Wenn ich sie im
Selbstmitleid versinken sehe, die Genderer, dann marschieren vor meinem inneren
Auge bunte Gartenzwergarmeen auf, so wie beim Christopher Street Day, die mit
ihren kleinen Spaten und Hacken an einem kitschigen Arkadien bauen. Es sind
lauter Homunculus-Zwergerln, gerade in Reagenzglasgröße. Wehe, Sie lachen, wenn
ein vollbärtiges Manderl Ihnen weinend gesteht, es habe sich schon immer für
die Prinzessin auf der Erbse gehalten und fühle sich vom Schneewittchen
ausgegrenzt, weil es, also das Zwergerl, weder lesbisch noch schwul, sondern „a
Genderer“ sei und mit Wesen des dritten Geschlechts verkehren wolle.
Also, noch mal zum
Mitschreiben:
Das Zwergerl fühlt sich
diskriminiert, weil das Schneewittchen sich einbild’, alleine Prinzessin zu
sein daheim, und entlässt eine dicke Krokodilsträne über sein stoppeliges
Mannsgesicht…
Ich gebe ihm den
Werbeflyer „ Cyber-Love-Playground“ für geschlechtergerechten Sex: Lustorgane
leiht das dritte Geschlecht künftig nur noch aus – so wie man Schlittschuhe und
3D-Brillen an den Kassen der Film- und Eispaläste ausleihen kann… Es gibt
übrigens brandneue Desire-Organe (von studierten Joy- and Gaydesignern
entworfen und gestaltet). Der Genderer schließt sich über Elektroden mit einem
Cyber-Love-Computer kurz und verschafft sich über einen Touchscreen die
angestrebten Lustsensationen. 24-Stunden-Karten für bis zu 5 Personen sind
besonders preiswert.
Das weinende Zwergerl
setzte alle Hebel in Bewegung: Das Schneewittchen wurde gleich am selben Tag
noch verhaftet. Erst hieß es „wegen dringenden Tatverdachts der Homophobie“. Man
sperrte das Möchtegern-Weib bei Wasser und Brot im Hochsicherheitstrakt für
politische Gefangene in eine Einzelzelle. Das Zwergerl protestierte und wandte
sich mehrsprachig an eine globale Internet-Zeitung: es sei nicht schwul,
sondern gender, schöner, feinsinniger und vor allem hochgewachsener Adel, aber
geschlechtslos, und das Schneewittchen sei genderophob zu ihm gewesen, es, also
das Zwergerl, habe es deutlich gesehen, wie sie, nein es, also das
Schneewittchen, in ihr, oder besser sein Zimmer gerannt und dort in einen
Lachanfall ausgebrochen sei, als es, das Zwergerl, ihm, dem Schneewittchen
unter Tränen und dem Siegel der Verschwiegenheit mitgeteilt habe: Du, Prinzi,
weißt, ich bin auch eines von deiner Art…
Eine Schockwelle ergreift
das ganze Land. Wer hätte das von dem bislang unbescholtenen Schneewittchen
gedacht? Ja, pass auf, liebes Zeitgenosserl, der oder soll ich sagen das Feind
lauert überall! Abende lang flimmerten Talkshows zum Thema Genderophobie über
die Bildschirme. Einem völlig desorientierten katholischen Bischof, der
vergessen hatte, sich vorher DBK- und ZdK-programmieren zu lassen, entfuhr der leidenschaftliche
Hinweis darauf, dass Gott den Menschen als Mann und Frau geschaffen habe und
er, also er, der Bischof, im übrigen ein Er sei, ein Mann, ein Mann im Zölibat,
und das sei seine Berufung, als Mann Priester zu sein und keusch zu leben – die
Talkgäste saßen wie vom Donner gerührt da…Mann…keusch…Zölibat…der spinnt
doch…mit dem stimmt was nicht…die Sendung musste unterbrochen werden und das
sehr ernste Moderatoren-Menschenkind warf den schwarzrockigen Sex-Verzichts-Manns-Teufel
salbungsvoll aus der Sendung, denn hier sei man schon immer „gegen rechts“
gewesen, und das bleibe auch so. Das verlange die moralische Verantwortung.
Wehret den Anfängen. Die katholische Kirche ist unser Unglück. Wer ein
Geschlecht hat, ist verdächtig, aber wer nicht sext, der ist verhext. Kauft
nicht bei Piusbrüdern und Traditionalisten, bei dieser vorkonziliaren Schande,
diesen hochgefährlichen Leuten, die mit dem Rücken zum Volk die Heilige Messe
feiern und Kondome verbieten. Und das auch noch auf Lateinisch. Das elitäre Pack! Ein weiterer Talkgast, seines Zeichens Star-Gender-Designer,
fragt scheu, was ein Kondom sei? Man erklärt es ihm – das gab’s mal früher, als
es noch Männer gab, zur Verhütung vor Aids, das war Safer-Sex. „Ach so“,
nuschelt das junge Gemüse und wird grün im Gesicht. „Danke, das wusste ich
nicht.“
Anschließend kann man
sich erholen. Endlich ist man unter sich. Sogar die Alibi-Muslima, - wir sind
tolerant, weltoffen, nicht islamophob und debattieren mit allen
gesellschaftlichen Kräften - halt, hm also, ja wie sagt man das gerecht, also
das Muslimum, das ebenfalls an der Sendung teilnahm, mit Kopftuch, beeilte sich
ein ums andere Mal zu versichern, dass im Islam auch Männer seit neustem ein
Kopftuch tragen täten. Strafender Blick des talkenden, evangelischen Pfarrers im
grammatischen Neutrum: „Was, bei euch gibt’s noch Männer und Frauen!? Damit
geht es mir nicht gut.“ Das Muslimum schnappte nach Luft in all seinen Tüchern
und haspelte atemlos: „Ich…nein…hehe…wollte nur sagen, dass wir inzwischen alle ein Kopftuch tragen…hmm.“ Der Augenblick der Gefahr war
vorüber. Man entspannte sich, sank erleichtert zurück in die Studiosessel und
kam auf das Thema der erweiterten Ehe: ein Gartenzwergerl und ein
Feuersalamander hatten sich frisch vermählt und zeigten ein 3D-Hochzeitsvideo.
Alle setzten ihre Brillen auf, auch die Zuschauer zu Hause, und das Muslimum
beruhigte seinen Atem. „Daheim in Arabien hätte man das ganze verkommene
Gesocks einen Kopf kürzer gemacht, damals, bevor unser Öl explodierte und alles
in Schutt und Asche legte“, rumpelte ihr äh ihm durch den Kopf und es verbarg
das Gesicht schnell in den Kopftuchfalten.
Ist das nicht eine
schöne Vorstellung, diese Gartenzwerg-Idylle? Vor allem, dass man sich sein
Geschlecht jetzt frei kaufen und nach Gebrauch einfach in die Restmülltonne
werfen kann, finde ich ganz groß. Der Fortschritt lässt sich eben nicht
aufhalten. Das Schneewittchen, das ohnehin nichts mehr zu verlieren hat (es
bekam 120 Jahre ohne Bewährung) ließ immer wieder Kassiber aus dem Knast
schmuggeln. Auf einem stand: „Ihr Deppen, wie wollt ihr so noch Kinder kriegen?
Wer soll euch später pflegen, wenn ihr nicht mehr könnt und keine Nachkommen da
sind?“
Ein typischer Fall von
Kurzsichtigkeit! Auf dem globalen Markt ist alles möglich. Die Kinder kaufen
wir den Menschen in den armen Ländern zu fairen Preisen ab. Bevor die Chinesen
weiterhin bereits geborene, überzählige Kinder umbringen, bieten wir ihnen ein
lukratives Geschäft an. Bevor irgendwelche Afrikaner kleine Kinder klauen, um
sie zu Kindersoldaten auszubilden, holen wir sie zu uns… Ihr Geschlecht
montieren wir ihnen bei der Einreise ab. Das brauchen sie ja nun nicht mehr.
Das Geschlecht ist das Zeichen
einer ungerechten, gewalttätigen Welt, wie sie in der Finsternis früherer
Zeiten dem unaufgeklärten, durch die Kirche verdorbenen Blick als natürlich erschien.
Das haben wir überwunden, ein für alle Mal! Der Geschlechterkampf ist vorbei,
seitdem es keine Geschlechter mehr gibt. Logisch.
(Übrigens gibt es durch
die progressiven Entwicklungen Kastratensänger in großer Zahl und eine
Renaissance der historischen Aufführungspraxis all jener Werke, die
ursprünglich von Kastraten gesungen wurden. Aber das nur am Rande.)
Viel interessanter ist,
dass die Beschneidung beider Geschlechter wiederentdeckt und endlich zu ihrer
verdienten Würdigung gekommen ist. Die tiefe Weisheit der vorchristlichen
Kultur, die durch die Sakraldiktatur der katholischen Kirche grausam zerstört
worden ist, leuchtet wieder ungedimmt. Die Beschneidung, weiterentwickelt
zur Totalbeschneidung, ersetzt die vormalige Taufe. Die Totalbeschneidung
gilt als Bundeszeichen der gerechten Friedenswelt. Hässlich ist, was noch
festgewachsene, natürliche Geschlechtsorgane trägt. Es ist wie vormals eine
Frau mit unrasierten Beinen, oder ein Priester im Zölibat. Das Schönheitsideal
der Zukunft ist haarlos, geschlechtslos, unkeusch und – hirnlos. Nein, Moment, bevor
Sie sich aufregen - das ist nicht diskriminierend! Es ist gerade andersherum:
das Gehirn will partout nicht geschlechtsneutral sein, also weg damit, macht
kaputt, was euch kaputt macht! Oder sagen wir es noch besser mit einem anderen
Kassiber Schneewittchens: „Selbst ein Skelett zeigt, ob es ein Mann oder eine
Frau war. Die Ungerechtigkeit sitzt einfach drin – schafft euch doch einfach
ganz ab, ihr Idioten, verbrennt euch bei lebendigem Leib, erst dann gibt es
keine Geschlechter mehr.“
Aber auf diese Idee
waren die Genderer schon selbst gekommen: sie inszenierten eine riesige Flash-Rainbow-Goodbye-Party
und verbrannten die inzwischen ergraute, nachkommenfreie Menschheit in einem
Akt kollektiver Selbstbestimmung. Es war ein gigantisches Feuerwerk. Sie hatten
gehofft, es bleibe nichts übrig. Das Feuer, so dachten sie, brenne herunter
über ihren entstellten Leibern und sie könnten eines Tages aus ihrer Asche
aufsteigen wie große freie Vögel, ihre Schwingen im Zeitlupentempo der Sonne
entgegenhalten. Sie täuschten sich: das Feuer brennt. Punkt. Es hört nicht auf
zu brennen und sie hören nicht auf zu sein. Und das schlimmste ist, dass durch
die starke Hitze die beschnittenen Geschlechtsmerkmale ebenso wie die rasierten
Haare wachsen, riesig, überdimensional, man weiß gar nicht wohin mit soviel
Geschlecht und Haar! Und wenn Sie wissen wollen, warum das Feuer ewig brennt,
dann spitzen Sie die Ohren. Es ist unglaublich, aber wahr: der gigantische
Müllberg von verbrauchten Geschlechtsorganen, Sie erinnern sich, diese
Discount-Einweg-Organe, die man anschließend in die Restmülltonne werfen
konnte, haben einen Brennwert, den die Welt noch nicht gesehen hat. Da sitzen
sie, die Genderer, und brennen in ihren Zoom-Geschlechtsteilen, den
festgewachsenen wie den abnehmbaren. Es ist zum Verrücktwerden. Und schon gibt
es wieder Trouble zwischen Männern und Frauen, wegen allem und jedem. Ich will
es nicht ausschmücken. Auf der Erde war es halt doch schöner, da konnte man mit
Hacke und Spaten nach Schätzen graben und sich eine kitschige Welt im
Postkartenformat erträumen. Und in der Abendkühle ein rotes Zipfelmützlein
aufsetzen, in sein kleines Bett zwischen rotkarierte Kissen sinken und seinen
Mann-Frau-Kummer verschlafen.
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