangen müssen, immer wieder empfangen, ohne sie
festhalten zu können und nur dann, wenn er dabei auf den Herrn schaut wie
Petrus einst auf dem tobenden Meer. Petrus, der auch wegschauen und untergehen,
der den Herrn verleugnen und von einem anderen öffentlich und bis heute im NT
nachlesbar zurechtgewiesen werden konnte. Wie ein Leitmotiv durchziehen Schwäche
und Bedürftigkeit die gesamte biblische Geschichte dieses ersten Apostels.
Dies wundert niemanden, der die
Worte des Herrn ernstnimmt, der schon im AT immer wieder kundtut, dass er das
Kleine, das Schwache erwählt und die Großen leer ausgehen lässt.
Hat das Vaticanum I uns eine
geistliche Sonnenfinsternis beschert? Unwillkürlich muss ich an die Worte aus
der Offenbarung denken:
„Und
(…) die Sonne wurde finster wie ein schwarzer Sack, und der ganze Mond wurde
wie Blut… und die Sterne des Himmels fielen auf die Erde, wie ein Feigenbaum
seine Feigen abwirft.“ (Off 6, 12f)
Ein Bild steigt in mir angesichts
dieser Worte auf: Ein Papsttum, das sich vor die Sonne der Gerechtigkeit stellt, weil es sich einbildet, es müsse
dieselbe mit Zähnen und Klauen in die Herzen hineinzwingen, verfinstert die Sonne
und wird selbst finster – rot wie Blut, wie einer, an dessen Händen das Blut
der Seelen klebt, und danach fallen die Exponenten, die Hirten und Lehrer in der Kirche
vom Glauben ab in großer Zahl, weil sie nichts mehr sehen können in all dieser
Dunkelheit.
Scheeben driftet in schwärmerische
Aussagen ab, wenn er beispielsweise behauptet, die Gottesmutter habe ihre
„Verherrlichung“ durch das Dogma von der Immaculata
Conceptio durch die „Verherrlichung des Heiligen Stuhles“ belohnt, oder wenn
er in eine wüste Polemik verfällt, die in einem undifferenzierten, pauschalen
Rundumschlag alle möglichen Beschuldigungen gegen Bedenkenträger gegen das
Papstdogma schleudert. Alleine diese schäumenden,
hämisch-hasserfüllten Anwürfe in der kleinen Schrift hinterlassen einen unguten
Nachgeschmack. Ist es aber nicht geradezu häretisch zuglauben, die Gottesmutter belohne den, der sie verherrlicht, damit, dass sie postwendend ihn auf Erden verherrliche? Die Gottesmutter, die ich jedenfalls verehre, weist immer nur auf Jesus, und alles, was sie interessiert, ist die Verherrlichung Jesu, ihres geliebten Sohnes. Dieses Geschacher um gegenseitige "Verherrlichung" und quasi-diplomatische dogmatische Simonie erscheint mir widerwärtig und ich frage mich, was Scheeben geritten hat, in solche geistigen Niederungen abzustürzen?! [47]
Er feiert die Gottesmutter als den „Stern der Gnade“, den „Morgenstern“, der der „Sonne der Gnade“ vorausgegangen sei und
nach wie vor leuchte, um sogleich die „Cathedra
des Stellvertreters Christi“ als den „Abendstern“
zu besingen, auf dem die „von der Erde
scheidende Sonne der ewigen Wahrheit ihr Licht zurückgelassen (habe)“ .[48]
Diese Passage berührt mich
merkwürdig, weil zum Zweck der gewaltsam anmutenden Parallelisierung des
Papstes mit der Gottesmutter wesentliche dogmatische und in den Sakramenten
wirksame Glaubensgegenstände geschwächt werden müssen, um das Papsttum zu
stärken: Ist denn nicht im Pfingstfest das Licht der ewigen Wahrheit in
gleicher Weise auf alle Jünger gekommen, nicht nur auf Petrus und auf Petrus
auch nicht anders als auf die anderen? Und hat Jesus nicht seine leibhaftige
Gegenwart im allerheiligsten Altarsakrament zugesagt, das ebenfalls allen in
gleicher Weise zugewendet werden muss? Eine Umlenkung dieses nach dem Zeugnis
der Schrift so hell und weit in die Runde der Gläubigen scheinenden Lichtes,
als sei es ein „scheidendes Licht“, das gerade noch auf der Cathedra Petri
einen letzten Lichtreflex erzeugt, den die sofort förmlich aufsaugen und auf
sich festfrieren soll – man möge mir verzeihen: aber das erscheint mir fast
blasphemisch, denn so wurde es uns nicht überliefert und so sind auch die
Sakramente nicht beschaffen!
Wenn wir uns zurückbesinnen und
daran denken, wie Bischof Newman die Definition des Papstdogmas als überstürzt
empfunden hatte, wenn wir uns besinnen darauf, wie Pius IX. das Papstdogma aus
einem größeren Zusammenhang brach, um es in wenigen Wochen als einziges und
klägliches dogmatisches Ergebnis eines groß angelegten Konzils durchzusetzen,
wenn wir uns vergegenwärtigen, dass sich der Papst – anders als es je zuvor üblich
war – ein autoritäres Auftreten und Verhalten angewöhnt hatte, das schleichend
Merkmale einer Despotie annahm: wenn wir das vergegenwärtigen und viele der
dubiosen Begleitumstände dazu, von denen auch ich hier schon berichtet habe,
dann mutet die Einschätzung Scheebens entweder hoffnungslos naiv oder verrückt
an:
„Wahr
ist’s, daß manche fromme Seelen und tiefblickende Geister längst die doppelte
Definition als ein großes Heilmittel für die kranke Zeit herbeigewünscht und
befürwortet haben; wahr ist’s ebenfalls, dass Pius IX. sogleich vom Anfange
seines Pontifikates an sein Augenmerk auf die volle Klarstellung und
Geltendmachung beider Wahrheiten gerichtet hatte; aber eben diese Wünsche und
Bestrebungen waren das Werk des die Kirche leitenden Geistes Gottes, und der
Papst selbst beeilte sich bei der Durchführung seiner Absicht so wenig, dass
namentlich die zweite Definition erst zu einer Stunde stattfand, die er
menschlicher Weise nicht zu erleben hoffen durfte, und dass sie durch eine so
seltsame Komplikation von Umständen ermöglicht und zugleich unabweislich
gemacht wurde, wie ebenfalls kein menschlicher Scharfblick es voraussehen
konnte.“[49]
Scheeben tut in der Folge das, was
alle Maximalisten getan haben: Er redet sich in einem wahren
Infallibilitätsrausch hinein. Er scheut vor der Konfrontation mit den
historischen Fakten zurück und behauptet, Gott habe die „Cathedra der Wahrheit“ immer davor bewahrt, von einem „gottlosen Irrtum entweiht“ oder gar zu
einer „Cathedra der Pestilenz“ zu
werden. Die ganze Geschichte habe das bewiesen. Nun ist es erstens nicht einmal
wahr, dass der Nachfolger Petri nicht nachweislich in dogmatische Irrtümer
abgeglitten wäre. Der Monotheletismus, dem sich Honorius anschloss, ist
wahrlich kein Pappenstiel! Genauso zeigt das Beispiel des Liberius sehr schön,
dass Päpste unter dem Druck einer häretischen Mehrheit sehr wohl kippen können.
Ebenso hat auch der neuzeitlich-revolutionäre Druck einen Papst wie Pius VII.
dazu verleitet, einen offenen Antichristen zum Kaiser des christlichen
Abendlandes zu salben. Und weiter muss man die Frage stellen, ob Päpste samt
deren zahlreichen Gegenpäpsten bei ihrem sehr häufig moralisch ausschweifenden Leben
noch angemessene Lehrer sein konnten. So sehr gilt, dass der persönliche
Lebenswandel die Sakramentenspendung nicht beeinträchtigt, so sehr weiß jeder
Mensch, der bei Verstand ist, dass dies bei der Funktion als Lehrer nicht mehr
der Fall sein kann. Die Sakramente spendet der Priester, indem er seine Gestalt
an Christus verleiht, der der wahre Spender des Sakramentes ist und bleibt.
Wer dagegen hurt, mordet, Völlerei
betreibt, Ämter verschachert und andere um ihr Hab und Gut beraubt, wie dies viele
Päpste getan haben, dessen Geist ist durch die Sünde so verdunkelt, dass er mit
Sicherheit auch nicht mehr als Lehrer geeignet ist. Nicht umsonst fordert doch
der heilige Paulus, die Männer, die zu Bischöfen gewählt würden, sollten
sittlich untadelige Männer sein! Ein unsittlicher Lebenswandel mag nicht zu definierten
Irrlehren geführt haben, aber in jedem Fall zu irrigem und schwer sündhaftem
Verhalten in der Regierung der Kirche. Eine durch die Verstrickung in schwerste
Sünden bedingte Lehr-Unfähigkeit bedeutet im letzten Ende auch so etwas wie
eine „Sedisvakanz“.
Wir müssen das Schriftwort des
kleinen Apostels Johannes schon ernst nehmen, wenn er – ein Zeugnis für die
jedem Gläubigen auch verheißene,
direkte Belehrung durch den Heiligen Geist - schrieb:
„Wenn
wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in der Finsternis,
so lügen wir und tun nicht die Wahrheit.
Wenn
wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft
untereinander, und das Blut Jesu, seines Sohnes, macht uns rein von aller
Sünde. (…) Und die Salbung, die ihr von ihm empfangen habt, bleibt in euch, und
ihr habt nicht nötig, dass euch jemand lehrt; sondern wie euch seine Salbung
alles lehrt, so ist's wahr und ist keine Lüge, und wie sie euch gelehrt hat, so
bleibt in ihm. (1 Joh 1, 6-8; 27)
Da die Infallibilisten aber auch
die Jurisdiktion und exekutive Gewalt verabsolutieren, kann man die
Verstrickung in schwerste Sünden auf der „cathedra
Petri“, auch wenn diese schweigt, nicht marginalisieren, wie dies
Traditionalisten und Sedisvakantisten mit Scheeben gemeinsam tun. Die cathedra Petri liegt, wenn der Papst
persönlich in Finsternis lebt – und von manchen müssen wir das zweifellos
aufgrund ihrer schweren Sünde annehmen – ebenfalls für diese Zeit im Finstern.
Denn wie, um in der Diktion des kleinen Apostels Johannes zu sprechen,
vertragen sich Licht und Finsternis?
Und seien wir doch aufrichtig: Wie viel
„kindliche Anhänglichkeit“, von der in den ultramontanen Texten des 19. Jh
soviel und so schwärmerisch die Rede ist, kann ein Gläubiger gegen solche
kriminellen Subjekte auf der Cathedra Petri
gehabt haben, ohne selbst verfinstert zu werden? Man konnte einen solchen Mann
nur in der sorgfältigen inneren Distanz aushalten, bis Gott Abhilfe schaffen
würde!
Nun hat aber das Papstdogma genau
diese gesunde innere Distanzierungsmöglichkeit fragwürdig gemacht. Und Pius X.
hat sie dem Gläubigen gleich rundum verboten:
„Alle
Gläubigen müssen mit aufrichtiger
Unterwerfung des Geistes und des Herzens gehorchen. In diesem Gehorsam
gegenüber der höchsten Autorität der Kirche und des Papstes, die uns die
Glaubenswahrheiten vorlegt, und die Kirchengesetze auferlegt und uns all das,
was zu ihrer guten Leitung notwendig ist, anordnet, in dieser Autorität liegt
die Regel unseres Glaubens.“[50]
Merkwürdig in diesem Zusammenhang
auch der Vorwurf des Antimodernistenpapstes in der Enzyklika „Pascendi“ von
1907. Pius X. unterstellt den „Modernisten“, sie würden folgendes lehren und
verneint daher pauschal die Notwendigkeit, ein persönliches Gewissen im Glauben
zu wahren, um nicht auf Verführung hineinzufallen:
„Indessen
muss der Katholik sich so verhalten, dass er öffentlich zwar sich als
gehorsamsten Sohn der Autorität bekennt, aber dabei doch seinem eigenen Willen
folgt.“[51]
Wie aber sollen die Gläubigen, wenn
ihr Gewissen vollständig an den Papst delegiert wird, in der Lage sein, noch
die Stimme des wahren Hirten zu hören, falls der Papst zum Verführer wird?
Man hätte diese Möglichkeit vor 100
Jahren kategorisch ausgeschlossen bzw. tabuisiert. Wir wissen alle, dass sie
inzwischen jahrzehntelange Realität geworden ist. Wenn das aber so ist, muss
der Zwang zum „Kadavergehorsam“ Teil des Verführungsprogrammes (gewesen) sein.
Nur der Kadavergehorsam sichert dem Verführer die größtmögliche Ausbeute bei
seinem bösen Werk!
Ein zweites Mal verleumdet Scheeben
die Bedenkenträger und setzt sie mit den Marienverächtern des Protestantismus
gleich, was nicht nur unsachlich, sondern von der Tendenz her bösartig ist –
denn logisch und sachlich haben die Bedenken gegen das Papstdogma rein gar
nichts mit dem Mariendogma zu tun. Das Dogma von der unbefleckten Empfängnis
wurde überall freudig begrüßt, wie Scheeben doch selbst in seiner Einleitung
sagt und sein Bedauern gilt dort der Tatsache, dass dies mit dem zweiten Dogma
leider nicht der Fall sei[52].
Eine Gleichsetzung der Bedenkenträger mit den wenigen, die auch das erste Dogma
für nicht notwendig hielten, ist daher seinen eigenen Worten gemäß falsch.
Hinzu kommt, dass bei dem Papst-Dogma weniger der Inhalt der Definition als die
Notwendigkeit einer Dogmatisierung in Frage stand und die Art und Weise, wie
Pius IX. dabei vorgegangen war:
„Die
Gegner der Unfehlbarkeit haben sich vielfach angestellt, als ob die Unfehlbarkeit
(…) die Erhabenheit Christi beeinträchtige. Ganz dasselbe hörte man früher von
der unbefleckten Empfängnis sagen. Wie man aber den Protestanten mit Recht
entgegenhielt, dass die Herabsetzung der Mutter Christi bei ihnen der erste
Schritt zur Verleugnung seiner Gottheit gewesen, so haben andererseits
katholische Gegner der Unfehlbarkeit, welche es ernst mit dem Glauben meinten,
eingestanden, dass die Leugnung der päpstlichen Unfehlbarkeit nicht besonders
dazu diene, den christlichen Glauben zu bewahren.“[53]
„Die“ Gegner der Unfehlbarkeit
waren zumeist keine Leugner der Unfehlbarkeit, sondern lediglich Gegner der
Dogmatisierung. Was diese angeblichen „Gegner der Unfehlbarkeit“ „eingestanden“
haben sollen, weist Scheeben nicht nach. Selbst der Schlusspassus Pius IX. nach
der Dogmenverkündigung 1870 gesteht den Gegnern des Dogmas zu, dass sie in der
persönlichen Überzeugung von der Unfehlbarkeit meist nicht abständig gewesen
seien:
„Diejenigen
die jetzt in Aufregung urteilen (gemeint sind die Gegner des
Unfehlbarkeitsdogmas) mögen daher wissen, dass „im Sturm der Herr nicht
ist" (1 Kön 19, 11). Sie mögen sich erinnern, dass sie noch vor wenigen
Jahren mit Uns und dem Großteil dieser erhabenen Versammlung die
entgegengesetzte Ansicht eifrig verfochten haben: damals urteilten sie „im
sanften Wehen des Geistes" (1 Kön 19,12) ...“[54]
Der Leser hätte bei Scheebens starker
Formulierung vom „Eingestehen“ ein starkes Argument erwartet und muss sich das
schlappe Gerede davon anhören, dass die „Leugnung
der Unfehlbarkeit“ nicht „besonders nützlich“
sei,
wenn man den christlichen Glauben bewahren wolle. Man könnte aber zurückfragen,
ob denn die dogmatische Behauptung der päpstlichen Unfehlbarkeit der Bewahrung
des christlichen Glaubens nützt: Ist ein Glaube, dessen Wahrheit daran hängt,
dass man den apostolischen Garanten als infallibel erklärt, wirklich gut bewahrt?
Es ist eine ernsthafte Frage, ob
die Wahrheit nur deswegen wahr ist, weil der, der sie behauptet, mit einer
Immunität sondergleichen versehen wird, die logisch jede Nachfrage durch eine
schnöde Tautologie umschifft. Die Welt kennt dafür den Witz: „Regel 1: Der Chef
hat immer recht. Regel 2: Hat er nicht recht, gilt Regel 1.“ Es bleibt
bestehen, dass der Akt des Glaubens immer noch von jedem einzelnen persönlich vollzogen
werden muss – Papstdogma hin oder her.
Newmans Befürchtung, dass man mit
dem Dogma die Spötter mit Stoff für ihre Possen beliefert, war wohl nicht ganz
falsch.
Scheebens Schrift ist theologisch
äußerst dürftig, dafür umso polemischer. Wiederholt behauptet er, das
Unfehlbarkeitsdogma sei eine explizite Antwort auf die „sich auf sich selbst zurückziehende Vernunft“, auf die „sich selbst vergötternde Vernunft“[55].
Ebenso stößt er den Verweis auf die Unfehlbarkeit der Gesamtkirche zurück mit
der Begründung, sie sei vage und meist nur im Sinne einer „Übereinstimmung vieler Geister“ vorgestellt. Diesem angeblich von
den Verfechtern rein natürlich gedachten Konstrukt setzt er ein streng
hierarchisches Modell der Erkenntnisführung entgegen, das dazu diene, den
Menschen zu der Vergöttlichung zu führen, die Gott für uns wolle.
Ungereimt daran ist, dass die philosophische
und theologische Diskussionslage viel komplexer war, als er es darstellt.
Ungereimt ist auch die Meinung, nur eine natürliche hierarchische Ordnung könne
die unsichtbare himmlische Ordnung abbilden und den Menschen vergöttlichen. Sie
findet sich in der Schrift nicht ungebrochen, eben weil jede menschliche
Vorstellung von Hierarchie ebenfalls von einem rein natürlichen Meinen ausgeht.
Scheeben erfasst hier nicht, dass die Vergötzung des sichtbar Hierarchischen
nicht weniger ein Versuch ist, sich auf rein Menschliches zu verlassen als eine
Überzeichnung der natürlichen Vernunft, der man die Erleuchtung durch den
Heiligen Geist zwar zuspricht, dabei aber vor allem deren Möglichkeiten zur
Bedingung der Wahrheit setzt. Wenn Gott, der Herr der Heerscharen, in einem
unzugänglichen Licht wohnt und unsichtbar
ist, wie es in der alten Präfation für Weihnachten heißt, dann bedeutet
„Hierarchie“ in seinem Reich nicht einfach das, was der Mensch sich darunter
vorstellt. Immerhin betet Jesus an einer zentralen Stelle die denkwürdigen
Sätze:
„Ich
preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du dies den Weisen und
Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart.
Ja,
Vater; denn so hat es dir wohlgefallen.“ (Mt 11, 25)
Es ist schwer vorstellbar, dass das
Schriftmotiv, dass immer wieder die Großen und Weisen in der Welt und im alten
Volk Gottes abweist und deren Sturz ankündigt, mit der Kirche plötzlich seine
Brisanz verloren haben oder gar aufgehoben sein sollte. Vielmehr sind die Sätze
der Gottesmutter und Jesu zu dem Thema immer wie ein Mahnwort über die
Hierarchie gestellt:
„Deposuit
potentes de sede, et exaltavit humiles – Er stößt die Mächtigen vom Thron, die
Niedrigen erhöhet er…“ (Magnificat)
Oder:
„Habe
ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist? Siehst du scheel
drein, weil ich so gütig bin? So werden die Letzten die Ersten und die Ersten
die Letzten sein. (…) Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.“
(Mt. 20, 15f + 22, 14)
Scheeben aber preist die „Erniedrigung“, die das Papstdogma der „übrigen Menschheit“ ebenso wie die
Erhöhung Mariens über alle anderen Menschen zumute, und stellt nicht ohne eine
unterschwellige Häme fest, dass das ja nur zum Besten der Menschen sei. Zur
Festigung seiner Ansicht dämonisiert er jedes ernsthafte Fragen und Bedenken:
„Es
ist einer der boshaftesten Kunstgriffe des Teufels, dass er den Menschen gerade
das, was Gott zu ihrem Heile, zu ihrer Verherrlichung und Erhöhung eingesetzt
hat, als Schmälerung ihrer Würde, als Benachteiligung und Übervorteilung ihrer
Interessen darstellt und so den Honig der göttlichen Gaben in eine Quelle bitteren
Neides und gemeiner Eifersucht verwandelt.“[56]
Propagandistischer könnte es kein
Sektenführer aussprechen! Man fragt sich, woher er so gut die Kunstgriffe des
Teufels kennt und warum ihm entgeht, dass seine Argumentation ein altbewährter
Kunstgriff von Sektierern aller Art war und ist: Man dämonisiert die Frage
danach, ob eine Ideologie denn nicht problematische Folgen haben könnte, anstatt
sie fair so zu entkräften, dass die menschliche Vernunft dabei nicht vollkommen
brüskiert wird. Denn wenn man dem Menschen die natürliche Einsicht raubt und an
ein Idol delegiert, bleibt ihm keinerlei Urteilsmöglichkeit mehr. Blind wird er
auf dasjenige Idol zuerst hereinfallen, das ihn am schnellsten erwischen
konnte. War es das, was Scheeben wollte?
Und hat deshalb Pius X. das
Mindestalter für die Erstkommunion so weit vorverlegt, dass man zum Zwecke des
Blindglaubens unter Dämonisierung der Vernunft die Kinder möglich als „Erster“
erwischt? Hatte aber nicht das Vaticanum I auch die Notwendigkeit des
vernünftigen Glaubens ebenfalls formuliert?
Ist die jesuitische Saat vom
„Blindglauben“ im 19. Jh mit dem Vaticanum I dennoch endlich aufgegangen?
Hat sie den gewünschten Erfolg
gebracht?
Anders gefragt: waren Bischöfe wie
Newman, Hefele oder Ketteler auch in die Fänge des Teufels geraten? Oder haben
sie einfach nur Bedenken gehabt, auf die man eher hätte hören sollen?
Wie immer man es drehen und wenden
will: Die Vorgänge seither widerlegen Scheebens blumig-sektiererische
Ausführungen und bestätigen die der Mahner!
„Das
Weib und der Felsenmann“ - Maria und der Papst
Um die Parallelisierung Marias und
des Papstes herzustellen, verändert Scheeben die biblischen Textzeugnisse
subtil.
Maria und der Papst sind für ihn
Provokationen des Übernatürlichen in einer Welt, die einem „falschen Naturalismus“ huldige.
Zweifellos ist die Zeit seit dem
18. Jh von einem schleichenden und falschen Naturalismus geprägt – bis heute.
Ob aber die „Maßnahmen“ dagegen, die Scheeben in der Verkündung der beiden Dogmen erblicken will, nicht selbst
menschliches Machwerk sein könnten, fragt man sich als Zeitzeuge fast 150 Jahre
später. Ob dieses allerfrömmst gemeinte Konstrukt nicht auch dem alten
Sprichwort unterworfen sein könnte: „Der
Mensch denkt und Gott lenkt“?
Scheeben zitiert das
Protoevangelium der Genesis über die Feindschaft zwischen Frau und Schlange,
aber er zitiert schon hier nicht ganz sauber:
„Das Weib wird in Gemeinschaft mit ihrem
Samen der Schlange den Kopf zertreten.“[57]
In der Genesis heißt es vollständig
und ohne eine Betonung auf „das“,
denn weder im Hebräischen noch im Lateinischen gibt es eine Betonung, die auf
eine bestimmte Frau hinweisen würde, einfach nur: „die Frau“. Vielmehr legt der
Text in beiden Sprachen eine verallgemeinernde Bedeutung des Wortes „Frau“
(mulier) nahe. In der Tat wird das weibliche Geschlecht im Alten Testament in
vielen Exponentinnen nach dem tiefen Absturz Evas als eine sich allmählich
aufrappelnde, aber auch schwer geschlagene Vorhut für Maria dargestellt, was zum
Beispiel in den Fresken der berühmten „Gnadenkapelle“ in Beuron vor Augen gestellt
wird:
„Inimicitias ponam inter te et
mulierem et semen tuum et semen illius; ipsum conteret caput tuum, et tu
conteres calcaneum eius. » (Gen 3, 15) – Feindschaft setze ich
zwischen dich und die Frau, und deinen Samen und ihren Samen; jener wird dir
den Kopf zertreten, und du wirst dessen/deren Ferse treffen.“
Erheblich ungenauer zitiert er das
Wort an Petrus und reichert es zugleich mit Assoziationen aus dem Neuen
Testament an, die gar nicht auf Petrus gemünzt sind, sondern auf einen anderen:
„Du
bist der Fels, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen und die Mächte
der Hölle sollen sie nicht überwältigen.“ Das Weib und der Felsenmann, die
Mutter und der Stellvertreter des Sohnes Gottes erscheinen in diesen
Prophezeiungen als dessen bevorzugte Werkzeuge im Siege über die Hölle, welche,
wie sie kraft ihrer nahen Verbindung mit ihm vor allen andern Zeugen seiner
Gottheit waren, so auch die vorzüglichsten Bekenner seiner Gottheit sein und in
Kraft seiner Gottheit die Hölle bekämpfen sollen. Maria und der Stuhl Petri
sind daher aufs engste im Plane Gottes und in der Geschichte der Kirche
verbündet. An dem Tage, an welchem Christus den Heiligen Petrus zum Bollwerk
des Glaubens an seine eigene Gottheit einsetzte, vertraute er ihm auch die Ehre
seiner Mutter an, während Maria ihrerseits den Stuhl Petri, der die Ehre ihres
Sohnes aufrecht erhalten sollte, unter ihren besonderen Schutz nahm. Unserer
Zeit war es vorbehalten, das Zusammenwirken und die wechselseitige
Unterstützung beider, Marias und des Heiligen Stuhles, im Kampf und Sieg über
die Hölle glänzender als je zu zeigen.“[58]
Scheeben fantasiert sich förmlich
in Motive und Intentionen Mariens hinein, wenn er etwas später schreibt, die
heilige Jungfrau habe,
„indem
sie durch ihren wunderbaren Schutz die Definition der Unfehlbarkeit des
Heiligen Stuhles ermöglichte und herbeiführte, von neuem die Hölle jene Macht
fühlen lassen, die ihr in der Definition ihrer unbefleckten Empfängnis
zuerkannt war; sie hat von neuem der alten Schlange den Kopf zertreten, indem
sie den Felsen Petri ihr auf den Kopf wälzte, an dem die Schlange schon so oft sich
verwundet, der aber nie mit solcher Wucht ihr auf den Kopf gefallen ist und nie
so schwer darauf gedrückt hat, wie jetzt. Und wie sie in ihrer unbefleckten
Empfängnis die Reiche des Lichtes und der Finsternis schroff voneinander
abgeschieden, so hat sie auch durch die nun nicht mehr zu verdunkelnde
Lehrautorität des Heiligen Stuhles in der Kirche einen Leuchter aufgestellt,
dessen strahlendes Licht die Finsternis aufhalten, die Schlange des Irrtums in
allen Schlupfwinkeln, in die sie sich eingenistet, vertreiben und unter allen
Masken, mit denen sie sich bedeckt, erkennbar machen soll.“[59]
Dem heutigen Katholiken schaudert
es bei diesen Worten alleine schon deswegen, weil ihre faktische Irrigkeit sich
längst erwiesen hat. Der Stuhl Petri ist alles, nur kein Schutz gewesen, gerade
ab der Zeit nicht, als er als solcher definiert worden war! Wir haben
offenkundige Häretiker auf der Cathedra
Petri, solange ich zum Beispiel, in der Lebensmitte stehend, auf der Welt
bin!
In Scheebens exaltierter Herleitung
sind jedoch mehrere gravierende und, für einen Theologen bestürzende haltlose
Behauptungen und regelrechte Verdrehungen inbegriffen.:
Zunächst sind auch hier die Worte
Jesu an Petrus richtigzustellen:
15 Dicit illis: “ Vos autem quem me esse dicitis? ”.
16 Respondens Simon Petrus dixit: “ Tu es Christus, Filius Dei vivi ”.
17 Respondens autem Iesus dixit ei: “ Beatus es, Simon Bariona, quia caro et sanguis non revelavit tibi sed Pater meus, qui in caelis est.
18 Et ego dico tibi: Tu es Petrus, et super hanc petram aedificabo Ecclesiam meam; et portae inferi non praevalebunt adversum eam.
19 Tibi dabo claves regni caelorum; et quodcumque ligaveris super terram, erit ligatum in caelis, et quodcumque solveris super terram, erit solutum in caelis ” (Mt 16, 15 ff)
15 Dicit illis: “ Vos autem quem me esse dicitis? ”.
16 Respondens Simon Petrus dixit: “ Tu es Christus, Filius Dei vivi ”.
17 Respondens autem Iesus dixit ei: “ Beatus es, Simon Bariona, quia caro et sanguis non revelavit tibi sed Pater meus, qui in caelis est.
18 Et ego dico tibi: Tu es Petrus, et super hanc petram aedificabo Ecclesiam meam; et portae inferi non praevalebunt adversum eam.
19 Tibi dabo claves regni caelorum; et quodcumque ligaveris super terram, erit ligatum in caelis, et quodcumque solveris super terram, erit solutum in caelis ” (Mt 16, 15 ff)
(Er
fragte sie: Für wen aber haltet ihr mich ?
Da
antwortete Simon Petrus und sagte: Du bist Christus, der Sohn des lebendigen
Gottes.
Da
antwortete ihm Jesus aber: Selig bist du, Simon, Sohn des Jona, denn nicht
Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater, der im Himmel
ist.
Und
ich sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche
bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwinden.
Dir
gebe ich den Schlüssel zum Himmelreich, und was immer du auf Erden binden
wirst, wird im Himmel gebunden sein, und was immer du auf Erden lösen wirst,
wird im Himmel gelöst sein.“
Die einfache Beziehung des „Felsen“
auf Petrus ist hier schon oft in ihrer tiefen Bezugnahme auf die Cantica, Psalmen
und Prophetensprüche durchleuchtet worden.
In der religiösen Sprache Israels
ist Gott selbst der Fels:
„Quia nomen Domini invocabo:
date magnificentiam Deo nostro!
Petra, perfecta sunt opera eius,
quia omnes viae eius iustitia.
Deus fidelis et absque ulla iniquitate,
iustus et rectus. » (Dt. 32, 3ff)
date magnificentiam Deo nostro!
Petra, perfecta sunt opera eius,
quia omnes viae eius iustitia.
Deus fidelis et absque ulla iniquitate,
iustus et rectus. » (Dt. 32, 3ff)
(Denn
ich will den Namen des Herrn anrufen:
gebt unserem Gott die größte Ehre!
Ein Fels, vollkommen sind seine Werke,
gebt unserem Gott die größte Ehre!
Ein Fels, vollkommen sind seine Werke,
denn
alle seine Wege sind Gerechtigkeit.
Gott
ist treu und ohne jegliche Bosheit,
gerecht
und gerade.“
Wechselweise werden Christus (1.
Kor 3, 11) und die Apostel und Propheten (!) als Gesamtheit (Eph 2, 20) als das
Fundament bezeichnet, auf dem die gesamte Kirche aus Juden- und Heidenchristen
steht. Der Ehrentitel "Eckstein" steht dabei ausschließlich Christus zu.
Jesus sagt dem Simon auf sein
Christus-Bekenntnis hin, dass er ihn „Petrus“ nennt und auf „diesen Felsen“
(hanc petram) seine Kirche bauen wird. Die Aussage, dass die Kirche nicht von
den Pforten der Hölle überwunden werden wird, steht allerdings alleine und wird
grammatisch mit dem Petrus-Wort nicht verbunden. Es bleibt also offen oder
merkwürdig „unpräzis“, inwiefern dieser Fels Petrus ein Schutz vor der Hölle
ist und vor allem: Ob er es alleine und immer sein wird. In jedem Fall muss
aber dem Petruswort das Christusbekenntnis vorgelagert werden, das den
eigentlichen und niemals wankenden Felsen, der Christus selber ist, auch dem
Petrus vorauslagert. Ohne diesen fürbittenden „Eckstein“, der der Herr für
Petrus immer sein musste, damit er nicht untergeht, gibt es auch Petrus als
Felsen nicht: „Ich aber habe für dich
gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast,
dann stärke deine Brüder.“ (Lk 22, 32) Diesen Worten Jesu geht eine Debatte
unter den Jüngern voraus, wer von ihnen der „Größte“ sei. Jesu Antwort sagt uns
besonders etwas über die Grenzen des Petrus: „Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern der Größte unter euch
soll werden wie der Kleinste und der Führende soll werden wie der Dienende.“
(V. 26)
In Scheebens Worten stößt am
meisten auf, dass Christus in ihnen keinerlei konstituierenden Charakter mehr
erhält. Er schließt Christus förmlich aus seinen Überlegungen aus. Er spricht
allgemein von Gott und ansonsten von seinen Idolen: der heiligen Jungfrau und
dem Papst.
Die Verbindung des Papsttums mit
dem „Stein“, der dem Satan den Kopf zerschmettere, ist in der Schrift eindeutig
nicht Petrus, sondern Christus selbst zugeordnet. Jesus sagt den Jüngern nach
dem Gleichnis von den bösen Winzern in Lukas 20 folgendes:
„Was
bedeutet das Schriftwort: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist
zum Eckstein geworden?
Jeder,
der auf diesen Stein fällt, wird zerschellen, auf wen der Stein aber fällt, den
wird er zermalmen.“ (Lk 20, 17 ff)
Die eigenartige Formulierung
Scheebens, die Immaculata habe dem Satan „von neuem“ den Kopf zertreten, „indem sie den Felsen Petri ihr auf den Kopf
wälzte, an dem die Schlange schon so oft sich verwundet, der aber nie mit
solcher Wucht ihr auf den Kopf gefallen ist und nie so schwer darauf gedrückt
hat, wie jetzt“, leitet eine Funktion, die eindeutig alleine Christus
zugeordnet ist, restlos auf Petrus bzw. den Papst um.
Ist das nicht eine unsaubere
Argumentation? Was Scheeben hier dem Petrus zuspricht, ist in der Schrift dem
Eckstein, also nur Christus zugesprochen. Ebenso hat die Kirche den „Samen der
Frau“ immer auf den neuen Adam, also Christus hin gedeutet: er wird mit der
Frau zusammen dem Satan den Kopf zertreten. Tun der neue Adam und die neue Eva
dies ein für allemal oder im 19. Jh „aufs Neue“? Ich gestehe, dass ich mit
dieser Behauptung, die Immaculata tue dies nun „aufs Neue“ ebenso große
Schwierigkeiten habe wie mit der Rede vom „Neuen Pfingsten“ auf dem Vaticanum
II.
Die Formulierung Scheebens
suggeriert tatsächlich, es sei hier eine ganz neue Lehre entfaltet worden, die
es zuvor so nicht gegeben habe, wenn er meint: „Unserer Zeit war es vorbehalten, das Zusammenwirken und die
wechselseitige Unterstützung beider, Marias und des Heiligen Stuhles, im Kampf
und Sieg über die Hölle glänzender als je zu zeigen…“ Man fragt spontan:
Wann wurde denn je dieser Zusammenhang aufgezeigt? Er wurde nie aufgezeigt –
das ist das Problem daran.
Gewaltsam wirkt daher der Versuch,
die Rolle, die der sterbende Herr eben nicht dem Petrus, denn der hatte ihn
verleugnet und stand nicht zu Ihm, als Er da am Kreuz hing, sondern dem kleinen
Jünger Johannes zugesprochen hatte, eben doch dem Petrus zuzuschustern: „An dem Tage, an welchem Christus den
Heiligen Petrus zum Bollwerk des Glaubens an seine eigene Gottheit einsetzte,
vertraute er ihm auch die Ehre seiner Mutter an, während Maria ihrerseits den
Stuhl Petri, der die Ehre ihres Sohnes aufrecht erhalten sollte, unter ihren
besonderen Schutz nahm…“
Dieser Zusammenhang ist reine
Phantasie Scheebens, denn Jesus vertraute an dem Tag, an dem er zu Petrus sein
berühmtes Wort sprach, seine Mutter keineswegs dem Petrus an. Vielmehr
vertraute der Herr seine Mutter später vom Kreuz herab dem Johannes an: „Frau, siehe dein Sohn! Dann sagte er zu dem
Jünger (Johannes): Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der
Jünger zu sich.“ (Joh 19, 26 f)
Dass es sich bei Scheeben um eine
regelrechte neue Lehre handeln muss, verraten auch seine Worte, die heilige
Jungfrau habe „auch durch die nun nicht
mehr zu verdunkelnde Lehrautorität des Heiligen Stuhles in der Kirche einen
Leuchter aufgestellt, dessen strahlendes Licht die Finsternis aufhalten, die
Schlange des Irrtums in allen Schlupfwinkeln, in die sie sich eingenistet,
vertreiben und unter allen Masken, mit denen sie sich bedeckt, erkennbar machen
soll…“
Seinen Worten gemäß muss es zuvor
möglich gewesen sein, die Lehrautorität des Heiligen Stuhles zu verdunkeln. Das
kontrastiert mit seiner früheren Behauptung, genau das sei niemals in der
ganzen Geschichte geschehen – andernfalls hätte man das Dogma nie definieren
dürfen!
Der „Leuchter“ der nun ganz
freigelegten Lehrautorität deutet eine wachsende Herrschaft des Lichtes über
die Finsternis an, die sich hier auf Erden innerhalb der sichtbaren Kirche
abspielen soll. Diese Meinung befremdet nicht nur deswegen, weil sie sich nicht
erfüllt, sondern in ihr Gegenteil geführt hat, sondern auch deswegen, weil uns
das Neue Testament doch ankündigt, dass das mysterium
iniquitatis immer deutlicher zutage träte, um am Ende den homo iniquitatis zu offenbaren (den
Menschen der Bosheit), den am Ende der Herr Jesus selbst, weil die Auserwählten
mit Mühe und Not vor der Verführung gerettet würden, „mit dem Hauch seines Mundes töten“ würde (Der Herr selbst – nicht
der Papst!). Der heilige Paulus kündigt uns doch einen großen Glaubensabfall an
und nicht etwa eine endgültige Reinigung von jedem Irrtum vor der Zeit! (vgl. 2
Thess 2) Was Scheeben lehrt, erscheint mir als regelrechte Irrlehre, denn sie entwirft
eine Zukunftsvision, die derjenigen der Schrift gerade entgegengesetzt ist und
hat sich im übrigen längst unzweifelhaft als falsch erwiesen.
Maria
und Johannes
Maria und der Papst sind noch aus
zwei anderen Gründen nicht so leichthin aufeinander zu beziehen wie Scheeben es
tut:
a. Die Stellung Marias im
Heilsgeschehen ist und bleibt einzigartig. Sie steht über den Aposteln, auch
über Petrus. Das bekennen wir in der lauretanischen Litanei. Man kann sie mit
keinem anderen Menschen parallel setzen, weder mit Joseph noch mit Petrus.
b. Die Päpste werden von Menschen
gewählt, und wir wissen, wie viele Intrigen und menschliche Unvollkommenheiten
dabei eine Rolle gespielt haben und spielen. Maria dagegen ist von Anbeginn an
von Gott erwählt, rein erhalten und geheiligt worden, um Ihm würdige Mutter und
Braut zu werden. An ihr ist kein Makel zu finden, keine Runzel und keine Sünde,
keine Schwäche, keine Intrige und kein Machtspiel. Sie ist „immerwährende Jungfrau“ und als solche vollendet. Man kann dies
aber von den Päpsten nicht sagen, ohne zu lügen. Man kann es auch nicht vom
„Heiligen Stuhl“ sagen, denn dort ging es oft nicht mit rechten Dingen zu, wie
wir anhand einiger Beispiele gesehen haben. Es ist eher ein Wunder, dass die
Kirche trotz des Heiligen Stuhls nicht unterging oder in Irrtümern versank.
Ein mögliches Versagen des Petrus
am Ende der Zeiten wird uns in einer Episode im Johannes-Evangelium aufgezeigt.
In einem sonderbaren Nachtrag zum Evangelium wird nach dem Epilog noch einmal
eine Episode erzählt: Der auferstandene Herr erscheint den Jüngern noch einmal
am See Tiberias. Nach einem wunderbaren Fischfang auf sein Geheiß fragt er
Petrus dreimal, ob er ihn liebhabe und Petrus bejaht dreimal. Jesus bekräftigt
dreimal das Petrusamt: „Weide meine Lämmer!“ Jesus kündigt Petrus einen
Märtyrertod an. Und dann folgt ein denkwürdiger Schluss:
21 Petrus aber wandte sich um und sah den Jünger folgen, den Jesus lieb
hatte, der auch beim Abendessen an seiner Brust gelegen und gesagt hatte: Herr,
wer ist's, der dich verrät?
21 Als Petrus diesen sah,
spricht er zu Jesus: Herr, was wird aber mit diesem?
22 Jesus spricht zu
ihm: Wenn ich will, dass er bleibt, bis ich komme, was geht es dich an? Folge
du mir nach!
23 Da kam unter den
Brüdern die Rede auf: Dieser Jünger stirbt nicht. Aber Jesus hatte nicht zu ihm
gesagt: Er stirbt nicht, sondern: Wenn ich will, dass er bleibt, bis ich komme, was geht es dich an? (Joh 21)
Wird darin nicht angedeutet, dass Petrus untreu werden könnte, wenn Jesus ihm einschärft: „Folge du mir nach!“?
Und was bedeutet in diesem
Zusammenhang die Aussicht, dass Johannes bleiben wird, bis der Herr
wiederkommt, Petrus aber, der zurechtgewiesen werden muss, offenbar nicht?
Wir erinnern uns: Johannes ist der,
dem Maria unterm Kreuz anvertraut wurde unter den Jüngern, nicht Petrus! Und Johannes ist auch der, der andererseits der
heiligen Jungfrau besonders anvertraut wurde, nicht Petrus!
Johannes, das
Urbild des kleinen Priesters - wird er
bis zum Schluss bleiben, auch während des großen Glaubensabfalls, wenn Petrus schon von
der Bildfläche verschwunden sein wird?
© Copyright by Hanna Maria Jüngling am 27.12.2015
[1] Paul
Wenzel: Das wissenschaftliche Anliegen des Güntherianismus. Ein Beitrag zur
Theologiegeschichte des 19. Jh. Essen 1961, S. 131: J. Reinkens in einem Brief
an Nickes.
[2] „»Ach«, sagte die Maus, »die Welt wird enger
mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, daß ich Angst hatte, ich lief weiter
und war glücklich, daß ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah,
aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, daß ich schon im
letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.« –
»Du mußt nur die Laufrichtung ändern«, sagte die Katze und fraß sie.“
Abgerufen am 27.12.2015 auf http://gutenberg.spiegel.de/buch/kleine-fabel-171/1
[3] John
Cornwell: Pius XII. Der Papst, der geschwiegen hat. München 1999, S. 27
[4]
Zitiert nach http://www.kathpedia.com/index.php?title=Pastor_aeternus_%28Wortlaut%29
am 7.12.2105
[5]
Manning: „Die Häretiker kommen zum Konzil, um angehört und verurteilt zu
werden, aber nicht, um an der Formulierung der Lehre teilzunehmen!“, zitiert
nach Schatz, a.a.aO., S. 28f, Anm. 68
[6]
Gottfried Maron: Ignatius von Loyola. S. 137 f – die berühmte „Regel 13“ der
„Geistlichen Übungen“ im Kapitel „Sentire in ecclesia“, das auch Franziskus
gerne bemüht. S.a. Ignatius von Loyola: Geistliche Übungen. Hg. Alfred Feder
SJ. Regensburg 1922, 2. Auflage, S. 161. Ignatius benennt allerdings den Papst
nicht als den solitären Garanten der Braut Christi, auch wenn das aufgrund
seines 4. Gelübdes nahliegt.
[7] Pius
IX. schrieb an den Erzbischof Scherr von München 1863, ein Katholik, der als
Autor arbeite, müsse sich nicht nur an die von der Kirche als zu glaubende
Lehrsätze vorgelegten Vorgaben halten, sondern auch an alles, was das
„ordentliche“ Lehramt“ vorlege: „…dass es für katholische Gelehrte nicht
genügt, die vorher genannten Lehrsätze (…) anzunehmen und zu achten, sondern
(…) sich sowohl den Entscheidungen zu unterwerfen, die als zur Lehre gehörig
von den päpstlichen Kongregationen vorgelegt werden, als auch den Lehrkapiteln,
die in gemeinsamer und beständiger Übereinstimmung der Katholiken als
theologische Wahrheiten und derart sichere Schlussfolgerungen festgehalten
werden, dass Meinungen, die diesen Lehrkapiteln entgegengesetzt sind, zwar
nicht häretisch genannt werden können, jedoch eine andere theologische Zensur
verdienen.“ DH 2880
[9] Vgl.
Ludwig Ott: Grundriß der katholischen Dogmatik. Freiburg 1952, S. 11
[10]
Zitiert nach Klaus Schatz: Kirchenbild und päpstliche Unfehlbarkeit bei den
deutschsprachigen Minoritätsbischöfen auf dem I. Vaticanum, Rom 1975, S. 268
[11] Der
Prozess der Marginalisierung der Häresie des Honorius wird dargestellt bei Joseph
Hefele, Conciliengeschichte,
[12] Etwa
in dem Artikel „Nachtrag zum Vatertag“ von 2014, abgerufen am 24.12. 2015 hier:
http://www.antimodernist.org/am/2014/06/01/nachtrag-zum-vatertag/
[13] So
etwa Bischof Ketteler von Mainz mit seiner Schrift „Das unfehlbare Lehramt des
Papstes“, im Januar 1871 erschienen oder Bischof Feßler von St. Pölten „Die
wahre und die falsche Unfehlbarkeit der Päpste“, ebenfalls 1871 erschienen,
oder J.H. Newman, der zahlreichen besorgten Fragestellern ebenso zahlreiche
erklärende Briefe schrieb (vgl. Lüchinger a.a.O.)
[14]
Schatz beschreibt diesen Prozess in seiner Schärfe bei einzelnen Bischöfen
aufgrund der Quellenlage. Die gravierenden theologischen Widersprüche der
Minoritätsbischöfe wurden deshalb später sowohl von der Kirche, als auch den
Betroffenen teilweise selbst auf die „Inopportunitätslegende“
herunterbeschwichtigt – in Wahrheit ging es aber nicht nur um Inopportunität
des Papstdogmas, sondern um ernsthafte theologische Probleme damit. Zwar ist
die Formulierung des Dogmas so ausgefallen, dass fast alle damit leben konnten,
die Ausgestaltung und die Folgen aus der Definition fielen aber auf lange Sicht
doch genau so aus, wie es die Väter nicht definiert hatten, sondern so, wie es
die Maximalisten wollten. Schatz, a.a.O., S. 18 ff
[16] In
eigener Übersetzung und zitiert nach Lüchinger, a.a.O., S. 268, Anm. 1136
[17]
Walther Brandmüller: Postkonziliare Interpretationskonflikte. Hermeneutik des
Bruchs und Hermeneutik der Reform in Kontinuität nach dem I. Vatikanischen
Konzil. Veröffentlicht auf kath.net am 18. Februar 2013
[18] Pius X.: Ad diem illum laetissimum,
1904
[19]
Klaus Schatz: Kirchenbild und päpstliche Unfehlbarkeit bei den
deutschsprachigen Minoritätsbischöfen auf dem I. Vaticanum, Rom 1975, S. 267
[20]
Ebenda – vgl. Anm. 50
[21]
Denzinger: Enchiridion symbolorum. Hg. Peter Hünermann. Freiburg 1991. vgl. DH
323
[22]
Denzinger: Enchiridion symbolorum. Hg. Peter Hünermann. Freiburg 1991. vgl.
1307
[23]
Mansi 50
[24]
Klaus Schatz, a.a.O., S. 22f, Anmerkung 32
[25]
Friedrich Heyer: Die katholische Kirche von 1648-1870. S. N 151
[26]
Friedrich Heyer: Die katholische Kirche von 1648-1870. S. N 152
[27]
Ebenda, S. N 152
[28] Gérard Mura et al.: Fatima –Rom-Moskau. Stuttgart
2010, S. 99
[29] Vgl
dazu Hubert Wolf, Die Nonnen von Sant’Ambrogio
[30]
Ausführlich darüber in Otto Weis: Weissagungen aus dem Jenseits
[31]
Zitiert nach https://gloria.tv/?media=394504
am 16.12.2015
[32] Carl
Joseph Hefele: Conciliengeschichte. Erster Band, S. 657 ff Kapitel § 81 Papst
Liberius und sein Abfall
[33] Hefele, a.a.O., S. 672 ff
[34] Vgl.
Anm.
[35] John Cornwell: Pius XII., München
1999, S. 59
[36]
Newman in einem Brief an Bischof Ullathorne am 28.1.1870, zitiert nach Adrian Lüchinger,
Päpstliche Unfehlbarkeit bei Henry Edward ;Manning und John Henry Newman.
Freiburg Schweiz 2001, S. 269, Anm. 1143
[37]
Diese höchstbedenkliche Idee vertritt Hermann Weinzierl hinsichtlich des hl.
Joseph in dem Aufsatz „Der Vorsehungsglaube des heiligen Joseph“, abgerufen am
27.12.2015 auf http://www.antimodernist.org/am/2015/03/01/der-vorsehungsglaube-des-hl-josef/
[38] P.
Gebhard Heyder OCD: Advent-Muttergottes in der Waldschlucht. Regensburg 1986,
S. 29
[41]
A.a.O.
[42]
A.a.O.
[43]
A.a.O.
[44]
Rudolf Graber: Maria im Gottgeheimnis der Schöpfung,
Ein Beitrag zum Wesen des Christentums,
Friedrich Pustet Verlag. Regensburg 1949
[45]
Matthias Joseph Scheeben: Maria, Schutzherrin der Kirche. Paderborn 1936. Hg.
Joseph Schmitz, S. 14
[46]
A.a.O. S. 22 f
[47]
Scheeben, S. 24
[48]
A.a.O., S. 26
[49]
Scheeben, S. 27
[50] Pius
X.: Großer Katechismus. Zitiert nach: Anton Holzer: Die katholische Glaubensregel
und der Kanon des hl. Vinzenz von Lérins. Über eine unter Traditionalisten
verbreitete Irrlehre. Handschrift 2001, veröffentlicht auf http://www.antimodernist.org/am/wp-content/uploads/Can_lerin.pdf
(27.12.2015)
Pascendi, 25. abgerufen am 27.12.2015 auf http://www.kathpedia.com/index.php?title=Pascendi_dominici_gregis_%28Wortlaut%29
[52]
Scheeben, S.24
[53]
Scheeben, S. 34 f
[54]
Pastor aeternus, Schlussansprache, abgerufen auf www.kathpedia.
[55]
Scheeben, S. 38
[56]
Scheeben, S. 42
[57]
Scheeben S. 92
[58]
Scheeben, S. 92
[59]
Scheeben, S. 93ff
Hallo, interessant zu lesen. Wie lange schreibt man an so einem Text? Ich habe ja schon mehre Stunden daran gelesen.
AntwortenLöschenGruß Michael
PS Ein gutes neues Jahr
Liebe Zeitschnur, lieber Jos,
AntwortenLöschennachdem ich mal wieder über einen Beitrag auf etnunc auf einen Artikel bei Zeitschnur aufmerksam geworden bin, bin ich so frei, meinen Kommentar dazu auf Euer beider Blogs hochzuladen. (Was wegen der 4.096-Zeichen-Obergrenze nicht auf einen Rutsch geht, sorry … ich versuch’s mal mit Stückelungen …).
Allerdings will ich gleich die Karten offen auf den Tisch legen, dass ich angesichts der Länge des Artikels zum einen Respekt vor Michael zeige, der sich die Stunden aufmerksamen Lesens genommen hat, zum anderen aber bekenne, dass mir das schlicht unmöglich ist. Von einer fachgerechten Antwort auf die ungezählten Einzelpunkte und den zwischen ihnen hergestellten Beziehungen ganz zu schweigen: das übersteigt bei weitem meine Kompetenz und meine Möglichkeiten.
Warum ich mir dennoch einen Kommentar erlaube? Weil mich die Zwischenüberschrift bei Jos, die mir wie eine Schlussfolgerung aus Zeitschnurs Artikel erschien, ehrlich gesagt, erschreckt hat aufhorchen lassen:
„Offenbar ist nun die Zeit gekommen, zu erkennen, dass die „Unfehlbarkeit des Papstes“ zu absurden Situationen führt.“
Was ist denn so eine offenbar absurde Situation? Ich gönne es mir ja, eine gesunde Nachrichtendiät zu pflegen, insofern mag noch nicht bis zu mir durchgedrungen sein, falls Papst Franziskus just heute Morgen eine ex cathedra Entscheidung verkündet haben sollte. Aber bis dahin ist mir dergleichen unter dem aktuellen Pontifikat nichts bekannt. Euch etwa?
Worin besteht Eurer – bzw. müsste ich direkt Dich, Jos, ansprechen: Deiner Meinung nach, die Absurdität? Der Papst kann den lieben langen Tag, bei Bedarf gerne auch noch die Nacht dazu, erzählen, schreiben, erklären, dozieren was er will. Auch wenn er Papst ist, tangiert das nicht allein wegen seines Papstseins automatisch das, was mit der päpstlichen Unfehlbarkeit gemeint ist. Spannend würde es erst in dem Moment, wenn er als Papst in Glaubens- und Sittenfragen eine für die ganze Kirche verbindliche Entscheidung treffen und unter den erforderlichen Formvorschriften verkünden wollte. So ist mein Verständnis des Dogmas der päpstlichen Unfehlbarkeit.
Unter welch’ möglicher Weise abenteuerlichen Umständen, die im Artikel erwähnt werden, auch immer das Dogma zustande gekommen sein mag, hat es – und das scheint mir nun wiederum offenbar zu sein – den Rang eines gültigen Dogmas inne. Haben wir nicht bei unserer Taufe versprochen, alles für wahr zu halten, was uns die Kirche zu glauben, d.h. als für wahr zu halten vorlegt – und erneuern wir nicht auch jetzt als Erwachsene regelmäßig dieses Versprechen, das einst unsere Taufpaten für uns abgelegt haben (sofern wir die Taufe bereits als Kind empfangen durften)?
Was ist denn, rein menschlich gedacht, unmöglicher für wahr zu halten: dass Gott für eine ganze Gemeinschaft über allein bis heute schon Jahrtausende hinweg sicherstellt, dass die Pforten der Hölle sie nicht überwinden werden – oder dass er das hoffentlich und doch wenigstens nur für ein einziges kleines Menschlein, den jeweiligen Papst, schafft??
Stellen wir jetzt erschreckt fest, dass wir das mit unserem Taufversprechen so genau und ganz so wörtlich dann ja vielleicht doch nicht gemeint haben, denn Jesus wandle ja nicht mehr unter uns und wer könne sich denn schon auf Menschen, sprich: die Kirche, verlassen? Aber: ist die Kirche eine menschliche oder eine göttliche Einrichtung? Eben: wäre die Kirche eine rein menschliche Einrichtung, wäre dieses unser Taufversprechen bereits die Absurdität schlechthin.
(Fortsetzung folgt ...)
(... Fortsetzung)
AntwortenLöschenKommen wir hier nicht an den Kernpunkt dessen, was es heißt zu glauben? An einen sich offenbarenden Gott zu glauben? Dazu ist uns die Kirche geschenkt, dass sie uns – an allen Orten und zu allen Zeiten = für alle Menschen – den sicheren Glauben lehrt. Auch das glauben wir doch ausschließlich aufgrund dessen, dass wir an einen sich offenbarenden Gott glauben. Dass wir glauben, dass der Mensch diesen Gott erkennen kann und dass wir glauben, dass das alles durchaus sehr wohl vernünftig ist. Was uns Gott offenbart, glauben wir auf seine Autorität hin. Auch das ist nicht unvernünftig. Genauso wenig, wie viele der uns von Gott offenbarten Wahrheiten den menschlichen Verstand übersteigen, z.B. das Geheimnis der Dreifaltigkeit Gottes selbst.
Es mag unter Umständen eine wertvolle Arbeit sein, menschliche Schwächen und Versagen nicht unter den Teppich zu kehren, genauso wenig wie Petrus je sein Versagen verleugnet hatte. Außerdem schrieb, ich meine, Paulus einmal, dass wir jedem Rede und Antwort stehen sollen über die Hoffnung, die uns erfüllt. Das setzt den Glauben natürlich voraus. Insofern ist es ein Zeugnis der Glaubwürdigkeit, menschliches Versagen, menschliche Schwäche, nicht vertuschen zu wollen.
Wenn wir dabei jedoch stehen bleiben würden, wäre die Welt ein trostloser Platz und gäbe es keinen Grund zur Hoffnung. Hoffnung besteht doch nur dadurch, dass wir an einen Gott glauben, der sogar nachdem die Erbsünde auf der Menschheit lastet, sie nicht verloren gehen lassen will – und gerade deswegen zu unserer Erlösung Mensch geworden ist. Gerade darin offenbart sich doch Gottes Größe schlechthin, dass er auch trotz unserer Sünden alles zum Guten zu lenken vermag.
Ein Gott, der seinem schwachen Werkzeug verspricht: alles, was Du auf Erden binden wirst, wird auch im Himmel gebunden sein und alles, was Du auf Erden lösen wirst, wird auch auf Erden gelöst sein – ein solcher Gott kriegt nicht so schnell kalte Füße, wenn dieser sein Stellvertreter in dieser seiner Funktion eigentlich nichts anderes, sprich: nix Neues aussagt mit dem Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit. OK, zugegeben, das mag theologisch jetzt etwas verkürzt sein, aber ich komme wieder zurück auf die eine und, mir scheint, entscheidende Frage:
Glauben wir – oder glauben wir nicht?
Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens!
Er schenke uns allen ein gutes, reich gesegnetes und glaubensfrohes neues Jahr!
Viele Grüße,
Iris
hallo Iris,
LöschenErst mal vielen Dank für Ihren ausfürhlichen Kommentar! All Ihre Fragen habe ich eigentlich in meinem Text eingehend behandelt - vielleicht sollten Sie sich doch die Mühe machen, ihn vollständig zu lesen?! Die Sachlage ist nicht so einfach, wie es uns immer hingestellt wird und vor allem die Art und weise, wie entsprechende Interessenkreise in der Kirche dieses Thema ausgebeutet haben für ihre Zwecke.
Sie irren auch sicher in der Meinung, ein Papst könne ständig Irrtümer verzapfen, solange es nicht e.c. geschieht - das ist definitiv falsch.
Aber bitte, lesen Sie doch meinen Text, dann wird vieles klarer.
Nur als Korrektur: ich bezweifle nicht, dass der Papst, wenn er seine höchste Autorität in Anspruch nimmt und etwas definiert, unfehlbar ist! Darum geht es in dem Artikel auch nicht!
Es wäre wirklich sehr wichtig, mich genauer zu lesen. Tut mir leid - aber sonst geht das ja alles aneinander vorbei, was wir uns schreiben.
Liebe Zeitschnur,
Löschenlogisch und sorry, falls ich mich missverständlich ausgedrückt haben sollte: es ist alles andere als gleichgültig, was ein Papst tut – egal ob privat oder in der Öffentlichkeit. Mir ging es lediglich um die Unterscheidung bzgl. der Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für die päpstliche Unfehlbarkeit, die Bestandteil des Dogmas sind. Doch ich darf schnell noch meinen Tippfehler korrigieren, auch wenn den Meisten geläufig sein dürfte, dass es auch bei der Lösegewalt des Petrus heißen muss: "was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein.".
Sie haben völlig Recht, dass es Quatsch ist, sich über etwas auszutauschen, was einer der Beteiligten nicht gelesen hat. Das ist übrigens auch ein Punkt, der mich beim Hl. Thomas von Aquin fasziniert: seine Diskussionsmethode an der Universität. Die es, soweit mir erzählt worden ist, jedoch schon vor seiner Zeit gegeben und die er nur reaktiviert haben soll: jeder Gesprächspartner muss die Position des jeweils anderen zuerst mit eigenen Worten wiedergeben und erst, wenn der andere bestätigt, dass das damit Gesagte seine Position korrekt wiedergibt, begann die eigentliche Diskussion. Hat was, oder?!
Aber eigentlich ist mir heute vor allem eines wichtig: Ihnen zu sagen, dass ich mich echt gefreut habe über Ihr klares Bekenntnis zur päpstlichen Unfehlbarkeit (gemäß der erforderlichen Rahmenbedingungen, klar)! Es freut mich einfach der Sache wegen. Ich glaube, dass das, von Ihnen selbst an dieser Stelle klar gestellt, sehr wichtig und wertvoll ist (und vielleicht nicht nur für Lesemuffel wie mich ...)!
Vielen Dank für Ihre Antwort!
Viele Grüße,
Iris
Hervorragende Arbeit. Danke.
AntwortenLöschenhttp://www.clipfish.de/special/spielfilme/video/3998932/hostage-entfuehrt-action-thriller-mit-bruce-willis/
AntwortenLöschenSehr geehrte Zeitschnur, liebe Schwester in Christus,
AntwortenLöschenvor einiger Zeit hatte ich Sie einmal angerufen und wir hatten ein langes Gespräch. Ich stamme aus einem Dorf im Eichsfeld,arbeite in München und pendele aber regelmäßig zwischen beiden hin und her. Aufmerksam auf Sie bin ich über Ihre Kommentare bei Katholisches.info geworden, weil ich in sehr vielem mit Ihnen übereinstimme. Ich würde mich weiter gern persönlich mit Ihnen austauschen, nicht über ein Internetforum (obwohl es mich manchmal juckte in die Diskussionen bei Katholisches.info einzusteigen). Es ist mir jederzeit möglich, nach Karlsruhe zu kommen zu einem geistlichen Gespräch, nicht um zu streiten, sondern um sich auszutauschen und so sich gegenseitig zu stärken wie vor langer Zeit Scholastika und Benedikt. Ich habe mir als Patron für die Zeit, die mir auf Erden noch bleibt, den heiligen Franz von Sales erwählt. Er möge seine Fürbitte für uns alle einlegen bei Jesus, die wir darum ringen, in dieser dunklen Zeit nicht vom Vater der Lüge verführt zu werden, sondern durch die Liebe des unbefleckten Herzens Mariä geschützt und angeleitet, die brennende Liebe des heiligsten Herzens Jesu mit der Liebe unseres Herzens beantworten. Sonst wäre all unser Ringen um Einsicht und Erkenntnis Vanitas. Meine Telefonnummer ist 089 74 38 93 95. Über einen Rückruf würde ich mich sehr freuen.
Laudetur Jesus Christus.
Ich erinnere mich an dieses Telefonat gut, will aber selbst nicht anrufen - mich rufen viele an, mir schreiben auch viele und immer wieder schicken mir Leute ihre Telefonnummer, damit ICH sie zurückrufe. Das tue ich allerdings aus Prinzip und grundsätzlich nicht - bitte verstehen Sie das. Ich schreibe allerdings gerne zurück, das können Ihnen einige bestätigen. Da ich nicht weiß, wie ich Sie sonst erreichen kann, geht es nur über diesen Kommentar. Ich möchte mich v.a. schriftlich austauschen, alles andere schaffe ich sonst kaum. Bitte schreiben Sie mir doch über meine Website www.zeitschnur.de - da kann ich Ihnen auch per Email privat antworten.
LöschenDie Aussage von J.B. Heinrich: „Heinrich schreibt in seiner Dogmatik (Bd. 2 S. 215), daß es zwei Arten von Akten des Magisteriums (Lehramtes) gibt: „gewöhnliche und ordentliche Akte des allgemeinen Magisteriums“ einerseits und „außerordentliche und förmliche Lehrentscheidungen oder Lehrdeklarationen“ andererseits. Er fährt fort: „Mag nun das kirchliche Lehramt in jener oder in dieser Weise eine Wahrheit als eine von Gott geoffenbarte und im kirchlichen Depositum enthaltene uns zu glauben vorstellen, in beiden Fällen ist es unfehlbar und sind wir zum Glauben verpflichtet.“[8]
AntwortenLöschenkommentieren Sie wie folgt:
"Wenn gilt, dass der Papst bei den Entscheidungen, die er bezüglich des Glaubens und der Sitten unter Bezugnahme auf die höchste Autorität fällt, infallibel spricht, folgt daraus logisch nicht, dass er, wenn er wiederum in seiner alltäglichen Lehre Bezug auf diese Definition nimmt, ebenfalls unfehlbar spricht."
Ihr Kommentar geht aber an der Aussage Heinrichs vorbei. Denn Heinrich sagt gar nicht, daß der Papst unfehlbar sei, wenn er "in seiner alltäglichen Lehre Bezug auf diese Definition nimmt".
Erstens sind mit dem "ordentlichen Lehramt" der Kirche eben nicht die "alltägliche Bezugnahme" oder alle Äußerungen des Papstes gemeint, und zweitens geht es eben um jene Lehren, die uns als "von Gott geoffenbarte und im kirchlichen Depositum enthaltene" zu glauben vorgelegt werden.
Und dies kann uns einerseits durch das "gewöhnliche" bzw. "ordentliche" Lehramt oder durch das "außerordentliche" Lehramt als zu glauben vorgelegt werden. Der Unterschied zwischen dem "ordentlichen" und "außerordentlichen" Lehramt der Kirche ist gar nicht die "alltägliche Bezugnahme" des Papstes, sondern ob die Bischöfe auf einem Konzil versammelt sind bzw. ob etwas feierlich verkündet wird. Das ist nämliche das Außerordentliche beim Lehramt der Kirche.
In "ordentlicher Weise" lehren die Bischöfe, wenn sie einmütig eine Lehre "als von Gott geoffenbarte und im kirchlichen Depositum enthaltene" zu glauben vorlegen eben auch ohne ein extra einberufenes Konzil, eben verstreut über den Erdkreis in ihren Diözesen.
Was hat es nun mit der Unfehlbarkeit des Papstes auf sich? Pastor Aeternus sagt es klar und deutlich: Der Papst hat, wenn er ex cathedra spricht, dieselbe Unfehlbarkeit inne, wie die Kirche als ganzes und seine endgütligen Entscheidungen in Fragen des Glaubens und der Sitten bedürfen nicht erst der Zustimmung der Kirche. Das bedeutet in der Praxis, daß der Papst auch ohne Einbrufung eines Konzils unfehlbare Entscheidungen treffen kann.
Und darum ging es ja auch z.B. konkret im 19.Jh., nämlich um die Frage im Zuge der Dogmatisierung der Unbefleckten Empfängnis, die Pius IX. feierlich verkündete, ob der Papst so etwas ohne Konzil unfehlbar tun könne. Und das Vaticanum dogmatisierte daraufhin: Ja, er kann es.
Ich hatte einen bestimmten Bezugspunkt, den ich vielleicht nicht klar genug herausgearbeitet habe:
LöschenMeine Auffassung der Sätze Heinrichs bzw. der Kritik seines damaligen Bischofs (Ketteler) an dieser Sicht, stützt sich auf das, was Pius IX. durch Kleutgen im Breve "Tuas libenter" 1863 an Döllinger formulieren ließ (DH 2875). Demnach ist das "ordentliche Lehramt" all das, was der Hl. Stuhl in Dekreten und Lehrschreiben vorlegt und durch die Bischöfe verbreiten lässt (DH 2875) im Gegensatz zu außerordentlichen Definitionen, die einer bestimmten Form genügen müssen, um als solche zu gelten.
Kleutgen ging es um die Frage - und das ist bei aller Distanz zu ihm nachvollziehbar - was am päpstlichen Lehramt verbindlich sei und was nicht. Er wollte eindeutig darauf hinaus, den Gläubigen, auch den Gebildeten unter ihnen, möglichst alles aus Papstesmund als "unfehlbar" oder zumindest absolut gehorsamsverpflichtend in einem Sinne zu verkaufen, der bewusst den Unterschied zwischen Depositum fidei, etwa der Hl. Schrift, de fide-Sätzen und deren aktueller Auslegung vernebelt hat.
Sein Konstrukt vom "ordentlichen Lehramt" betrifft also nicht primär das, was die Bischöfe aufgrund der Vorgaben aus Rom umzusetzen haben in ihrem alltäglichen Lehramt, sondern das alltägliche Lehramt des Papstes selbst.
Mit "alltägliches Lehramt" ist nicht eine Ansprache an deutsche Rompilger am Mittwoch gemeint, sondern das, was die päpstlichen Kongregationen oder er selbst alltäglich an Schreiben verfassen, die an sich niedrigere Verbindlichkeitsgrade wenn überhaupt) haben. Das alles sollte plötzlich aufgewertet und in die Nähe des außerordentlichen Lehramtes gerückt werden.
Grund: Es stehe dem, was bereits unfehlbar gilt oder definiert wird, innerlich doch so nahe, dass es ebenfalls als unfehlbar gelten müsse.
Diese Schlussfolgerung zieht auch Heinrich, der ganz offenkundig ein Parteigänger der Neuscholastiker war. Das, was das ordentliche Lehramt als zu glauben vorlegt, etwa in Enzykliken, Breves, Schreiben oder Motu proprien etc., nimmt ja stets Bezug auf Dinge, die bereits im Depositum vorgeformt sind oder in bereits erfolgten Definitionen. Wenn das, worauf Bezug genommen wird, absolut wahr ist, muss es auch das sein, was der Papst daraus folgert. Das ist der Gedankengang - das und kein anderer!
Wenn etwa, wie in "Tuas libenter" so argumentiert wird, dass die Autorität der Kirche in Frage gestellt werde, wenn einer Kritik an scholastischen Methoden übe, und dies nur, weil die Kirche jahrhundertelang erlaubt habe, dass man diese Methode anwende, dann stehen einem die Haare zu Berge: Welche Autorität soll das sein, die im Prinzip sagt: Ich muss mit Zähnen und Klauen Dinge verteidigen, die ich einmal gemacht habe, um mein Gesicht nicht zu verlieren, obwohl jeder halbwegs Kundige doch sieht, dass die Scholastik auch gerade durch ihre Fixierung auf die heidnische Antike Unannehmbares hervorgebracht hat (was auch Leo XIII. zugab).
Und wo steht überhaupt geschrieben, dass eine philosophische Methode unfehlbar geglaubt werden müsse - als Methode? Sie gehört weder zum Depositum noch ist sie offenbart!(vgl. Argumentation in DH 2876) Wir merken, dass der Boden schwankend wird, auf dem Pius IX. hier argumentieren ließ.
In der Begrifflichkeit vom "ordentlichen" päpstlichen Lehramt im Unterschied zum "außerordentlichen" geht es also darum, zu begründen, warum er den Wissenschaftlern eine weitergehende "Unterwerfung" abverlangen könnte als es zuvor der Fall war.
Beim "außerordentlichen Lehramt" ist im übrigen Feierlichkeit kein Merkmal der Verbindlichkeit, sondern alleine die Definition, die in einer bestimmten sprachlichen und argumentatorischen Form vorgenommen werden muss, um eben ihren Verbindlichkeitsgrad anzuzeigen. Sie kann feierlich, aber auch unfeierlich vorgenommen werden. Der Papst muss dabei ausdrücklich Bezug nehmen auf seine Autorität als Stellvertreter Christi und dann eine präzise Definition vornehmen. Bis zum Dogma von der Unbefleckten Empfängnis geschah dies nun mal nie ohne die Zustimmung der Bischöfe. Das ist ein kirchengeschichtliches Faktum, das man nicht mit fadenscheinigen Behauptungen einfach kurz marginalisieren kann. Man muss und kann fragen, wieso die Kirche niemals solche Alleingänge vorgenommen hat, fast 1900 Jahre lang nicht (!)? M.E. machen es sich beinharte Infallibilisten dabei erheblich zu einfach, wenn sie die Unfehlbarkeit der Kirche schwammig identifizieren mit der des Papstes. Das war auch bei den Schemata für das Vaticanum I gar nicht so vorgesehen - dort waren das sehr wohl zwei verschiedene Dinge!
LöschenIhr Schlussargument ist daher eine typische Tautologie: Ob der Papst ohne Konzil definieren könne ist also deshalb wahr, weil er es, um zu beweisen, dass er es kann, einfach mal macht und anschließend deshalb, weil er es ein erstes Mal in der Geschichte gemacht hat, als unfehlbares Dogma definieren lässt?!?
Für mich ist diese Sache argumentativ auch deshalb eine Nullnummer, weil der Papst, auch wenn er die Bischöfe in der Verkündigungsbulle zur Immaculata Conceptio nicht erwähnt, eben doch zuvor die Bischöfe angefragt hatte! Ob er wegen dieses Dogmas gleich ein Konzil einberuft, oder die Bischöfe formlos befragt, dürfte keine gewichtige Rolle spielen - Faktum ist: er hat sie gefragt (!), dann aber als Verkünder des Dogmas einfach ignoriert, als hätte er sie nie befragt. Sauber ist das nicht. Kardinal Hohenlohe-Schillingsfürst, der zur Zeit Pius IX. Kurienkardinal war, hat den bittern Satz gesagt, er habe keinen Menschen gekannt, der es mit der Wahrheit weniger genau nehme als Pius IX.. Ich würde solche Aussagen nicht einfach abschmettern. Alleine die Vorgehensweise beim Immaculata-Dogma ist irgendwie faul, wenn Sie mich fragen.
Wie faul das alles war, zeigt auch die Reaktion Kardinal Newmans, der in der Tatsache, dass Pius IX. nicht nur die Bischöfe angeschrieben hatte, sondern über sie auch erfahren hatte wollen, was das Kirchenvolk in der Immaculata-Frage glaube, das Vertrauen entwickelt hatte, dass der Papst nicht im Alleingang einfach irgendetwas verkünden könne oder würde. Er war über die Art, wie Pius IX. über das Immaculata-Dogma das von der Unfehlbarkeit einfädelte mehr als geschockt.
Wenn also einer, obwohl er sich ein Dogma versteckt durch die Bischöfe vorher bestätigen lässt, dies als Beweis vorführt dafür, dass er auch ohne Bischöfe Dogmen verkünden könne, dann ist das mindestens tautologisch und im Prinzip nicht ehrlich.
Der Überschritt von dem, was das Depositum Fidei eindeutig und ausdrücklich zu glauben verlangt und dem, was der Papst "ordentlich", also alltäglich und ohne direkte Bezugnahme auf seine Autorität lehrt, wird bei Kleutgen ebenfalls argumentativ unsauber eingeführt:
Er schreibt:
Löschen"Denn wenn es sich um jene Unterwerfung handelte, die durch den Akt göttlichenGlaubens zu leisten ist, wäre se dennoch nicht auf das zu beschränken, was durch Dekrete der ökumenischen Konzilien oder der Römischen Bischöfe und dieses Apostolischen Stuhles ausdrücklich festgelegt wurde, sondern wäre auch auf das auszudehnen, was durch das ordentliche Lehramt der ganzen über die Erde verstreuten Kirche als von Gott offenbart gelehrt und deshlab in allgemeiner und beständiger Übereinstimmung von den katholischen Theologen als zum Glauben gehörend festgehalten wird." (DH 2879)
Und später:
"Da es sich aber um jene Unterwerfung handelt, zu der (alle) Katholiken dem Gewissen nach verpflichtet sind (...), so müssen (sie) anerkennen, daß es (...) nicht genügt, die vorher genannten Lehrsätze der Kirche anzunehmen und zu achten, sondern daß es auch nötig ist, sich sowohl den Entscheidungen zu unterwerfen, die als zur Lehre gehörig von den Päpstlichen Kongregationen vorgelegt werden, als auch den Lehrkapiteln, die in gemeinsamer und beständiger Übereinstimmung der Katholiken als theologische Wahrheiten und derart sichere Schlussfolgerungen festgehalten werden, daß Meinungen, die diesen Lehrkapiteln entgegengesetzt sind, zwar nicht häretisch genannt werden können, jedoch eine andere theologische Zensur verdienen." (DH 2880)
Insbesondere der letzte Satz ist hier verräterisch und offenbart die Gewaltsamkeit, die hier intendiert wird. Wenn etwas nicht häretisch ist (und das gibt Kleutgen ja zu!), dann kann man es es auch nicht so verfemen, als wäre es häretisch. Genau das spricht er aber aus und genau das hat er selbst auch in zahlreichen Hetzjagden gegen unbescholtene Kirchenmänner durchgezogen.
Er, der selbst vom Hl. Officium als formeller Häretiker verurteilt worden war und der von Pius IX. dennoch als Dogmenschreiber und Berater bevforzugt wurde.
Auf einen aufmerksamen Heutigen wirkt das alles wie eine üble Schmierenkomödie, und wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir an diesem unwürdigen Vorgehen festhalten.
Die Gewissheitsgrade für Aussagen des alltäglichen lehramtes sind nun einmal nicht in der Nähe der Unfehlbarkeit.
Das, und nur das aber behauptet Heinrich - da gibt es nichts zu deuteln, man kann seine Aussage wirklich nicht anders verstehen, als er sie formuliert hat, und seine geistige Herkunft in der Neuscholastik ist ohnehin zweifelsfrei bekannt.
Abschließend möchte ich bemerken, dass das Verhängnis des 19. Jh in der Kirche war, dass man offenbar nicht nur aufseiten der Liberalen, sondern erst recht der Reaktionäre und Infallibilisten nicht mehr in der Lage war, etwas zwischen "Demokratie" und totalem "Absolutismus" zu denken. Es ist und bleibt dennoch eine Tatsache, dass die Kirche niemals "hierarchisch" im Sinne des Spätabsolutismus oder im Sinne spätrömischer Kaiser organisiert war. Das, was an ihr hierarchisch sein soll, sollte sich orientieren an dem, was die trinitarischen Dogmen verkündet haben: Auch wenn Gottvater Haupt Christi ist, ist doch Christus ihm nicht untergeordnet (was die arianischen Häresien behaupten). Auch wenn der Hl. Geist von Vater und Sohn ausgeht, ist er den beiden nicht untergeordnet. Ein Gläubiger ist daher – in der Diktion der Gottebenbildlichkeit des Menschen - niemals einem anderen Menschen, auch nicht dem geistlichen Hierarchen ontologisch untergeordnet. Genau das suggeriert aber die reaktionäre Interpretation des 19. Jh.
AntwortenLöschenAbsolut und ontologisch untergeordnet ist man nur dem Herrn selbst. Es muss eine Spanne geben, in der man der rechtmäßigen Autorität, entgegenstehen können muss, wenn sie ihre Autorität missbraucht. Weil es sich um Menschen handelt, kann dieser Missbrauch geschehen. Wer das leugnet, macht aus dem menschlichen Hierarchen einen Götzen!
Man fragt sich bei all den Exzessen des 19. Jh auch, warum die Reaktionäre auf diese Schriftworte, die den Dienst des Hierarchen über dessen "Macht" stellen, so konsequent ignoriert haben. Schrieb nicht der hl. Petrus, dass die Hirten nicht "Beherrscher" der der Herde sein sollen, sondern deren vorbildliche Diener? (1. Petr. 5, 3)
Es hat nichts mit Demokratie und Revolution zu tun, wenn man diese Schriftworte beherzigt hätte, denn nicht zuletzt hat Jesus am Gründonnerstag den Aposteln eingeschärft, dass der, der der Größte sein will, der Diener aller sein muss.
Dass sich die Hierarchen in der Kirche zu großen Teilen im Laufe der Jahrhunderte ein Gehabe angewöhnt haben, das Gewaltsamkeit, Arroganz und Selbstherrlichkeit als "Dienstbereitschaft" ausgab, ist eine Tragik eigener Art. Tragikomisch auch, dass seit dem 12. Jh der freie Titel des "servus servorum Dei" nun als exklusiver Papsttitel beansprucht wurde. Man nennt sich Diener, um damit umso reißender die Macht im Sinne des irdischen Herrschers zu beanspruchen...
Es gibt in der geistlichen Sphäre wesentlich mehr als nur die politischen Kategorien des Absolutismus und der Revolution. Aber dazu werden wohl weder die Liberalen noch ihre reaktionären Widerparte je noch einmal zurückfinden.
Feststeht aber das Wort Jesu, dass das, was auf Erden groß ist, vor Gott möglicherweise klein ist. Die Gottesmutter sang es: „Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhebt die Niedrigen!“
Ja – die Ersten werden die Letzten sein, sagte der Herr.
Und es hat nichts mit „Revolution“ zu tun, sondern damit, dass alle Fetischisierung des Hierarchischen nur ungesunde Früchte hervorgebracht und die Kirche am Ende ins Chaos gestürzt hat.
Der Eigentümer jeder „potestas“ auf Erden ist und bleibt Gott selbst.
vom GW:
AntwortenLöschenLiebe Frau zeitschnur, erstmal vielen Dank für Ihren - wieder mal^^ - äußerst inhaltsreichen und auch sehr *dichten* Text, den ich noch mehrmals sehr genau werde lesen müssen, um wirklich alle Aspekte und 'Gedankenverzweigungen' voll zu kapieren. - Möchte hier nur schon mal eine kleine Zwischenfrage stellen:
Wenn dies wirklich so war, sich so entwickelt in der Kirche - ja immerhin Seiner Kirche! -, wenn diese tatsächlich als solche (und nicht "bloß" in teilweise auch schweren Fehleinschätzungen und Fehlentscheidungen einzelner Amtsträger) so sehr... ja, vom Wege abgeirrt ist, und zwar eben schon lange vor dem Vaticanum II bzw. schon tief im 19. Jhd. - was ist dann aber mit der sicheren Zusage Christi (zitere aus dem Gedächtnis & sinngemäß, ich hoffe, zumindest *weitgehend* wörtlich^^):
"Ich werde bei euch sein ALLE TAGE bis zum Ende der Welt; Ich werde euch den Geist der Wahrheit senden, Er wird euch AN ALLES erinnern!" - und natürlich: "... und die Pforten der Hölle werden sie NICHT überwältigen!"
Dann müßte aber doch die tatsächliche Entwicklung Seine Worte völlig ad absurdum geführt haben...
... ich selbst habe (natürlich) def. KEINE 'Komplettlösung' für dieses mega-Desaster und noch sehr viele offene Fragen und 'offene Enden' sovieler einzelner 'Gedankenstränge', neige aber immer noch (zumindest schon mal) zu der Interpretation, daß eben die cathedra S. Petri frühestens seit dem Tode Papst Pius' XII., oder seit der 'Wahl' Giovanni Battista Montinis, oder aber allerspätestens seit dem 21. Nov. 1964, Unterzeichnung von 'Lumen gentium' (mit komplett neuer Ekklesiologie...), vakant sei. Den derzeitigen 'Beansprucher' KANN & DARF ich jedenfalls in keinerlei... 'ekklesiologisch-funktionalen Zusammenhang' sehen mit der Hl. Römischen Kirche, um es mal so zu formulieren...
... zu den 'jüngeren Ereignissen auf einem großen kath. Forum' kann (und will...) ich gar nichts zu sagen (denn, was will man dazu, als Christ, auch nur sagen? Außer daß diese ganze Welt immer schneller immer offensichtlicher, aber wirklich bald in *allen* Lebensbereichen, so dermaßen *abgeirrt* ist von DER WAHRHEIT, die Er und nur Er alleine wesensmäßig IST, daß man nur noch aus tiefster Seele das "Herr ERBARME Dich über uns alle... und über die ganze Welt!" rufen kann...); hatte das auch gar nicht mitbekommen, da nur selten noch mal 'vorbeigeguckt', und habe auch nicht (mehr) die Zeit und den hinreichend streßfrei-ausgeglichen-ruhigen Kopf (na, man kann's auch 'die Muße' nennen!?^^), zu kommentieren bzw. erstrecht nicht für einen tieferen theologischen Disput (kann ich auch jetzt nicht, aufgrund... familiär-gesundheitlicher Malaisen, *seufz*... - es sollte wirklich nur eine 'Zwischenfrage' sein, dieser Punkt / Einwand ist es halt, der mir spontan so... "einschießt ins Hirn"!^^). - Die anderen Kommentare hab ich noch gar nicht gelesen, gestern Abend nur Ihren Text 'Nr. V', und darauf mein spontaner Kommentar jetzt.
Viele österliche Grüße Ihnen & allen, Ihr GW (yep, "der Alte / Echte" bzw. "immer derselbe"!..:-))
vom GW:
AntwortenLöschenNoch eine Ergänzung - eine sehr gute Übersicht über die jüngeren Entwicklungen, Vaticanum II, die Rolle Wojtylas, die 'Allerlösungslehre' (dabei wurde doch schon des Origenes' 'Apokatastasis', also auch "nur" eine 'Allversöhnung am Ende' feierlich verworfen, mein' ich!?), und damit letztlich die Gründung einer völlig neuen, nicht Konfession, sondern vlt. wirklich schon neuen Religion, gibt 'zelozelavi' (einer der aus der FSSPX ausgetretenen Patres im deutschen Sprachraum, eben wegen der 'Papstfrage', jedoch nicht der von Ihnen genannte P. Weinzierl??) auf seinem Blog, Artikelsequenz beginnend am 18. Februar mit 'Die Kirche Christi und die Kirche von Assisi' - sehr logisch & stimmig, find' ich. Und diese 'Theologie' ist ja eine dermaßen grundlegende, fundamentale, nein, nicht bloß 'neue Akzentsetzung', sondern so tiefgreifende Änderung, daß demgegenüber solche mehr formalen Fragen nach den genauen Verbindlichkeitsgraden gar nicht mehr entscheidend sind. - Niemals, und m.E. auch schon ohne die 'harten' Kriterien von Vaticanum I, würde ein ('echter', legitimer, valider) Nachfolger Petri bzw. sogar eine ganze Sequenz von Nachfolgern (und in der Folge, die ganze Hierarchie...), die auch nur unter 'sanftestem' Beistand des Heiligen Geistes stehen, solches aus ihrem Amte heraus verkündigen können, ja nicht bloß in einzelnen Worten & Texten, sondern so dermaßen durchgängig und auf allen Ebenen (und in sich durchaus mit... fast "bewundernswerter" Konsequenz), mit Auswirkungen in allen Bereichen der Kirche, der 'Pastoral', der Verkündigung, des Religionsunterrichts, der Sakramente... - für mich persönlich: völlig unmöglich, mit meinem Glauben in keiner Weise mehr vereinbar. Geht NICHT.
[Anm.: Wie funktioniert das denn mit diesem Captcha?? Komisch... mußte da gerade gar keine '4-stellige Nr.' tippen oder sowas; akzeptiert 'das System' mein Schreiben trotzdem? Hoffe jedenfalls, es kommt tats. bei Ihnen an (wenn auch vermutlich über den "Umweg" NSA, BND und sonstiger "Dienste", etc. pp., natürlich "nur zu unser aller Sicherheit", grmpf...)!^^]
Lieber GW,
Löschendas, was seit Johannes XXIII. so massiv eingeführt bzw. "reformiert" wurde, ist zum großen Teil (allerdings nicht in jedem Punkt - auch das muss man genau differenzieren) tatsächlich ein Bruch mit allem, was bisher gelehrt wurde.
Daher neige ich genauso dazu, den Stuhl Petri zwar nicht als vakant, aber als fehlbesetzt, vielleicht sogar als "instandbesetzt" in genau dem Sinne anzusehen, den die "Hausbesetzer" des späten 20. Jh meinten.
Mit dieser Sicht weiche ich allerdings von allen "Interpretationslagern", die wir derzeit haben, ab, was aber nicht gegen meine Sicht spricht.
Die Narrative der FSSPX und vieler Sedisvakantisten (muss man aber im einzelnen genau untersuchen, Pauschalurteil ist hier nicht möglich!) haben allerdings die Tendenz, sich in den "jesuitischen", infallibilistischen und absolutistischen Strang der jüngeren Kirchen- und Papstgeschichte zu verbeißen, als sei das die einzige Wahrheit gewesen.
Das macht diese ganze Bewegung zu großen Teilen neben den berechtigten Anliegen zu einer großen, immer mächtigeren Sekte, die aufgrund des Niedergangs in der sichtbaren Kirche immer mehr Anhänger bekommt.
Das Narrativ dieser Leute, die sich gemeinhin als "Tradition" oder als Bewahrer "der" Tradition selbst benennen, sind mental weitgehend identisch mit denen, die sich im 19. Jh selbst "Reaktionäre" nannten. Und dies war vor allem - das muss man klar aussprechen - eine politische Ideologie im Rahmen des katholischen Spektrums. Obwohl schon Thomas von Aquin, aber auch aktuell im 19. Jh Leo XIII, später selbst der ultra-infallibilistische und super-autoritäre Pius X. ausdrücklich geschrieben haben, dass die demokratie nicht prinzipiell abzulehnen und v.a. für das Wirken der Kirche unbedeutsam sei, lehren diese Leute bis heute den Royalismus. Ich habe derartiges Geschwätz gerade wieder über die Ostertage vernommen: man könne nur in einer Monarchie gottgewollt katholisch leben etc. pp. Man kann nahezu jede arianische Häresie in diesem Lager vernehmen, die zwar das Gottesbild unangetastet lässt, aber durch ihre Vergötzung des rein irdisch aufgefassten "Hierarchischen" letztendlich eben doch den Arianismus predigt. Man glaubt das Heil der Welt, ja, ein katholisches Paradies könne durch eine strikte Re-Hierarchisierung der Gesellschaft erreicht werden.
Diesen falschen Lehren hängen auch sehr häufig sedivakantistische Ex-Piuspriester in Europa, aber auch den USA an.
Zunächst ist uns in der Schrift eindeutig KEIN solches Reich auf Erden verheißen. Ein solches Idealreich wird aber der Antichrist für sich beanspruchen... Das müsste eigentlich als Hauptkriterium genügen. Ich muss aber immer wieder erneut feststellen, dass der Durchschnittstradi die Schrift nicht kennt, dafür das Werk irgendwelcher "klassischer" Seher, Päpste und "Starpriester". Und viele schwingen sich zu selbsternannten Kirchenrechtsspezialisten auf, was ebenfalls - wenn Sie mich fragen - zur Vorsicht anregen sollte mit deren "Urteilen" über die derzeitige rechtliche Situation in der Kirche.
Aber der Durchschnittstradi kennt nicht nur die Schrift nicht, sondern er kennt
auch nicht die Kirchen- und Profangeschichte. Sein Weltbild endet im postmodernen Nirgendwo. Er weiß nichts und idealisiert vor allem die Papstgeschichte, weil der Papst in seinem Bewusstsein - eben verursacht durch das Vaticanum I - ein immunes Idol, eine Art Halbgott ist, der nicht irren kann und dem nicht ein auf das Amt und seine Tätigkeit bezogener Beistand des hl. Geistes, sondern ein geradezu megapotenziertes Quantum an "Hl. Geist" qua Amt als Wesensmerkmal eingeprägt wird.
LöschenDiese Sicht ist aber nach allem, was je gelehrt wurde, eine blasphemische Irrlehre - und gerade de Konservativen merken es nicht! Auch der Sedisvakantismus basiert bei vielen auf dieser Meinung, dass einer, der dieses Mega-Kriterium nicht erfüllt, dann eben nicht der Papst sein kann...
Eine solche Sedi-Begründung dürfte selbst häretisch sein!
Der Hl. Geist lässt sich nach der Lehre der Kirche nicht vereinnahmen - von nichts und niemandem. Er weht wo er will. Und dass wir ihn verliehen bekommen durch Taufe, Firmung und manche durch Weihe heißt nicht, dass er für uns verfügbar würde. Die Kirche hat niemals eine spezielle Geistverleihung an den Papst gelehrt, sondern nur den Beistand im Amt und beim Definieren der Glaubenslehre. Dabei war sich die Kirche von Anfang an der Problematik bewusst, wie schnell der Mensch etwas als geistgegeben behauptet, was doch nur aus seiner eigenen Seele oder gar sogar von unten kommt. Man hat daher immer eine Scheu gehabt, das, was den Papst betrifft, zu definieren, weil man damit der Hölle die Tür öffnen würde. Der Papst hat kein systemisches Korrektiv - und daher wäre diese Definition, selbst wenn sie wahr wäre, eben der Todestoß für die Kirche.
Ich habe viele Statements der Bischöfe vor dem Vat I. gelesen - und viele haben diese Problematik klar vor Augen gehabt, aber leider vergeblich gewarnt. Ohne die dogmatisch fundierte Idolisierung des Papstes wäre das Vat II. nie durchgegangen!
Nun ist aber die Papstgeschichte zu nicht geringen Teilen eine Abfolge von menschlichen, politischen und immer wieder sogar lehrmäßigen Desastern! Man muss es als Wunder betrachten, dass die Kirche trotz dieser Horrorgestalten auf dem Stuhl Petri nicht unterging!
Die meisten Tadis argumentieren so, dass sie sagen: Ja, aber die haben doch die Liturgie nicht verstümmelt und die Lehre nicht verändert. das war also doch was anderes...
LöschenDas stimmt zwar, zumindest oberflächlich betrachtet, aber nicht ganz - Päpste waren in der früheren Zeit sehr oft von weltlichen Herren eingesetzt worden und funktionierten nach deren Geheiß, oder sie lehrten überhaupt nicht, ja viele Pontifikate waren alleine deswegen "vakant", weil der Papst nicht Hirte und Lehrer, sondern bloß weltlicher Monarch war. Dementsprechend erschütterten in immer neuen Wellen häretische innerkirchliche Bewegungen, Machtränkespiele der Bischöfe und Fürsten und schnöde Geldinteressen die Kirche und das Abendland. De vielgepriesene Monarchie war bis auf wenige Ausnahmen ein einziges Machtgerangel entweder zwischen papst und Kaiser oder zwischen Kaiser und Reichsfürsten inklusive zynischen Bruderkriegen und blutigen Verfolgungen.
Unsere Tradis wissen all das nicht oder wollen es nicht wissen. Auch die alberne Anhänglichkeit an den Wahn des Jean Raspail, aus irgendwelchen Löchern kröchen Borbonennachfahren hervor und setzten "die" Monarchie wieder instand, verkennt total, dass die Bourbonen gar nicht die Rechtsnachfolger des Hl. Röm. Reiches sind, sondern der österreichische Kaiser, die Habsburger. Die heutigen Bourbonen sind in Spanien und Luxemburg Monarchen - https://de.wikipedia.org/wiki/Haus_Bourbon - es gab aber zwischen Frankreich und dem deutschen Kaiser stes massive Probleme und Machtkämpfe, und man kann Napoléons Selbstkrönung zum abendländischen Kaiser unter päpstlicher Assistenz (!), nachdem der Habsburger die Reichs-Krone abgelegt hatte, auch im Rahmen deser Konkurrenz verstehen. Das alles weiß ein Tradi nicht - er schwärmt eben von Supermonarchen, hat null Ahnung von der haarsträubenden Situation, die natürlich auch durch päpstliches Handeln genauso ist, wie sie ist (Pius VII.), und auf seine Weise vom idealen politischen vom Reich Gottes auf Erden, das uns doch nicht verheißen ist...
Was heißt das alles?
Es heißt, dass eine ernsthafte Rückbesinnung passieren müsste auf das, was die Kirche lehrt und das, was nur empirischer Verlauf der Geschichte war.
Ich fürchte aber, dass niemand das leisten können wird. Die Verwirrung ist eine echte - nicht bloß eine von bösen Freimaurern erzeugte, die man leicht entwirren könnte. Es ist eine echte verwirrung, in der wir alle stecken.
Das Papsttum ging mit dem Vat. I schleichend aufgrund seiner Idolisierung unter. Der Pontifikat Pius XII. muss überhaupt erst genauer untersucht werden - der Vatikan rückt bis heute die Archiv-Akten nicht heraus, was auch kein gutes Zeichen ist. Aber auch die Päpste davor haben entscheidenede Missgriffe getan und bleiben seltsam indifferent oder alarmierend still oder sogar verkehrt. Aber egal, ob es Pius X., benedikt XV. oder die Piusse danach waren: alle hatten den Wahn, sie könnten und müssten "das" Übel "mit der Wurzel ausreißen" - gerade das, was Jesus untersagt hatte, weil der gesunde Weizen gleich mit ausgerissen wird. Man hat das alos gründlich getan vor dem Vaticanum II, das Haus war verwahrlost und veriwrrt. Da kamen andere und besetzten das Haus "instand" - in diesem Sinne meine ich das ganz oben.
Nein - es wurde nicht eine intakte Kirche "unterwandert" und dann usurpiert. Wäre sie intakt gewesen, hätte das auch gar nicht klappen können. Nein! Die "Hierarchen" sind abgefallen von Anfang an und es waren immer wieder auch gute und gläubige, wahrhaft demütige Hierarchen da. Die Zerstörung setzte aber von Anfang an an, und so überliefert es auch der hl. Paulus im Thessalonicherbrief. In der Zerstörung ließ Gott wie ein Wunder trotzdem die Kirche auch wachsen - eine ambivalente Sache, würden wir sagen.
Übernatürlich gesehen aber ist es ein Geheimnis, die Kirche ist selbst ein Mysterium. Aber nicht wegen ihrer Päpste, sondern wegen ihres geliebten Herrn, nur wegen IHM!
vom GW:
AntwortenLöschenLieben Dank für Ihre Antwort - tja, es sieht nun mal leider so aus, wie es wirklich aussieht, es hilft nichts, die Augen davor zu verschließen, es nicht wahrhaben zu wollen, verzweifelt 'ausflüchten' zu wollen in diese oder jene Richtung, oder sich pseudo-"Lösungen" zurecht zu basteln... - es IST schier zum Verzweifeln! Ehrlich, gerade zu Gründonnerstag, als ich bei uns die Glocken zum Gloria läuten hörte, und vorher von den "neuesten Aktionen in Rom" hab lesen müssen, dazu noch die Gesamtlage (in) der Welt, in unserm Staat insbesondere... all das - das ist in einer Weise erschütternd, wie ich es in DER 'geballten Ladung' in meinem Leben noch nicht erlebt habe (erste Erinnerungen / in allerersten Ansätzen bewußtes Wahrnehmen des 'Weltgeschehens' bei mir vlt. so Ende der 70er, damals 'der Ayatollah', etwas später dann Helmut Schmidt, 'Kanzlersturz', vlt. so ab späte Grundschulzeit...). Also jedenfalls, fühlte mich so *richtig* mies in diesen Tagen, eine tiefe österliche Freude, muß ich offen gestehen, fiel mir nicht leicht. Oder, ich mußte diese ganz im Verstand generieren, mir bewußt klarmachen, Wer da wirklich endgültig gesiegt HAT. Aber es war, anders als früher, keine... ausgelassen-befreite, fröhliche 'emotionale Osterfreude' (mehr), eher eine sehr ernste, rationale (was natürlich grundsätzlich ganz richtig ist, denk' ich; Nüchternheit). - Nur eben so traurig, das alles... ich hätte nicht in unsere Pfarrkirche zum Abendmahlsamt gehen KOENNEN und dürfen, in die Kirche, in der ich doch getauft & gefirmt worden und zur Kommunion gegangen bin, wie schon meine Eltern; in der ich ministriert habe aus tiefer Überzeugung (also nicht NUR, "weil's Spaß macht und schön ist"); in die Kirche, mit der mich soviele so tiefe und schöne Erinnerungen verbinden ( & völlig klar, daß ich auch NICHT "Rom geguckt" hab, im Fernsehn)...
... was tun? Nur noch an Ihm festhalten mit einer Unbedingtheit... die wir vielleicht gerade nicht hätten, wenn 'alles in Ordnung' wäre!? So kann es TROTZDEM eine Zeit der Gnade sein. - Gerade mal nach Bibelstellen gesucht und gefunden, sehr interessant... bis erschütternd v.a. auch die AT-liche, find' ich:
"Eine verlorene Herde war mein Volk, ihre Hirten führten sie in die Irre, trieben sie ziellos in die Berge. Von Berg zu Hügel zogen sie weiter und vergaßen ihren Lagerplatz. 7 Wer auf sie stieß, fraß sie auf und ihre Feinde sagten: Wir begehen kein Unrecht; sie haben ja gegen den Herrn gesündigt, den Hort der Gerechtigkeit, die Hoffnung ihrer Väter." (Jer 50,6 EU)
[an die Hirten] "Ihr trinkt die Milch, nehmt die Wolle für eure Kleidung und schlachtet die fetten Tiere; aber die Herde führt ihr nicht auf die Weide. 4 Die schwachen Tiere stärkt ihr nicht, die kranken heilt ihr nicht, die verletzten verbindet ihr nicht, die verscheuchten holt ihr nicht zurück, die verirrten sucht ihr nicht und die starken misshandelt ihr. 5 Und weil sie keinen Hirten hatten, zerstreuten sich meine Schafe und wurden eine Beute der wilden Tiere. 6 Meine Herde irrte auf allen Bergen und Höhen umher und war über das ganze Land verstreut. Doch keiner kümmerte sich um sie; niemand suchte sie. 7 Darum ihr Hirten, hört das Wort des Herrn: 8 So wahr ich lebe - Spruch Gottes, des Herrn: Weil meine Herde geraubt wurde und weil meine Schafe eine Beute der wilden Tiere wurden - denn sie hatten keinen Hirten - und weil meine Hirten nicht nach meiner Herde fragten, sondern nur sich selbst und nicht meine Herde weideten, 9 darum, ihr Hirten, hört das Wort des Herrn: 10 So spricht Gott, der Herr: Nun gehe ich gegen die Hirten vor und fordere meine Schafe von ihnen zurück. Ich setze sie ab, sie sollen nicht mehr die Hirten meiner Herde sein." (Hes 34,5 EU)
"Und da er das Volk sah, jammerte ihn desselben; denn sie waren verschmachtet und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben." (Mt 9,36 Luther)
Ja, was die mesnchlichen Hirten in der "Hierarchie" betrifft, trifft alles, was Sie zitieren, auch auf uns zu, und all jenen, die meinten, sich über die "perfiden Juden" erheben zu dürfen, bekommen in unseren Tagen das Maul gestopft, weil auch unsere Hirten perfide sind. Während die Juden den Herrn noch nicht erkannt hatten, ist ihre Sünde gegen Christus kleiner als die unsere, die wir ihn bereits erkannt hatten und daher gegen den Hl. Geist sündigen. Aber auch das begreifen Tradis nicht - sie hetzen nach wie vor gegen die Juden und sehen nicht, dass nicht die Junden die Kirche zerstören, sondern Christen, und da besonders die Hirten.
LöschenFür mich ist aber die große Osterfreude, dass dennoch trotz allem der Herr erschienen ist, dass er gestorben und auferstanden ist, dass er in den Himmel gefahren ist und zur Rechten Gottes sitzt und von dort auch wieder kommen wird. Er ist der gute Hirte, der niemals aufhört, unser Hirte zu sein, gleich wie sehr die irdischen Statthalter des ewigen Hirten versagen. Und sie haben schon immer versagt. Ich muss es wiederholen - die Reformation wäre nicht geschehen, wenn nicht die Hirten massivst versagt und die Gläubigen irre gemacht hätten. Es ist eine Tragik besonderer Art, dass Hadrian VI., der ein wirklich integrer Mann war, der ein Schuldbekenntnis für den Klerus abgelegt hatte und echte Reformen einleiten wollte, nach einem Jahr Pontifikat starb und von allen Seiten (!!!) verachtet und verlästert wurde.
Es steht also unter der Zulassung Gottes, und wenn ich alleine an diese Tragödie 1522/23 denke, bei der nicht nur die bösen Rebellen (Reformatoren), sondern noch viel mehr die kirchliche "Elite" versagt hat und hre Sünden sich wie ein Turm gehäuft haben, dann verstehe ich immer besser, dass all das Gerichte waren und sind, und wir haben es nicht verstanden.
Das ist auch Teil der traditionalistischen Verblendung, dass sie den gerichtscharakter in all den Umständen nicht erkennt, dass sie das Versagen der Hierarchie lange vor dem Vaticanum II um jeden Preis leugnet. Die Sedisvakantisten treiben dies teiwleise nich auf die Spitze. Pius X. hat m.E. genau den falschen Weg eingeschlagen. Er prügelte in einer beispiellosen Selbstgerechtigkeit auf "andere" ein, auf Forscher, auf "Modernisten" (wobei man immer noch nicht weiß, was er damit eigentlich so ganz genau gemeint hat), aber er vertuschte die Sünden der Hierarchie, deren massive Fehlentscheidungen, Fehlhandlungen, deren Widersprüchlichkeit und Ambivalenz, deren Machthunger und Unbarmherzigkeit.
So entstand das Bild: "Von außen drangen böse Freimaurer ein und zerstörten alles" und die arme reine Kirche wurde zerstört.
Das ist Blödsinn - auch nach der Schrift. Schon in den Johannesbriefen wird uns gesagt, dass der Antichrist nicht von außen in die Kirche eindringt, sondern aus und in ihr selbst entsteht. Zwar gehören diese Geister nicht wirklich in die Kirche, aber sie entstammen ihr doch direkt und kommen nicht von außen. Ein echter Antichrist kann auch nur der sein, der weiß, wer Christus ist und ihn leugnet.
Es ist schlimmer als bei den Juden damals: Auch bei ihnen kamen die Antichristen direkt aus der Hierarchie (nicht von außen!), ja gerade aus der Hierarchie kamen sie! Aber sie kannten ihn noch nicht wirklich. Wir aber haben ihn gekannt.
Der Herr ist unser Hirte, möge er sich erbarmen und uns helfen, nicht selbst in die Abgründe der geistlichen Selbstgerechtigkeit, der moralistischen Leichtfertigkeit (die Rom praktiziert und die sakramente verschleudert hat) und des katholisch-traditionalistischen Hochmuts zu verfallen.
Liebe Zeitschnur,
AntwortenLöschenich kann Ihrer Logik nicht folgen.
Entweder wir haben einen Papst oder wir haben keinen Papst.
Ein "Papst", der die Kirche zerstört, darf vom Priester nicht im Messkanon erwähnt werden, da der Priester nicht in Einheit mit ihm stehen darf. Erwähnt er ihn aber nicht, nimmt der Priester gleichzeitig die Sedisvakanz an, denn sonst würde er ihn ja erwähnen. Erwähnt der Priester den Papst aber nur deshalb nicht, weil er nicht in Einheit mit ihm steht, erkennt ihn aber als Nachfolger Petri an, handelt der Priester wie ein Protestant. Denn er verkennt die Worte Jesu, als dieser Petrus die Schlüsselgewalt übergeben hat. Es gibt demnach keinen Papst der die Kirche zerstört. Auch die Sedisprivationisten sprechen einem solchen "Papst" materiell das Amt ab.
Leo XIII schrieb: "Vollkommen muß dieser Gehorsam sein, da er vom Glauben selbst vorgeschrieben
ist; und dies hat er mit dem Glauben gemeinsam, daß er unteilbar ist; ja, wenn er nicht
ganz ohne Vorbehalt ist, mag er auch alle anderen guten Eigenschaften haben, so verliert
er die Natur des Gehorsams und ist ein Gehorsam nur dem Scheine nach."
Lehnen wir die Worte dieses Papstes aus „Sapientiae Christianae" ab, dann verhalten wir uns wie die Altkatholiken und die Gallikaner, welche sogar das erste Vatikanum ablehnten.
Korrektur: Die Sedisprivationisten nehmen an, daß der Papststuhl formal unbesetzt ist.
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