Samstag, 17. März 2018

Die sakramentale Anderwelt der Eucharistie (II) - Was ist der Unterschied zwischen einem sakralen Gastmahl und einem "Opfer" (sacrificium)?



II. Was ist der Unterschied zwischen einem sakralen Gastmahl und einem "Opfer" (sacrificium)?


Man muss noch einmal zurücksehen in die Geschichte:
Im Verständnis der Eucharistiefeier war und ist die Kirche mehrfach uneins, und dies nicht erst mit der Reformation. Der römisch-katholische Versuch, dies alleine der Reformation zuzuschustern, ist eine historische Notlüge angesichts ihrer rücksichtslosen Veränderung ursprünglicher Lehren unter Inkaufnahme von Schismen und Entfremdungen. Auch wenn Katholiken gelehrt werden zu glauben, ihre Kirche habe die unwandelbare Lehre getreulich bewahrt, muss man das Gegenteil konstatieren, sobald man in die Quellen sieht: sie war es, die eine Neuerung nach der anderen eingeführt hat und dabei alle „Altgläubigen“ in verschiedenen Stadien der Entwicklung einfach abgespalten, vertrieben oder sogar verketzert hat. Nicht die anderen haben sich von ihr getrennt, sondern sie wollte andere zwingen, ihre neuen Lehren anzuerkennen und stieß sie von sich, als jene nicht mitmachen wollten.
Man kann also die Reformation vielmehr als eine Eruption lange gehegten Unbehagens ansehen. Lange gehegt deshalb, weil die sich aufbäumende Papstkirche progressiv die Eucharistiefeier faktisch aus der Hand der ganzen Kirche gerissen und alleine ihrer sich verselbständigenden Hierarchie als perfektes psychologisches und magisches Machtinstrument zugeschlagen hatte. Die Eucharistie wurde ein Ritus, der immer stärker die Merkmale von Zauberkulten annahm, erzeugte Idole („Hostien“) und käufliche magische „Wirkungen“.
Man hatte im Verlauf des Mittelalters die gesamte Ostkirche abgehängt, die Wert auf das „mysterium“ legte in dem Sinn, dass man ein Mysterium nicht mithilfe spitzfindiger Philosophien dogmatisch klären kann. Mit dem Aufkommen der neuen „Messopfer“-Lehre im 9. Jh, die aus dem zuvor geistig verstandenen Kontext unbedingt einen materiellen Zusammenhang schaffen wollte in dem Sinn, dass in den sakramentalen Zeichen buchstäblich der geopferte leibhafte Christus vom Himmel herabgeholt werde und in einer „sakramentalen Welt“, also einer Art materieller „Parallelwelt“ als reales Fleisch und Blut gegessen werden müsse, wobei unser Mahlhalten dann in einem Zwischenreich zwischen unserer Realität und der himmlischen Welt als sakramentale Parallelwelt stattfände, wurde es notwendig, allerlei mystifizierende Begleithandlungen auszudenken und eine elitäre Zone für die Priester zu schaffen, die alleine die Macht haben, zwischen den Welten hin- und her zu „switchen“. Die Laien wurden schrittweise ausgeschlossen aus dem Geschehen, der Pflichtzölibat für Priester durchgesetzt, die Verstoßung der Frau aus dem in den ursprünglichen „ecclesiis“ (auch im NT kommen sie im Plural vor und sind von dem Begriff der Griechen für Bürgerversammlungen der Freien und Berufenen abgeleitet!) ohnehin nicht vorhandenen Altarbereich angeordnet. Der Zölibat fungierte dabei als Strategie zur absoluten Trennung einer elitären Männerkaste von den „normalen“ Männern und vor allem der Gesamtheit der Frauen. Mit dem Pflichtzölibat für Priester wurden alle Bindungen zwischen Klerus und Laien, so weit es geht, zurückgeschnitten.  Der „Geweihte“ erhielt als suggerierter „Reiner“ einen quasigöttlichen Status. Dass solche Konstruktionen immer zu Personen- und Führerkulten und davon abgesehen zu unmoralischen und unzüchtigen und ausschweifenden Lebensformen führen, weiß jeder Lebenserfahrene, und genauso kam es auch: der Priester wurde der „Hochwürden“, er musste für die sinnlich fassbare Realisation Jesu Christi gehalten werden, eines „Christus“, der mit dem demütigen Christus der Evangelien allerdings kaum mehr etwas zu tun hatte. Früh wird der unsittliche Lebenswandel der „Hochwürden“ beklagt. Und je „höher“ die Hochwürden als Eminenzen und „heilige Väter“ aufstiegen, desto extremer mussten sie verehrt werden. Man war dreist genug zu behaupten, Jesus selbst hätte diese „göttliche Hierarchie“ gestiftet und gewollt. Ich habe das ganze NT danach abgesucht: es ist allerdings von einer solchen Stiftung dort nichts zu lesen, ganz im Gegenteil. Alles, was sich dort „hierarchisch“ aufwirft, wird von Jesus mit äußerster Skepsis behandelt. Zölibatärer Hochmut wird von Jesus entlarvt als Hartherzigkeit und Anmaßung des Mannes und als Frauenverachtung, als ein fromm verbrämter Aufstand gegen die Schöpfungsordnung, es sei denn, jemand macht sich wirklich aus eigenständiger (nicht institutioneller!) Berufung und Gottes- und Menschenliebe„zur Ehe unfähig“ (Mt 19, 3ff). Jesu Schlusssatz „Wer es fassen kann, der erfasse es!“, der häufig zur Anwerbung für zölibatäre Lebensformen genutzt wurde, als sei diese Lebensform ein Über-Mysterium gegenüber der natürlichen Neigung zur Ehe, meint im Kontext nicht den Zölibat, sondern die Ehe, wie Gott sie will, in der die Frau nicht das Herrschaftsobjekt des Mannes ist. Die Favorisierung des Zölibats seitens der Jünger in dieser Episode wird von Jesus klar und deutlich wegen ihres Verweigerungscharakters gegenüber der Schöpfungsordnung verworfen. Der gesamte Abschnitt handelt primär von der schöpfungsgemäßen Ehe und dem Verbot, seine Frau zu verstoßen und nur sekundär von zölibatären Lebensformen. Bei genauer Lektüre wird erkennbar, dass Jesus den Zölibat nicht empfiehlt, nicht als göttliche Berufung darstellt, sondern als ein Geschenk, das einer möglicherweise von sich aus, weil er es will oder meint zu sollen, gibt: „…manche haben sich selbst dazu gemacht - um des Himmelreiches willen“. Bedenken sollte sein Hinweis darauf auslösen, dass Menschen von anderen zu Zölibatären „gemacht“ würden, und nichts weist darauf hin, dass er das in irgendeiner Weise gutheißen würde.

Der Mensch kann ohne gesellschaftliche Organisation schwerlich in Frieden leben, aber die äußerste Skepsis Jesu gegenüber solchen Institutionen oder „Reichen“, die eben immer nur „von dieser Welt“ sein können, weil uns die Anschauung der Verhältnisse in der kommenden Herrlichkeit ebenso fehlt wie eine realistische Transfermöglichkeit in dieses absterbende Äon, selbst dann, wenn wir eine solche Anschauung hätten, hätte eine deutliche Warnung im Gedächtnis der Kirche bleiben müssen. All die früh einsetzenden Spekulationen über eine liturgische Abbildung angeblich himmlischer hierarchischer Verhältnisse sind Schwärmertum, denn niemand weiß, wie es im Himmel aussieht, und niemand kann wissen, wie dort die Beziehungsgefüge und „Vergesellschaftungen“ von Wesen ihrer Natur nach beschaffen sind. Eine Projektion unserer sündhaften Machtgelüste in den Himmel ist unzulässig. Rangordnungen sind vielleicht viel eher Folge des verzweifelten Widerstandes gegen das schwindende Leben in uns und der Versuch, anderes Leben zu eigenen Gunsten zu berauben, als dass der Himmel, der Leben in Fülle hat, dies nötig hätte. Wenn Jesus, wie Paulus im Hebräerbrief sagt, nicht davor zurückscheute, uns „Brüder“ zu nennen, weil alles Leben aus Gott kommt und ihm gehört, dann sagt dies sehr viel aus über das irdische Konstrukt der „Rangordnungen“.
Auch hier gilt, dass wir im Glauben und nicht im Schauen leben. Jesus hat vielmehr jeglicher hierarchischer Aufpflanzung ein deutliches „Nein“ entgegengesetzt für die Kirche. Das an so vielen Stellen von ihm auf den letzten Platz verwiesene „Erster-sein-wollen“, um das die Jünger so häufig stritten, wird auch an dieser Stelle als ein Wille zur Macht seitens der Menschen gezeichnet, nicht etwa Gottes (Mt 20, 25b f):

„Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Großen ihre Vollmacht gegen sie gebrauchen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein.“

„Wer bei euch groß sein will„wer bei euch der Erste sein will: es liegt am Willen zur Macht beim Menschen. Jesus brüskiert mit solchen Worten kaum etwas mehr als diesen Willen zur Macht!
Jesus begründet diese Abwehr gegen Machtwillige damit, dass er, der doch als der einzige und zukunftsweisende, vollkommene Menschensohn kam, der alles Recht der Welt hätte, sich als der „Erste“ aufzugipfeln, dennoch der Sklave aller wurde. Je mehr also einer oder eine ihm folgen will, desto mehr muss er oder sie Sklave werden, bereit sein, der oder die letzte zu werden. Von einer institutionellen „Sicherung“ des „Erster-Seins“ für Männer ist nirgends auch nur entfernt eine Rede!
Die Machtkirche hat aber genau diese Skepsis und diese Vorsicht umgedreht und den Gläubigen förmlich ausgetrieben wie einen bösen Geist und sie zu solchen gemacht, die „von dieser Welt“ sind und beständig ihre irdische „christliche Kultur“ mit dem „Reich Gottes“ verwechseln. In dieser tragischen Verkennung sind sie sich alle einig. Ob Traditionalist oder Progressist, man hält das Reich Gottes für eine Zielsetzung dieses Äons und bildet sich ein, man müsse es verwirklichen, wenn nötig auch mit Gewalt, Nötigung, Lockmitteln, Lügen und Intrigen.
Die Eucharistie war, weil der Mensch Zauber und Glamour, Mysteriöses, elitäres Zeremoniell und die sinnliche Vulgarität liebt, ein willkommenes Medium, die Menschen zum Zweck der Installation des Reiches Gottes auf Erden an die Institution zu ketten, denn ohne „Weiheträger“ keine Eucharistiefeier. Wer sich also den selbsternannten „Ersten“ nicht unterwirft, bekommt nichts von Jesus Christus — das ist die Logik. Was aber sagte dazu das NT?
Der Geist, sagte Jesus, „weht wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist.“ (Joh 3, 8) Für die Geistbeseelung eines solchen Gläubigen ist objektiv keine Hierarchie notwendig. Im Gegenteil — ein solcher Gläubiger ist per definitionem unantastbar und seine Wege sind von niemandem zu beurteilen. Er oder sie ist ein wirklich freier Mensch geworden. Genau das aber leugnet die Kirche. Für eine Bannung der Seelen an die Eucharistie im Sinne einer Opferhandlung, die angeblich alleine die Seele „nährt“, bedarf es einer Hierarchie. Und deshalb wird auch so erbittert die katholische „Identität“ vonseiten ihrer Apologeten, egal, was sich sonst theologisch entwickelt, an diese hierarchische und sakramentale Verfasstheit gebunden.[1]
Die Erinnerung an die ursprünglichen Bräuche der Apostel wurde sorgfältig ausgelöscht. Die Argumente konservativer katholischer Apologeten setzen daher auch immer erst mit dem Staatskirchentum ein und befragen die davor liegenden Jahrhunderte kaum. Als authentische „Quelle“ gilt das, was mit der „konstantinischen Wende“ einsetzte oder als maßgeblich festgelegt wurde.

Am ursprünglichen Mahltisch hatten alle ihren Platz gehabt, wenngleich eine soziale Trennung der Mahlteilnehmer wohl immer besonders unter den Heidenchristen eine Gefahr war und bereits von Paulus mit eindringlichen Worten verurteilt wird (s.u.). Es war das Heidentum, das sakrale Mähler nur Hochgestellten und sakral Gewürdigten zukommen ließ und Frauen ausschloss.[2] Aus dem Judentum ist das nicht bekannt, auch wenn es die Frau oder auch den „Goi“ in vieler Hinsicht demütigte und benachteiligte — am Pessachmahl nahmen sie ebenso teil wie Knechte, Mägde, Fremdlinge und Sklaven, vorausgesetzt, es war ein Jude dabei, der das Pessachlamm als „geeignete Person“ darbringen konnte. Auch wenn die Gesetzeslehrer allerlei Hürden einbauten, galt doch die vollständige Offenheit für jegliche Person, solange der personelle und intentionale jüdische Bezugspunkt gewahrt blieb.[3] Auch Quellen über zeitgenössische jüdische Asketengemeinschaften kennen den Ausschluss der Frau von sakralen Mählern nicht.[4] Die frühen Heidenchristen wurden daher insbesondere von Paulus ermahnt, jegliche soziale Unterscheidung aus Ehrfurcht vor Gott, der alle errettet hat, zu unterlassen. Am Tisch des christlichen Brotbrechens im Gedenken an Jesus Christus und seine Heilstat nahm tatsächlich jeder und jede in gleicher Weise teil. Egal, was die Kirche uns glauben machen will: im NT gab es definitiv keinen „Klerus“ und erst recht keine „Hierarchie“.
Die Trennung eines „Altarbereiches“ von dem der Laien, womöglich noch durch eine räumliche Schranke oder ein Gatter ausgedrückt, und die Ausweisung der Frau aus dem Bereich des Tisches ist in jedem Fall unbiblisch und im Rahmen der jüdischen Traditionen nicht zu begründen. Es hat ausschließlich im Bereich des heidnischen Mysterienkultes seinen Platz und lässt sich auch nur von daher plausibel machen.
Eine Assoziation an das Tempelopfer Israels war und ist sachlich immer ausgeschlossen. Es ist bezeichnend, dass Jesus nicht das Pessachlamm, das er damals nach den Evangelienberichten darbrachte, als „mein Leib“ bezeichnete, sondern er nahm das „Brot des Elends“[5] und sprach darüber die bekannten Worte. Er umging einen direkten Vergleich mit den tierischen Tempelopfern. In dieselbe Richtung weist die paulinische Aussage im Hebräerbrief, die das Opfer Christi und sein ewiges Priestertum nicht im Rahmen des levitischen Priestertums, sondern nach der „Ordnung Melchisedeks“ deutet, die dem alten Bund überlegen und übergeordnet ist. Melchisedek bewirtete Abraham mit Brot und Wein. (Hebr 6, 13; 7, 1-28) Die Klärung dieses Unterschiedes spricht Paulus gegenüber Judenchristen aus, damit hier keine Missverständnisse entstehen.
Doch was ist geworden aus dem, was die Apostel überlieferten?

Nicht nur die Still- und Privatmessen des späten Mittelalters kamen vielfach gänzlich ohne reale „circumstantes“ aus, sondern auch die Gemeindemessen wiesen den Laien immer mehr eine Rolle zu, in der sie passiv bleiben, nicht einmal mehr hören durften, was da vorne am Altar gesprochen und ob es überhaupt korrekt gesprochen wurde (wie Luther in seiner Schrift „Von der Winkelmesse und der Pfaffenweihe“ von 1532 beklagt hatte), nur mehr „virtuell“ teilnehmen sollten. Der Begriff „Hokuspokus“ leitet sich höchstwahrscheinlich ab von den „unverständlichen“, gemurmelten „Wandlungsworten“, die eigentlich Jesu heilige „Einsetzungsworte“ sind: „Hoc est enim corpus meum.“ Man speiste die Laien mit der einseitigen Teilnahme an der Hostienkommunion ab, zu der sie fühllos und nach „mehrstöckigen“ veräußerlichten psychischen Kontrollschranken (rituelle Buße, Ablass, Beichte) vor der räumlichen Schranke des Lettners hintaumeln und auf die Knie sinken sollten, und schloss sie vom Kelch aus, der doch das eigentliche Zeichen des Neuen Bundes ist, wie Jesus es sagte. Und dies, obwohl der Herr ausdrücklich angeordnet hatte, dass „alle“ daraus trinken sollen. Die Kirche tradiert eine Kompilation verschiedener neutestamentlicher Schriftstellen mit den Worten Jesu:

„Nehmet und trinket alle daraus: Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für viele (im Deutschen entgegen dem Schriftwort lange Zeit „alle“) vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Tut dies zu meinem Gedächtnis.“

Man muss fragen, was diese Kirche für ein Verständnis von „alle“ hatte? Die Verdrängung der Laien in die rein „geistige (geistliche) Kommunion“ oder allenfalls die Brotkommunion trieb so verheerende Blüten, dass man sich wundern muss, dass die Eruption erst im 16. Jh kam und nicht schon viel früher. Immerhin hat eine erbitterte Debatte über das rechte Verständnis der Eucharistie seit dem 9. Jh in Schüben stattgefunden.
Das „Messopfer“ war das Standeszeichen der Kleriker und die häufigere Kommunion Privileg des klösterlichen geistlichen Standes geworden. In der mystifizierten sakramentalen Parallelwelt hatten Laien kein unbefangenes Wohnrecht mehr. Eingeschüchtert wichen sie zurück und der Kommuniongang nahm rapide ab. Auf dem Laterankonzil 1215 wurde erstmals eine Vorschrift erlassen, dass der Gläubige wenigstens einmal im Jahr zur Kommunion gehen müsse. Der Kommunionempfang wandelte sich vor allem anderen zu einem nicht mehr mystischen, sondern magischen Privileg. Man war so weit gegangen, der Zelebration der Hl. Messe durch einen einsamen Priester einen magischen Wert zuzusprechen, den der Laie sich kaufen konnte, um ihn sich selbst oder anderen, Lebenden und Toten, „zuzuwenden“. Mit dem neutestamentlichen, gemeinschaftlichen „Brotbrechen“ hat(te) das alles wenig oder gar nichts mehr zu tun. Aber man hat es verstanden, den klaren Verstand der Menschen so zu betäuben und zu umnachten, dass man als Katholik (sofern man überhaupt je ernsthaft gläubig sein wollte) zunächst der Logik dieser Verzerrung vollkommen erliegt, viele lebenslang und in aller Unschuld und Frömmigkeit. Bei vielen von uns aber regt sich irgendwann wieder der wache Sinn für die Wahrheit.
Das Unbehagen und Befremden vieler nachdenklicher Männer und Frauen begann sich nachweisbar spätestens ab dem 13. Jh in aller Deutlichkeit bemerkbar zu machen, und viele von ihnen wurden wegen des Einspruchs gegen diese Verwahrlosung und Verfremdung der Eucharistiefeier im Zuge der ständischen Klerikalisierung der Kirche gnadenlos verfolgt und bei lebendigem Leib verbrannt. Wir gedenken heute noch mit Abscheu, Scham und Fassungslosigkeit  — um nur zwei Beispiele zu nennen — der hasserfüllten Ermordung der Beghine und geistlichen Schriftstellerin Marguerite Porête an der Wende zum 14. Jh oder des Rektors der Prager Universität Jan Hus’ auf dem Konstanzer Konzil zu Beginn des 15. Jh. Die Kirche opferte für die totale Verfremdung des Glaubens um eines unheimlichen Machtgeiferns willen das Blut ihrer Heiligen und hat sich damit selbst mit der Hure identifiziert, die die Apokalypse beschreibt (Apk 17): eine Frau in Scharlach und Purpur, also in leuchtend rote Hierarchengewänder (!) gekleidet, hält sie einen Kelch aus Gold in der Hand, indem sie Opferblut der Heiligen und Zeugen Jesu trinkt, Opfer, die als „Hurerei“ und „abscheulicher Schmutz“ bezeichnet werden. Es ist unmöglich, diese Allegorie nicht in Verbindung zu bringen mit dem realen historischen Erscheinungsbild der römischen Kirche! Die habsüchtige Beanspruchung des eucharistischen Kelches nur für die Hierarchie kann aus dieser Perspektive sogar als Schutz für die Gläubigen angesehen werden, die auf diese Weise nicht unbewusst teilhaben müssen an der Perversion des Opfers Christi hin zu einem Opfer der Heiligen durch die „Mutter Kirche“. Während sie großmäulig ein „unblutiges Opfer“ zu zelebrieren vorgab, vergoss sie wie eine wilde Bestie das Blut ihrer besten Glieder.

Man sollte dennoch keine unkritische Verherrlichung der Reformation und all ihrer teilweise ebenso haarsträubenden Abarten, die ab dem 15. Jh „anrollten“, betreiben. Jeder einzelne Fall muss sorgsam geprüft werden. Es gibt keinen „Ort“ an den man gehen könnte, an dem man eine bessere „Institution“ antrifft. Die Bilanz der Kirche, auch der abgetrennten Teile, ist und bleibt insgesamt verheerend und grausam. Auch Protestanten führten totalitäre Systeme ein, quälten Menschen zum „rechten Glauben“ hin, richteten Ketzer hin und überstellten „Hexen“ zu Verbrennung den staatlichen Behörden. Ähnliches muss von der Ostkirche festgestellt werden, deren byzantinische Zeit vor dem Fall Konstantinopels ebenso von Grausamkeit und Blutvergießen gezeichnet ist wie das der weströmischen Kirche ab dem Mittelalter. Bis heute setzen auch evangelikale Freikirchen ihre Mitglieder teilweise seelisch schwer unter Druck und beuten sie finanziell ebenso aus, wie die römische Kirche das tut. Man lehnt die römische Hierarchie zu Recht ab, installiert aber anschließend sich selbst als Lehrer und Meister anderer. Offenbar schaffte es keine organisierte Kraft, von der dämonischen und gewalttätigen Lehre und Praxis der „Kirche“ loszukommen, nachdem sie sich früh durch die Teilhabe an der politischen Macht korrumpiert und prostituiert hatte. Die Aussage Jesu „Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann“ (Mt 8, 20) wurde niemals ernst genommen. Jesus sagt diesen Satz einem Schriftgelehrten, der behauptet, ihm überall hin folgen zu wollen. In einem konkreten Sinn kann es auf Erden keine „Kirche“ geben, die man anfassen oder anschauen kann. Wie ihr Herr kann sie nur „Kein Ort“, im ureigensten Sinn einer „utopia“ sein. Nicht eine sinnlich verwertbare „sakramentale“ Parallelwelt kann sich einnisten und diese Utopie verwirklichen in diesem Äon — nein: das „Reich Gottes ist mitten unter uns“, aber dieses „Wir“ hat keinen Ort, geführt von dem Geist, dessen Brausen man hört, dessen Wege aber niemand kennt. Was immer sich auf Erden sinnlich fassbar manifestiert, kann nur „irdenes Gefäß“ und „blinder Spiegel“ sein und keinesfalls ein totales „Abbild himmlischer Dinge“. Ein „blinder Spiegel“ erzeugt nur Schemen und keine Abbilder. Vielmehr verweisen uns die Apostel auf das einzige wahre Abbild des Vaters: Jesus Christus, der nicht in steinernen Tempeln lebt und sich nicht in Purpur kleidet, sondern in den „Herzen“ wohnt. Wer aber hätte je ein „Herz“ des Menschen gesehen? Jesus ist aufgefahren und hat uns zurückgelassen. Das bedeutet: wir sehen ihn nicht mehr. Er hat uns den Hl. Geist geschickt, den niemand sehen kann.
Mit einer Radikalität ohnegleichen hat der Jesus der Evangelien und der Jesus, den die Apostel im NT bezeugen, uns tatsächlich jeglichen sinnlichen Bezugspunkt genommen und uns ein „Vergeistigungsprogramm“ verordnet, bis er wiederkommt.
Die Kirche hat sich darüber in einer verstörenden Dreistigkeit hinweggesetzt.

Die Entstehung des Jesuitenordens im 16. Jh, der die Macht über das viel zu spät einberufene Trienter Konzil an sich reißen konnte und eine psychologisch ausgefeilte totalitäre Unterwerfungsideologie entwickelte, verhinderte als die treibende gegenreformatorische Kraft künftig das ernsthafte Nachdenken, jeden echten mystischen Glauben zugunsten einer Versinnlichung der Frömmigkeit und sperrte sich gegen eine Reform der Missstände in der Hierarchie und im Messablauf. Die Eruptionen der Reformation erlaubten der Kirche überhaupt erst, die umstrittene neue mittelalterliche Eucharistieauffassung als Opfer, das eine materielle „Transsubstantiation“ in einer sakramentalen „Anderwelt“ durchläuft, dogmatisch zu definieren, beförderten also tragischerweise das, was sie verhindern wollten. Was zu den tiefen Zerwürfnissen mit der Ostkirche und den einheimischen Protestanten geführt hatte, wurde nun auf eine plumpe, gewaltsame, aber farbige, „verspielte“ und propagandistische Art und Weise immer weiter vertieft. Die versinnlichte Lehre wurde in Jesuitentheatern auf eine frühe Art und Weise massenmedial verbreitet. Der Glaube verkam unter der wachsenden und schleichenden Herrschaft der Societas Jesu über das Papsttum und die Bischofssitze, die Höfe, das Bildungswesen in den Ländern und die Beichtstühle zum verbissenen machtpolitischen Ränkespiel einerseits und zum spirituellen Budenzauber andererseits. Wie ein Nachtmar hatte sich dieser Orden der Kirche und den Fürstenhöfen auf die Brust gesetzt und ist seither nicht mehr abzuschütteln gewesen. Auch heute noch beherrscht der Orden alle Schlüsselpositionen der Kirche offen und heimlich, inzwischen sogar den Stuhl Petri und den Vorsitz der Glaubenskongregation („Hl. Inquisition“) ganz ohne Maske. Es ist dies nicht ein Bruch mit Traditionen, wie Traditionalisten mit Hysterie meinen, sondern das lange gehegte und erreichte Ziel des Ordens, dessen Wiederzulassung doch gerade sie 1814 als „Segen“ und als Sieg über die „Freimaurer“ auffassen…

Die Festlegung auf dem Trienter Konzil auf die scholastische Lehre von der Transsubstantiation, die man dem heiligen Thomas zuschrieb, war nicht der einzige, unverständliche Fallstrick. Unverständlich blieb auch, inwiefern die Hl. Messe ein „wahres Opfer“ sein soll, wie das Trienter Konzil es definierte, aber nicht erklärte. Wir kennen alle die Rede vom „unblutigen Opfer“, das auf gar keinen Fall eine Wiederholung des einmaligen Opfers auf Golgotha sein soll, sondern nur dessen Evokation. Was soll aber ein evoziertes, also „heraufbeschworenes“, modern gesprochen „gegenwärtig gesetztes“ „unblutiges Opfer“ sein, das dann doch beansprucht, wesenhaft Fleisch und Blut, „sakamentales“ Fleisch und Blut, das aber in diversen „Wundern“ (s.u.) dann doch ganz schnödes irdisches Fleisch wird, auf den Altar zu „zaubern“? Man stellt sich vor, es werde hier aktuell kein Leben mehr zerstört, aber man holt gewissermaßen das einmalige gewaltsame Opfer Jesu entweder aus den Tiefen der Zeit oder aus dem Himmel[6] auf den jeweiligen Altar, indem man Brot und Wein buchstäblich materiell — nicht mehr nur geistig — umwandelt in geopfertes Fleisch und Blut. Die Zeugnisse der ersten zwei Jahrhunderte kennen eine solche Lehre und Praxis nicht, sondern die Brotsegnung und das Brotbrechen und sogenannte „Agapefeiern“, die ein vollständiges Mahl mit integrierter Eucharistiefeier als „Brotbrechen“ gewesen sein dürften.[7] Eine Lehre, wie sie im Staatskirchentum entstand, ist mehr als eigentümlich. In verschiedenen, nachreformatorischen Opfertheorien versuchte man die Frage nach dem Opfercharakter und eine Entfaltung der Sühneopfertheologie Anselms von Canterbury (+ 1109) zu bearbeiten. Überzeugende Ergebnisse sind dabei nicht zustande gekommen, eher Skizzen und torsohafte Versuche, die alle einen philosophischen Haken haben.

Das Heidentum kennt vielfach unblutige Opfer, v.a. als Brotopfer, aber auch Milchopfer. Aber es handelt sich dabei nicht um ein „re-issue“ eines davor liegenden „Uropfers“. Wir kommen auf die Frage der heidnischen „unblutigen Opfer“ und Evokationen von „Uropfern“ später zurück. Ein „Speiseopfer“ und ein „Trankopfer“ kannte auch das altisraelitische Opferpriestertum. Diese vegetabilen Opfer wurden nach dem heutigen Stand der Wissenschaft nicht isoliert dargebracht, sondern als Beigabe der Tieropfer (vgl. Num 15 + 28; Lev 2; Ez 45, 18ff). Das Brot sollte immer ungesäuert, aber gesalzen sein. Das Trankopfer als „Libation“ sollte Wein sein. Das Speise- und Trankopfer war dem biblischen Kontext nach v.a. als Spende an die Priesterkaste gedacht (Lev 2, 3), vergleichbar vielleicht dem „Messstipendium“.[8]

Es ist philosophisch unverständlich, inwiefern die Evokation, das Heraufbeschwören eines einmal geschehenen und vollendeten (!) Opfers („Es ist vollbracht“, sagte der Herr und nicht „Dieser Zustand hält an, bis ich komme“…) selbst wieder ein „wahres“ Opfer sein kann. Was soll, was kann hier geopfert werden, wenn es nicht das vollendete Opfer selbst ist? Wenn es aber das vollendete Opfer selbst wäre, wäre es nicht doch eine erneute Opferung des ehemaligen Opfers? Oder wird hier ein ganz anderes Opfer zelebriert? In den modernen Texten des Vaticanum II haben wir gesehen, dass die Kirche glaubt, sie selbst könne das einmal geschehene Opfer darbringen und damit sich selbst: „…bringen sie das göttliche Opferlamm Gott dar und sich selbst mit ihm…“. Solche Aussagen findet man überall in modernen kirchlichen Verlautbarungen, aber was soll das eigentlich heißen? Was soll das sein, dass „wir“ das „göttliche Opferlamm“ in einer Feier „Gott darbringen“ und uns gleich noch mit dazu, dies aber iS eines „wahren Opfers“? Wie kann die Kirche das Opfer, in dem Christus sich selbst dargebracht hat, erneut als bereits getätigtes Opfer „darbringen“? Und vor allem: warum sollte sie das tun? Niemand konnte mir diesen Gedanken erklären. Christus hat sich selbst dargebracht. Wer sind wir, dass wir seine Darbringung wiederum als „Opfer“ darbringen könnten? Kann man ein Opfer als Opfer erneut opfern? Und vor allem: ist es das, was er geboten hat, als er das letzte Abendmahl feierte? Man kann eines Opfers gedenken, man kann es meinetwegen über-lebendig erinnern, aber kann man es als bereits vollendetes Dargebrachtes immerfort wieder — wenn auch „nur“ sakramental — „darbringen“? Es wäre verständlich zu sagen, man beantworte das wunderbare Opfer, das Jesus gebracht hat für uns, mit einem eigenen Opfer, so wie es auch im NT formuliert wird, etwa mit „Dankopfer“, „Lobopfer“, „Demut“ oder Freigebigkeit gegenüber den Armen. Meine Antwort auf eine Erlösung, die teuer erkauft wurde, kann doch nur der tiefste und ergebenste Dank („eucharistia“) sein und eine Kehrtwende in meinem Leben, um sich des Opfers als würdig zu erweisen, soweit es von meiner Seite aus möglich ist.
Das Geopferte selbst aber kann ich nicht „zurückspenden“ oder gar selber opfern. Selbst in irdischen relationen kann ich einem, der mir ein Organ und damit das Leben spendet, niemals dieses Organ zurückspenden. Das wäre unmöglich. Noch viel weniger kann niemand Jesus Christus das, was er uns getan hat, als es selbst zurückspenden.
Es gehört Demut dazu, sich beschenken zu lassen, ohne der Fiktion zu erliegen, man könne oder müsse das Geschenk wieder zurückschenken.
In diesen Fragen kreisen seither die Positionen.
Ich habe noch keinen Katholiken kennengelernt, der diese Fragen beantworten könnte oder überhaupt ein genaueres Verständnis dieser Opfertheologie hätte.
Vollends irritiert ist ein Christ, wenn er dazu die eindringlichen Worte des Paulus an die Hebräer liest, die die kirchlichen Lehren samt und sonders Lügen strafen und um ein weiteres Mal die radikale Entsinnlichung der Dinge des Glaubens ausdrückt:

„24 Christus ist nicht in ein von Menschenhand gemachtes Heiligtum hineingegangen, in ein Abbild des wirklichen, sondern in den Himmel selbst, um jetzt vor Gottes Angesicht zu erscheinen für uns;
25 auch nicht, um sich selbst viele Male zu opfern, wie der Hohepriester jedes Jahr mit fremdem Blut in das Heiligtum hineingeht;
26 sonst hätte er viele Male seit der Erschaffung der Welt leiden müssen. Jetzt aber ist er am Ende der Zeiten ein einziges Mal erschienen, um durch sein Opfer die Sünde zu tilgen.
27 Und wie es dem Menschen bestimmt ist, ein einziges Mal zu sterben, worauf dann das Gericht folgt,
28 so wurde auch Christus ein einziges Mal geopfert, um die Sünden vieler hinwegzunehmen; beim zweiten Mal wird er nicht wegen der Sünde erscheinen, sondern um die zu retten, die ihn erwarten.“ (Hebr 9)

Lehren, die von einem eigenen täglichen Sterben mit dem Messopfer sprechen, widersprechen diesem Text ausdrücklich. Immer wieder geistert dies durch die Kirchen, etwa, wenn der koptische Patriarch Tawadros II. in einer Rede an die Priester Johannes Chrysostomus in Anknüpfung an eine Teilnahme am Kreuzesopfer, ja sogar eine Identifizierung des Priesters mit Jesus als Opfer selbst, zitiert:

Am Donnerstag, den 15. Februar, hat Papst Tawadros in einer Feier zum Gedenken an die neuen koptischen Märtyrer den heiligen Johannes Chrysostomus zitiert: „Der Märtyrer stirbt einmal für seinen HERRN, aber der Hirte stirbt jeden Tag für die Herde des HERRN“.“[9]

Eine Gleichsetzung des Standes Jesu als Hohepriester nach der Ordnung Melchisedeks und als Opfer, das sich selbst opfert, mit dem sakralen Priestertum tritt auch hier deutlich zutage. Diese Identifizierung ist in sich schlüssig, aber sie entbehrt jeglicher neutestamentlichen Grundlage. Es gibt dort den Christus als wahren Hohepriester, aber kein Opferpriestertum mehr! Woher kommt aber dann diese „Logik“?

Luthers berechtigte Infragestellungen der theologischen Verengung, die er in seiner Schrift „De captivitate Babylonica ecclesiae“ von 1520 veröffentlichte, legen dem gelehrten Publikum seine Einwände dar. Man muss dazu anmerken: zu dieser Zeit war die verengte und verfremdete katholische Abendmahlslehre noch nicht dogmatisiert, lag aber offenkundig „in der Luft“. Er rieb sich u.a. daran, dass man die Einsetzungsworte Jesu in ein philosophisches Konzept zwängte, als sei letzteres fähig, ein echtes Mysterium zu beschreiben. Luther steht mit dieser Kritik der ostkirchlichen Zurückhaltung mehr als nahe. Wie sie besteht Luther darauf, dass man ein „mysterium“ ein Mysterium sein lassen muss, wenn man sich nicht in Blasphemien stürzen will.
Luther klärt an dieser Stelle die Frage, welchen Anhalt der Begriff des Mysteriums (oder Sakramentes) im christlichen Kontext überhaupt haben kann, noch nicht. Es bleibt unklar, woher dieser Begriff im Zusammenhang mit der Eucharistie überhaupt kommt und seit wann er angewandt wird. Luther scheint hinsichtlich der Sakramentenlehre später noch einen langen Weg gegangen zu sein und hat am Ende nur noch Christus selbst als „mysterium“ anerkannt. In der katholischen Theologie ist man heimlich zwar längst von der alten Sakramententheologie abgekommen, weil sie sich, wie man verspätet erkennt, nur sehr schwer aufgrund der neutestamentlichen und frühchristlichen Überlieferung begründen lässt, hält sie aber andererseits, wie bereits erwähnt in der Apologetik mit Zähnen und Klauen fest, weil ohne sie die Kirche sich sofort auflösen müsste.[10]


[1] Diese Richtung wird auch heute unverkürzt vertreten und institutionell hoch belohnt. Etwa ist die Grundthese der Arbeit von Karl-Heinz Menke: Sakramentalität. Wesen und Wunde des Katholizismus. Regensburg 2012 alleine von dieser Absicht getragen zu zeigen, dass das Wesensmerkmal des Katholischen in der vollständigen Durchdringung aller Lehen und geistlichen Lebensvollzüge der Kirche diesen zeichenhaften Charakter des Mysteriums haben. Menke wurde von Papst Franziskus nicht etwa wegen dieses ultrakonservativen Ansatzes auf ein Abstellgleis gestellt, sondern 2014 in die „Internationale Theologenkommission“ (Nomina di nuovi Membri e conferme nella Commissione Teologica Internazionale in: Presseamt des Heiligen Stuhls, Tägliches Bulletin vom 23. September 2014)
Ein anderes Beispiel ist von Joseph Schumacher: Die Identität des Katholischen. Mainz 2016, ein Buch, das ebenfalls das Wesen des katholischen in seiner institutionellen Verfasstheit, die dem „sakramentalen Prinzip“ folgt, verwirklicht sieht.
Die Kirche realisiert in beiden Werken eine „Zwischenwelt“, eine „Parallelwelt in der Welt“, die vorgibt, in genau dieser Verfasstheit, die eine „sakramentale“ Welt ausdrücken könne, nicht von dieser Welt zu sein.
[2] Karin Lehmeier: Abendmahl. Das wissenschaftliche Portal der Deutschen Bibelgesellschaft, 2017 https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/abendmahl-2/ch/938393ef0928d2e2d06e6f45e93e85ae/ (11.3.2018): „Das im privaten Rahmen stattfindende Gastmahl ist vor allem durch eine klar geregelte soziale Stufung der Teilnehmer und ihrer Plätze gekennzeichnet. In der Regel sind nur Männer geladene Gäste. Der Gastgeber sorgt für die Speisen, bezeugt sind aber auch Mahlzeiten (sog. eranoi), zu welchen alle Teilnehmer etwas beitragen (Schmitt-Pantel). Die antike Literatur bezeugt breit die Ungleichbehandlung höher gestellter und niedrig gestellter Männer beim Mahl.“
[3] Ma Nischtana HaLaila HaSe? Nichtjuden am Sedertisch, anonym erschienener Artikel auf dem jüdischen Online-Portal „Hagalil“: http://www.hagalil.com/judentum/feiertage/pessach/pesach/goyim.htm (11.3.2018). Die strikte Bejahung jeglicher Person am Sedertisch wird in der jüdischen Theologie dort folgendermaßen begründet: Uns „erinnernd, dass es Pharao’s Tochter war, die das im Nil ertrinkende Baby Moses rettete, schulden wir gerechten Nichtjuden Dank, und dies im Besonderen während der Pessachzeit“. (Noam Zion).“ Also auch die Frau und der Heide nehmen teil, wenn sie gerecht sind.
[4] A.a.O.: „Als Hintergrund der Entstehung des urchristlichen Abendmahls werden daneben (neben dem Pessachmahl, H.J.) die Gemeinschaftsmähler der Therapeutinnen und Therapeuten herangezogen, einer in Ägypten lebenden asketischen jüdischen Gruppierung, die in sieben-wöchigem Rhythmus ein Mahl (Pannychis) feierte, an welchem Männer und Frauen teilnahmen.“
[5] Mit den Worten „Ha Lachma anja“ („Seht das Brot des Elends“) beginnt der Sederabend und damit das Pessachfest und lädt alle Armen zum Mitessen ein. Die Juden deuten diese Tradition folgendermaßen: „Wir pflegen die Mazzot, das Proviant, das das Volk beim Auszug aus Ägypten mitnahm, mit Freiheit und Befreiung zu verbinden. Aber die Mazza symbolisiert auch die Speise der Sklaven und Armen, des fremden Arbeiters. Der Seder beginnt in Schande und endet in Lobpreis (Mischna Pessachim 10, 4) – die Demütigung wird zur Freiheit und zum Gesang des Hallel.“ Erklärung auf einem jüdischen Flugblatt zum Pessachfest: www.zwst-hadracha.de/cms/.../de.../Das%20ist%20das%20Brot%20des%20Elends.doc (11.3.2018)
[6] „Und ich sah: Zwischen dem Thron und den vier Lebewesen und mitten unter den Ältesten stand ein Lamm; es sah aus wie geschlachtet und hatte sieben Hörner und sieben Augen; die Augen sind die sieben Geister Gottes, die über die ganze Erde ausgesandt sind.“ (Apk 5, 6)
[7] Beschreibungen davon finden sich in der Didache (60-65 n. Chr.), Kap. 9, 10, 14, bei Klaus Berger/Christiane Nord: Das Neue Testament und frühchristliche Schriften, Frankfurt a. M. 2005, S. 307 ff. Ebenso im „Hirt des Hermas“, ebenda ab S. 817. Die „Traditio Apostolica“ aus dem 3.-Ende des 4. Jh enthält ebenfalls keine deutliche Messopfertheologie, sondern eine danksagende Darbringung ohne „Wandlung“, aber Anklänge, die später in Zusammenhang mit einer Wandlung der Gaben gebracht wurden. Geistepiklesen entwickelten sich erst im syrischen Raum im 4. Jh. Vgl. dazu Helmut Hoping: Mein Leib für euch gegeben. Theologie und Geschichte der Eucharistie. Freiburg 2015. S. 125 ff. Zu den „Agapefeiern“ vgl. Anonym: „Einführung in Geschichte und Wesen der Agapefeiern. Vortrag Regensburg 2006 (Kolpingfamilie) http://kolping-herzmarien.de/downloads/agapefeier.pdf (abgerufen am 4.3.2018)
[8] Ulrike Dahm: Opfer. 2006; Lexikoneintrag im Internetlexikon „Bibelwissenschaft“ der Deutschen Bibelgesellschaft, https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/opfer-at/ch/65856f9e669583b01dccb66d4f140690/, (abgerufen am 15.2.2018)
[9] Artikel „Koptischer Patriarch warnt Priester vor Vernachlässigung ihrer Familien“ auf https://charismatismus.wordpress.com/?s=tawadros am 18.2.2018
[10] Hubertus Mynarek etwa beschreibt in seinem Buch „Herren und Knechte in der Kirche“, Köln 1973, wie in der bischöflich geförderten akademischen Theologie hinter verschlossener Tür die Sakramentenlehre bezweifelt wurde, S. 189f, nach außen hin aber der schöne Schein aufrecht gehalten wurde. Er hielt Karl Rahner SJ für den janusköpfigen Erfinder einer modernen Vertretung des „geheimnisvollen Humanum“ und dessen Kirchenkonzept als einen „Anwalt des unbegreiflichen Geheimnisses“, innerhalb dessen alleine die „letzten Dinge“ verwaltet und definiert werden könnten. Rahner habe ein „neues Zeitalter der Geheimniskrämerei“ eröffnet. S. 207f. Es gibt keinerlei Grund, diese Aussagen Mynareks, der als Theologieprofessor viele Jahre im katholischen akademischen Milieu verbracht hat, zu bezweifeln, zumal sie die merkwürdig inkonsistente Haltung vieler Bischöfe zu erklären vermögen.

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