Sol invictus 2.0 - das Licht und die Sonne
Apokalyptische Gedanken zu
Genesis 1
Ein großer Teil biblischer
Licht-Aussagen ist seltsamerweise in der westkirchlichen Entwicklung auf eine
Gestirne-Metaphorik reduziert und als solche aus der Metaphorik heidnischer
Kulte entlehnt. Die alt- und neutestamentliche Rede von Licht und Finsternis
bzw. Licht als Wesen Gottes wurde dadurch überlagert und zusammengegossen mit
einer heidnischen Symbolsprache, als sei das eigentlich doch genau dasselbe.
Insbesondere die eigenständige und bemerkenswerte Lichtbegrifflichkeit, die
bereits die Genesis aufweist und die im Neuen Testament immer wieder, v.a. vom
Apostel Johannes aufgegriffen wird, wurde dadurch geschwächt.
Doch sehen wir uns an, was im
ersten Schöpfungsbericht in Genesis 1 über die Erschaffung des Lichtes steht:
„Fiat lux!“ — der 1.
Schöpfungstag
1 Im Anfang schuf Gott
Himmel und Erde;
2 die Erde aber war wüst
und wirr, Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem
Wasser.
3 Gott sprach: Es werde
Licht. Und es wurde Licht.
4 Gott sah, dass das Licht
gut war. Gott schied das Licht von der Finsternis
5 und Gott nannte das Licht
Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde Abend und es wurde Morgen:
erster Tag.
Es fällt uns schon gar nicht mehr
auf, aber das Licht wurde in einem Nu herbeigerufen, um zu „werden“. Und es
„wurde“, ohne dass irgendein physikalische Ereignis oder Leuchtobjekt vorhanden
gewesen wäre. Es ist nicht klar, ob Gott das Licht „erschuf“ oder den Willen
bekundet, „dass es licht wird“.
Woher kam dieses Licht des 1.
Schöpfungstages?
Was ist dieses Licht des ersten
Tages, wo doch Gott selbst das Licht ist? Sind das zwei Sorten Licht oder ist
es ein und dasselbe Licht?
Wie konnte das freie Licht bereits
den Tag anzeigen? Denn erst Schöpfungstage später werden Sonne, Mond und Sterne
erschaffen:
Sonne, Mond und Sterne — der 4.
Schöpfungstag
14 Dann sprach Gott: Lichter
sollen am Himmelsgewölbe sein, um Tag und Nacht zu scheiden. Sie sollen Zeichen
sein und zur Bestimmung von Festzeiten, von Tagen und Jahren dienen;
15 sie sollen Lichter am
Himmelsgewölbe sein, die über die Erde hin leuchten. So geschah es.
16 Gott machte die beiden
großen Lichter, das größere, das über den Tag herrscht, das kleinere, das über
die Nacht herrscht, auch die Sterne.
17 Gott setzte die Lichter
an das Himmelsgewölbe, damit sie über die Erde hin leuchten,
18 über Tag und Nacht
herrschen und das Licht von der Finsternis scheiden. Gott sah, dass es gut war.
19 Es wurde Abend und es
wurde Morgen: vierter Tag.
Es ist von Interesse, dass Gottes
Schöpfungswerk hier erst einen planerischen Vorbau zu haben scheint. Während
Gott bei der Erschaffung des Lichts für die Erde sagte: „Es werde Licht“…und
„es wurde Licht“, ohne Planung, ohne weiteres Formen, durch bloßes „Fiat“ („Es
werde“), ist hier ein längerer Prozess berichtet: Gott überlegt sich, dass er
für den Menschen (der als einziges Geschöpf Feste feiert und Zeiten bestimmt!)
Lichter an das Himmelsgewölbe setzen will, nicht, um Licht zu machen (was
bereits am 1. Tag geschehen ist), sondern um dem Menschen das Licht oder die
Erde erst sichtbar zu machen und die Berechnung von Tagen und Jahren zu
ermöglichen, in die die Feste des Glaubens eingesenkt werden können. Der Mensch
braucht für das Licht sowohl am Tag als auch in der Nacht vermittelnde
Gestirne, die „leuchten“, also das eigentliche Licht reflektieren oder von ihm
entzündet werden. Das Licht der Gestirne ist demnach nicht die Quelle des
Lichtes, sondern strahlt Licht von diesem geschaffenen oder für die Schöpfung
grundsätzlich herbeigerufenen Licht des 1. Schöpfungstages ab. Dabei haben alle
leuchtenden Gestirne die Aufgabe, die Scheidung von Licht und Finsternis für
das menschliche Auge sichtbar zu machen. Nicht nur der helle Tag, sondern auch
die Finsternis wird durch diese Beleuchtung überhaupt erst sichtbar gemacht.
Gott also, der diese Lichter „an
den Himmel setzt, damit sie leuchten“, ist der Urheber des Urlichtes, und
die Gestirne geben von diesem Licht etwas wieder, um die Erde für das menschliche
Auge und alle Geschöpfe zu beleuchten.
Dieser Bericht erzählt uns nichts
davon, dass die Sonne aus sich selbst leuchten könne, sondern stellt die Sonne
als eine Leuchte dar, die alleine von Gottes Gnaden leuchten kann, aber in gar
keiner Weise mit ihm in Vergleich gebracht werden könnte. Er erzählt uns aber
auch nichts davon, dass der Mond angeblich nur mithilfe der Sonne leuchten
könne oder deren Licht „reflektiere“ — nichts davon finden wir hier. Der Mond
hat prinzipiell dieselbe Kompetenz zu leuchten wie die Sonne, nämlich von
Gottes Gnaden, nur herrscht er über die Nacht, die Sonne demgegenüber über den
Tag. Beiden kommt gleichberechtigt zu, den ganzen Tag zu beleuchten, der Mond
als scheinbar etwas kleineres Gestirn ist dafür umgeben von einem Millionenheer
an Sternen, die ebenfalls alle leuchten können und sollen.
Mit keinem Wort also wird hier
behauptet, die Sonne sei Ursprung des Lichtes und erleuchte aus eigener Kraft
(iS einer physikalischen Brennofenstätte) alles Irdische. Ebenso wird der Mond
nicht als bloßer Reflexionskörper für das Sonnenlicht angesehen, sondern
ebenfalls als eigenständiger, von Gott beauftragte Leuchte mit einem eigenen
Herrschaftsbereich, nämlich der Nacht.
Gott, so heißt es, habe diese
Himmelsleuchten („luminaria“ von lat. „luminar“/ Leuchte, Licht,
Lampe) gemacht und an das Himmelsgewölbe gesetzt. Sie entstanden also nicht
durch ein „Fiat“, sondern durch einen mehrschrittigen formenden Akt.
Diesem Bericht zufolge leuchten
beide Großgestirne samt allen Sternen eigenständig auf Geheiß Gottes. Sie
schöpfen und reagieren auf das Urlicht des 1. Schöpfungstages und nicht auf das
übermächtige Licht der geschaffenen Sonne.
Mir ist bewusst, dass der Mensch
unserer Tage sich über diese biblische Darstellung weit erhaben wähnt. Allein —
er hat dazu keinerlei Grund, denn die Kosmologie, die uns als unverrückbar
„bewiesen“ von klein auf gelehrt wird, ist wissenschaftlich unbeweisbar. Jeder
Physiker weiß das im Grunde seines Herzens auch. Es ist ein zugegebenermaßen
pompös erdachtes Konstrukt — all diese Vorstellungen vom Weltenraum und all den
Kugelplaneten und Fixsternen. Aber es ist nicht weniger fragwürdig als die
Kosmologie, die sich in der Schöpfungserzählung in Genesis 1 andeutet und an
vielen anderen Stellen der Schrift konsequent weitergedacht und berichtet wird.
Hüten wir uns also vor arroganter Voreiligkeit über diese Dinge! Bilden wir uns
nicht ein, wir wären „weiter entwickelt“. Unsere Träume und Konstrukte stehen
auf tönernen Füßen, auf Axiomen, die wie alle Axiome unbeweisbar sind. Wir
sehen vielleicht vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr.
Die Frage, ob vor der Erschaffung
der Tageszeiten anzeigenden Gestirne bereits 24-Stundentage gemeint sind, als
es heißt, „es wurde Abend, es wurde Morgen, der erste (zweite, dritte…) Tag“,
kann nicht beantwortet werden. Was immer Schöpfungstage bedeuten, sie formen in
jedem Fall das voraus, was wir als Siebentagewoche kennen.
Für uns aber ist wichtig, dass der
Schöpfungsbericht keine Sonne kennt, die eigenständig Licht und womöglich auf
Erden Wärme spendet, ja, das Licht ist in diesem Bericht nicht verbunden mit
der Wärme, weil es dem Mond gleichberechtigt zugeordnet wird, in der Nacht aber
trotz der erleuchtenden, ausschließlich eine kühlende Wirkung hat.
Wir sind für eine solche Sicht der
Dinge nicht offen, und dies nicht erst seit den modernen kosmologischen und
evolutionstheoretischen Lehren, sondern schon seit fast 2000 Jahren. Schritt
für Schritt hat sich die christliche Welt stattdessen der heidnischen
Kosmologie wieder ergeben, der doch bereits das AT eine Absage erteilt, die das
alte Israel bereits entmythologisiert hatte.
Mit der Re-Mythologisierung unseren
Weltbildes, die wir fälschlicherweise als „Entmythologisierung“ bezeichnet
haben, haben wir zunehmend das Verständnis für die Schöpfung verloren und sind
auch nicht mehr in der Lage, die heilsgeschichtlichen Wunder zu erfassen und zu
heiligen. Falls diese Worte nun etwas kryptisch klingen sollten — keine Sorge,
ich werde im folgenden darlegen, was ich damit meine.
Gehen wir ein wenig zurück in
ältere Zeiten:
Sol invictus 1.0
Wenn wir in der weströmischen
Kirche Christus als „sol invictus“ bezeichnen oder sage und schreibe
sogar (in der Oster-Liturgie im „Exsultet“) als „lucifer“ (im alten
Latein Begriff für die Venus, den Morgenstern), offenbaren wir, wes Geistes
Kind wir sind — schon lange sind. Die Kirche hat all diese heidnische
Gestirne-Metaphorik zugelassen, und die Reformation hat wesentlich nur das
Papsttum (teilweise zu Recht!) und das von Jesus Christus gebotene Abendmahl,
das eindeutig sowohl seiner Herkunft aus dem Pessachmahl noch der Erklärung
Jesu nach nie anders als ein Opfer bzw als reales mystisches Gedächtnis an das
Opfer zu verstehen war, „entmythologisiert“, sich davon total entfremdet und es
schließlich so sehr abstrahiert, dass heute vor allem Freikirchen davon
buchstäblich nichts mehr wissen, obwohl das NT es sehr gut bezeugt. Alle die
frühen, vermutlich gnostischen Grundfehler hat gerade die Reformation weder
bemerkt, noch geringste Anstalten gemacht, sie zurückzuweisen. Im Gegenteil.
Sie kritisierte das Papsttum wie gesagt in vielen Dingen vollkommen zu Recht,
setzte aber die ihm zugrundeliegende Vorstellung Christi von einer „Sonne“
auch ohne Papsttum fort. Stattdessen hat sie, trotz des „sola scriptura“-Prinzips,
eine wesentliche biblische Tradition entsorgt, nämlich die, dass auch die
Israeliten ihre rituellen Opfer nicht nur opferten, sondern auch aßen und
tranken und Jesus eindeutig gesagt hat, man könne nur selig werden, wenn man
sein geopfertes Fleisch und Blut wirklich isst und trinkt (Joh 6,
48 ff). In der Bemerkung, dass es sich dabei um ein „Gedächtnismahl“ handelt,
ist nicht ausgedrückt, dass es sich dabei nicht um das reale Fleisch und Blut
des Geopferten handelt, sondern dass dieser Ritus der Christen kein je neues
Opfer darstellt, sondern immer das eine und einmalige Opfer evoziert. Wie
konnte man dies so fahrlässig einfach aufgeben und unter den Trümmern der
Neuzeit begraben und zugleich glauben, man bewege sich auf dem Boden des „sola
scriptura“?
Es geht mir jedenfalls nicht darum,
nun „protestantische“ Positionen zu rechtfertigen, sondern darum, eine
vielleicht unheilvolle Entwicklung der gesamten Westkirche zu reflektieren, von
der sich weder die römische Rumpfkirche noch die protestantischen Abspaltungen
je klar distanziert haben.
Es kann einem da manchmal eiskalt
den Rücken hinabrieseln.
Der „sol invictus“, die
„unbesiegte Sonne“, ein Begriff, dessen Metaphorik einem Denken und Vorstellen
entstammt, das die Sonne vergottet und sogar zum höchsten Gott erhebt, weil man
ihr das siegreiche, unbesiegbare (letztendlich das „unerschaffene“) Licht
zuschreibt, war im römischen Kult der Titel des Sonnengottes Sol. Die Verehrung
des Sol gewann in Europa in der Spätphase des römischen Reiches, nach der Zeit
von Jesus Christus als historischer Gestalt, an Bedeutung. In anderen Teilen
der Welt war sie selbstverständlich ebenso vorhanden, wie wir wissen.
Im Osten des römischen Reiches gab
es Sonnenkulte, etwa in Syrien den Kult Elagabals, des zentralen Sonnengottes.
Im 2. Jh nach der Zeitenwende, durch Kaiserin Julia Domna, die aus Syrien kam
und dem Sonnenpriestergeschlecht entstammte, erhielt der römische Sonnenkult
durch diese Inspiration aus dem Osten „Verstärkung“. Der römische „sol
invictus“ schmolz mit Elagabal zu einer übermächtigen Gottheit, der Sonne,
zusammen. Der Großneffe dieser Kaiserin, der ebenfalls Elagabal hieß,
wurde später römischer Kaiser und nannte sich Marcus Aurelius Antoninus
(204—222). Er erbaute in Rom ein neues Sonnenheiligtum und führte den
Elagabal-Sonnenkult als Staatsreligion ein. Dem Sonnengott Elagabal wurde auch
der oberste Gott, Jupiter, untergeordnet. Die römische Bevölkerung nahm das
unwillig auf. Sie nahm keinen Anstoß am Sonnenkult an sich, den sie ja selbst
kannte und immer mehr liebte, sondern an den Elementen des syrischen Kultes,
über den folgendes gesagt wird:
„Vor dem Hintergrund der
Gegensätze zwischen östlicher und westlicher religiöser Tradition sind auch
Berichte über Orgien, Homosexualität und Transsexualität, (sakrale)
Prostitution, ein Streben Elagabals nach Androgynie und sogar nach Kastration
zu deuten. All dies hatte – soweit es zutrifft – eine religiöse Wurzel, für
welche die römischen Geschichtsschreiber kein Verständnis aufbringen konnten.“[1]
Mit Kaiser Elagabal war eine solche
Tradition religiöser Perversion in den römischen Orbis eingedrungen und
verschwand, einmal da, nicht einfach wieder. Sie wurde später zunächst
unterdrückt, setzte sich aber im Geheimen weiter fort. Die Verknüpfung von
sexueller Perversion und Missbrauch mit kultischen Handlungen ist in unseren
Tagen wieder auf schaurige Weise virulent geworden, auch in der Kirche…
Der Kaiser war bereits im
herkömmlichen römischen Kult Oberpriester. So auch im neuen Sonnenkult. Marcus
Aurelius Antoninus trug den Titel „sacerdos amplissimus dei invicti Solis
Elagabali“ (« Oberpriester des unbesiegten Sonnengottes
Elagabal »). Zahlreiche Münzen zeigen auf der Rückseite Motive dieses
Sonnenkultes. Elagabal alias Marcus Aurelius Antoninus wurde als Sohn
Caracallas ausgegeben, der schon den einheimischen Sonnenkult gefördert hatte
und sich selbst als „sol invictus Imperator“ verehren ließ.
Ähnlich wie im mekkanischen
Kaaba-Kult verehrte auch Kaiser Elagabal nach dem altsyrischen Vorbild einen
„heiligen (schwarzen) Stein“, dem er in Rom eine Tempelanlage samt einer
eigenen Priesterschaft bauen ließ. In den Quellen wird er als Perverser
geschildert, der bei den Kulthandlungen für Elagabal sogar Kinder geopfert
habe, so, wie man es aus verschiedenen Baalskulten der vorderorientalischen
Heidenvölker kannte. Das Menschenopfer für die Sonne kennen auch die alten
Völker Amerikas. Am Ende vollzog der Kaiser als Verkörperung des Sol/Elagabal
eine für römische Vorstellungen frevelhafte Hochzeit mit einer zur
Jungfräulichkeit verpflichteten römischen Vesta-Priesterin, die dabei
ihrerseits die Mondgöttin „Luna/Urania“ verkörpern sollte, um auf diese Weise
göttlich-kaiserliche Kinder zu zeugen. Historiker diskutieren heute darüber,
was von diesen Beschreibungen wahr und was übertrieben sein dürfte. Dennoch
weisen auch die Übertreibungen auf ein bestimmtes, „wahrgenommenes“ Profil
dieses Kultes hin.[2]
Nach der Ermordung Kaiser Elagabals
scheint seine spezifische, „perverse“ Ausrichtung des Sonnenkultes wieder
zurückgegangen zu sein. Es ist aber festzuhalten, dass der exzessive Sonnenkult
zu Menschenopfern, sexuellen Perversionen und Missbräuchen führt.
Der Sonnenkult blieb trotz der
Abwehr der stadtrömischen Bevölkerung gegen diesen Exzess eines ungeliebten,
fremdstämmigen Kaisers populär und wurde immer weiter ausgebaut in diesen
ersten nachchristlichen Jahrhunderten, solange die junge Kirche noch keine
weltliche Macht errungen hatte.
Kaiser Gordian III. (238—244) ließ
sich auf Medaillons abbilden als Empfänger des Erdkreises durch den Sonnengott.
Es wird heute oft leichtfertig bzw. ideologisch festgelegt gesagt, diese runden
Gebilde stellten den „Globus“ dar. Dies ist jedoch aus der römischen Literatur
nicht ersichtlich. Der „orbis terrarum“, der bewohnte Erdkreis, wird
definitiv als Kreis, nicht als Kugel, vorgestellt, will aber auch keinen
kosmischen Körper, sondern das abbilden, was man kennt und überschauen kann,
das, was ein „Rundblick“ ermöglicht. Der Rundblick endete an den Grenzen des römischen
Eroberungsgebietes.
Dieses Bild ist aufschlussreich,
weil es uns noch keine bestimmte kosmologische Auffassung vorlegt, die sich
erst später entwickelte: Gott ist die Sonne, bzw. die Sonne ist Gott, der
unbesiegte Gott, die Welt ist ihm unterworfen, und er hat auf der Welt einen „vicarius“,
dem er die Weltherrschaft übergibt, quasi als „caput mundi“. Die Welt
wird dabei rund vorgestellt, als ein zweidimensionaler Kreis.
Kaiser Aurelian schließlich erhob
274 nach einem Sieg, den er dem Sonnengott Elagabal/Sol zu verdanken glaubte,
die Sonne zum „dominus Imperii Romani“ („Herrn des Römischen Reiches“),
dem er, ähnlich wie einst Kaiser Elagabal, einen dominanten Staatskult
einrichtete. Die neue Sol-Tempelanlage wurde am 25. Dezember 274 geweiht, dem erst
im Jahr 354 literarisch nachweisbaren Geburtstag Sols, als „dies natalis
Solis invicti“, in demselben Zeitraum, in dem auch das Weihnachtsfest auf
dasselbe Datum gelegt wurde, und dieser Sol-Tempel besaß eigene „pontifices
Solis“.[3] Die Kaiser
stellten sich fortan als Söhne des Sonnengottes dar, oder sie ließen sich in
Begleitung des Sonnengottes abbilden. Aurelian ließ sich als erster nicht mehr
wie die früheren Kaiser mit dem Herrschaftsinsignium des Lorbeerkranzes
abbilden, sondern mit einer Sonnenstrahlenkrone, die das Vorbild für spätere
(Strahlen-)Kronen wurde. Ebenso zeigen uns Darstellungen des Sonnengottes „sol
invictus“ ab dem 3. Jh den Gott als Jüngling mit Nimbus, siebenstrahligem
Kranz und gelegentlich auch der Quadriga, dem Sonnenwagen. Die Verbindung von
Sonnennimbus, Aureole und Krone nimmt hier für das Abendland seinen
Ausgangspunkt.
Konstantin der Große verstärkte
diesen Kult und ließ sich im 4. Jh als „sol invictus“ abbilden.
Kaiserliche Billigung fand auch der
Mithraskult, der seinen Gott Mithras als „sol invictus Mithras“
bezeichnete. Mithras wurde mit einer Zipfelmütze oder aber derselben
Strahlenaureole wie Sol dargestellt. Konstantin war ein großer Verehrer des „sol
invictus“. Mit ihm zugleich verehrte er den griechischen Sonnengott Apollo,
dessen Bedeutung in der Spätantike mit den umliegenden Sonnenkulten ebenfalls
gewachsen war.
Mit dem Aufkommen des Christentums
als Staatsreligion unter Konstantin wurde der Sonnenkult geistig nicht
überwunden, sondern hielt mit der Erhebung des Christentums zur Staatsreligion
Einzug in die christliche Vorstellungswelt, wenn auch in einer Transformation,
die nicht leicht zu durchschauen ist. Konstantins Monotheismus war Sol-Kult und
Sonnenchristliches in einem. In einer gewissen Weise wiederholte sich die
Auseinandersetzung des alten Israel mit den umgebenden heidnischen
Sonnenkulten, verlief diesmal, in der Zeit der Kirche, aber ungünstiger. Wie
sehr Israel auch immer den Baalen gedient hatte, dieser Baalsdienst konnte
keinen bleibenden Niederschlag in der Theologie erreichen, sondern dessen
Gegenteil, die lebhafte Verurteilung durch die Propheten. In der christlichen
Theologie ist das wesentlich problematischer, wenn auch auf eine schleichende
Art und Weise. Es erhoben sich keine wortgewaltigen Propheten wie einst, die
vor einer Vermischung warnten. Man griff im Gegenteil auf heidnische
Prophetinnen zurück, die alle Apollo-Priesterinnen waren, nämlich die
„Sibyllen“. Die Visionen der Sibyllen, also der Sonnengottpriesterinnen, gingen
neben den griechischen Philosophen als „heidnische Vorläufer auf Christus hin“
in das Inventar der christlichen Vorstellungswelt ein.
Das Geburtsfest Christi war — wie
gesagt — auf den Geburtstag des Sonnengottes gelegt worden. Ebenfalls
scheint die Verlegung des Schabbats, des siebten Tages, der an die
Schöpfungsruhe Gottes erinnern sollte nach der Schrift, den Gott gesegnet und
für heilig erklärt hatte (Gen 2, 3), noch unter Konstantin auf den heidnischen „dies
Solis“, den „Tag Sols“ geschehen zu sein, dies aber unter dem unklaren
Verweis darauf, das sei der Tag der Auferstehung des Herrn, der nach der
Rechnung der Genesis der 1. Tag der Woche und nicht der 7. Tag ist. Merkwürdigerweise
hat sich die Kirche nicht die Mühe gemacht, darüber nachzudenken, was es
bedeuten könnte, dass der Herr am 1. Tag auferstanden ist und änderte lieber
eigenmächtig den von Gott selbst verfügten Schöpfungsruhetag um einen Tag
voraus.
Erinnern wir uns daran, was der
Herr am ersten Tag der Schöpfung schuf?
Er sagte dem Licht, es solle
werden! Das Schöpfungs-Urlicht, das von ihm kommt, nicht von der Sonne, denn
die Sonne hat ihr Licht von dem geschaffenen Licht, das von Gott kommt.
Wir werden später diese fehlende
Reflexion ein wenig nachholen.
Zum Glück hat die Kirche nie
aufgehört zu bekennen, dass Gott Licht ist, unerschaffenes Licht! Aber sie
umkleidete und durchsetzte sich mit heidnischen Sinnbildern, die unlösbar
verbuken mit dem eigentlichen Sinn der frühchristlichen Traditionen und damit
bald nach der Apostelzeit den Grundstein für die kommenden Verwirrungen bis
heute legten.
Der Verdacht, dass mit Konstantin
bereits die Prophetie Daniels (7, 25) eingetroffen sein könnte, dass der Mensch
des Verderbens (Antichrist) die Zeiten und das Gesetz ändern würde, ist in der
christlichen Welt nie zur Ruhe gekommen, eben weil der 7. Tag von Gott von
Anfang an angeordnet worden und für heilig erklärt worden war, als fester
Bestandteil der göttlichen Schöpfungsordnung anzusehen ist. Eine Kirche, die
bei anderen Dingen, etwa einer nirgends ausdrücklich verbotenen Priesterweihe
der Frau (die ich aber nicht befürworten will), so deutlich und geradezu
verbissen an ihrem „non possumus“ festhält, hatte merkwürdigerweise
keinerlei Probleme damit, eigenmächtig einen von Gott selbst festsetzten
Ruhetag nicht nur zu verschieben, sondern auch noch inhaltlich umzudeuten. Das
ist ein unheilvoller Widerspruch. In jedem Fall kann eines bemerkt werden: mit
der Auflösung des siebten Tages als dem Tag der Gottesruhe, in die wir eingehen
dürfen, hat die Kirche sich selbst der Ruhe beraubt…
Viele hingen in der
nachkonstantinischen Zeit beiden Religionen an, dem neuen Glauben der Christen
und dem Solkult, was sicher dem wachsenden Christianisierungsdruck geschuldet
ist, der unüberzeugte Menschen zu einem Glauben drängte, dem sie innerlich
nicht anhingen. Sie gingen zum Petersdom und verneigten sich dennoch danach vor
dem Sonnengott. Dies wird etwas von Leo dem Großen im 5. Jh beklagt. Berühmte
Darstellungen zeigen, dass man zu dieser Zeit bereits Christus mit
offenkundiger Billigung der Kirche als „sol invictus“ dargestellt hat.
Im 20. Jh fand man die Vatikanische Nekropole aus dem 3./4. Jh wieder, in der
Christus auf einem Wandmosaik als Sonnengott mit allen Attributen, die Sol
gebühren, abgebildet ist: mit Gloriole, Strahlenkranz, dem Sonnenwagen und dem
Erdkreis in der Hand.[4]
Die nie verstummten Vorwürfe an die
Kirche, sie habe den Sonnenkult fahrlässig mit der Christusverehrung vermischt,
um möglichst viele Menschen in ihr Boot zu locken, müssen hier nicht extra
wiederholt werden. Sie sind in keinem Fall einfach von der Hand zu weisen. Die
Frage ist eher, was diese Vermischung zur Folge gehabt hat und weiterhin hat.
Doch bevor ich dieser Frage nachgehe, möchte ich einmal nachsehen, ob denn die
Hl. Schrift eine ausgeprägte Sonnenmetaphorik für Gott oder Christus kennt:
Gott und Sonne im Alten und
Neuen Testament
Das Alte Testament kennt eine
Sonnenmetaphorik für Gott nur am Rande. Wiederholt wird eine Sonnenverehrung
als Götzendienst verurteilt (Numeri 4, 19; 2. Kön 23, 5 + 11). Sonnengötter
verehrten die Heiden, und Israel wurde aus deren Gedankenwelt herausgelöst:
Ägypter (Ra/Aton), die Babylonier (Schamasch), die Griechen (Apollo), die
Ammoniter (Moloch), teilweise unter gräuelhaften Praktiken wie Kinderopfern,
gelegentlich wird der Sonnengott auch als Sonnengöttin vorgestellt (in Ugarit:
Schapschu) und erfüllt dort die Funktion der Gottheit über die Unterwelt.
Der gegen Ende des 2. Jh redigierte
babylonische Schamasch-Hymnus erinnert an spätere Christus-Hymnen der Kirche:
Die sich klar abhebenden Berge /
hat deine Glorie bedeckt, / deines Strahlenglanzes voll wurden / die Länder
zusammen. / Du bist herabgebeugt auf das Gebirge, / siehst die Erde an; / das
Rund aller Länder / hältst du in der Mitte des Himmels im Gleichgewicht. / Die
Menschen der Länder / insgesamt betreust du, / was immer Ea, der König, der
Regent, hervorbringen ließ / ist überall dir übergeben. / Die den Lebensodem
haben, / du weidest sie allzumal. (…) Der Hirt der unteren Welt, / der Hüter
der Oberwelt, / der das Licht der ganzen Welt wahrt, / Schamasch, bist du.[5]
Die Sonne wird im Alten Testament,
wie wir bereits sehen konnten, als Geschöpf „depotenziert“: sie ist eine bloße
Leuchte, das Taggestirn, das einen vorgezeichneten Lauf abwandern muss und auf
Geheiß ihren Lauf sogar unterbrechen muss, wie in der Erzählung von Joshua, der
die Sonne stillstehen hieß, berichtet wird. Mehr nicht.
Eine deutliche Zurückweisung und
Absetzung der Sonne erklingt in Salomos Weihespruch für den neugebauten Tempel:
„Da sprach Salomo: Die Sonne hat
der HERR an den Himmel gestellt; er hat aber gesagt, er wolle im Dunkel wohnen.
So habe ich nun ein Haus gebaut
dir zur Wohnung, eine Stätte, dass du ewiglich da wohnest.“ (1. Könige 8,
12 ff)
Salomo evoziert die Aussage in
Genesis 1, der Geist Gottes sei über der Finsternis geschwebt, die wiederum
über den Urfluten lag. Das, was also als Taggestirn am Himmel über den Himmel
wandern muss nach Gottes Geheiß, kann nicht derselbe sein, der sich verbirgt
und „im Dunkel“ wohnen will. Auch wird die Nacht bzw. Finsternis in diesem
Zusammenhang nicht als ein ontologisches Negativum aufgefasst, sondern als ein
Zustand, in dem das unerschaffene Licht nicht sichtbar ist. Die Sonne ist
dagegen (wie der Mond und die Sterne) förmlich ein untergeordneter Widerpart
zum Gott Israels, wegen ihrer leuchtenden, „nackten“ und „bloßen“ Sichtbarkeit
gerade nicht göttlich! Dass Salomo später selbst von dieser Sicht abfiel und
die heidnischen Götzen verehrte, ist die Tragik seiner Geschichte. Er, dem Gott
zusprach, er gebe ihm „ein so weises und verständiges Herz, dass keiner vor
dir war und keiner nach dir kommen wird, der dir gleicht“ (1. Kön 3, 12),
dieser Mann also fiel ab und diente den Baalen und ließ sogar Menschenopfer zu,
missbrauchte vermutlich seine einzigartige Weisheit am Ende seines Lebens
gänzlich negativ. Auf ihn und seine pervertierte Weisheit beziehen sich
zahlreiche Esoteriker und moderne Logen zurück. In ihm vollzieht sich die
seltsame Irrlichterei zwischen größtmöglicher menschlicher Weisheit und
Glaubensabfall.
Rätsel gibt eine Stelle im
Jesajabuch auf, in der der Prophet schaut, dass am Tag des Gerichtes die Sonne
um vieles heller scheinen wird als sonst, der Mond aber dann genauso hell wie
sie scheinen wird. Hinzukommt ein Ausbruch von Wassern, der entfernt an die
Sintflut erinnert:
„25 Und es werden auf allen
großen Bergen und auf allen hohen Hügeln Wasserbäche und Ströme fließen zur
Zeit der großen Schlacht, wenn die Türme fallen werden.
26 Und des Mondes Schein
wird sein wie der Sonne Schein, und der Sonne Schein wird siebenmal heller
sein, so wie das Licht von sieben Tagen, zu der Zeit, wenn der HERR den Schaden
seines Volks verbinden und seine Wunden heilen wird.“ (Jes 30)
Der Tag des Gerichtes wird hier
verknüpft mit einer noch helleren Erhellung des Tages und einer Aufhebung der
Nacht bzw. Finsternis, denn es ist der Tag, an dem alles Verborgene offenbar
werden soll. Die Dunkelheit ist, von da aus gedacht, eine Gnade. Sie ist nicht
„gut“ (Gott nennt am 1. Tag nur das Licht „gut“.), aber sie gewährt eine
Gnadenzeit. Läge alles im göttlichen Licht, müssten wir vergehen. Das feine Licht
des Mondes und der Sterne ist in dieser Deutung Gnadenlicht, wenngleich es auch
an manchen Nächten zeigt, dass es schonungslos stechen kann und die Kraft
hätte, die Nacht taghell zu beleuchten. Aber noch will Gott es nicht, und der
Mond hat das Geheiß nur das kühlende milde Licht zu spenden, wie wir es kennen,
so als kühle er auch das „verzehrende Feuer“ , das Gott ist, (Ex
24, 17; Hebr 12, 29) auf eine erträgliche Temperatur, das uns sofort töten
würde, wären wir ihm immer ausgesetzt..
Direkte identifikatorische bzw.
„ontologisierende“, solare Metaphorik für Gott finden wir nur ein einziges Mal
in Ps 84: „Denn Gott der HERR ist Sonne und Schild.“ Aber selbst diese
Schriftstelle ist eindeutig nur sinnbildlich, etwa so, wie wenn man sagt „Du
bist mir Heimat und Nest…“, was selbstverständlich den Angesprochenen nicht mit
einem Nest gleichsetzen will, sondern nur mit Merkmalen eines Nestes, wie
beispielsweise Geborgenheit, Wärme oder Schutz, versieht.
Sonst sind alle anderen Stellen nur
unklare Licht-Ableitungen, in denen zwar heidnische Sonnenverehrungsmotive
anklingen, aber immer dem Gott Israels, für dessen Lichtheit nur unzureichende
Bilder gefunden werden können, untergeordnet werden: der große Gott, der HERR,
ist mehr als der Glanz der Sonne. Viel mehr und ganz anderes, nicht Denkbares,
den natürlichen Menschen Vernichtendes.
Liest man dagegen Wolfgang Menzels
Lexikon der christlichen Symbolik von 1854 unter dem Stichwort „Sonne“, finden
sich keine biblischen, sondern eben die aus dem heidnischen abgeleiteten
Querverbindungen zwischen der Sonne/Sol und Christus.[6] Der Autor kann
nur wieder auf Ps 84, 12 hinweisen (vgl. Zitat oben). Sein Maleachi-Zitat (Mal
3, 20), in dem angeblich „tröstend auf ihn (Christus, Anm. HJ) hingewiesen
(wird), der aufgehen werde als Sonne der Gerechtigkeit“, ist unzutreffend.
In der besagten Stelle heißt es nicht, der HERR sei selbst die (Flügel-)Sonne
(im altägyptischen Bild der göttlichen Flügelsonne, die bis heute zahlreiche
Geheimorden und esoterische Bünde, auch in der Kirche, als Logo gewählt haben),
sondern es heißt, dass denen, die den Namen des HERRN fürchten, die „Sonne
der Gerechtigkeit aufgehen wird, und ihre Flügel Heilung bringen werden“.
Die Sonnenmetaphorik wird hier nicht auf der Seinsebene mit Gott identifiziert,
sondern zwei seiner Attribute werden mit einer Sonnenmetaphorik ausgedrückt,
anschaulich gemacht, aber nicht identifiziert: die Attribute der Gerechtigkeit
und der Heilwirkung Gottes.
Menzel erzählt, dass auf
Konstantins Münzen der Sonnengott mit Kreuz dargestellt werde, und die
Manichäer es gewesen seien, die Christus vollständig mit dem Sonnengott
identifiziert hätten. Ansonsten bleibt ihm nur die nach der Spätantike
fortgeschrittene westkirchliche Metaphorik. Das Bild von der apokalyptischen
Frau, die „mit der Sonne umkleidet“ ist (Apk 12), lässt er aus,
berichtet aber korrekt, wie häufig in der vor allem neuzeitlichen kirchlichen
Symbolik die Sonne auftaucht.
Die wundersame Sonnenvermehrung
in Kirche und Geheimgesellschaften nach dem Tridentinum
Natürlich hat die Kirche nie
behauptet, dass Christus identisch mit der Sonne sei, aber die symbolische
Darstellung Christi als Sonne nahm mit dem ausgehenden Mittelalter geradezu
inflationär überhand. Waren Sonnendarstellungen als Darstellungen des
Geschöpfes Sonne im Mittelalter meist zu Füßen Christi, stellt die neuzeitliche
Metaphorik häufig eine kaum mehr differenzierte Verbindung von Christus und der
Sonne dar. Man muss sich dabei vor Augen halten, dass auch das Heidentum nicht
einfach nur plump die Sonne für „den“ Gott hielt, sondern eine anspruchsvolle
esoterische Philosophie entwickelt hatte.
Einen Sonderfall stellt der
berühmte „Sonnengesang“ Franziskus von Assisi schon im 13. Jh dar. Diese
„Laudes Creaturarum, etiam Canticum Fratris Solis“ soll den
Schöpfer in seinen Geschöpfen loben, aber diese Deutung überzeugt mich nicht,
wenn ich mir den Text ansehe. In der anfänglichen Behauptung, kein Mensch könne
Gott loben, um ihn anschließend „mit“ seinen Geschöpfen zu loben (also durch
das Lob dieser Geschöpfe), wird wenigstens eine Missverständlichkeit erzeugt,
wenn sie nicht tatsächlich Gott und Natur nahezu gleichsetzt. Dabei ist es
auffallend, dass der „Bruder Sol“ hier, anders als die folgenden
genannten Geschöpfe, zwar auf das geschwisterliche Niveau des Menschen gehoben
ist, daneben in Anrede und Amt und der Ausweisung als „besonders“ als Ausdruck Gottes behandelt wird:
„Gelobt seist du, mein Herr, mit
allen deinen Geschöpfen,
besonders dem Herrn Bruder Sonne,
der uns den Tag schenkt und durch den du uns leuchtest.
Und schön ist er und strahlend in großem Glanz:
von dir, Höchster, ein Sinnbild.“
besonders dem Herrn Bruder Sonne,
der uns den Tag schenkt und durch den du uns leuchtest.
Und schön ist er und strahlend in großem Glanz:
von dir, Höchster, ein Sinnbild.“
Franziskus nennt den Sol „Herrn“,
während er alle anderen Geschöpfe als einfache Brüder und Schwestern anspricht,
ohne Herrentitel. Sol tritt sprachlich so auf wie gemeinhin Jesus Christus als
unser „Herr“ und „Bruder“. Sol ist bei Franziskus analog zum „Gottmenschen“
Jesus ein „Gottgeschöpf“, „durch den“ Gott uns leuchtet. Es ist einigermaßen
verwegen, so etwas zu behaupten. Gott leuchtet uns wahrlich nicht durch den
„Bruder Sol“ — wo steht das, und wann hat die Kirche bis dato dergleichen je so
gelehrt? Mystiker der selben Jahrzehnte haben jedenfalls strikt solche Ideen
abgewiesen!
Be Franziskus überlagert sich die
Macht der Sonne mit der Gottes. Bei allen anderen Geschöpfen, die Franziskus
besingt, wird die „Hierarchie“ zwischen Schöpfer und Geschöpf jedoch
eingehalten. Das stößt einem aufmerksamen Leser auf.
Die reformierten, aber auch die
katholischen Kirchenlieddichter haben unzählige Texte geschaffen, in den
Christus identisch mit der Sonne zu sein scheint, so, wie ein Zwilling mit dem
anderen. „Sonne der Gerechtigkeit“, „Jesus, ew’ge Sonne“, „O Jesus meine
Sonne“, „Gottes Liebe ist wie die Sonne, sie ist immer und überall da“,
oder eine Erstkommunionfeier aus dem Erzbistum Köln unserer Tage, in deren
Faltblatt folgendes steht: „Unsere diesjährige Kommunionfeier steht unter
dem Symbol der Sonne. Die Sonne selbst ist Jesus Christus und auf den Strahlen
leuchten ihnen (sic!) unsere Kommunionkinder entgegen.“[7] Teresa von
Avila dichtete im 16. Jh: „Christus, die große Sonne, erlischt keinem für
immer, den sein Strahl einmal durchleuchtet. Er ist vergraben im umwölktesten
Herzen, und es kann stündlich geschehen, dass er aufersteht."
Und diese Metaphorik angesichts
einer Prophetie darauf, dass die Sonne nicht nur schon beim Tod Jesu, sondern
am Ende der Tage gänzlich und für immer ihren Schein verlieren wird und mit der
Schöpfung durch Feuer vernichtet wird, so sehr, dass davon „nichts mehr
gefunden wird“ (2. Petr 3, 8ff)! Es ist merkwürdig, dass selbst die größten
Heiligen nicht verstanden haben, dass die geschöpfliche Sonne niemals ein
echtes Symbol für Jesus sein kann, weil sie vergehen muss und ihr Licht nur von
einem anderen empfängt, wohingegen unser Herr doch „Licht vom Licht“ ist, vom
unerschaffenen Licht als Wesen, wie wir bekennen!
In der anthroposophischen Denkweise
erscheint Christus ebenfalls als Sonne iS eines ätherischen Wesens, einer
geistigen Kraft. Rudolf Steiner erklärte in einem Vortrag 1922:
„Und so gab es eine Stufe der
menschlichen Kulturentwickelung, in welcher die Initiierten in der Sonne ein
göttlich-geistiges Wesen sahen, dann diejenige Stufe, in welcher die
Initiierten in der Sonne Kräfte sahen, die da wirken, und eine dritte Stufe, in
welcher die Initiierten nurmehr die Wirkungen des Sonnenwesens im Äther der
Erde sahen.“[8]
Steiner kommt auf Julian den
Apostaten zu sprechen, der diese drei Sonnenaspekte entdeckt und verinnerlicht
habe:
„Julian Apostata sagte, daß die
Sonne drei Aspekte habe: einen des irdischen Äthers, einen des
dahinterstehenden Himmelslichtes und der chemischen und Wärme oder Feuer- und
Lebenskräfte, und einen Aspekt ganz geistiger Wesenheit. Dafür wurde er
hinweggeräumt.“
Steiner beschreibt hier die
geistige Deutung des Sonnenkultes. Dieser Kult ist jedoch, denkt man dies genau
zu Ende, mit dem zitierten Christus-Sonnensymbol-Denken großer christlicher
Denker und Heiliger ähnlich bzw identisch.
Warum bemerken sie das alle nicht?
Wer war dieser Julian Apostata?
Julian war ein Kaiser des 4. Jh,
der die alten Kulte wieder zuließ und Christen verfolgt haben soll.[9] Von Arianern
zum Christen erzogen, fiel er als Erwachsener wieder zum Heidentum ab. Im
Zentrum seines Glaubens stand Helios, der Sonnengott, aber auch die Verehrung
der „Großen Mutter“, der „Magna Mater“. Steiners Entwicklungsmodell, das so
sehr unseren gängigen religionsgeschichtlichen Vorstellungen nachgezeichnet
ist, nur etwas „esoteriklastiger“, ist vielleicht abwegig insofern, als hier
weniger Höherentwicklungen einer geistigen Erkenntnis geschehen sind als sich
nur eines, dies aber sehr präzise, spiegelt: der Sonnenkultus war niemals primitiv
oder unterentwickelt, sondern immer ein ausgeklügeltes, anspruchsvolles
religionsphilosophisches Konstrukt. Dieses Konstrukt wurde nicht verworfen,
weil es so „unterentwickelt“ war, sondern weil es hochentwickelt und dennoch
einen falschen Gott, einen Widergott verehrte — aus der Sicht der
israelitischen Tradition.
Immer und überall trat der Gott
Israels ihm in den Weg, nicht anders als die Erfüllung der Prophetie, Jesus
Christus, dessen Kommen mit einer Sonnensymbolik kaum vereinbar ist, wenn man genauer
hinsieht. Das NT kennt dagegen nur ein echtes Real-Symbol für den Sohn Gottes:
das makellose (Opfer-)Lamm.
Die fremde Sonnensymbolik für den
HERRN aber griff, wie gesagt, um sich, mehr und mehr. Der Vorbau waren die
Konstantinischen Akzente. Ulrich Lambrecht schrieb über die umfangreiche
Forschungsarbeit Martin Wallraffs bezüglich Konstantins:
„So zeigt er (Wallraff) an den
einschlägigen Berichten über die Lichtvision im Jahre 310, den Nachrichten im
Zusammenhang mit der Schlacht an der Milvischen Brücke, am Konstantinsbogen, an
der Münzprägung und am Sonntagserlaß, daß auch im "christlichen Kontext
der Weg zu einer solaren Interpretation offengehalten wird" (S. 129),
anders ausgedrückt: "Es handelt sich um den Versuch, die Sonnenreligion so
ins Abstrakt-Diffuse zu weiten, daß auch das Christentum unter dem Dach einer
solchen einheitlichen religiös-politischen Staatsideologie noch Platz finden
konnte".[10]
Das christliche Mittelalter ist
einerseits noch oder bereits erneut durchsetzt von einer gewissen
Sonnenreligion, setzt sich andererseits dagegen deutlich ab.
Die mystische Theologie sagt es mit
Nachdruck: Gott kann nicht außerhalb des Menschen „gesehen“ werden. Sein Licht
erfährt man ausschließlich in der Dunkelheit der eigenen Seele. Meister
Eckhardt (13./14. Jh) schrieb:
„Wenn Gott in dir göttlich
leuchten soll, dann fördert dich kein natürliches Licht, es muss vielmehr zu
nichts werden. Dann kann Gott mit seinem Licht in dich hinein und in dir
leuchten, und er bringt alles mit, was dir ausgegangen ist, und tausendfach und
mehr.“[11]
Eine entsprechende Theologie des „Taborlichtes“,
des unerschaffenen Lichtes Gottes, das im Herzen aufstrahlen kann jenseits
äußerlicher Leuchten, kennt die Orthodoxie des Ostens seit dem 12. Jh.
Eine erste Inanspruchnahme des
Papstes (nicht mehr des Kaisers!), selbst die Sonne zu sein, findet sich bei
Nikolaus I. (9. Jh):
„Contra illos nimirum, qui
beatissimi apostulorum principis Petri eiusque successorum luculentissimam
doctrinam sedemque spernentes, quem Dei filius in sancta ecclesia sua tamquam
luminare maius in coelo constituit, veluti quidam scorpiones palantes incedunt
in meridie, et cum adhuc dies est, occidit eis sol.“[12]
Der Machtanspruch des Papsttums,
das sich selbst ungeniert mit der Sonne gleichsetzte, setzte jedoch erst im 11.
Jh deutlicher und häufiger ein. Gregor VII. (11. Jh) vergleicht in der
Auseinandersetzung von Papst- und Kaisertum in einem Brief an William the
Conquerer die Rolle des Papsttums mit der der vorangehenden Sonne und die des
Kaisers mit der des Mondes.[13]
Und auf der Website der Deutschen Bischofskonferenz konnte man in einem kurzen
Text über Innozenz III. (12./13. Jh) auch noch hier und heute unter der
Überschrift „Der Papst, der die Zukunft träumte" (!) lesen:
„Wie schon Gregor VII., der den
deutschen Kaiser zum Gang nach Canossa drängte, unterstrich er den Vorrang der
bischöflichen vor der weltlichen Macht: "Wie der Mond sein Licht von der
Sonne erhält ..., so erhält die königliche Gewalt von der päpstlichen Autorität
den Glanz ihrer Würde", betonte er in einem Brief wenige Monate nach
seiner Wahl.“[14]
Doch gehen wir noch einmal zurück:
eigentlich hatte man das Symbol der Sonne, was im Rahmen des alten heidnischen
und weltweiten Sonnenkultes, schon problematisch genug ist, Christus
zugeordnet, wenn auch nicht ontologisierend. Sehen wir, ob etwa die
mittelalterlichen Mystiker die Sonne als Christus-Symbol einsetzten:
Bei Gertrud von Helfta (2. Hälfte
13. Jh) ist zwar eine Sonnenmetaphorik zu hören, aber eine, die zu gering ist,
um den Aufgang Jesu Christi in der Seele zu beschreiben:
„O ewiger Sonnenstillstand,
sichere Bleibe, Ort der vollauf entzückt, Paradies ewiger Freuden…“[15]
Die innere Erleuchtung wird zwar durch
das Symbol der Sonne beschrieben, aber nur insofern, als der HERR deren Wesen
als Geschöpf in seiner Wahrheit vollkommen übersteigt:
„Daß dann von dir, der wahren
Sonne,
ersprießen sollen die Blüten
und die Früchte meines geistlichen Fortschritts.
Voller Erwartung erwartete ich dich.“[16]
ersprießen sollen die Blüten
und die Früchte meines geistlichen Fortschritts.
Voller Erwartung erwartete ich dich.“[16]
Jesus Christus ist dabei
unauslöschliches Licht, für den sich nur unzureichende natürliche Lichtsymbole
finden lassen. Die geschöpfliche Sonne ist also nur ein „unwahres“ Bild für
sein wahres Licht.
Bei Mechthild von Magdeburg (13.
Jh) ist Gott „fließendes Licht“, das zwar gelegentlich mit der Sonne
undeutlich metaphorisch verbunden wird (Gott: „Wenn ich scheine, musst du
gluten“. Oder: Seele: „Du leuchtest in meiner Seele/Wie die Sonne auf
dem Golde…“,[17]
aber umgekehrt spricht ebenso Gott selbst die Seele als „Sonne“ an:
„Du schmeckst wie eine
Weintraube,
du duftest wie ein Balsam, du leuchtest wie die Sonne,
du bist ein Wachstum meiner höchsten Minne.“[18]
du duftest wie ein Balsam, du leuchtest wie die Sonne,
du bist ein Wachstum meiner höchsten Minne.“[18]
Mechthild kommt damit der
Frauensymbolik in Apk 12 nahe, die aber die Sonne als Kleid des von Gott
geliebten Menschen meint, der andersherum aber auch selbst zu dessen Kleid
wird. Mechthild geht so weit, den Bräutigam-Gott sagen zu lassen über die
Braut-Seele: „Du bist ein Licht der Welt…“ Worauf die Braut antwortet: „Du
bist ein Licht über allen Lichtern…“[19]
Mechthilds Licht-Metaphorik für die Seele wurde uns in den Evangelien als Rede
Jesu überliefert (Mt 5, 14). Die mystische Theologin bleibt folglich im
biblischen Bild des Lichtes für Gott, wie wir es im Johannes-Prolog finden und
scheut vor einer allzu großen Annäherung an eine Gestirnemetaphorik deutlich
zurück. Eher wendet sie die Sonnenmetaphorik auf die Seele an, denn in der
biblischen Vorstellungswelt schöpft die Sonne ihr Licht vom Urlicht Gottes,
weil Gott sie zu leuchten heißt, nicht weil sie selbst es könnte… Die
Hierarchie oder das Papsttum spielen in ihrer Gedankenwelt kaum eine Rolle.
Anders liest es sich zunächst bei
der 200 Jahre früher wirkenden Hildegard von Bingen (11. Jh), die sich in einer
Vision vielleicht am weitesten in der metaphorischen Identifikation des
Gottessohnes mit der Sonne vorwagt, davon aber auch wieder abweicht. Bei ihr
findet man auch tatsächlich, passend zu den Machtansprüchen der Hierarchie,
erste Lichtmetaphern für die „Apostel“:
„Betrachte die Sonne, den Mond
und die Sterne. Ich habe die Sonne gemacht, auf daß sie leuchte am Tag. Den
Mond und die Sterne habe Ich gebildet, damit sie Licht geben in der Nacht. Die
Sonne bedeutet meinen Sohn. Wenn die Nacht zu Ende geht, erhebt sich die Sonne
und erleuchtet die Erde. (…) Der Mond versinnbildlicht die Kirche, die meinem
Sohn in wahrer, heiliger Brautschaft vermählt ist. Wie der Mond beständig
wächst und abnimmt, aber nicht aus sich selber brennt, sondern sein Licht an
der Sonne entzündet, so ist auch die Kirche in stets wechselnder Bewegung.“[20]
Das Zu- und Abnehmen der Kirche
vergleicht sie mit der schwankenden Glaubensbewegung vieler Gläubiger. Ihr Bild
erfährt jedoch einen Bruch, als sie fortfährt:
„Deshalb siehst du, wie
schneeweißer, kristallener Glanz das Weib vom Scheitel bis zur Kehle
umleuchtet. Das ist die Lehre der Apostel, die die blendender Weiße strahlende
Inkarnation dessen verkündet, der als der starke, helleuchtende Spiegel aller
Gläubigen vom Himmel in den Schoß der Jungfrau hinabgestiegen war. Dieses Licht
umstrahlte die Kirche (…).“ [21]
Es nimmt sich merkwürdig aus, dass
der Sohn Gottes nur durch die schwache Sonne abgebildet wird, während die Lehre
der Apostel über die „Inkarnation“ des HERRN im Bild über ihn als blendende
Weiße hinaussteigt. Das Bild ist eigenartig, führt uns aber direkt in den Bruch
der Metaphorik: war die Kirche eben noch „nur“ Mond, wandelt sich das Lehramt
zum gleißenden Licht und die „unbesiegte Kirche“ zu einer Art Sonnenkugel:
In ihrer Vision nimmt sie
denn auch die Schar der Gläubigen „leuchtender als die Sonne“, die für
Christus, der doch in der Sonne ausgedrückt sei, steht (!), wahr. Die
apokalyptische Frau „amicta sole“ (von der Sonne umkleidet) aus Apk 12
ist bei Hildegard folglich nicht von Christus selbst umstrahlt, sondern von der
„blendend weißen“ Lehre der Apostel über IHN, die in der Bildlogik
außerhalb der Frau stehen müssten. Die Leuchtkraft der Lehre speist sich aus
dem in der Lehre inkarnierten Herrn. Das ist in sich inkonsistent und offenbart
die Gratwanderung, die die Licht- und Sonnenmetaphorik bedeutet, nach den
merkwürdigen Amalgamierungen in der christlichen Spätantike zwischen Sonnenkult
und Christusglauben, aber auch einer lebhaften Auseinandersetzung mit
griechischer und ptolemäischer Kosmologie, erneut. Merkwürdig ist auch die
Ansicht, Jesus Christus sei ein „hellleuchtender, starker Spiegel aller
Gläubigen“ angesichts der Tatsache, dass er in der Schrift das vollkommene „Abbild
des Vaters“ und nicht der Menschen ist. Er bildet nicht die Gläubigen,
sondern in vollkommener Weise den Vater ab. Strahlen die Gläubigen denn nicht
umgekehrt eher den Glanz Christi wider, wenn man das NT liest? Oder meint
Hildegard hier etwas anders?
Oft wird behauptet, Hildegard habe
bereits die moderne Kosmologie „geschaut“ und beschrieben. Das ist mindestens
so fragwürdig wie die Behauptung, der alte Gott Sol werde mit einem „Globus“
(Erdball) dargestellt. Ebenso wie Sol mit einer Scheibe, die für den Erdkreis
steht, der aber nicht astronomisch verstanden sein will, dargestellt wird,
ebenso beschreibt Hildegard nicht das heliozentrische System oder alle daraus
folgenden Ableitungen auf das All. Auch sie sieht nach einem Exkurs in die
gängige mittelalterliche Vorstellung vom Kosmos als „Ei“ mit mehreren Hüllen in
„Scivias“ an anderer Stelle das Weltgefüge als „Rad“, in dessen
Zentrum der Mensch steht. Das All ist für sie gewissermaßen ein „lebendiger
Organismus (Gottes)“. Der Mensch bildet als Mikrokosmos den Makrokosmos ab.
Daraus folgt grundsätzlich, dass auch die Sonne nur ein Nebengestirn ist, wenn
auch ein großes, und die Inkonsistenz in Hildegards Licht-Bildsprache hat auch
darin ihren Grund.
Dennoch muss man fragen, wie
Hildegard zu der Vorstellung kommt, der Mond entzünde seinen Schein an der
Sonne, und wie genau sie das meint. Man ist versucht, die moderne Meinung, der
Mond reflektiere Sonnenlicht, anzunehmen. Das geht allerdings aus ihren Sätzen
nicht wirklich hervor. Man sollte hier vorsichtig sein. Obwohl sie also, wie
zitiert, die Kirche mit dem Mond identifiziert, ordnet sie an anderer Stelle im
selben Buch „Scivias“ die Kirche einem Glutball zu: „Darum siehst du
auch in dem Äther eine sehr große, weißglänzende Feuerkugel. Sie
versinnbildlicht in wahrer Schau die unbesiegte Kirche…“[22]
Hier taucht der Begriff der „unbesiegten Kirche“ auf, der „ecclesia invicta“,
die begrifflich dem „sol invictus“, dem Sonnengott bzw automatisch dem
weltlich seit dem 4. Jh doch zu Macht gekommenen Jesus Christus zugeordnet
wird. Das Bild eines Mondes, der sich am Licht der Sonne entzündet, dann aber
selber brennt, bleibt hier unklar. Verzehrt er sich als Feuerball selbst, oder
ist es eine andere Art des Leuchtens? In jedem Fall ist die Kirche ein selbst
brennender Feuerball, der nicht nur Licht reflektiert. Hildegard relativiert
diese Selbstfeurigkeit jedoch durch einen Einwand, den sie sofort folgen lässt:
„Und wie deutlich sichtbar über
der Kugel zwei Leuchten stehen, die sie halten, auf daß sie die ihr
vorgezeichnete bahn nicht überschreite, so ziehen zwei Testamente, von oben
stammend — das Alte und das Neue — die Kirche zu den göttlichen Vorschriften
der himmlischen Geheimnisse empor. Sie geben ihr Halt, damit sie nicht im
Wandel wechselnder Sitten sich verderblich auslasse. Denn beide, der Alte wie
der Neue Bund, bezeugen ihr die Seligkeit des himmlischen Erbes.“
Hier nun nehmen an die beiden
Leuchten im Genesisbericht erinnernd das AT und NT wie Sonne und Mond
wegweisende Funktionen für die Kirche ein. Man erkennt auch hier unschwer, dass
Hildegards Schau keine echte Kosmologie entwerfen will, sondern kosmologische
Metaphern für spirituelle Gegenstände wählt, die teils der gängigen
mittelalterlichen Weltsicht, teils der Hl. Schrift entlehnt sind, der Kirche
aber an sich doch recht deutliche Grenzen setzen und von einer
überstrapazierten Unfehlbarkeit der Kirche selbst oder gar des Papstes nicht im
Entferntesten etwas wissen, vielmehr dem später zunächst von der Reformation
weiter getragenen Schriftprinzip erheblich näher zu stehen scheinen. Dies ist
hier nur ein Nebenaspekt, aber er ist interessant und wirft einige Fragen
hinsichtlich der später verabsolutierten scholastischen Philosophie und der
Selbstvergöttlichung der Hierarchie vor der Kirche im Ganzen auf, denen
hier freilich nicht weiter nachgegangen werden kann.
Wir erkennen aus der
mystisch-theologischen Literatur, dass sie sich in anderen Sphären direkter
persönlicher Christusbeziehung bewegt, als es das aufsteigende Papsttum
anerkennen wollte.
In jedem Fall erkennt man an diesen
wenigen Beispielen mittelalterlicher mystischer Theologie, dass das Mittelalter
weder finster noch zurückgeblieben war. Es ist unmöglich, hier alles zu
referieren, was bezüglich der Kosmologie entwickelt wurde. Verwiesen werden
soll noch auf die merkwürdige Schrift „De luce“ (Vom Licht) von
Grosseterre aus dem 13. Jh, die auf der Basis antiker Astronomie eine
eigenständige Kosmologie entwirft. Wer sich mit solchen Texten befasst,
entdeckt, dass das Weltbild des heutigen Menschen eng und begrenzt ist und sich
den Weg zu der Erkenntnis, dass das All vielleicht ganz anders sein könnte, als
wir denken, vollkommen versperrt hat, dabei aber in einer verwegenen Arroganz
seine eigenen Phantastereien über den Kosmos, die auf unbeweisbaren Axiomen
beruhen, immer gigantischer „berechnet“ und ausschmückt und daraus einen Mythos
geschaffen hat, dessen mythischen Charakter er nicht mehr erkennt. Im Spiegel
mittelalterlicher Texte steigt uns, wenn wir offen denken, jäh auf, dass die
gesamte Postmoderne sich möglicherweise selbst in einem gewaltigen Aberglauben
verfangen hat, den sie mit Wissenschaft verwechselt.
Wir entdecken seit dem Beginn der
Neuzeit trotz der mittelalterlichen „Sonnenskepsis“ vieler Mystiker eine
eigentümliche Sonnen-Vermehrung. Nicht nur der nachreformatorisch entstandene
Jesuitenorden (16. Jh) gab sich das merkwürdige Symbol der flammenden, „schwarzen“
Sonne und den janusköpfigen und christusfernen Wahlspruch „Inflammate omnia“
(Setzt alles in Flammen!), sondern auch die Monstranzen und Tabernakel wurden
plötzlich vermehrt mit Sonnensymbolen versehen. Jesus hatte niemals befohlen,
alles in „Flammen“ zu setzen, sondern „in
alle Welt zu gehen“ und „das
Evangelium zu verkünden“ (Mk 16, 15), von denen aber, die es nicht hören
wollen, stillschweigend wegzugehen und sie zu lassen (Mt 10, 14)! Angeblich
weiß man im Jesuitenorden nicht, woher das Sonnensymbol samt dem Kürzel IHS für
den Orden herkommt. Man zieht sich auf das integrierte „IHS“ zurück und dessen
mögliche Bedeutungen. Warum aber ein Strahlenkranz? Und warum ist er schwarz
gehalten und nicht vielmehr licht? Immerhin wird damit an den „Sol niger“, die schwarze Sonne, der Alchemie erinnert, was den schlauen
Jesuiten mit Sicherheit nicht verborgen geblieben war. „Sol niger“ ist nach der Lehre der Alchemie den Anstoß zu einer
Reinigung zu Gott hin und bedeutet eine „Schwärzung“ der Seele iS der Purifikation,
des Läuterungsfeuers. Zu dieser alchemistischen Vorstellung des „Sol niger“ passt auch das Motto „Inflammate omnia!“.
„Wie der Kirchengeschichtler und
Jesuit Klaus Schatz auf Anfrage mitteilt, ist das IHS nie offiziell zum „Wappen
des Jesuitenordens“ geworden. Allerdings gebrauchte es Ordensgründer Ignatius
von Loyola als sein Siegel als Generaloberer. (…) Als Siegel des Generaloberen
fand das Zeichen Verbreitung in Büchern und noch mehr in Kirchen, Altären und
Häusern der Jesuiten. Es hatte verschiedene Formen und Ausschmückungen – mal
mit Strahlenkranz, mal ohne; mal mit drei Nägeln unterm IHS, mal mit einem
Herzen, mal mit einem Halbmond, mal mit Kreuz, mal ohne alles.“[23]
Die Autorin dieser Erklärung,
Susanne Haverkamp, fügt hinzu, dass das Kürzel IHS nicht nur für „Jesus“ stehe,
sondern möglicherweise auch für „In Hoc Signo (vinces)“, also den Traumspruch
Kaiser Konstantins. Es geht um irdischen Sieg, um einen Sol invictus
Christus in diesem Äon.
Zum Aufstieg des römischen
Sonnen-Kaisertums unter christlicher Voraussetzung schreibt Karl Prumm SJ:
„Die Seele des (noch
heidnisch-römischen, Anm. HJ) Kaisers schwang sich (bei seiner Bestattung, Anm.
HJ) zu dem ihrer Natur entsprechenden Aufenthaltsort in der Höhe und im
Lichte empor. (…) Hier konnte die christliche Botschaft anknüpfen. (…) Die
christliche Botschaft umschloss eine Verklärungshoffnung, die sich aus dem
Prinzip der Verbundenheit zwischen Christus, dem Haupte der Menschheit, und den
Erlösten als wohlverständliche Folgerung ergab. (…) Die letzten (heidnischen,
Anm. HJ) Kaiser suchten besonders den Anschluss an den Mithraskult. (…)
Jedenfalls haben sie den Mithraskult und den mit ihm manchmal verschmolzenen
(…) Kult des „Sol invictus“ begünstigt. Der erste christliche Kaiser hat im
Zeichen der „Sonne der Gerechtigkeit“ gesiegt. (…) Viele äußere Formen der
Kaiserverehrung konnten im Christentum gewahrt bleiben, so der Fußfall, der
Strahlenkranz, das buntgestickte Gewand. Die christliche Lehre, dass der
Inhaber der höchsten Autorität die Rechte des allmächtigen Gottes vertrete, gab
seiner Macht einen viel stärkeren Untergrund als die Gleichsetzung mit dem
Phantom einer mythischen oder Naturgottheit, an deren Existenz doch kein
einigermaßen gebildeter Mensch mehr glaubte.“[24]
An dieser Herleitung ist eines
bemerkenswert: Prumm nimmt hier mehrere Voraussetzungen vor, deren Richtigkeit
er nirgends nachweist oder erklärt: Warum „konnte man“ äußere Formen des
heidnischen Kaisertums unter christlicher Flagge einfach so „wahren“,
und woher nimmt er Behauptung, die doch ebenfalls heidnische Ansicht, dass
Inhaber der höchsten Autorität „die Rechte des allmächtigen Gottes
vertreten“? Bemerkenswert ist diese Aufzählung aber insofern, als Prumm
damit selbst zugibt, dass die christliche oder pseudochristliche Verstärkung
der alten heidnischen Überzeugung, Herrscher kämen aus der Sphäre Gottes oder
verträten seine Rechte, den alten, ja nicht anders gelagerten Sonnenkult
gewissermaßen „explosiv“ aufgeladen haben. Die Idee einer „christlichen
Autorität“ in Person, einer „Stellvertretung“, die nicht zum Bestandteil des
neutestamentlichen Kanons gehört und auch aus ihm nicht abgeleitetet werden
kann, und deren häretische Problematik schon im AT durchdacht wird, als Israel
wie die Heiden auch einen König haben will (1. Sam 8), wird bei Prumm nicht
kritisch reflektiert. Nach 1. Sam 8 bedeutet solche „Autorität“ nach den Worten
Gottes an den Propheten regelrecht einen „Glaubensabfall“. Solche „Autorität“
wird sich immer als Ausbeuter und Verführer erweisen. Obwohl Samuel dem Volk
Israel diese Aussichten im Auftrag Gottes warnend vor Augen hält, will es einen
König haben. Gott gewährt einen König, aber die Tragik und die destruktive
Kraft des israelitischen Königtums wird uns in langen Texten dargelegt, wie die
Könige samt den Priestern das Volk zum Glaubensabfall brachten. Wenn Jesus den
Jüngern später vor Augen hält, die Fürsten in dieser Welt würden die Völker
ausbeuten und unterdrücken (Mt 20, 28) und bei den Jesus-Nachfolgern solle es
nicht so sein, knüpft er nicht nur an die alte Aussage Gottes, dass irdische
Autorität, die sich die Rechte Gottes anmaßt, immer Glaubensabfall bedeutet,
sondern auch an verschiedene prophetische Aussagen, dass Gott die Gewalt der
Mächtigen zerstören wird, dass sie vor ihm nichts ist. Nicht nur Maria singt
dies im Magnificat, sondern wir lesen es an vielen Stellen im AT. Ich greife
ein Beispiel heraus:
„22 Er ist es, der über dem
Erdenrund thront; wie Heuschrecken sind ihre Bewohner. Wie einen Schleier spannt
er den Himmel aus, er breitet ihn aus wie ein Zelt zum Wohnen.
23 Er macht die Fürsten
zunichte, er nimmt den Richtern der Erde jeden Einfluss.
24 Kaum sind sie gesät und
gepflanzt, kaum wurzelt ihr Stamm in der Erde, da bläst er sie an, sodass sie
verdorren; der Sturm trägt sie fort wie Spreu.
25 Mit wem wollt ihr mich
vergleichen? Wem sollte ich ähnlich sein?, spricht der Heilige.“ (Jes 40)
Der Anspruch also, irdische
Autorität hätte auch nur das Geringste mit dem Recht Gottes zu tun, ist nach dem
eindeutigen Schriftwort vermessen. Die Aussage Paulus’, die „Obrigkeit“ führe
zu recht und nach dem Willen Gottes das „Schwert“ (um zu richten), wird durch
all jene zahlreiche Entmythologisierung irdischer Herrschaft erheblich
relativiert und will vielleicht auch etwas ganz anderes ausdrücken: es muss in
dieser Welt Rechtsordnungen in den Gemeinwesen geben. Die Rechtsordnung aber
besteht in sich selbst und nicht aufgrund einer irdischen Person. Und sie ist
in erster Linie menschliches Recht, vom und für den Menschen, damit er (profan)
befriedet in Gemeinschaft leben kann, nicht ein „Recht Gottes“. Der, der
richtet, untersteht selbst dem Gericht. Es gibt keinen „Inhaber der höchsten
Autorität“, denn die kommt alleine Gott zu. Es wäre erst noch zu fragen, was
„Autorität“, echte „Autorität“ auf Erden heißen kann und ob ihr Charakter nicht
viel eher in totaler Ohnmacht und vollständigem Machtverzicht besteht, weil
kein Mensch aus sich selbst als „auctor“ heraus „Rechte Gottes
vertreten“ kann.
Der Gedanke der herrscherlichen
Stellvertretung Gottes oder der Götter, ist vielmehr gutes altes heidnisches
Gedankengut und Bestandteil diverser Sonnenkulte. Selbst im fernen Japan, dem
Land der „aufgehenden Sonne“, kennt man diese Vorstellung: der
japanische Kaisertitel „Tenno“ bedeutet: „Vom Himmel gesandter
Herrscher“. Er ist auch oberster Shinto-Priester. Der Mythos sieht im
japanischen Tenno den Nachfahren der Sonnengöttin, der selbstverständlich dann
auch ihre Rechte stellvertretend innehat. Nicht der angeblich christliche
„Autoritäts“-Glaube hat das Kaisertum „gepuscht“, sondern die Vermessenheit des
Gottkaisertums hat das Christentum verweltlicht und nachhaltig mit einer Wunde
versehen, von der es sich nie mehr erholt hat. Ja, wie man an Prumm sieht,
wurde daraus auch noch eine Theologie gezimmert, und dies entgegen der
biblischen Skepsis gegen irdische Macht, von der sich der Herr doch vor seinem
öffentlichen Wirken, ausdrücklich als einer Versuchung Satans distanziert hat.
In Prumms Argumentation stößt weiterhin die Arroganz ab, mit der er den alten
Sol-Glauben als etwas dem gebildeten Menschen Lächerliches abtun will.
Während mittelalterliche
Monstranzen bis weit ins 15./16. Jh hinein meist als kleine Häuschen oder
Kirchlein gestaltet waren, sind nachreformatorische Monstranzen plötzlich als
Sonnen gestaltet oder sogar als das esoterische dreieckige Sonnenauge.
In derselben Weise verwandelte sich
mit der beginnenden Neuzeit nach dem Konzil von Trient das mittelalterliche
Sakramentshäuschen, das meist wie eine kleine Kirche gestaltet ist und seitlich
im Altarraum steht, zu einem Altartabernakel, auf dem häufig ebenfalls in ganz
verschiedener Gestaltung ein Sonnensymbol zu sehen ist. Vielen frommen Katholiken
ist das nicht bewusst. Bruchlos empfinden sie den Übergang von einem
traditionellen „tabernaculum“ (also einer Behausung oder Hütte) sowohl
in den Sakramentshäuschen als auch den Monstranzen hin zu einem in aller Regel
goldenen oder wenigstens vergoldeten Sol-Götzenbild, in das die Hostie wie ein
allsehendes Auge eingelassen wird. Es ist ähnlich wie mit alten und neuen
Darstellungen des St. Nikolaus. Während bis ins 20. Jh hinein der Nikolaus
immer als farblich „rotlastiger“ Bischof mit Bischofsrobe, Hirtenstab und
Bischofsmütze dargestellt wurde, schob sich plötzlich der dicke weißbärtige
Mann mit dem roten Kapuzenmantel vor diese ursprüngliche Gestalt, und man nahm
es fraglos hin, tauschte gedankenlos die eine gegen die andere Gestalt aus,
während man ihren Gedenktag aber unter gleichem Namen weiterführte. Viele
Katholiken wissen schlicht nicht mehr, dass weder Tabernakel noch Monstranzen
dieses vergoldete Sonnendesign hatten und halten das barocke Urmodell des
Miniatur-Sol-Tempels iS des „allsehenden Auges“ für die Hostie als Ausdruck der
tradierten Frömmigkeit. Das ist jedoch mitnichten der Fall, sondern eine
neuzeitliche, nachtridentinische Entwicklung, die einen Bruch mit der
vorherigen Tradition darstellt.
Seit dem 16. Jh tauchen in der
kirchlichen Symbolik überall die „Sonnenaugen“ auf. Sie sollen angeblich die
Trinität symbolisieren. Nun ist aber dieses Symbol älter als das Christentum,
wurde in allen heidnischen Sonnenkulten benutzt, etwa im Zarathustraglauben
ebenso wie im Mithraskult, und fand sowohl im nachchristlichen Judentum als
auch im nachtridentinischen Christentum und vor allem in der Freimaurerei und
esoterischen Logen eine gewaltige, nahezu allgegenwärtige Nachfolge. Man mag
darüber denken, wie man will, aber es mutet merkwürdig an, dass die Kirche nach
1500 Jahren plötzlich ein heidnisches Sonnensymbol für Gott in sämtliche
Kirchenneubauten einführt, das sie mit Protestanten und Freimaurern, gegen die
sie doch sonst mit allen Bandagen kämpft, so exzessiv in schönster
Übereinstimmung ausprägt…
Eine esoterische Sonnenverehrung
kennt die nachreformatorische protestantische Esoterik, wie sie vor allem im Pietismus
ausgeprägt werden konnte. Man findet zahlreiche Verweise auf die spirituell
verstandene Sonne etwa im 17./18. Jh bei dem mystisch und intellektuell
hochbegabten Schuster Jakob Böhme[25],
dem evangelischen Pfarrer Friedrich Christioph Oetinger, der sich intensiv mit
der Kabbala beschäftigte und dem Sohn eines evangelischen Bischofs, Emanuel
Swedenborg, der sich ebenfalls mit der Kabbala beschäftigte.
Swedenborg war Gründer einer „Neuen
Kirche“ und neben vielem anderen einer „Entsprechungslehre“, in der er ein dem
Neuplatonismus ähnliches Emanationsmodell göttlicher Seinsstufen entwirft. Sie
Sonne ist dabei reale Entsprechung zu Christus:
„In Swedenborgs
Entsprechungslehre wird Gott (Christus als geistige Sonne geschaut) in
Entsprechung zur natürlichen Sonne gesetzt. Wie die Strahlen der natürlichen
Sonne vom Menschen als Licht und Wärme wahrgenommen werden, so werde die
geistige Sonne als geistiges Licht (die göttliche Weisheit) und als geistige
Wärme (die göttliche Liebe) in der „Welt der Geister“ erlebt. Die göttliche
Weisheit und Liebe sei Substanz und Form, welche sich in das geschaffene
Weltall ergießt.“[26]
Wie wir es von Rudolf Steiner schon
hörten, zeigt sich hier, dass der Sonnenkult nicht primitiv einfach nur die
Sonne zur Gottheit erhebt, sondern spirituell deutet.
Die kabbalistisch geprägte
Theosophie prägte sich — außer im Christentum und Judentum — als rein
okkultistische Theosophie aus und bezog östliche Lehren mit ein. Vorreiterin und
Ikone dieser Lehren war und ist Helena Blavatsky, auf die sich zahlreiche
Autoren der zeitgenössischen Esoterik stützen. Sie verschmolz westliche und
v.a. indische mystische Lehren zu einer „Neuen Weltreligion“.
Wenn man sich die Erzeugnisse ihrer
Nachfahren ansieht, entdeckt man den Sonnenkult sehr schnell. Die hochbetagte
Donna Preble schrieb 1974 im Rahmen der Theosophischen Gesellschaft in
Pasadena/Kalifornien einen Text, der im Rundbrief „Sunrise“ 2/1975
veröffentlicht wurde. Alleine schon der Beginn ihres Artikels spricht Bände:
„Als die junge Sonne ihre
kraftvollen Strahlen aussandte und damit die im Erwachen begriffene Peripherie
berührte, fing das Leben an, Gestalt anzunehmen. Die von der Sonne geborenen
winzigen Wesenheiten begannen ihre lange Reise durch Raum und Zeit. Sie
unterlagen der Veränderung, indem sie sich selbst entwickelten. Nach Millionen
von Äonen erreichte das Sonnensystem seine Urform, und die Planeten umkreisten
ihren Herrn, von dem sie stammten. Einer dieser Planeten war die Erde. Auch sie
brachte sich durch Bewegung und Entfaltung zum Ausdruck, indem sie die
Zeitalter des mineralischen, pflanzlichen und tierischen Lebens durchlief, bis
auf ihrer runden Oberfläche schließlich menschliche Wesen auftraten, deren
Leben von der Sonne abhängig war, wahre Kinder der Sonne.
Der westliche Teil dieser
unserer runden, sonnenbeschienenen Erde wird oft als die christliche Welt
bezeichnet, weil seine gesamte Kultur von der christlichen Theologie beeinflußt
und sogar beherrscht wurde. Im Anfang des vierten Jahrhunderts, zur Zeit
Konstantins, begannen die Kirchenväter mit dem Aufbau ihrer Theologie. Die
christliche Bibel wurde aus den verschiedenen Schriften zusammengestellt, die
bei den frühchristlichen Gruppen in Gebrauch waren. Dazu gehörten auch das Alte
Testament und die Schriften von Paulus. Eine Auswahl dieser Schriften diente
der Theologie als Grundlage.“
Die Autorin unternimmt eine weite
Reise durch das AT und NT und suggeriert, dass darin der alte Sonnenglaube
verschlüsselt läge. Anschließend kommt sie auf Kaiser Konstantin zu sprechen:
„Konstantin war eigentlich ein
Sonnenanbeter, und noch nach seiner Bekehrung stellte er die Sonne auch
weiterhin in den Vordergrund. Beispiele dafür sind die Einhaltung des
Sonn-Tages bei den Christen, die Prägungen auf den Münzen und die Gedanken über
die Natur Christi, die er zum Ausdruck gebracht hat. (…)
Die neue Christenbewegung
entwickelte sich inmitten einer allgemeinen Sonnenverehrung verschiedenster
Art. In den ersten christlichen Jahrhunderten - bevor die christlichen
Schriften der Sprache des Alten Testaments angepaßt wurden - war Christus für
die Christen eine symbolische Darstellung, er war die Sonne der Wahrheit, die
Sonne der Wiederauferstehung und der Erlösung. Und das ist nicht verwunderlich,
denn die Sonne ist der Lebenspender des Sonnensystems, und alle Organismen
hängen mit ihrem Wachstum und ihrer Vermehrung von ihr ab. Das Modell ihres
Wachstums entspricht dem Sonnensystem. Es ist im kleinen in der Struktur des
Atoms mit seinem zentralen Atomkern und den Elektronen, die um ihn kreisen, und
in der lebenden Zelle mit ihrem Atomkern und der ihn umgebenden inneren
Zellstruktur wiedergegeben. Da die Sonne der Vater ist, sind wir alle Kinder
der Sonne, mit der Möglichkeit, durch Entwicklung zu werden wie sie, die
"Vater-Mutter"-Gottheit unserer Existenz. (…) Wir alle sind Kinder
der Sonne, auch wenn wir noch unreif sind und noch eine lange, lange Reise bis
zur Selbstentfaltung vor uns haben, die viel Zeit, Handlung und Veränderung in
sich einschließt.“[27]
Es wäre weit gefehlt, solche
Gedanken für „primitiv“ zu halten. Sie geben vielmehr wieder, wie man auch
schon im Heidentum dachte, wie die alte Sol-Verehrung strukturiert war und
woher sich der Mithraskult herleitet.
Die Einspeisung des Christentums
(aber auch des Judentums) in diese Gedankenwelt hat noch längst nicht ihr Ende
erreicht. Wir sehen vielmehr, dass die immer intensivere Einbindung des Christentums
in die Typologie alter Sonnenkulte in vollem Gange ist und ausgerechnet mit der
Neuzeit im 16. Jh überhaupt erst richtig in Fahrt gekommen ist.
Wer meint, der Mithraskult habe
sich längst überholt und nur noch ein paar Grundmauerreste zeugten für dessen
antike Tempel, der hat sich geirrt. Der Mithraskult wird ganz offen wieder
praktiziert, nachdem er jahrhundertelang scheinbar ganz verschwunden war. Eine
öffentlich wirkende Mithras-Gemeinschaft teilt auf ihrer Website mit, dass sie
existiert und mehr als nur das:
„Mithras is the Savior God of the Light, a
Solar Deity who presides over a path for the perfection of the Soul. The
Mithraic Mysteries were practiced throughout the ancient world for centuries.
It has been said that if Christianity had for some reason died in its
infancy, the western world would have become Mithraic.“[28]
Moderne Mithraen sind assoziiert
mit Zoroastrianern, aber auch altsyrischen Sonnenanbetern, etwa den Verehrern
des Sonnengottes Yarhibol im antiken Palmyra.[29]
Der alte Sonnengott-Glaube scheint
übereinstimmend eine Funktion zu haben: nämlich die Kulturen zusammenzuführen
zu einer friedlichen Welt:
„There is much to recommend the worship of
Iarhibol as a valid religion for today. Like many of the 'monotheistic'
deities, Iarhibol stands for positive spiritual principles and knowledge. Yet
unlike monotheistic deities, Iarhibol does not demand total submission in
return for the beneficial powers over which he presides. In the ancient world
Iarhibol was honored alongside many Goddesses and Gods from various pantheons.
He may still be worshipped today as a part of one's wider spirituality.
The worship of Iarhibol offers many positive
aspects those wishing to explore the ancient religions both the
Greco-Roman world and the Near East. Iarhibol
was in ancient times called upon for his strength, light and honor, so that he
might both empower and bring spiritual growth to those honoring him. In the
world of today where Light, personal strength, and a sense of honor seem to be
becoming more rare, and where tensions have been building between the West and
Near East, the powers which Iarhibol brings to the world are more needed than
ever.“[30]
Der “Eintritt” in den Yarhibol-Kult
ist denkbar einfach: Sobald einer es will, kann er sich eine Mitgliedskarte
ausdrucken, laminieren und stets bei sich tragen:
„To make the card official simply sign your
name on the line provided. You may want to have the card laminated in plastic
and carry it with you, as a reminder of your pledge to continue the sacred work
to restore the worship of Iarhibol to the world.”[31]
Die Website ist bis dato virtuell.
Der Sonnengott-Tempel ist diese Website. Vorläufig. Aber man arbeitet an der
Rekonstruktion der alten heidnischen Religion der Spätantike, die durch das
Christentum (fast) vernichtet worden sei. Die Aussagen sind widersprüchlich.
Einerseits wurde demnach, aus Sicht des Neu-Heidentums, die alte Sonnenreligion
zerstört, andererseits wurde sie im Christentum chiffriert und kann sich, wie
Phoenix aus der Asche, aus der Kirche erheben.
Vorerst erhält der neue Gläubige
Gebetsanleitung, etwa einen dreimaligen Gebetsruf an die Sonne — stets zur Zeit
des Angelusgebets.
Anschließend wird eine „geistliche
Waffenrüstung“ des Yarhibol-Anhängers genannt, die der geistlichen
Waffenrüstung des Epheserbriefs entspricht — nur ist es Yarhibol, der hier das
Licht gibt und nicht Christus. Das geistige „Aufrüstungsgebet“ endet mit den
Worten: „I stand in the Light of Iarhibol. In the Light I am invincible, for the Sun is my
Guard and Guide.”[32]
Das Motiv der “unbesiegten Sonne” ist wieder, ganz ohne christliche
Schminke, erwacht.
Wie weit solche neuheidnischen
kultischen Gebräuche und Absichten bereits vorgedrungen sind, ist schwer zu
sagen.
Mit der Selbstidentifikation mit
der Sonne schmückten sich schon vor ein paar Jahrhunderten „aufgeklärte“ Könige
Europas. Ludwig XIV. wurde „Roi soleil“ genannt, und man griff dabei auf antike
Sonnenhuldigungen zurück. Bereits als 15-jähriger hatte er in einem
Ballettstück die Rolle der Sonne gespielt und schnell den propagandistischen
Wert des Stückes erkannt.[33]
Nach seinem Vorbild nahm sich die absolutistische Elite wahr: der Fürst die
Sonne, die Untertanen die Planeten. Auch wenn die katholische Kirche zäh an der
Legende festhielt, Ludwig XIV. habe die katholische Religion gefestigt, hat sie
vollkommen missverstanden oder schlicht vertuscht (um Schlimmeres nicht vermuten
zu müssen), dass er lediglich das Edikt von Nantes widerrufen, eine rabiate
Rekatholisierung auf oberflächlicher Ebene, ansonsten aber das Leben eines
heidnischen Fürsten gelebt hatte. Zahlreiche Mätressen und nach kirchlichen
Maßstäben illegitime Kinder, die er selbst aber als legitim anerkannte und
abfand, sprechen eine deutliche Sprache. Der Sonnenkönig lebte ausschweifend
wie seine spätantiken heidnischen römischen Vorbilder und nicht wie ein
Katholik. Stadtanlagen wie die Karlsruhes (Gründung 1715), das sich offiziell
„Fächerstadt“ nennt, erinnern auch an einen ausgespannten Zirkel und einen
gezeichneten Halbkreis um die Schlossanlage, oder aber gleich an eine
Sonnenanlage: In der Mitte das Schloss, von dessen Turm die Straßen der Stadt
strahlenförmig abgehen.
Und auch der Stadtgründer
Karlsruhes, der Markgraf Carl Wilhelm von Baden-Durlach, lebte ausschweifend
mit mindestens 40 Mätressen, deren Kinder er als seine natürliche Kinder
anerkannte und abfand. Mit diesen Königen und Markgrafen war bereits eine
massive Entchristianisierung und Repaganisierung in Gang, über die sich die
Kirche und das gesamte Abendland selbst betrog, zumal auch ihre Hierarchie
immer wieder das Leben heidnischer, ausschweifender Herren lebte und die
heidnische Geisteswelt auch in ihrer Kunstförderung wieder aufleben ließ. In
Rom zeugen zahlreiche Kunstwerke seit dem 15. Jh für die Huldigung an antike
Götter und heidnische Sichtweisen. Der Kampf Savonarolas gegen diese Rückfälle
in die heidnische Sonnenreligion in der Kirche (!) ist durchaus verwandt mit
dem Abscheu Papst Hadrians VI. gegenüber diesen Greueln im Tempel Gottes.
Savonarola wurde ermordet im Auftrag des damaligen Papstes. Ob Hadrian VI., der
nur anderthalb Jahre regierte, eines (zu frühen) natürlichen Todes starb, wurde
immer wieder in Frage gestellt. Er hatte versucht, all diese heidnischen
Auswüchse einer rigorosen Sparpolitik zu unterwerfen und damit auszutrocknen,
was ihm natürlich eher Feinde als Freunde machte.
Bis weit ins 20. Jh überlebten v.a.
in faschistischen Staatskulten diese Sonnen-Ideologien bzw feierten hier
fröhliche Urständ: eine Führersonne eint eine Galaxie, ein ganzes Reichssystem.
„Uns geht die Sonne nicht unter“ hieß ein HJ-Liederbuch von 1936, und
der Führer wurde auf zahlreichen Postkarten als aufgehende Sonne
dargestellt.
Das Hakenkreuz-Symbol selbst ist
das „lebenspendende Sonnenrad“, das ebenfalls auf vielen Bildern als aufgehende
Sonne für die Volksgenossen dargestellt wurde. Die Dörfer
und Gemeinden druckten Postkarten, die ihren Ort zeigen, hinter dem die
aufgehende Sonne des Hakenkreuzes leuchtet.[34]
Für den „Endsieg“ war vorgesehen,
Hitler als Christus II. zu etablieren, als den wiedergekehrten Messias, und der
Glaube an ihn sollte umgehend eingeführt und die alten Religionen abgeschafft
werden. Der Glaube an den Heilsbringer Hitler als „Gralsritter“, der eine
göttliche Herkunft haben sollte, war als Universalreligion für die ganze Welt
vorgesehen und sollte bewusst an alte Motive aus den verschiedenen
Weltreligionen anknüpfen.
Der Weg zur Hitlerischen
„Universal-Religion“ sollte eine systematische, jahrelang vorausgehende
Entkonfessionalisierung sein, in deren Rahmen auch ausdrücklich die Polygamie
wieder eingeführt werden sollte. Man wollte die Menschen ihren alten Glauben
schlicht vergessen machen, um das entstandene Vakuum mit der neuen
Gralsritter-Messias-Religion zu füllen.[35]
Man darf sich fragen, ob diese
Strategie nicht auch der heutigen Entsakralisierung wirksam ist. Die Nazis hatten
eine Art „Ruhe vor dem Sturm“, ein „Verebben“ des Alten geplant, um
anschließend in Macht und Gewalt eine völlig neue heidnische Ideologie
einzuführen. Gott sei Dank ist es soweit nie gekommen. Gezeigt werden sollte
aber, dass auch sie zentral und penetrant mit der Sonnenmetaphorik operierten.
Sol invictus 2.0
Ob dieser „Verebbungsprozess“ nicht
auch in der Kirche wirksam ist? Man lässt gewisse Rumpfbewegungen der alten und
rabiaten papalistischen Religion der nachtridentinischen, bereits ins Sonnengläubige
abgekippten Ära (s.o.), die im 19. Jh mit dem extremen, die Papstidolatrie
stützenden, Marianismus angereichert wurde, mit allen Erscheinungs-Auswüchsen
und paganen Perversitäten gewähren (v.a. ideologisch und ignatianisch verhärtet
im Rahmen der FSSPX, aber auch sonst in der Kirche) und dekonstruiert derweil
in der Restkirche den alten christozentrischen Glauben fast total, hindert auch
alle Laien und wenige Priester, die ein gesundes Glaubensleben in Gemeinschaft
aufrecht halten wollen, systematisch und entzieht ihnen die Luft zum Atmen.
Nichts gelingt in der Kirche heute weniger als ein gesunder, christozentrischer
Glaube ohne tausend Wenns und Abers. Beschwerden oder Wünsche aus den Provinzen
lässt man immer ins Leere laufen. Verstöße gegen liturgische und ethische
Regeln werden bewusst nicht geahndet. Die Gruppen, die aufgrund der massiven
Entgleisungen und Missbräuche in den Gottesdiensten die ältere Messform feiern
wollen, behindert und brüskiert man allenthalben, während man den in diesen
Kreisen leider notorisch lebendigen Aberglauben (Pater Pio-Hype, kultische
Verehrung von Seherinnen, wie es bereits Pius IX. getan hat) gewähren lässt und
sogar fördert. Pädophile und andere sexuelle Verbrechen wurden jahrzehntelang
nicht nur in der katholischen, sondern auch der evangelischen Kirche vertuscht,
trotz Klagen und Beschwerden: die Beschwerdeführer wurden abgewiesen, bedroht,
verleumdet, und die Täter konnten ungehindert weiterwirken, während man
gläubige Menschen schikanierte, beiseite stellte, gute und treue Priester
suspendierte oder an den Rand drängte, die nichts taten und tun, als ein
normales, christozentrisches Glaubensleben zu leben und zu fördern. Wenn man
genau hinsieht, ist diese Eigenständigkeit im echten Christusglauben schon im
Mittelalter mit der wachsenden Papstmacht immer der Stein des Anstoßes gewesen —
dies und nur dies, während man jede ethische Perversion gewähren ließ und
marginalisierte. Schon vor 1000 Jahren begann man all jene mit Misstrauen zu
beobachten, die von einer persönlichen, damals v.a. „mystischen“ Jesusbeziehung
sprachen.
Der Jesuitenorden förderte und
verbreitete schließlich eine Ideologie, die eine solche persönliche
Jesusbeziehung total ausschließt und dem Gläubigen die totale Unterwerfung
unter die Hierarchie abzwingen will.
Eine merkwürdige spirituelle Leere
greift seither um sich, schleichend und verwirrend, und sie schreit danach,
gefüllt zu werden, denn der Mensch ist ein homo
religiosus.
Es würde zu weit führen, die
Verwirrungen im modernen Judentum, das inzwischen, wie man lesen kann, von
einer chassidisch-messianischen Endzeitsekte, der Chabad Lubawitscher Sekte,
unterwandert worden ist und auch eine im Judentum entstandene spirituelle Leere
usurpiert, von den normalen Rabbinern wegen des Kultes um Personen (Kult um
bestimmte Rebben als Entsprechung zu Papst- und Heiligenkulten) jedoch mit dem
Katholizismus identifiziert und als „Mafia“ eingestuft wird, die „nicht
jüdisch“ sei.[36]
Es handelt sich dabei um ein ähnlich konspiratives Vorgehen, wie man es in der
Kirche von den Jesuiten oder postmodern dem Opus Dei kennt.
Es ist jedenfalls spürbar, dass
sich im Abendland und auch weltweit etwas zusammenbraut, das eher nicht auf
eine Islamisierung oder eine weitere Liberalisierung hinausläuft. Man muss eher
mit einer Repaganisierung rechnen, die als Universalreligion eingeführt wird,
die sich zuerst tolerant und weltoffen geben wird, dann aber möglicherweise
ihren heutigen „Gralsritter“ und Messias präsentieren wird. Die Christenheit
erwartet eine Wiederkunft Jesu, die Juden die Ankunft des Messias, die
Lubawitscher halten ihren siebten Rebben Menachem Mendel Schneerson, der 1994
starb, für den Messias, der wiederkommen wird. Trumps jüdische Tochter hat am
Grab des Rebben für den Wahlkampf des Vaters gebetet. Offensichtlich hat der
Rebbe geholfen…[37]
Trump scheint jedoch extrem weltoffen
zu sein, was religiöse Kulte betrifft. Sein Wahlkampfleiter Steve Bannon legte
ein Bekenntnis zur Finsternis, zu Satan und zur „dunklen Seite der Macht“ ab.[38]
Man stellt sich viele Fragen: wie geht das zusammen? Zwischen der chassidischen
Endzeitsekte der Lubawitscher, die den katholischen Traditionalisten in vielem
mental ähneln, und den Satanisten nun auch noch der Klu-Klux-Clan und
zahlreiche „Evangelicals“?! Alle in Trumps Umfeld? Ist das am Ende alles in
Wahrheit eins? Natürlich wird man hier sofort entgegengehalten bekommen, das
sei eine „Conspiracy theory“, aber ich würde vorschlagen, wer an dieser Stelle
sofort mit diesem Totschläger kommt, möge doch dann erklären, wie das alles
zusammenpasst. Es kristallisiert sich die Frage seit Trump tatsächlich an einer
und derselben Person, nicht mehr an Logen, Eliten oder Bohemian Grove-Meetings
— und das macht hellhörig. Die „Koinzidenz“ dieser machtversessenen religiösen
Gruppen im Umfeld einer einzigen Person: was bedeutet das?
Trumps berühmtes Appartement im
Trump Tower, das ästhetisch an Versailles und die Anlagen des Roi Soleil
erinnert, ja der ganze Trump Tower in toto, tragen das apollinische Element des
alten Sonnengottes ins Heute, wirken so, als habe der durch Christus verdrängte
alte heidnische „Sol invictus“ sich nun nach 1500 Jahren und einer
langen Zeit des Rückfalles und der Zersplitterung in zahlreiche spiegelnde und
verwirrende Motive und der schrittweisen Entleerung um Jesus Christus wieder
erholt und sei — „invictus“, unbesiegt eben — zum Durchstarten bereit,
allerdings noch verborgen in mehreren weltreligiösen Larven, die abgeworfen
werden könnten, sobald die Zeit dafür reif ist.
Das Licht des 1. Schöpfungstags
Doch zurück zum 1. Schöpfungstag,
als Gott sprach „Es werde Licht!“. Diesen Tag, den die Heiden als Tag
des Sonnengottes verehrten, hat Kaiser Konstantin zum Ruhetag der Kirche
verordnet und den Schabbat abgeschafft.
Liegt darin ein Problem?
Oberflächlich betrachtet kann man
sagen: Ja und? Hauptsache der Sieben-Tage-Rhythmus, und Hauptsache ein Ruhetag,
der Gott gehört.
Ich möchte dennoch die Passion Jesu
nach Schöpfungstagen ansehen:
Am Donnerstagabend, also nach der
jüdischen Rechnung bereits der 6. Schöpfungstag, war der Tag vor der
Kreuzigung. An diesem Vorabend des 6. Tags war damals der Sederabend zu
Pessach, und Jesus feierte mit den Jüngern dieses jüdische Fest, an dem des
Opfers vor der 10. Plage gedacht wird, bei der ein Würgeengel durch die Straßen
der Ägypter ging und in allen Häusern den Erstgeborenen tötete, an denen nicht
das Blut eines Lammopfers an die Tür gestrichen worden war. Nur die Israeliten
wurden damals verschont, weil sie das Opfer gebracht hatten.
Jesus gibt dem Sederabend („letztes
Abendmahl“), der schon zum Tag seiner Kreuzigung gehörte nach jüdischem Brauch,
also zum 6. Tag, der jüdischen Halacha eine neue, heilserfüllende Bedeutung.
Einerseits ist dieses Lamm, das geschlachtet wurde, um mit seinem Blut den Würgeengel
zurückzuhalten, seine Rolle. Aber dennoch nennt er das Brot — nicht das
Lammfleisch! — des Pessachfestes, die Matze, „mein Fleisch“, dieses
ungesäuerte Brot des überstürzten Aufbruchs aus der Gefangenschaft. Die Matzen
müssen ungesäuert sein, weil die flüchtig gebacken wurden, auf dem Absatz
gewissermaßen und keine Zeit mehr war, den Teig gehen zu lassen. Der Wein des
Sederabends, im jüdischen Kontext für Elia bestimmt, ist sein Blut, wie er es
selbst sagt.
Am 6. Tag schuf Gott die Landtiere
und den Menschen. Der 6. Tag, der Tag der Erschaffung des Menschen, ist der
Todestag Jesu Christi.
Am Schabbat blieb er in der
Grabesruhe. Seine Grabesruhe erinnert an die Schöpfungsruhe Gottes, als er
Himmel und Erde schuf. Der Schabbat ist der Tag, an dem nicht gehandelt wird,
nicht gehandelt werden kann, weil Gott an ihm ruht. Dieses Ruhen schließt aber
nicht das wunderbare Eingreifen Gottes für den Menschen aus. Jesus hat am
Schabbat Wunder, v.a. Heilungswunder getan, in dieser Ruhe Gottes, und wehrte
den Vorwurf der Pharisäer, er breche eines der Gebote, mit den Worten ab: „Der
Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat.Deshalb ist der
Menschensohn Herr auch über den Sabbat.“ (Mk 2, 27) Damit ist allerdings
nicht gesagt, dass die Gültigkeit des Schabbats aufgehoben wäre. In einem
gewissen Sinn bestätigt Jesus sie ja gerade dadurch, dass er Schabbat
Grabesruhe hält. Und das Wunder der Heilung ist ein Ausfluss aus der
Ruhe Gottes… Übereinstimmend berichten alle vier Evangelien, dass er am 1. Tag
der Woche von den Frauen als Auferstandener gesichtet worden sei. Mit einer
gewissen Leichtigkeit und mangelnden Logik sagt man im kirchlichen Raum gerne
etwa folgende Sätze:
„Über dem bloßen Gesetzesdenken
steht der menschgewordene Gott Jesus Christus, der immer das Wohl des Menschen
im Blick hat. Die Feier seiner Auferstehung am Sonntag wird schließlich sogar
an die Stelle des Sabbats (unseres Samstags) treten.“[39]
Ganz so einfach dürfte die Sachlage
allerdings nicht sein. Der Schabbat ist Bestandteil der Schöpfungsordnung, so
wie die unauflösliche Ehe zwischen einem Mann und einer Frau. Wie die Ehe
gestiftet wurde, wurde der Schabbat als 7. Tag von Gott für heilig erklärt und
gesegnet (s.o.). In den 10 Geboten ist das Schabbatgebot das zweite Gebot nach
dem Gebot, Gott über alles zu lieben und zu ehren!
„Gedenke des Sabbats:
Halte ihn heilig! (…) Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht.
An ihm darfst du keine Arbeit tun (…) Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel,
Erde und Meer gemacht und alles, was dazugehört; am siebten Tag ruhte er. Darum
hat der Herr den Sabbattag gesegnet und ihn für heilig erklärt.“ (Ex 20, 8
ff)
Es ist unschwer zu erkennen, dass
dieses Gebot das zweitwichtigste ist, noch wichtiger, ja viel wichtiger als das
berühmte 6. Gebot, das in den Augen so vieler Katholiken offenbar das Gebot
aller Gebote ist…
Und es wird hier auch ausdrücklich
erklärt, warum der Schabbat zu halten ist: weil Gott an ihm von den
Schöpfungstagen ausruhte, weil Gott ihn geweiht und geheiligt hat — deshalb und
nur deshalb!
Eine kirchliche Argumentation, die
Jesu Herrsein über den Schabbat überstrapazieren will damit, dass diese
Herrschaft Jesu soweit gegangen sei, dass er den Schabbat aufgehoben und ein
ähnliches, aber nicht dasselbe Gebot auf den 1. Tag der Woche habe verlegen
lassen, ist nicht nur unehrlich, sondern auch fahrlässig angesichts des
Stellenwertes, den dieses Gebot einnimmt. Es war ja nicht Jesus, der die
Sonntagspflicht per Edikt erließ und den Schabbat abschaffte, sondern der
ungetaufte Kaiser Konstantin… und auch die Kirche hätte keine Vollmacht gehabt,
die Schöpfungsordnung nach Gutdünken, wenn auch mit frommen und einigermaßen
philosophisch-versponnenen Motiven (s.u.), zu ändern.
Nun ist es aber geschehen und
dauert über 1600 Jahre an. Gewiss erbarmt sich Gott über all jene Unschuldigen,
die seither in eine verzerrende Pflicht genommen sind, die auch die Reformation
nicht aufgehoben hat. Immerhin ist man im katholischen Kontext noch insoweit
ehrlicher, als man den Samstag im Brevier „Sabbato“ nennt, den Sonntag
aber „Dominica“ („Tag des Herrn“). Man hat den wahren Namen des siebten
Tages nicht vergessen und nicht gewagt zu verändern, auch wenn man beständig
gegen seine Ruhe verstößt. Der Schabbat also ist der eigentliche gebotene
Ruhetag nach der Schrift. Der Sonntag aber, der Tag des Sol, ist der Tag, an
dem der Herr als Auferstandener gesichtet wurde. Die metaphorische Verknüpfung
des Auferstandenen mit der aufgehenden Sonne nach der Nacht des Schabbat bzw
der Grabesruhe ist zwar nicht abwegig, gewinnt aber im Kontext der Tatsache,
dass die Sonne kultisch verehrt und als Gott angebetet wurde, entweder eine —
nach beiden Seiten hin — provozierende oder eine — ebenfalls nach beiden Seiten
hin — missverständliche Problematik, die bis heute schwelt, Unruhe geschaffen
hat und das quälende Gefühl bei jedem nachdenklichen Gläubigen, die Kirche habe
sich womöglich doch an einem wesentlichen Aspekt der Schöpfungsordnung und der
heiligen Gebote vergriffen, hinterlässt.
Die Schöpfungsgeschichte gemahnt
uns daran, dass es nicht gleichgültig ist, was Gott an den einzelnen Tagen
geschaffen hat und die Tage nicht einfach austauschbar sind und eine
willkürliche „rein symbolische“ Deutung nicht zulässig ist.
Am 1. Tag, an dem Tag, der an den
Schöpfungstag erinnern soll, an dem Gott das Licht geschaffen hat, war der Herr
bereits auferstanden und hatte einen verklärten Leib. Das „Es werde Licht“
als erste Akt, aus dem sich alles weitere speiste, das „Es werde Licht“
als Maßeinheit für alle folgenden Tage, die all die Geschöpfe „ans Licht“
bringen sollten, die unsere Welt so reich und schön machen, dieses „Es werde
Licht“ steht tatsächlich auch über der Auferstehung als dem Beginn einer
neuen Schöpfung, ja, der neuen Schöpfung, die Gott hier mit uns beginnt, die
aber in ihrer Vollendung noch aussteht. Die Verlegung der Schabbatruhe auf
diesen Tag hat wohl auch dazu geführt, dass man darauf vergaß, dass die
Vollendung noch aussteht und hier in diesem Äon, dieser Sechstageschöpfung noch
nicht erreicht wird. Die Kirche verhielt sich in der Folge immer mehr so, als
käme Jesus nie mehr wieder, als wolle er ihr dieses Äon zu Füßen legen, und
dieses Äon werde das Äon ihres Sieges, der sie zur Herrscherin der Welt machen
würde. Alsbald traten die Päpste und Hierarchen der Kirche mit einem
Machtanspruch auf, der mit dem, was Jesus gelehrt hat, überhaupt nicht
zusammenpasst, viel eher dagegen mit dem Anspruch des römischen Kaisertums, wie
es sich mit der Erscheinung Jesu entwickelte, als totale sonnenhafte
Übermächtigung der ganzen sichtbaren Welt rundum.
Die Kirche hat sich damit auch
entfernt von einem tiefen Sinn der Eucharistie. Sie wird zwar am Sonntag, am
Auferstehungstag besonders festlich gefeiert, aber sie verkündet eben nicht das
bereits total installierte neue Äon, sondern, wie die heilige Liturgie von
alters her aufgrund der Schrift sagt, verkündet die Kirche mit dieser Feier „des
Herrn Tod, bis er kommt“ (1. Kor 11, 26), befindet sich also damit
real-symbolisch im Schabbat. Die Vollendung, in der uns Jesus Christus
vorausgegangen ist, steht für diese Welt, die in der Nacht der Gnade steht, bis
alle Menschen die Möglichkeit hatten, umzukehren, noch aus. Diese Welt wird
nicht "zum Guten" verwandelt und in ein goldenes Zeitalter übergehen,
sondern nach den Worten des Petrsu wird sie im Feuer vollständig vergehen.
Danach aber kommen ein neuer Himmel und eine neue Erde.
In einem tragischen Sinn könnte man
auch sagen, dass die Kirche mit der Verlegung der Schabbatruhe auf den
Auferstehungstag die Grabesruhe verlängert hat und das „Es werde Licht“ samt
der Hoffnung auf einen neuen Himmel und eine neue Erde gedämpft, geschwächt,
„heruntergedimmt“ hat mit ihrer eigenmächtigen Umdeutung der gebotenen
Festzeiten. Denn sie hat ausdrücklich die Schabbatruhe nun diesem 1. Tag
zugeordnet.
Die Kirche hat dem Sonnengott auf
diese Weise die Tür geöffnet, dass er eines Tages zurückkehren kann. Er wird
auftrumpfend zurückkehren als einer, der "nie besiegt“ wurde, sondern nur
gewartet hat auf seine große Stunde als der eigentliche „Invictus“.
Der sich daraus ergebende Konflikt
für die Gläubigen ist Ausdruck einer großen Tragik.
Johannes Pauls II. hat in "Dies
Domini" von 1998 den Sonntag als Ruhetag gemeint, verteidigen und neu
erklären zu müssen und sich dabei auf eine merkwürdige Lehre zurückgezogen, die
in der Kirche seit frühen Zeiten um sich griff: der Sonntag sei der "Achte
Tag" und symbolisiere damit eine Überschreitung des Schabbats.
"Er ist der Tag der
anbetenden und dankbaren Beschwörung des ersten Tages der Welt und zugleich in
der eifrigen Hoffnung die Vorwegnahme des »letzten Tages«, an dem Christus in
Herrlichkeit wiederkommen und »alles neu machen« wird."
Dies klingt soweit so gut,
beinhaltet aber in der gedanklichen Fortführung einige Thesen, die eher
esoterisch als christlich klingen. Der folgende Text ist so blumig und
ausscheifend wie enthusiastisch als auch überspannt, bezieht sich auf allerhand
frühchristliche Äußerungen, die als Beweis für die Richtigkeit der Verlegung
des Ruhetages dienen sollen, aber es will dem aufmerksamen Leser nicht recht
plausibel werden. Johannes Paul II. schaffte es, bei voller Zitation des
Schabbatgebotes dessen Sinn elegant zu umschiffen, indem er neue Gebräuche als
so überstark aufgeladen beschreibt, dass die Überschreitung plötzlich wie
selbstverständlich oder "logisch" wirkt. Am Ende argumentiert
er anhand einiger Meinungen von Kirchenvätern, u.a. Augustinus, damit, der Sonntag
sei der "achte Tag", der in die "Neue Schöpfung" führe. Das
ist ein lustiger und sehr schlauer, fast "kabbalistischer" Gedanke,
aber lässt er sich angesichts der ja nicht aufgehobenen Schöpfungsordnung
wirklich begründen? Und vor allem: lässt sich daraus die Verschiebung der
Schöpfungsruhe auf diesen 1. oder meinetwegen 8. Tag wirklich bergünden? Sind
das nicht zwei paar Stiefel?
"Das christliche Denken
gelangte spontan dahin, die »am ersten Tag der Woche« geschehene Auferstehung
mit dem ersten Tag jener kosmischen Woche (vgl. Gen 1,1-2,4) in Verbindung zu
bringen, nach welcher das Buch Genesis das Schöpfungsgeschehen einteilt: der
Tag der Erschaffung des Lichtes (vgl.1,3-5). Dieser Zusammenhang legte es nahe,
die Auferstehung als den Beginn einer Neuschöpfung zu verstehen, deren Erster
der verherrlichte Christus ist, »der Erstgeborene der ganzen Schöpfung« (Kol
1,15), aber auch »der Erstgeborene der Toten« (Kol 1,18)."
Diese Gedanken sind
nachvollziehbar, aber warum hat die Kirche bei anderen Vorgaben noch dazu der
gefallenen Ordnung, zB bei der Zurücksetzung der Frau, keineswegs denselben
Enthusiasmus und Mut aufgebracht, bereits "Neuschöpfung" zu
inszenieren? Warum dieses Messen mit zweierlei Maß?
"Andererseits führte der
Umstand, daß der Sabbat der siebte Tag der Woche ist, dazu, den Tag des Herrn
im Lichte einer ergänzenden Symbolik zu betrachten, an welcher den
Kirchenvätern sehr gelegen war: Der Sonntag ist nicht nur der erste Tag, er ist
auch der »achte Tag«, das heißt er nimmt im Vergleich zur Abfolge der sieben
Tage eine einzigartige und transzendente Stellung ein, die nicht nur den Beginn
der Zeit, sondern auch ihr Ende in der »zukünftigen Ewigkeit« beschwört. Der
hl. Basilius erklärt, der Sonntag sei wirklich der einzige Tag, der auf die jetzige
Zeit folgen werde, der Tag ohne Ende, der weder Abend noch Morgen kennt, die
unvergängliche Ewigkeit, die nicht altern kann; der Sonntag ist die
unaufhörliche Vorankündigung des Lebens ohne Ende, die die Hoffnung der
Christen immer wieder belebt und sie auf ihrem Weg
ermutigt."https://w2.vatican.va/content/john-paul-ii/de/apost_letters/1998/documents/hf_jp-ii_apl_05071998_dies-domini.html
Ich kann nur immer wieder
zurückfragen: Selbst, wenn man diesen 1. Tag als Auferstehungstag so verstehen
kann, folgt daraus denn, dass man den Schabbat auf diesen 1. Tag verlegt, wie
es real geschehen ist?! Und hat die frühe Kirche denn das mit ihren
Zusammenkünften am frühen Morgen des 1. Tages intendiert? Es ist doch
überliefert, dass sie sehr wohl am Tag davor den Schabbat hielt.... Kann man
denn eigenmächtig die Ordnung, unter der wir in diesem Äon, das eben nicht
vollendet ist, stehen, bis Gott einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen
wird, verändern und so etwas wie einen "achten Tag", von dem in der
gesamten Schrift keine Rede ist, proklamieren, wo man doch sonst
geradezu verbissen auf der Schöpfungsordnung beharrt?! Denkt man dies
nämlich zu Ende, kann man den Ruhetag gleich ganz abschaffen, weil es ihm
angesichts der Neuen Schöpfung an Relevanz fehlte oder in freier Fantasie alles
mögliche erfinden, wie es sich gerade ergibt... Faktisch hat man die gebotene
Schabbatruhe auf den 1. Tag verlegt, also das Geschehen des "8.
Tages" zurückverlegt in die Schöpfungswoche. Man hat logisch betrachtet eine
heillose Verwirrung der realen und symbolischen Ordnungen erzeugt und klopft
sich dafür auch noch auf die Schulter.
Konstantin jedenfalls, der ja die
Sonntagspflicht per Gesetz einführte, argumentierte weder mit dem Phantom vom
"Achten Tag" noch mit der Schabbatruhe, sondern ausschließlich mit
dem heidnischen Feiertag des Sol:
"Am ehrwürdigen Tag der
Sonne sollen die Stadtbeamten und das Volk, das in den Städten wohnt, ruhen,
und alle Werkstätten geschlossen bleiben. Auf dem Lande jedoch mögen solche
Personen, die in der Landwirtschaft tätig sind, ihrer Arbeit weiterhin frei und
nach dem Gesetz nachgehen“ (aus: Codex Justanianus, lib. 3 tit. 12,3; zitiert
in „History oft he Christian Church“, Phillip Schaff, D.D., 7 vol. ed., Vol.
III, S. 380)
Bleiben wir ehrlich. Lebenslügen
der Kirche werden nicht dadurch besser, dass sie seit langem gepflegt werden.
Nach der Schrift gibt es keinen "8. Tag" und selbst wenn es ihn gäbe,
könnte er niemals der Schabbat sein, sondern es gibt die Schöpfungsordnung,
die, solange dieses Äon dauert, nicht aufgehoben ist. Wir wissen von
Jesus und den Aposteln aus dem NT nichts anderes, als dass sie am Schabbat
lehrten. Von einem 8. Tag wissen sie allesamt nichts! Johannes Paul II.
gibt schließlich am Rande zu, warum man wirklich den Schabbat auf den 1. Tag
verschob:
"Auf Grund einer
wohlüberlegten pastoralen Eingebung sah sich nämlich die Kirche veranlaßt, die
Bezeichnung »Tag der Sonne« — ein Ausdruck, mit dem die Römer diesen Tag
benannten und der noch in einigen modernen Sprachen aufscheint (29) — für den
Herrentag zu christianisieren; dadurch sollten die Gläubigen von Sitzungen des
Sonnenkultes, wo die Sonne als Gott verehrt wurde, abgehalten und die Feier
dieses Tages auf Christus, die wahre »Sonne« der Menschheit, ausgerichtet
werden."
Und dennoch musste Leo der Große
Jahrzehnte später beklagen, dass die Christen nach dem Gottesdienst im
Petersdom zur Sonnenverehrung weiterschritten (s.o.)...das war nämlich das Ende
vom Lied, wie man so schön sagt, eien heillose Vermischung der Kulte, wie im
alten Israel, das damit so oft, wie das AT berichtet, die eigene Verbannung
hervorgerufen hat, und am Ende eine Verblendung v.a. bei der jüdischen
Hierarchie und Gelehrtenwelt, die das wahre Licht vom Licht ans Kreuz schlug,
nicht erkannte, verwarf...
Hier kommen wir dem wahren
Zusammenhang vermutlich näher - jenseits neu erfundener zusätzlicher
Schöpfungstage und ähnlichen Phantastereien. Wir können aus dem heidnischen
Konstrukt nach so vielen Jahrhunderten kaum mehr aussteigen, aber gelegentlich
ein kritischer Blick sollte nicht unterbleiben.
Nicht zuletzt muss jeder Christ
aufpassen, dass nicht eine völlig verkehrte und phantastische zeitgenössische
Kosmologie, die freilich sehr „wissenschaftlich“ tut, Grundlage mancher
Verführung ist und zukünftig sein wird, aber besonders auch Verwirrung
hinsichtlich der wahren Wiederkunft des „Lichtes vom Licht“ stiften könnte.
©
by Hanna Jüngling, August 2017
[2]
Martijn Icks: "Elagabal - Leben und Vermächtnis von Roms
Priesterkaiser". Verlag Philipp von Zabern, Darmstadt
[4]
Martin Wallraff: Christus verus sol. Sonnenverehrung und Christentum in der
Spätantike. Aschendorff, Münster 2001, S. 158–162
[5]
https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/sonne/ch/71ab713db20063bd9f7f5a1859aa890c/#h5
[7] http://gemeinden.erzbistum-koeln.de/seelsorgebereich-bergheim-sued/gemeindeleben/liturgie/familienmesskreis_st._michael/archiv_der_gottesdienste/2007_erstkommunion.pdf
[8] http://fvn-rs.net/index.php?option=com_content&view=article&id=4358:die-dreifache-sonne-und-der-auferstandene-christus-london-24-april-1922&catid=298:ga-211-das-sonnenmysterium-und-das-mysterium-&Itemid=4
[11]
http://www.deutschlandfunk.de/religion-man-soll-gott-nicht-ausserhalb-von-sich-selbst.886.de.html?dram:article_id=271672
[12]
Nikolaus I., Brief an Wenilo von Sens, ed. MGH Epp. VI, S. 611 Z. 19ff
[13]
Joseph Badde: Das Sonne-und-Mond-Gleichnis: Über das Verhältnis zwischen Papst
und Kaiser im Mittelalter. 2002, S. 6
[14]
„Der Papst, der die Zukunft träumte“, Artikel vom 16.7.2016. http://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/der-papst-der-die-zukunft-traumte
[15]
http://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache:XmszV8PFbsoJ:www.elk-wue.de/fileadmin/mediapool/elkwue/dokumente/Gertud_von_Helfta.rtf+&cd=2&hl=de&ct=clnk&gl=de&client=firefox-b
[17]
Mechthild von Magdeburg: Das fließende Licht der Gottheit.
Einsiedeln/Zürich/Köln 1956. S. 94
[24]
Karl Prumm SJ: Religionsgeschichtliches Handbuch. Rom 1954. S. 89 ff
[27]
http://www.theosophie.de/index.php?option=com_content&view=article&id=2116:wir-sind-kinder-der-sonne&catid=332&Itemid=90
[33] https://www.welt.de/kultur/buehne-konzert/article145892351/Ein-Sonnenkoenig-ist-der-Vortaenzer-des-Staates.html
[34] http://www.dorsten-unterm-hakenkreuz.de/2012/05/28/hitler-sollte-nach-dem-endsieg-als-christus-ii-in-der-gralsburg-verschwinden-uber-die-missgluckte-ns-religion/
[35]
A.a.O., s. dort ein Schreiben, das Hitlers persönliches Placet trägt mit
entsprechenden Plänen
[37]
Das berichtete die „Jüdische Allgemeine“ hier http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/26881
[39]
http://www.verein-durchblick.de/index.php/glaubensfragen/153-lf44
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