Mittwoch, 6. Februar 2013

Fasnet verknotet Zeitschnur


Ich sehe eine Jahreszeit doppelt

Die Brezel im Wald

Geht 'ne gro­ße Bre­zel durch den fins­te­ren Wald. Sie schau­kelt sich auf­recht ste­hend vor­wärts. Die gro­ßen wei­ßen Salz­kris­tal­le auf ih­rem knusp­ri­gen Rü­cken fun­keln im Mond­licht. Du fragst dich, wo­hin sie will? Was meinst du wohl? Wo­hin will eine ein­sa­me Bre­zel nachts im Wald? Es ist schon ein ir­res Bild, wie sie da so lang­sam zwi­schen den Bäu­men da­hin­wippt wie ein Schau­kel­stuhl mit ver­schränk­ten Ar­men, der im­mer ein biss­chen wei­ter nach vor­ne rutscht. In das Knis­tern und Ra­scheln des Wal­des hi­nein hörst du die­ses schwin­gen­de Ge­räusch. Ge­bannt schaust du zu. Du glaubst, du siehst nicht recht. Das gibt's doch gar nicht! So was ist doch ver­rückt. Aber, Mo­ment mal, ... Da! Die Bre­zel hält an. Sie geht auf ei­nen Baum zu. Als sie un­ter sei­nen Zwei­gen durch­schrappt, fal­len ein paar Salz­kör­ner ins tro­cke­ne Laub. Sie dreht dir sitt­sam ih­ren Bre­zel­rü­cken zu. Du hörst es rie­seln! Das kannst du kei­nem er­zäh­len. 'Ne Bre­zel, die im Wald spa­zie­ren geht und mal aus­tritt. Du schüt­telst den Kopf und seufzt. Das hört die Bre­zel. Sie zuckt so hef­tig zu­sam­men, dass ihr noch ein paar Salz­kör­ner vom Rü­cken stür­zen. Be­klom­men dreht sie sich zu dir um. Zwei hoh­le Au­gen­lö­cher bli­cken dich an. Und hast du nicht ge­se­hen schwingt sie da­von, aber so schnell, als hät­te sie ei­nen Mo­tor. Ir­gend­wann siehst du nur noch Salz­kris­tal­le in der Dun­kel­heit fun­keln. Du bleibst zu­rück und denkst an die sanf­te Wie­ge, in der du lagst, als du ein Kind warst. Du folgst dem Flir­ren der aus­ge­streu­ten Salz­kör­ner. In der Fer­ne hörst du Mu­sik und Ge­läch­ter. Nun weißt du, wo­hin die Bre­zel ging. Da wä­rest du üb­ri­gens auch ein­ge­la­den. Fol­ge nur den klei­nen Ster­nen im Laub. Viel­leicht gibt's zu der Bre­zel ja ein Bier. Und nun mach, be­vor noch ein Fass Bier des We­ges da­her­ge­rollt kommt!    
                                                                                                             Copyright by Hanna Jüngling

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