Samstag, 20. April 2013

Velocitas Iesu - Et ecce venio velociter. Gedanken über das !Bald! Jesu


Siehe, ich komme bald. Selig, wer an den prophetischen Worten dieses Buches festhält. (Apk. 22, 7) 

Das geheimnisvolle !Bald!, von dem Jesus spricht, das venio velociter, ist kein !Bald! nach unseren Maßstäben. Die Theologie unserer Tage hat sich die Frage, warum das !Bald! Jesu, die velocitas seines Wiederkommens, sich nicht erfüllt habe, zunutze gemacht. Zwar findet sich im Credo das Bekenntnis zur Wiederkunft Christi. Aber man fasst sie "abgehoben" auf. Welcher Christ glaubt, dass Jesus Christus buchstäblich sedet ad dexteram Patris, et iterum venturus est cum gloria? Wir haben gelernt, sämtliche Aussagen der Schrift und der Tradition ausschließlich als Abstraktion zu verstehen und uns sorgfältig zu verbergen, falls wir doch ein konkreteres Verständnis in uns tragen. Jesus „kommt“ in dieser bleichen modischen Christerei nur im „übertragenen Sinn“ zu uns. Was dieser „übertragene Sinn“ sein soll, darf phantasievoll immer neu und in alle Richtungen gedeutet werden. Das Materiallager der christlichen Überlieferung ist der freien Verfügung übergeben worden und darf zu jedem Zweck genutzt werden. Die Perspektive der unerfüllten „Naherwartung“ relativiert den Ernst des alten christlichen Glaubens. Wer hält den Menschen dem ewigen Vater hin wie ein Kind, das man dem Helfer an einer Unfallstelle entgegenstreckt: Nimm, halte, rette ihn? Man begnügt sich damit, den elenden Menschen inmitten der Hölle zu vergolden, Betrachtungen über ihn anzustellen und zu umtanzen. Die wenigen Traditionalisten werden als Hindernis in diesem Treiben angesehen. Man will sie "vorwärts" peitschen wie Bileam seine Eselin, als sie sich dem Engel, der den Weg versperrte, nicht entgegenwerfen wollte. Bileam konnte den Engel nicht sehen. Für die Eselin aber war der Engel sichtbarer als alles andere. Unsere Würdenträger sind mit ähnlicher Blindheit geschlagen. Erzbischof Zollitsch spricht im Stenokürzel vom „Aufbruch“ oder davon, den „Aufbruch zu wagen“. Wohin „aufbrechen“, was dabei „gewagt“ werden soll – das bleibt ein Mysterium für Eingeweihte. Man wird in Kirchenfunktionärskreisen angeschaut wie eine Pferde-Tram auf TGV-Trassen, wenn man diese Frage der Fragen stellt.
Was aber, wenn das unerfüllte !Bald! doch nicht unerfüllt bleibt? Was, wenn das !Bald! an der Ewigkeit des Allerhöchsten gemessen werden muss und nicht an unserer Endlichkeit? Was, wenn das !Bald! plötzlich und überraschend zu einem !Jetzt!, zu einem !Da! wird?
Ich sage ungeschminkt, was ich glaube: Der kollegiale bischöfliche „Aufbruch“ ist ein finaler „Abbruch“, eine geistliche Abtreibung des Herrn der Kirche, der seit 2000 Jahren schon für Apostaten aller Art eine unerwünschte Schwangerschaft war. Und dieser Mord wird zelebriert wie ein Messopfer. Die Kirche opfert sich selbst für die Verschrottung ihrer Glaubenshoffnung auf den eigenen Altären auf – natürlich coram publico und versus populum. Mit diesem Programm kann sie Gott nicht unter die Augen treten und gen Osten zelebrieren, denn dort steht das Kreuz, der Oriens Jesus Christus, der Auferstandene, der sich kein zweites Mal töten lässt. Dieses Opfer muss man verkehrt herum zelebrieren. Folgerichtig haben seit diesen Neuerungen unendlich viele Menschen die Kirche verlassen. Es gibt für den lauen Glauben keinen guten Grund mehr, dort zu bleiben. Wer ist geblieben? Eine brodelnde Mischung aus zerstörerischen Kräften, verschlafenen Konventionschristen und denen, die die große Hoffnung auf das Himmlische Jerusalem nicht kampflos aufgeben wollen. Bischöfe, Priester, Ordensfrauen, Laien, sofern sie nicht selbst destruktiv zelebrieren, stehen schaulustig dabei, gebannt von der gigantischen Show, gelähmt in allen vitalen Gehirntätigkeiten, mit erkaltenden Herzen, Jongleure der Hostie, Gotteslästerer in beispielloser Frivolität, unerreichbar für das Leiden Christi und verschlossen für die Tränen der Gottesmutter. Sie, die ihren Sohn als Braut des Heiligen Geistes empfangen, in ihrem Leib getragen und geboren hat, sie, die seine ersten feinen Tritte gespürt, ihn die ersten Worte gelehrt, seinen Weg begleitet und seine Auferstehung und Himmelfahrt erlebt hat – was muss sie empfinden angesichts dieser Blasphemie? Maria, die an Pfingsten dabei war, sie, die bereits vom Heiligen Geist empfangen hatte, lange vor Pfingsten? Das Schwert, das ihr Herz durchbohrt, wie ihr damals im Tempel prophezeit worden war, ist für sie ganz offensichtlich noch nicht ausgestanden. Ich möchte sie in die Arme nehmen und trösten, mich ihr zu Füßen legen, denn wie Elisabeth kann ich nur sagen: Et unde hoc mihi, ut veniat mater Domini mei ad me
Die annulierte Naherwartung, die „Parusie-Verzögerung“, die zu einer Zurücknahme jeglicher Hoffnung auf die Wiederkunft Christi geführt hat, ist eines der Sprach-Symbole für die größte Apostasie, die die Kirche je gesehen hat. Das scheinbar nicht eingetroffene !Bald! des Wiederkommens Jesu hebt die geistlichen Appelle der Evangelien, der Apostelbriefe und der Apokalypse auf. Eigentlich passt die ganze Tradition der Kirche, ihre tiefe geistliche Schönheit, der Abglanz des himmlischen Bräutigams, nicht mehr auf unsere Bildschirme und Displays. Ein heutiger Mensch soll die traditionelle Kirche nicht mehr verstehen können. Wenn da nicht immer noch die vereinzelten Menschen wären, die Jesus im Glauben annehmen und die Tradition doch Schritt für Schritt verstehen. Glaube heißt für sie: „Naherwartung bis zum Weltende“. Wer liebt und sich geliebt weiß, wartet eine Ewigkeit! Diese Liebenden sind dem erloschenen, aber unverdrossen „pilgernden Gottesvolk“ ein Hindernis im freien Schwertkampf gegen Marias Herz.
„Erloschen“? Das Gleichnis von den zehn Jungfrauen lehrt uns das Erlöschen des Glaubens vieler, die einmal vom Glauben angerührt waren. Diese Geschichte will so gar nicht in die gelehrte Naherwartungsschablone passen! Jesus erzählt von jungen Mädchen, die beim Warten über den sich verspätenden Bräutigam einschlafen. Nur fünf von ihnen haben genügend Lampen-Öl für eine lange Wartezeit mitgebracht. Sie sind die Klugen, die, die am Ende mit in den Hochzeitssaal dürfen. Die fünf anderen, deren Lampen erlöschen, werden ausgesperrt: der Herr hat sie nie gekannt. Die „Naherwartung“, die Jesus in dieser Geschichte erzählt, legt die Betonung auf das „Warten“. Vielleicht kann man es so sagen: aus der Sicht Jesu kommt er auf jeden Fall !Bald!, aber aus unserer Sicht gilt es, eine Erwartung aufrecht zu halten.Wer die Texte des Neuen Testamentes sorgfältig liest, entdeckt, dass das !Bald! der Wiederkunft Jesu Christi eben kein banales !Bald! ist, wie man es drängelnden Kindern sagt. Wer nicht damit rechnet, dass er unendlich lange warten muss, so lange, dass ihm die Augen zufallen vor Müdigkeit, der ist dieses Bräutigams nicht wert. Selig, wer an den prophetischen Worten dieses Buches festhält, sagt Jesus dem Seher Johannes. Das Festhalten fordert maximale Wartebereitschaft ab. Und werden wir nicht daran erinnert, dass das, was uns lange erscheint, vor Gott kurz ist: Am Ende der Tage werden Spötter kommen, die sich nur von ihren Begierden leiten lassen und höhnisch sagen: Wo bleibt denn seine verheißene Ankunft? (…) Das eine aber, liebe Brüder, dürft ihr nicht übersehen: dass beim Herrn ein Tag wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag sind. Der Herr zögert nicht mit der Erfüllung der Verheißung, wie einige meinen, die von Verzögerung reden; er ist nur geduldig mit euch, weil er nicht will, dass jemand zugrunde geht, sondern dass alle sich bekehren. (2. Petrus 3)
Es gilt, eine andere Schau der Zeit zu empfangen. Jesus sagt immer wieder, er wisse weder Tag noch Stunde. Er komme wie ein Dieb in der Nacht, überraschend, unerwartet, plötzlich, verspätet für die einen, zu früh für die anderen und gerade rechtzeitig für die, die immer auf ihn gewartet haben, immer und ohne Zweifel daran, dass er kommt.
Die Kirche kennt von Anfang an das Verwirrspiel unzutreffender Wiederkunfts-Ankündigungen. Gebt Acht, dass euch niemand irreführt! sagte Jesus. (Markus 13, 5) In der frühesten Christenheit wurde bereits intensiv über die Wiederkunft und das Rätsel des Zeitpunktes nachgedacht. Paulus nennt zwei Kriterien, die erfüllt sein müssen, bevor der Herr wiederkommt: Es muss eine massive, nie dagewesene Apostasie stattfinden. Und der Mensch des Verderbens muss offenbar werden. Seid also standhaft, Brüder, und haltet an den Überlieferungen fest, in denen wir euch unterwiesen haben, sei es mündlich, sei es durch einen Brief.(2. Thess. 2) Diesen Kriterien vorgelagert ist die Aussage Jesu, das Evangelium müsse vorher allen Menschen verkündet worden sein. (Markus 13,10)
Er kommt rechtzeitig für alle, die ihr Leben ihm schenkten, ihm Tag und Nacht ihre Liebeserklärungen und Nöte ins Ohr flüsterten. Er ist um uns herum und es liegt an uns, ob wir unser Herz auf ihn richten, auf ihn, unseren treuen Reisebegleiter.Er kommt zu denen, die den Leib Christi empfangen und sich darauf vorbereiten, dass er selbst es ist, mit dem sie sich vereinigen.Die sakramentale Gegenwart Jesu und das Gebet sind der Vorgeschmack darauf, dass er in Herrlichkeit kommen wird. Sie soll die Sehnsucht nach seiner Wiederkunft in uns wach halten wie das Lampen-Öl das Licht der klugen Jungfrauen.
In mir lebt das apokalyptische Bild, wie er wiederkommt in den Wolken, vielleicht gerade da draußen vor dem Fenster. Es wird keinen Zweifel darüber geben, dass er es ist. Und die Jahrhunderte, die uns so lang erschienen, werden zusammenschmelzen zu einem Augenblick, zu einem Seufzer, der uns im Hals stecken bleibt: Da! – Er kommt! Ich bin mir gewiss, dass es so sein wird. Die Zeit ist eine Kulisse, die Gott uns zuliebe entfaltet hat, um jedem von uns die Möglichkeit zum Leben und zur Umkehr zu geben. Eines Tages aber wird der Herr die Zeitkulissen ineinanderschieben und aus tausend Jahren wird ein Da!. Die Jahre haben uns velociter durch ein paar Zeitalter mitgerissen. Spüren wir in uns nicht die ganze Menschheitsgeschichte? Waren wir nicht mit dabei im Garten Eden, auf der Wüstenwanderung, überall da, wo Menschen seit Menschengedenken waren? Offenbart nicht eines der Modethemen aktueller Kinderliteratur, nämlich die „Zeitreise“, dass in jedem die tiefe Ahnung lebt, dass alles zusammengehört, alles jeden betrifft, alles zum Greifen nahe ist? Was uns lange erschien, war nur ein Hauch. Er war uns immer nah, unser Herr. Er stand immer schon vor der Tür wie ein lange angkündigter Besuch und zog die Klingelschnur. Wir waren fern. Viele von uns wollten nicht aufmachen. Er aber sagt dazu:Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende. Was wir sind, sind wir durch ihn. Was wir nicht durch ihn sind, sind wir nicht.  Contemplamini hoc velociter!  
Er wird plötzlich kommen.

3 Kommentare:

  1. Vielen Danke für diesen großartigen Text!

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  2. Sie sind wahrlich eine Bereicherung der Blogscene!

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  3. Wundervolle Analyse!
    Ich schätze auch Ihre Beiträge a.a.O. sehr!

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