Sonntag, 1. Oktober 2017

Fake Heavens (II) — Zur Problematik der modernen Kosmologie als antichristlicher Utopie ("Ortlosigkeit")



Fake Heavens (II) — Zur Problematik der modernen Kosmologie als antichristlicher Utopie ("Ortlosigkeit")


1. Das Olberssche Paradoxon oder warum jede irdische Macht auch Sternwarten und Observatorien unterhält und es doch dunkel bleibt

Nachdem ich in einem ersten Teil die vorhandene Debatte um die „Flache Erde“ dargestellt und untersucht habe, was denn die heidnische, europäische Antike über den Kosmos dachte und „wusste“, möchte ich mich in diesem zweiten Teil mit den geistigen Konsequenzen der modernen Kosmologie beschäftigen und danach in einem weiteren Artikel die biblische Kosmologie genauer beleuchten.

Wenn nun manch einer, vor allem mancher Christ, sagen mag (wie dies einige Kirchenväter taten), es sei doch letztendlich ganz egal, wie das All und die Gestalt der Erde aussehe, es komme doch nur auf den rechten Glauben an, so möchte ich dem widersprechen und vorausschicken, dass nicht nur der christliche Glaube mit seinem Zeit-, Schöpfungs- und Himmelsbegriff steht und fällt, — denn alle heilsgeschichtlichen und apokalyptischen Aussagen nehmen direkten oder indirekten Bezug auf die Kosmologie — , sondern unser aller seelisches und politisches, geistiges und ökonomisches Schicksal auf dieser Welt hängt davon ab. Machtpolitik war niemals von der Kosmologie zu trennen, und jeder sehe sich vor, wo er sich hier verortet. Es gab nie eine irdische Macht, die nicht die Sterne und das All für sich beansprucht hätte. Jeder Hof unterhielt Sternkundige und Astronomen, und auch der Vatikan unterscheidet sich hier auf keine Weise. Wozu, wenn das für den Glauben unwichtig sein soll, bräuchte sonst unsere Kirche eine „Sternwarte“ in den Albaner Bergen? Wozu unterhält der Heilige Stuhl eine Bildungs- und Forschungseinrichtung namens „Specola Vaticana“? Keine Sternwarte auf dieser Welt sieht davon ab, über die Himmelsgeschehnisse zu wachen und die Deutungshoheit über sie zu beanspruchen. Eine fromme Vogel-Strauß-Politik ist eines Christen alleine schon im Rahmen dieser Vorbemerkung in einer so wichtigen Frage also nicht würdig und konnte und könnte weiterhin der Ausgangspunkt einer großen Irrtumsanfälligkeit und Verkennung der Zeichen der Zeit werden. An der Kosmologie hängt förmlich alles, denn sie ist es, die die Fähigkeit, den wiederkommenden Herrn zu erkennen oder eben auch zu verstehen, dass er es nicht ist, von dem uns einige sagen, er sei es, wesentlich fundiert.

Doch fangen wir am Anfang an:
Der Glaube „fühlt sich“ anders an, wenn Gott in einem unendlichen Vakuum-All mit Myriaden herumsausender (Leucht-)Kugeln und Schwarzer Löcher nirgends zu finden ist und in einer „rein geistigen“ Sphäre jenseits dieses von uns vorgestellten, grenzenlosen Alls in einem „Außen“ angenommen wird und wir — wie von Blaise Pascal ausgesprochen (s. „Fake Heavens I“) — unendlich einsam und verloren als Staubkörner in diesem „All“ taumeln und nicht wissen, wo da dieser Gott sein soll. Gott ist unendlich weit entfernt und völlig un-offenbar geworden. In einer solchen Kosmologie wird unweigerlich Gott, aber auch Gut und Böse zu einer relativistischen Abstraktion, der Mensch ist bedeutungslos, wertlos und verloren. Es gibt in einem so gedachten „All“ nichts, woraus sich ein Wert des Menschen ableiten ließe.
Oder aber, man ist konsequent und verfolgt wie Giordano Bruno einen pantheistischen Ansatz. Gott muss dann mit diesem unendlichen All identisch sein. Diese Position hat die Kirche verfolgt und Bruno dafür auf den Scheiterhaufen geschickt. Brunos Ansatz wäre aber in dem kosmischen Modell der einzig schlüssige gewesen. Man kann nicht „zweien Herren dienen“. Lehnt man den pantheistischen Ansatz ab, müsste man das gesamte Modell ablehnen, denn wie soll man sich Gott jenseits einer unendlichen Schöpfung denken? Die logische Problematik des heutigen kirchlichen Denkens werde ich später anhand eines Kant-Zitates genauer beleuchten. Johannes Paul II. hat zum Glück im Jahr 2000 zugestanden, dass die Art und Weise, wie die Kirche mit dem Dominikaner damals verfahren war, Unrecht war, aber den mit diesem Weltbild, das er bejahte, notwendigen pantheistischen Ansatz lehnte er nach wie vor ab. Gewiss: das Gottesbild der Heiligen Schrift kann unmöglich pantheistisch und vor allem nicht a-personal verstanden werden. Aber wenn das wahr ist, kann die Kosmologie andererseits nicht stimmen, der die Kirche anhängt und die ihre Kleriker maßgeblich befördert haben… Die Kirche befindet sich, wie ich behaupte, demnach in einer beißenden Schizophrenie an einem Punkt, der merkwürdigerweise nur von ganz wenigen als der tatsächliche Ausgangspunkt der postmodernen Glaubenskrise wahrgenommen wird.

Anders ist das „Lebensgefühl“ eines Menschen, der die Überzeugung hat, dass die Erde zu Füßen Gottes oder unter den Himmeln ist und der Allmächtige sie und alles, was ihr gegeben ist, einschließlich der Gestirne, „von allen Seiten umgibt“ (Ps 139, 5). Ja, es ist etwas anderes, wenn man sich darüber gewiss ist, dass er da oben über uns ist und um uns und auf alles und jeden aufmerkt, selbst die Lilien auf dem Feld liebevoll einkleidet und den Spatzen, die nicht säen und nicht ernten, täglich ein üppiges Mahl auftischt (Mt 6, 26 ff). Und es würde uns anders ausrichten, wenn wir von daher die Aussagen des Glaubens verstünden, die von einem apokalyptischen Kampf sprechen, der vom Himmel her auf die Erde fiel und den Menschen, der in diesem Kampf eine zentrale Rolle spielt, zur Positionierung auffordert, seine Potenz fürs Himmlische aktiviert, zur Schärfung der Augen und Ohren und zum geistigen Kampf aufruft. Zu einem Kampf, in dem der Fürst der Welt und seine fanatischen Anhänger, die die liebevolle Einkleidung und Speisung der Lilien und Spatzen hassen, den einen das letzte Hemd rauben und das letzte Eckchen Brot aus dem Munde reißen und deren bitter werdende Seele dem Verderben ausliefern, den anderen deren Gut aufdrängen und ihre Gier entfachen und sie ersticken lassen in der Diebesware. Zu einem Kampf, in dem der Mensch gehalten ist, dies in der Kreuzesnachfolge zu ertragen, sich an der Beraubung der Lilien und Spatzen ebenso wenig zu beteiligen wie an der des Menschen und diese Verwüstung zu überschreiten mit Gottes Hilfe auf ihn, den Schöpfer hin.
Anders gesagt:
In einem unendlichen schwarzen, leeren, nächtlich wesentlich unseren Augen trotz der Sterne lichtlos erscheinenden All, das trotz so vieler behaupteter Stern-Sonnen primär dunkel bleibt, wie das Olberssches Paradoxon es ausdrückt, eigentlich aber doch taghell sein müsste[1], wird eine institutionalisierte Machtkirche zu einem paradoxen Pendant, zu einem kraftlosen, starren Gebilde, ja, es nimmt den Charakter dieses unendlich finsteren Raumes menschlicher Täuschung an, die durch kein noch so aufgebläht gedachtes „Licht“ vieler kleiner selbstdefinierter Sonnen (Hierarchen) hell wird, auch dann nicht, wenn man sich Myriaden solcher Sonnenlichter einbildet, sondern finster bleibt und abstrakt, leblos und kalt, und einen mörderischen Unterdruck erzeugt wie das von ihr erdachte Hochvakuum da draußen, in dem alles verdirbt und zugrunde gehen muss. Eine Kirche, die mithilfe ihrer selbsterdachten Sonnen den Heiligen Geist einfangen will, ähnlich wie die Schildbürger einen fensterlosen Turm mit dem Licht, das sie draußen in Mausefallen eingefangen hatten, illuminieren wollten, spiegelt diese Verfinsterung des Alls wieder, macht verständlich, warum Oben und Unten nicht mehr klar sind, alles plötzlich relativ wurde: es war die Kirche selbst, die mit der Ausbildung ihres Machtapparates und der konsequenten Verleugnung der biblischen Kosmologie Oben und Unten verwechselt und relativiert hat. Mit der Etablierung einer fast gottgleichen Hierarchie und dem Machtanspruch des Papsttums kam es folgerichtig zur Verfremdung der biblischen Kosmologie zur „Revolution“ von Kalendern und Weltbildern, und es war folgerichtig insbesondere der nachreformatorische, programmatisch das irdische Papsttum stützende Jesuitenorden, der die Astronomie als sein Herrschaftsgebiet entdeckt hat und das kopernikanische Weltbild von Anfang an in alle Welt missioniert hat, auch wenn beileibe nicht jeder Kirchenmann, wie etwa Kardinal Bellarmin SJ,  das anfangs so wollte. Was das frühe Christentum hinter sich gelassen hatte, wurde durch tausend Schattentüren wieder eingelassen. Doch dazu später.

Das vom Menschen erdachte All ist am Tage unsichtbar, nur die Finsternis, die Gott „Nacht“ nannte, lässt dieses Gespinst der Hybris zu und vergewaltigt die wirklichen Gestirne, deren Geheimnis wir heute weniger erfassen als die alten Astrologen. Warum leuchten sie, und warum ziehen sie ihre Bahnen? Wie weit sind sie wirklich entfernt, und wie ist ihre wahre Gestalt und Leuchtkraft beschaffen? Wer sind sie, die selbst im Alten Testament manchmal metaphorisch oder womöglich doch direkter mit den „Göttersöhnen“ in eins gesetzt werden?[2]

In einem ewigen, lichten All aber, das „hinter“ dem geostationären und unseren Augen endlichen Nachthimmel liegt, in dem die „caeli“ (oder „caela“), „die Himmel“ sind und Gott, handgreiflich, aber unfassbar, buchstäblich und lebendig, ist Glaube weder abstrakt noch starr, sondern lebendig und mild, weder eiskalt noch mörderisch heiß, nur dem ein Schrecken, der den Allerhöchsten, dem dies alles gehört, ablehnt, ein Paradies aber dem, der dessen Schöpferkraft anerkennt und ihm sein ganzes Sein zu Füßen legt. Die Vorstellung hier ist „andersherum“: Über uns ist eine andere unbegrenzte Sphäre, aber sie ist erfüllt vom Licht, von dem uns mindestens das Firmament trennt und unsere Augen, von denen es immer wieder heißt in der Schrift, sie seien „gehalten“, damit wir nicht alles sehen, was ist, sind in einer horizontalen Perspektivität gefangen. Das sterbliche Auge hat nicht die Sehkraft fürs Ewige. Eine geheimnisvolle Trennwand steht zwischen uns und diesem lichten, ewigen „Raum“ um uns, der weniger ein oder gar kein geometrisch zu verstehender „Raum“ als ein Bereich ist, dessen Dimensionalität uns nicht fassbar ist.
Während die unendlichen, leeren, vom sterblichen Menschen erdachten Räume, die Blaise Pascal schaudern machten, den Menschen verloren gehen lassen in seiner eigenen inneren Wüste und auf Gott nicht verweisen, ergibt sich aus der biblischen Vorstellung von Himmel und Erde ein ganz anderer Eindruck: diese Welt ist in jedem Fall, trotz aller Finsternisse, die wir doch erleben, umgeben von wirklicher, lebendiger Weite und Licht. Wären die Augen nicht geschwächt und gehalten, sie würden uns übergehen über all dem, was uns umgibt und durchwirkt.

2. Die Analogieproblematik zwischen Schöpfer und Geschöpf als kosmologische „Falle“

Ein Glaube unter einem solchen Himmel bedürfte an sich keiner Dogmen, er ist selbstevident, und es ist auffallend, dass der Hang zur Dogmatisierung und Moralisierung des Glaubens in der westlichen Kirche nicht nur unserer Schwäche und Irrtumsanfälligkeit geschuldet ist, sondern tatsächlich erst mit der Sonnenherrschaft Konstantins anbrach und mit dieser spätantiken Verfremdung der christlichen Kosmologie auch der Glaube mit Hammer und Meißel in die Herzen gebracht werden musste. Nun, da man sukzessive das ewige Licht um uns als eine buchstäbliche Wirklichkeit ausschloss, folgte die Astronomie und Kosmologie einer Abwärtsentwicklung. Am Ende bedeutete der Eintritt der „Neuzeit“ eine totale Verschiebung der himmlischen Perspektive zugunsten der unendlichen Finsternis da draußen, die ihr weniges Licht alleine von den behaupteten „Sonnen“ beziehe, die in einem unerklärlich stockdunklen Universum doch nicht so hell leuchten, wie man es sich ausgedacht hatte...
Nachdem diese Schieflage seit der „kopernikanischen Wende“ weit gediehen war und man aus der Abgründigkeit des menschlichen Bewusstseins ein nach außen verlagertes „leeres“ und dunkles „All“ gemacht hatte, in dem einsame Kugeln um einsame, aber angeblich hell leuchtende „Sonnen“ taumeln, konnte ein großer Philosoph wie Kant die Sache so sehen und dabei (unausgesprochen) auf die alte Auseinandersetzung zwischen Giordano Bruno und der Kirche zurückkommen:

„Wo wird die Schöpfung selbst aufhören? (…) Man merkt wohl, dass, um sie in einem Verhältniss mit der Macht des unendlichen Wesens zu denken, sie gar keine Grenzen haben muss. Man kommt der Unendlichkeit der Schöpfungskraft Gottes nicht näher, wenn man den Raum ihrer Offenbarung in eine Sphäre, mit dem Radius der Milchstrasse beschrieben, einschliesst, als wenn man ihn in eine Kugel beschränken will, die einen Zoll im Durchmesser hat. Alles, was endlich ist, was seine Schranken und sein bestimmtes Verhältniss zur Einheit hat, ist von dem Unendlichen gleich weit entfernt. Nun wäre es ungereimt, die Gottheit mit einem unendlich kleinen Theil ihres schöpferischen Vermögens in Wirksamkeit zu versetzen, und ihre unendliche Kraft, den Schatz einer wahren Unermesslichkeit von Naturen und Welten unthätig und in einem ewigen Mangel von Ausübung verschlossen zu denken. Ist es nicht vielmehr anständig, oder besser zu sagen, nothwendig, den Inbegriff der Schöpfung also anzustellen, als er sein muss, um ein Zeugniss von derjenigen Macht
abzugeben, die durch keinen Maassstab kann abgemessen werden? Aus diesem Grunde ist das Feld der Offenbarung göttlicher Eigenschaften eben so unendlich, als diese selber sind. Die Ewigkeit ist nicht hinlänglich, die Zeugnisse des höchsten Wesens zu fassen, wenn sie nicht mit der Unendlichkeit des Raumes verbunden wird."[3]

Dieser Gedankengang Kants ist aus verschiedenen Gründen bemerkenswert.

1.
Die antike und mittelalterliche Argumentation, der auch Kopernikus noch ausdrücklich anhing, besagte, dass die Kugelform die Form der Vollkommenheit sei und daher alles, was Gott geschaffen habe im All, die Form einer Kugel haben müsse, auch der Kosmos selbst. Es stellt sich dann aber die Frage, was außerhalb dieser Kugel ist. Diese Frage trieb auch Augustinus um:

„Capiunt ergone te caelum et terra, quoniam tu imples ea? An imples et restat, quoniam non te capiunt? » — « Fassen sie Dich also, Himmel und Erde, da Du sie erfüllst ? Oder erfüllst Du sie und bleibt etwas über, weil sie Dich nicht fassen?“[4]
Er konnte die Frage nicht beantworten, aber er formulierte die Problematik für unser menschliches Denken. Er wendet sich von ihr an dieser Stelle ab und sucht nach seiner subjektiven Position in dieser Konstellation.

2.
Kant argumentiert zunächst wie Bruno so, dass ein unendlicher Schöpfer auch eine unendliche Schöpfung erschaffen haben müsse.
Aber Kant setzt sich mit einer anderen Frage auseinander, die im Hochmittelalter diskutiert und von der Kirche in einer ganz bestimmten Weise beantwortet wurden, nämlich die Frage nach der Analogie zwischen Schöpfer und Geschöpf:
Grundsätzlich ist es eine logische Aussage, wenn Kant sagt, alle endlichen Gegenstände seien vom Unendlichen gleich weit entfernt. Die Unendlichkeit weicht vor jedem endlichen Zugriff zurück und wirft das Endliche immer zurück auf die vorige Position, die es glaubte, eben siegreich verlassen zu haben. Angesichts der Unendlichkeit finde ich keinen „Ort“, keinen Raumpunkt, denn ein Raum ohne Koordinaten, die mir ermöglichen, Raumpunkte zu bestimmen, ist absurd. Der Navigationspunkt der fortschreitenden Erkenntnis vom Standpunkt des Endlichen aus müsste demnach „mitwandern“, behielte aber den Stand der endlichen Blindheit immer bei. Es wäre hinsichtlich der Religion eine Sisyphusarbeit und der Mühe kaum wert: was immer ich erkenne — es bleibt von dem, der erkannt werden sollte und wollte, immer gleich weit entfernt und ist völlig beliebig, ob ich „erkenne“ oder nicht. ja, es ist fraglich, ob man in einer solchen Lage überhaupt von „Erkenntnis“ sprechen darf und nicht eher von „Fabeln“, die man selbst ersinnt. Was immer ich in einem solchen kosmologischen Konzept glaube und erkenne, es kann gradlinig sein oder nicht, bleibt relativ in einem absoluten Sinn. Es ist nicht einfach nur „unvollkommen“, „unvollständig“ oder „bruchstückhaft“, was ich erkenne, sondern absolut beliebig und solitär. Es darf nicht verwundern, dass im 20. Jh manche existenzialistische Position diesen Denkansatz, der auf mittelalterliche dogmatische Weichenstellungen der Kirche zurückgeht, radikal zu Ende führte.
Offen bleibt uns in einer solchen Vorstellung die Erfindung eines „Innen“-Raumes mit Koordinaten, die aber das Unendliche „drumherum“ bewusst ausblenden muss, um sich nicht in einer abgründigen Unordnung zu verlieren, die nicht mehr relative Maße kennt, sondern konsequent bedacht gar keine. Wo sollte man in diesem unendlichen „Raum“ noch Maß anlegen? Wie weit ist es von A nach B? Wie kann ich beschreiben, wo genau A und B überhaupt liegen? Wo ist oben, wo unten? Was bedeutet die Rede von „Himmelsrichtungen“ im unendlichen „Raum“? Für ein unendliches All gilt „Anything goes“ oder „Nothing goes“. Was im einzelnen geht, kann nur noch subjektiv bestimmt werden für den Moment, um sogleich wieder zu entschwinden in der Maßlosigkeit.

In diesem Zusammenhang steigt die mittelalterliche Auseinandersetzung zwischen positiver und negativer Theologie auf. Auf dem IV. Laterankonzil von 1215 hieß es, „quia inter creatorem et creaturam non potest tanta similitudo notari, quin inter eos maior sit dissimilitudo notanda“ (DH 806), „dass zwischen dem Schöpfer und dem Geschöpf keine so große Ähnlichkeit bemerkt werden kann, dass nicht zwischen ihnen eine größere Unähnlichkeit bemerkt werden könnte.“
Das Laterankonzil stellte diesen Satz in den Zusammenhang einer Analogiedebatte. Der Satz enthält in sich schon im Ansatz eine gewisse Absurdität und Hybris, denn er formuliert so, als sei eine Außenansicht auf die Konstellation Schöpfer-Geschöpf möglich, von der aus man immer bestimmten könne, inwiefern der Schöpfer dem Geschöpf unähnlicher als ähnlich sei. Bevor das Konzil zu seinem Schluss kam, zitierte es aus dem Matthäus-Evangelium die Bitte Jesu: „Ihr sollt vollkommen sein, wie auch euer himmlischer Vater vollkommen ist“ (Mt 5, 48), um zu zeigen, dass es hier nicht darum gehen könne, dass ein Mensch in der Natur Gottes vollkommen sein könne, sondern nur in seiner eigenen. Und Vollkommenheit komme ihm dann nur als Mensch, nicht in derselben Weise wie Gott zu. Die Analogie zwischen Schöpfer und Geschöpf besteht demnach nur darin, dass jeder seiner zum anderen absolut unähnlichen Natur nach bestimmte ähnliche Potenzen aufweisen könne.
So sehr dies einleuchtet und die Gottesfurcht zu gebieten scheint, so sehr hat diese Argumentation doch einen logischen Haken, denn die „similitudo“ (Ähnlichkeit) des Menschen zu Gott ist vom Schöpfer laut biblischer Aussage zum einen gewollt, als er Mann und Frau als „imago Dei“ (Gott-Ebenbild) schuf. Zum andern muss man fragen, ob denn Potenzen nur deswegen um ein Unendliches verschieden sein können, weil die, in deren Natur sie liegen, verschieden sind. Anders: Ist Vollkommenheit, wenn sie Gott als Attribut zukommt, wesentlich etwas anderes als wenn sie einem Engel oder einem Menschen zukommt? Gibt es drei verschiedene Formen der Eigenschaft „Vollkommenheit“? Ist Vollkommenheit überhaupt eine „Eigenschaft“? Und kann man sagen, dass das Geschöpf, das sich endlich, begrenzt vorfindet, als ein solches Endliches überhaupt Vollkommenheitscharakter erreichen kann? Schließt die Endlichkeit die Vollkommenheit aus? Man argumentiert hier, wie es scheint, mit einer „Intaktheitsvorstellung“: was seiner Möglichkeit nach intakt ist, ist vollkommen. Das ist schlüssig, passt aber mit anderen Glaubenssätzen nicht zusammen. Nach einer solchen Argumentation sind auch Killerviren „vollkommen“, sofern sie ihre Möglichkeiten voll ausschöpfen können. Man stünde so in der Gefahr eines Dualismus, den die Kirche doch auch immer abgelehnt hat. Oder aber man nimmt an, das Killervirus lebt seine Potenzen pervertiert aus und hätte eine ganz andere Natur als die, die wir sehen. Woher kann man sie wissen, wenn sie offenbar total verdorben ist?
Das Konzil übergeht, dass Jesus von „eurem himmlischen Vater“ spricht, und Väter sind den Kindern nie ferner als näher…
Ein weiteres Problem stellt sich im Rahmen biblischer Aussagen: „Vollkommenheit der eigenen Natur nach“ kommt allen Dingen zu, auch denen, die nicht ausdrücklich als „imago Dei“ geschaffen sind. Sie kommt den Engeln, den Gestirnen, dem Gestein, den Gräsern, Elefanten und Katzen, Vögeln und Fischen, Spinnen und Amöben zu. Gott hat alles „gut“ geschaffen. Inwiefern unterscheidet sich also die spezifische Vollkommenheit eines „Gott-Ebenbildes“ von der anderer, nicht-ebenbildlicher Naturen?
Andererseits muss man fragen, von welcher „Vollkommenheit“ Jesus hier sprach. In der Vulgata heißt es „Estote perfecti“, nachdem Jesus zur Feindesliebe und Lauterkeit aufgefordert hat. Der Christ soll den Vater im Himmel in seinen wesenhaften Attributen abbilden. Er soll ein Attribut Gottes bewusst als solches annehmen und leben. Angesichts der vorausgehenden Aufforderung zur Feindesliebe, Wahrhaftigkeit und Lichthaftigkeit („Ihr seid das Licht der Welt“) fällt es schwer, diese Vollkommenheit Gottes wesenhaft abgetrennt von der zu sehen, mit der der Mensch Gott nachahmen soll. Das kann im Kontext an sich nicht gemeint sein. Der Mensch wird hier ja nicht aufgefordert, für sich selbst und in sich selbst perfekt zu sein, eine Art „Gottesliebe light“ zu praktizieren, sondern sich wirklich und wahrhaftig formen zu lassen und dabei an der wesenhaften Perfektion Gottes zu orientieren. Nach der mittelalterlichen Lehre fallen in Gott Akt und Potenz ineinander, und seine Liebe und sein Erbarmen sind nicht bloß Eigenschaften, sondern seine Natur.
Doch nehmen wir an, es wäre 1215 richtig gesehen worden, so wurde neben den eben formulierten Fragen weiterhin ausgespart, dass Gott selbst diese Unähnlichkeit überschritten hat, insofern er in Jesus Christus Mensch wurde, also unsere „Unähnlichkeit“ annahm. Er hat diese Unähnlichkeit ja bis heute nicht wieder aufgegeben, sondern als auferstandener verklärter Gottmensch mit zurück in die Himmel genommen („Ascendit in caelum“) und in die Gottheit inkludiert. In Christus muss folglich diese Unähnlichkeit überschritten sein, wobei es mir unmöglich ist, dies präzise weiterzudenken.
In jedem Fall ergibt sich doch aus der Lehre der Kirche, dass Gott durch Jesus Christus die menschliche Natur in sich aufgenommen hat, zwar nicht so, als hätte er seine mit der unseren zu einem „Einheitsbrei“ vermischt, aber die beiden Naturen sind der dogmatischen Aussage nach im Gottmenschen, der 2. trinitarischen Person, ebenso „ungetrennt“ wie sie andererseits „unvermischt“ sind. Die Betonung der „Unvermischtheit“ und „Unähnlichkeit“ wird durch die Einheit der gottmenschlichen Person Christi („hypostatische Union“) überstrahlt, denn sie ist im Fazit eine göttliche Gesamtperson mit einer menschlichen Natur in der göttlichen. Umgekehrt ist es nicht denkbar ohne einer Hybris zu verfallen.
Die Überbewertung der „Unähnlichkeit“ würde sich der nestorianischen Position annähern, die einen unüberschreitbaren Abgrund zwischen göttlicher und menschlicher Natur annahm. Diese Position wurde auf dem Konzil von Chalkedon 451 verurteilt. Wenn der Abgrund aber eben nicht unüberschreitbar ist, ist es schwierig, andererseits aufgrund des unendlichen Abstandes des Ewigen zum Endlichen doch darauf zu bestehen, dass das Endliche immer und grundsätzlich dem Unendlichen unähnlicher als ähnlich ist.
Ist es logisch hier nicht notwendig zu sagen: entweder ist der Abgrund überbrückbar oder er ist unüberbrückbar? Tertium non datur! Das Endliche kann logisch betrachtet nicht ein „bisschen“ unendlicher werden. Und das Unendliche kann nicht ein „bisschen“ endlicher werden. Etwas ist entweder endlich oder ewig. Nestorius und andererseits die Monophysiten sprachen im 4. Jh ein echtes gedankliches Dilemma aus, damals hinsichtlich der Inkarnation Gottes ins Fleisch, auf lange Sicht aber sollte uns dieses Dilemma vor weitere Probleme stellen, etwa in der Kosmologie.
Die Jahrhunderte lange Auseinandersetzung liegt sachlich nicht in hartnäckigen Häretikern begründet, wie die Kirche es gerne darstellen lässt, sondern in dem logischen Dilemma selbst, das auch durch sophistische „Kompromissformeln“ nichts an Brisanz verloren hat. Die Unbescheidenheit der damaligen Akteure (auch der rechtgläubigen) ist angesichts des wirklichen gedanklichen Problems mehr als erstaunlich. Wir können bei Lichte besehen von uns aus weder sagen, wir seien Gott ähnlich noch, dass wir ihm immer unähnlicher als ähnlich seien. Uns fehlt ein Maß — wir wissen nur, dass wir aus reiner Gnade von Gott als Kinder angenommen sind und er, nach dem Zeugnis des Paulus, „keinem von uns fern ist“. Die Schrift spricht in der Tat hier eine andere Sprache als das Laterankonzil von 1215 , und ich möchte es vollständig zitieren:

„24 Gott, der die Welt erschaffen hat und alles in ihr, er, der Herr über Himmel und Erde, wohnt nicht in Tempeln, die von Menschenhand gemacht sind.
25 Er lässt sich auch nicht von Menschen bedienen, als brauche er etwas: er, der allen das Leben, den Atem und alles gibt.
26 Er hat aus einem einzigen Menschen das ganze Menschengeschlecht erschaffen, damit es die ganze Erde bewohne. Er hat für sie bestimmte Zeiten und die Grenzen ihrer Wohnsitze festgesetzt.
27 Sie sollten Gott suchen, ob sie ihn ertasten und finden könnten; denn keinem von uns ist er fern.
28 Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir, wie auch einige von euren Dichtern gesagt haben: Wir sind von seiner Art.
29 Da wir also von Gottes Art sind, dürfen wir nicht meinen, das Göttliche sei wie ein goldenes oder silbernes oder steinernes Gebilde menschlicher Kunst und Erfindung.“

„Da wir also von Gottes Art sind“, sagt der Apostel…“Ipsius enim et genus sumus“, da wir von seinem „genus“ sind, seinem „Adel“, seiner „Herkunft“, seiner „Abstammung“ in dem Sinne sind, wie man von einem Menschen sagt, er sei vom „genus“ seiner Mutter oder seines Vaters, in genau diesem begrifflichen Sinne schreibt Paulus.
Es ist zwar verständlich, dass man 1215 bestimmten Auswüchsen und Überhebungen einiger Theologen und Enthusiasten Einhalt gebieten wollte, aber man hat dabei in anderer Hinsicht am Ziel folgenreich vorbeigeschossen.
Es wäre etwa zu fragen, wie sich Unähnliches in einer einzigen Person (Jesus Christus) stabil hätte durchwirken können. Genauso schwierig ist zu verstehen, wie bei der Ausgangslage von 1215 auch die Glaubenstatsache, dass die damals doch seit fast 800 Jahren dogmatisch definierte „Dei Genetrix“, die Gottesgebärerin Maria, die ein zwar reiner, aber dennoch nur menschlicher Mensch war, vom göttlichen Logos ihn selbst leibhaftig ja irgendwie willentlich mitzeugend empfangen und gebären konnte, wenn die Unähnlichkeit größer als die Ähnlichkeit gewesen wäre. Ist es nicht unmöglich, dass mehr Unähnliches als Ähnliches miteinander etwas hervorbringt? Selbst wenn man sagt: „Das ging alleine von Gott aus, der sich herabließ“ (und damit zweifellos recht hat!), wäre doch eine solche Herablassung bei unendlicher Unähnlichkeit nicht denkbar. Es hat also einen tieferen und geheimnisvolleren Sinn als es uns denkmöglich und bewusst ist, wenn es in der Genesis heißt, wir seien das „Abbild“ oder „Ebenbild Gottes“. Auch die Rede davon, dass Gott „in“ uns wohnen wolle, dass wir uns andererseits „in ihm bewegen“, wie es Paulus oben sagt, ergäbe keinen Sinn, wenn da eine unüberbrückbarere Inkompatibilität als Kompatibilität wäre. Da ein „tertium“ zwischen Ähnlichkeit und Unähnlichkeit (similitudo/dissimilitudo) fehlt, stehen wir hier vor einem wahren Mysterium. Das Bekenntnis, dass dies von Gott ausgehe, ändert daran auf einer logischen Ebene nichts. Auch Petrus schreibt (2. Petr 1, 4), dass wir Anteil an der „göttlichen Natur“ erhalten würden: „…ut per hæc efficiamini divinæ consortes naturæ : fugientes ejus, quæ in mundo est, concupiscentiæ corruptionem.“ — „…durch diese (die göttliche Macht) lasst uns erwirken, dass wir Teilhaber an der göttlichen Natur werden („divinae naturae consortes“) : der Korruption durch die Gier fliehen, die in der Welt ist.“
In diesem Zusammenhang muss auch auf Gen 6 verwiesen werden, wo eine leibliche Vereinigung zwischen Engeln und Menschen bezeugt wird, die im NT als zwar unrechtmäßige „Selbstherabstufung“ der Engel bezeichnet, aber eindeutig als möglich bestätigt wird (2. Petr. 2, 4 und Judas 6).
Diese Schriftaussagen weisen darauf hin, dass zwischen Gott, Engeln und Menschen eine markante Ähnlichkeit und Kompatibilität besteht, die eine wie immer beschaffene stoffliche Komponente oder Potenz haben muss aufgrund dieser biblischen Aussagen und Glaubensüberzeugungen. „Reine Geister“ ohne jegliche stoffliche Potenz könnten aus und mit Menschen ja nichts zeugen. Falls einer einwenden wollte, Gott könnte doch bei der Zeugung Jesu in Maria einfach das Fleisch als Verkleidung gewählt haben, also gewissermaßen in ein „wesensfremdes“ Gewand geschlüpft sein, so muss man auch hier darauf verweisen, dass dieser scheinbar so erhabene und fromme Gedanke („Monophysitismus“) von der Kirche in einem längeren Prozess bis ins 7. Jh hinein vollständig aufgegeben wurde, zumal man in Chalkedon eigentlich bereits eine Formel gefunden hatte, die die Abwertung der menschlichen Natur in Christus abgewendet hatte. Man müsste in diesem Fall auch fragen, wozu diese Zeugung aus und mit der Menschheit in Maria hätte dienen sollen: für eine bloße „Verkleidung“ wäre diese „Vereinigung“ mit dem Menschen nicht notwendig gewesen und hätte überdies die Versuchung, die „similitudo“ des Menschen zu Gott als eine große anzunehmen, verhindert... Die Wertung der menschlichen Erscheinung Jesu Christi als bloßes äußerliches Kleid, das nicht als eigenständige Natur mit der Gottheit verbunden wurde, würde die Frage nach der Gültigkeit und Möglichkeit seines Opfertodes als Mensch andererseits fraglich machen und kann im Rahmen des Glaubens daher aus logischen Gründen ebenfalls nicht angenommen werden, ohne den ganzen Glauben überflüssig zu machen.


3. Kosmologie muss für Christen immer Christologie sein

Manch ein Leser mag sich fragen, was diese Abschweifung in die christologische Dogmatik mit der Kosmologie zu tun hat. Es ist leicht zu beantworten, aber vielleicht auf den ersten Blick nicht erkennbar oder schwer zu verstehen: Mich leitet die Aussage im NT, dass durch den Sohn alle Dinge gemacht sind und ohne ihn nichts ist. Die Schöpfung steht und fällt mit Christus. Wahre Kosmologie kann nur durch und in Christus verstanden werden.

„1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.
2 Im Anfang war es bei Gott.
3 Alles ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.
4 In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen.“

Diese berühmten Worte aus dem Johannes-Prolog haben wir einst als Schlusslesung nach jeder Heiligen Messe gehört. Trotz mancher Verirrung hielt die Kirche so doch noch fest an einer prinzipiell christologischen Kosmologie. Seit der Liturgierefom 1970, zur Zeit der medialen Mondlandungen, hat man diese Lesung abgeschafft.

Im Kolosserbrief (Kol 1) singt Paulus in einem ebenfalls berühmten Christus-Hymnus:

„15 Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung.
16 Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen.
17 Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand.“

Oder im Römerbrief (Röm 11) preist Paulus den Schöpfer mit folgenden Worten:

„34 Denn wer hat die Gedanken des Herrn erkannt? Oder wer ist sein Ratgeber gewesen?
35 Wer hat ihm etwas gegeben, sodass Gott ihm etwas zurückgeben müsste?
36 Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist die ganze Schöpfung. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.“

Und in Epheser 1 bricht der Autor in ein weiteres Jubellied aus über die Schöpfung in Christus und durch Christus:

„3 Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel.
4 Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott;
5 er hat uns aus Liebe im Voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen,
6 zum Lob seiner herrlichen Gnade. Er hat sie uns geschenkt in seinem geliebten Sohn;
7 durch sein Blut haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade.
8 Durch sie hat er uns mit aller Weisheit und Einsicht reich beschenkt.
9 und hat uns das Geheimnis seines Willens kundgetan, wie er es gnädig im Voraus bestimmt hat:
10 Er hat beschlossen, die Fülle der Zeiten heraufzuführen, in Christus alles zu vereinen, alles, was im Himmel und auf Erden ist.

Das alles sind heilige und ungeheuerliche Worte, weil uns etwas zugedacht ist, das wir noch nicht ermessen können.
Angesichts solcher Worte sollte jedem wie mit Schuppen von den Augen fallen, warum die Kosmologie und die Christologie eine und dieselbe Frage sind!
Kosmologie geht aus christlicher Sicht zwangsläufig mit dem Schöpfer um und dem, durch den alle Dinge geschaffen sind. Bei einer riesenhaft und unendlich angenommenen „dissimilitudo“ (Unähnlichkeit) zwischen Schöpfer und Geschöpf, wird unweigerlich auch die Kosmologie aus den Fugen geraten und den Menschen in der Folge aussetzen „auf den Bergen des Herzens“, wie Rainer Maria Rilke vor 100 Jahren dichtete:

„Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens. Siehe, wie klein dort,
siehe: die letzte Ortschaft der Worte, und höher,
aber wie klein auch, noch ein letztes
Gehöft von Gefühl. Erkennst du's?
Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens. Steingrund
unter den Händen. Hier blüht wohl einiges auf; aus stummem Absturz
blüht ein unwissendes Kraut singend hervor.
Aber der Wissende? Ach, der zu wissen begann
und schweigt nun, ausgesetzt auf den Bergen des Herzens.
Da geht wohl, heilen Bewußtseins,
manches umher, manches gesicherte Bergtier,
wechselt und weilt. Und der große geborgene Vogel
kreist um der Gipfel reine Verweigerung. - Aber
ungeborgen, hier auf den Bergen des Herzens....“
[5]

„Ungeborgen, hier auf den Bergen des Herzens…“ — das Lebensgefühl des modernen Menschen. Mit der angenommenen bedeutsameren „dissimilitudo“ rückt man ab vom „göttlichen Fünklein“ der Mystiker. Es kommt nicht von Ungefähr, dass die Kirche gerade zur Zeit des 4. Laterankonzils begann, ihre Mystiker jahrhundertelang zu verfolgen. Spektakulär war zu Beginn des 14. Jh der brutale Prozess gegen die bereits betagte Beghine Marguerite Porête, die samt ihrem Werk verbrannt wurde, ein Werk, das bis heute rezipiert wird und seinesgleichen an biblisch orientierter Gottessuche und Gottesliebe sucht. Aber wie alle Mystiker stand sie der Hierarchie mit Distanz gegenüber, ein Faktum, das auch den tief gläubigen Jan Hus in Konstanz 1418 auf den Scheiterhaufen brachte. Andere Mystiker wie Mechthild von Magdeburg oder Meister Eckhardt konnten sich irgendwie retten, aber immer stand man ihnen mit Misstrauen und sogar Hass entgegen, weil im Denken der Mystiker die „similitudo“ beim Wort genommen wird und zugleich der Herrschaftsanspruch der Hierarchen vermindert wird.
Nach dem Konzil von Trient und Teresa von Avila und Johannes vom Kreuz gab es keine Mystiker dieser Art mehr in der katholischen Kirche… Zurück bleibt also ein ausgehöhlter, erloschener, auf blanke Unterwerfung und Menschenfurcht (gegenüber der „Hierarchie“)  getrimmter Mensch, der nur noch durch die Knochenhand der Kirche vermittelt Sakramente empfängt, rüde belehrt wird und ansonsten selbst zu schweigen hat, weil er in seiner Seele einer direkten Gottesbeziehung aus Machtgier der Institution, aber auch aus der Panik der Hierarchen vor der Auseinandersetzung mit möglichen Häretikern vollkommen entfremdet wird… Anstelle einer gesunden und tiefen Mystik entstand ein devoter Erscheinungsmystizismus, der bis in unsere Tage schauerliche Blüten treibt und daneben ein formalistischer und fanatischer Glaubenskult. Nicht alle Kleriker und Ordensfrauen folgten diesem furchtbaren Absturz, aber sie waren stets gefährdet, von dieser Krankheit befallen oder angefallen zu werden. Mancher mag einwenden, dass aber doch nicht alle so seien und doch auch so viel Gutes in der Kirche zu finden sei. Das bestreite ich nicht. Aber der große Trend an der Spitze in Rom ging deutlich erkennbar andere Wege, und nur ganz wenige Päpste erkannten, in welch ungutes Fahrwasser man sich begeben hatte. Einer davon war Hadrian VI., der 1523 durch seinen Legaten auf dem Reichstag in Nürnberg ein umfangreiches Schuldbekenntnis für die gesamte Kirche, vor allem aber die Hierarchie ablegen ließ. Dieses Schuldbekenntnis blieb aber wegen des bald danach eintretenden Todes Hadrians ohne die segensreichen Folgen, die daraus hätten hervorgehen können, wenn Einsicht vorhanden gewesen wäre.

Die Kirche benötigte mit dem Absturz in den immer irrsinnigeren Machtwahn einen anderen Christus. Der überlieferte, der, der sich jedem gesondert und persönlich zuwandte, wie uns die Evangelien vor Augen führen, war ihr und ihren Interessen gefährlich geworden. Und wer einen anderen Christus benötigt, wird bald eine neue Kosmologie erfinden müssen.
Es kommt nicht von Ungefähr, dass sich im 16. Jh nicht nur die Reformation vollzog, sondern auch die kosmologische Revolution, aber sie geht auf das Konto der römischen Kirche. Die Protestanten lehnten sie erstaunlicherweise lange ab. Wen wundert also die trotzige Verlagerung des Kosmos in eine schweigende, leere Unendlichkeit, in der kein Gott mehr sein kann, aber eben auch keines seiner „Ebenbilder“, ist er doch ohnehin immer nur der große „Dissimilis“… Die Kirche hat sich im 16. Jh durch ihre Selbsterhebung vorläufig und dem Anschein nach noch einmal gerettet, aber die Seelen hat sie Gott so ein Stückchen mehr entfremdet. Was sie sich selbst als „katholische Reform“ hochpries, darf durchaus kritisch hinterfragt werden. Man hat die Menschen wieder „Gewehr bei Fuß“ gebracht, konnte sich aufgrund der Siege über die Türken auf die Schulter klopfen, und natürlich waren weite Teile des Volkes wirklich gläubig, aber man überhob sich doch faktisch immer mehr und ruinierte in wenigen Jahrhunderten die gesamte Kirche und das Abendland, die in Revolutionen und Chaos stürzten, die Hoffnung auf immer neue Utopien setzten und heute nicht mehr weiterwissen.
Die römisch-katholische Kirche war es, die nach Konstantin erneut  im Rahmen einer Kalenderreform (durch Gregor XIII.) „die Zeiten änderte“ (Dan 7, 25), in deren Umfeld und Interesse dann auch der vollständige Bruch mit der biblischen Kosmologie eingeführt wurde. Sowohl die Orthodoxen als auch die Protestanten wollten das lange nicht mitmachen, erlagen aber am Ende doch und gaben klein bei.
Kopernikus widmete sein Hauptwerk dem Papst Paul III. Leo X. hatte zu Beginn des 16. Jh eine Diskussion über die notwendig erscheinende Kalenderreform angeregt. Kopernikus, damals Domherr zu Frauenburg, äußerte sich dahingehend, eine solche sei erst sinnvoll, wenn man die astronomische Theorie „korrigiere“. Auch wenn er sein Hauptwerk lange zurückhielt, zeigen schon seine ersten Worte darin, dass er von einem Modell ausgeht, das alleine auf unbeweisbaren Prämissen und philosophischen Annahmen darüber beruht, wie die „Vollkommenheit“ der Schöpfung auszusehen habe nach seiner Ansicht:

„Erstlich soll jnn acht genohmmen werden, das die welt kugelrundt , entweder weill solche gestallt die alleruollkömlichste, unndt welche keiner zusamfugung uonn Nöten, sondern ganz aneinander: Oder dieweil dieselbe am bequemsten allerley gestalt unndt form in sich zue fassen, weilln sie alles in sich behalten undt erhalten mus, oder auch dieweil im augenschein, das die aller uollkommesten theil der welt, alls die Sonn, Mondt und Stern rundt unndt in obgenanter form bestehen.“[6]

Für alle, die sich darüber weiterhin Illusionen machen wollen, sei gesagt, dass alleine schon diese ersten Worte in „De revolutionibus“ offenbaren, dass auch Kopernikus, nicht anders als die alten Heiden, eigenmächtig bestimmen wollte, in welcher Weise die Schöpfung „vollkommen“ zu sein habe: nämlich in Kugelkörpern. Es ist und bleibt dies jedoch objektiv und unleugbar eine bloße Annahme. Keiner konnte sie je beweisen.
Ein beispielloser logischer Fauxpas ist bei Kopernikus der Fehlschluss, weil die Sonne und der Mond rund erschienen, müssten Himmel und Erde ebenfalls rund sein — wobei er nicht einmal klärt, dass wir Sonne und Mond nicht als Kugeln (dreidimensional rund) sondern als Scheiben am Firmament (zweidimensional rund) wahrnehmen, was einem Mann, der sich für einen großen Mathematiker hielt, nicht hätte unterlaufen dürfen. Es wäre ein gewaltiger Unterschied, ob ein Ding eine kreisförmige Scheibe oder eine Kugelsphäre ist, obwohl beides „rund“ ist. Aber davon abgesehen muss die Erde nicht „rund“ sein, nur weil Gestirne „rund“ sind. Das berühmte Werk fängt also schon mit einem Zirkelschluss an…
Diesen Autor interessierte sichtlich weder das, was man wahrnahm noch die biblische Überlieferung, sondern ausschließlich seine tautologische Ableitung aus heidnischen Vor-Annahmen und persönlichen Meinungen, an deren Endergebnis die Entrümpelung der Gottheit aus dem Kosmos stand. Und niemand kann mir weismachen, dass er das selbst nicht sehr genau wusste, denn er war Priester der römischen Kirche und wurde nicht behelligt.

4. „Utopia“ oder die Wohnstatt der „unähnlichen Abbilder“?

Die Frage ist, wie man sich das endliche und begrenzte Sein umschlossen, aber distanziert, vom ewigen Sein denken kann und in diesem Rahmen von „Entfernungen“, von „Ähnlichkeit“ oder „Unähnlichkeit“ zum Endlichen sprechen kann.
Das endliche Sein kann vom „räumlichen“ Standpunkt Kants aus mit logischer Berechtigung nicht unendlich weit entfernt sein vom unendlichen Sein, wenn es doch in dieses eingeschlossen ist. Wenn es aber nur der „Natur nach“ vom unendlichen Sein immer gleich weit entfernt gedacht wird, wie es 1215 definiert wurde, ergibt sich das Problem, wie ein solches Gespinst im Falle des Menschen sogar „Ebenbild“ sein kann. Ebenbilder spiegeln nicht bloß „irgendwie“ und „unscharf“, sondern präzise den Wesenkern eines Urbildes wider. Ein Abbild sollte intentional dem Urbild stets so nahe wie möglich kommen bis hin zur täuschenden Verwechslungsmöglichkeit. Andernfalls wäre die Rede von der „imago“ deplatziert. Wir würden selbst im rein menschlichen Bereich niemals sagen „Er ist das Ebenbild seiner Mutter“, wenn wir dabei nicht meinten, dass er ihr fast zum Verwechseln ähnlich sei. Wenn der so Beschriebene der Mutter unähnlicher als ähnlich wäre, ergäbe die Rede vom Ebenbild wenig Sinn, und es wäre vernünftiger zu sagen „Er hat leider nur wenig Ähnlichkeit mit seiner Mutter“. Die mittelalterliche Argumentation, die analoge Rede von der „Ähnlichkeit“ schließe stets die gewichtigere „Unähnlichkeit“ ein, berücksichtigt hier den Faktor, dass selbst bei einer maximalen menschlichen Ähnlichkeit zu Gott er immer der Ewige und der Mensch immer der Endliche bleibt. Dennoch ist die Rede vom „Ebenbild“ oder „Abbild“ auch in diesem Rahmen nur dann sinnvoll, wenn die Ähnlichkeit markant und in irgendeiner Weise so gravierend ist, dass angesichts einer starken Unähnlichkeit überhaupt von Ähnlichkeit gesprochen werden kann und muss. Die mittelalterliche Feststellung der größeren Unähnlichkeit aufgrund der immer gleichen Entfernung zur Unendlichkeit führt zur „negativen“ Theologie, die die Kontemplation auf Gott hin mithilfe von Aussagen darüber, wer oder was er nicht ist, versucht. Die negative Theologie führt aber im letzten Ende, wiederum logisch betrachtet, dazu, Gott in einem „Außen“ anzunehmen, zu dem grundsätzlich der Zugang von unserem „Innen“ her verwehrt scheint. Der Mensch kann an diesem „Außen Gottes“ immer nur scheitern. Er wird sich seine Innenwelt irgendwann folgerichtig ohne weitere Beachtung dieser undurchdringlichen göttlichen Außenwelt denken. Hinzukommt, dass die Kirchenhierarchie sich selbst an ihre über die Herde verhängte Maxime nicht im mindesten gehalten hat. Karl Rahner bemerkte völlig zu Recht, dass die Kirche dieser Definition, die bedeutet, dass man positiv über Gott nichts aussagen könne, nicht im Traum selbst gefolgt ist, sondern sich permanent aufgefordert sah, Gottes „Sicht“ der Dinge zu definieren und sich selbst in wachsendem Maße die alleinige Deutungshoheit darüber hinzuzudefinieren. Am Ende sprach sich der Papst alleine eine maximale Nähe zur Unfehlbarkeit zu, die der Gottes naturgemäß entsprechen muss, andernfalls könnte man nicht von Unfehlbarkeit sprechen:

„Das vierte Laterankonzil sagt ausdrücklich, man könne über Gott von der Welt aus, also von jedwedem denkbaren Ausgangspunkt der Erkenntnis aus nichts an Inhaltlichkeit positiver Art sagen, ohne dabei eine radikale Unangemessenheit dieser positiven Aussage mit der gemeinten Wirklichkeit selbst anzumerken. (…) (Wir vergessen) dann meistens, daß eine solche Zusage nur dann einigermaßen legitim von Gott ausgesagt werden kann, wenn wir sie gleichzeitig auch immer wieder zurücknehmen, die unheimliche Schwebe zwischen Ja und Nein als den wahre und einzigen festen Punkt unseres Erkennens aushalten und so unsere Aussagen hineinfallen lassen in die schweigende Unbegreiflichkeit Gottes selber (…). Wie (…) sehr klingen unsere Aussagen von den Kathedern und auch von den Kanzeln und aus den geheiligten Dikasterien der Kirche so, daß man nicht gerade deutlich merkt, sie seien durchzittert von der letzten kreatürlichen Bescheidenheit, die weiß, [...] daß alles Reden nur der letzte Augenblick vor jenem seligen Verstummen sein kann, das auch noch die Himmel der klaren Schau Gottes von Angesicht zu Angesicht füllt. (…) Ich möchte (…) die Erfahrung bezeugen, daß der Theologe erst dort wirklich einer ist, wo er (…) die analoge Schwebe zwischen Ja und Nein über dem Abgrund der Unbegreiflichkeit Gottes erschreckt und selig zugleich erfährt und bezeugt.“[7]

Kant will nicht gelten lassen, dass der ewige Gott ein räumlich Begrenztes hätte schaffen können, platziert aber seine Gedankenarbeit bereits im heliozentrischen Modell, als sei dies beschlossene Sache. Auch scheint mir nicht klar zu sein, ob er — hier war Giordano Bruno ganz klar! — Gott innerhalb oder außerhalb dieses „Alls“ annimmt.
Mit diesem Argument müsste man, wenn man konsequent denkt wie Bruno, in jedem Fall auch den Mikrokosmos des Menschen als unbegrenzt ansehen. Unter der Ambition des „Anstandes“ gegenüber dem ewigen Schöpfer erhebt Kant einen unanständigen Anspruch auf  ein Stückchen vom Kuchen dieser Ewigkeit, wenn auch in der Idee, es könnte noch ungezählte solcher Welten geben wie die unsere. Der ewige Schöpfer wird zu einem „unendlichen Wesen“ umgedeutet, das nach dieser Definition unspezifisch in die Weite zerfließen müsste, kontur- und gesichtslos wäre und unzugänglich bliebe. Gott wäre wie ein unendlicher Raum ohne Raumpunkte, ohne Koordinaten, unendlich fern. Ist aber die Schöpfung inklusive des Menschen genauso gedacht, führt sich auch eine Philosophie um die Grenzen der Vernunft, wie Kant sie entwarf, ad absurdum. Wenn die Schöpfung im Ganzen unbegrenzt gedacht werden müsste, kann man keines der Geschöpfe darin als begrenzt denken.
Nun wäre es ungereimt, die Gottheit mit einem unendlich kleinen Theil ihres schöpferischen Vermögens in Wirksamkeit zu versetzen, und ihre unendliche Kraft, den Schatz einer wahren Unermesslichkeit von Naturen und Welten unthätig und in einem ewigen Mangel von Ausübung verschlossen zu denken.“
Kant verheddert sich in der Problematik, die sich durch das nachkopernikanische Weltbild ergeben hat: Hört man Kopernikus oder später Newton, hat man den Eindruck, man könne den Schöpfer in seinem Werk nur noch bewundern, indem man ihn „ausmisst“, ihm unterlegt, er sei ein Baumeister, der mit Winkelmaß und Zirkel gearbeitet hat und sich darin einfangen lassen müsste. Der Philosoph und Mathematiker geht gewissermaßen mit einem „Schmetterlingsnetz“ auf Gottesfang. Der geschaffene Raum müsste demnach endlich sein. Wenn der Raum aber eben doch im kantischen Sinne „unendlich“ sein muss, weil sein Schöpfer ewig ist, was für ein Raum soll das dann sein?
Nota bene und wie schon oft gesagt: ein Raum ohne Maße,  ohne Koordinaten ist absurd oder ein „Nicht-Raum“. Nur wenn man ihn hypothetisch annimmt oder gar behauptet ohne weiteren Beweis, nur weil man vermeint, durch ein Teleskop einen solchen wahrzunehmen (was eine besonders absurde Argumentation darstellt), nur deswegen stellt sich überhaupt das Problem. Der ewige Gott müsste dann tatsächlich, wie Kant sagt, auch einen „unendlichen Raum“ in seiner Schöpfung erzeugt haben, aber genau das ist ein selbstaufhebender Begriff. „Raum“ ist durch die Möglichkeit der dreidimensionalen Beschreibung definiert. Ein „anderer Raum“ ohne Koordinaten gleich da draußen, jenseits der Erdatmosphäre, wäre kein Raum wie der der Erde, sondern ein undenkbares Gebilde. Gewissermaßen wäre da draußen nichts — wenn man es nicht mit herumtaumelnden (Leucht-)Kugeln bestückt hätte, die angeblich aus handfester Materie bestünden und deren Kugelradius aus der Ferne von Hunderttausenden von Kilometern bestimmt werden könnte… Neuzeitliche Kosmologie denkt sich aber einen Raum im irdischen Sinne, nur ist dieser irdische Raum ins Unendliche verlängert, eine menschliche Über-Raum-Hybris, und Kant stolpert über die Verwegenheit dieser Idee,  sollte man sie begrenzt denken und wechselt die Ebenen ohne sich klar zu machen, dass er in all dieser mangelnden Vernunft und Ehrfurcht vor dem Allerhöchsten „aus Anstand“ etwas denken will, das in sich absurd ist. Der Mensch, der „Gott denken will“, landet am Ende in der Absurdität. Die Vorstellung, dass es beim Blick ins Leere immer weiter geht, weiter und weiter, immer weiter, und unter mir, über mir und hinter mir ebenso, führt dazu, dass ich ortlos und im Grunde nicht bin. Mein Standort ist per definitionem eine „Utopie“, eine Nicht-Örtlichkeit. Wer sollte ich in einem leeren, unbegrenzten Raum sein? Die Leere wird durch taumelnde Kugeln alle paar hunderttausend Meilen nur scheinbar „voller“. Die neuzeitliche Kosmologie trägt im Ansatz unfreiwillige buddhistische Züge, führt sie aber nicht konsequent zu Ende, sondern konterkariert sie: man hält die selbsterschaffene Leere nicht aus und füllt sie mit „Maya“, Illusion, die man auf bunten computergenerierten Animationen und „Fotos“ dem ahnungslosen Zeitgenossen präsentiert: „So, liebe Mitmenschen, sieht es im Vakuum aus… und so sieht der Mars aus … und so der Saturn … und so die Sternenebel… und die schwarzen Löcher“, und manch ein postmoderner Christ ist so selbstvergessen, ob dieser menschengemachten Widersprüchlichkeit auszurufen: „Ist Gott nicht groß? Wie wunderbar, Herr, sind deine Werke!“ Es trägt unfreiwillig satirische Züge…
Der in einen unendlichen Raum verlagerte Himmel von Myriaden gleisender Sonnen, der in dieser Logik gedacht, wie Olbers feststellte, taghell sein müsste, bleibt dennoch verstörend dunkel. Unsere Hybris ist zu weit gegangen. Was immer sie sich an überdimensionalen Lichtern ausgedacht hat — es wurde nicht licht in dieser Finsternis. Unser kosmologisches „utopia“, unsere Ortlosigkeit, erzeugte im Fieberwahn eine Utopie nach der anderen und blieb verstörend und ernüchternd schwarz.
Es erstaunt sicher niemanden, das der erste utopische Roman, der den Titel „Utopia“ bzw voll „De optimo rei publicae statu deque nova insula Utopia – „Vom besten Zustand des Staates und der neuen Insel Utopia“ trägt, vom späteren Märtyrer für die Unauflöslichkeit der Ehe, Thomas Morus, zu Beginn des 16. Jh geschrieben und veröffentlicht wurde, zu der Zeit, zu der auch Kopernikus seine Ideen entwickelte.

Je verlorener und ortloser, desto rabiater muss in einem solchen Gebilde der Glaube „definiert“ oder aber eben aufgegeben werden: der Hang zur Dogmatisierung korrespondiert faktisch dem Unglauben. Die utopische Ortlosigkeit korrespondiert der unfreiwilligen, systematisch erzeugen Gottlosigkeit.
Hätte man sich diese Problematik nicht sparen können?
In der biblischen Kosmologie sind solche Winkelzüge nicht nötig. „Raum“ ist nur da, wo die Welt ist, beim Menschen und für den Menschen, im „Irdischen“ und „Zeitlichen“, der selbstverständlich gemessen werden kann, weil es ihn sonst für uns nicht geben könnte. „Die Himmel“ aber sind uns nur in prophetischen Visionen bekannt geworden und als etwas Zukünftiges erschlossen, ihre Koordinaten sind so real wie sie unfassbar sind, den Menschen muss es nicht kümmern, denn es ist noch nicht sein Terrain, solange die Erlösung nicht offenbar geworden ist. Es liegt kein selbsterdachter unendlich schwarzer „Weltraum“ zwischen ihm und den Himmeln, der das Ergebnis eines auf sich gestellten, Gott so unähnlichen Menschen ist, dass er sich den Gott meint sparen zu können. Es gibt für ihn in der biblischen Perspektive nur Himmel und Erde. Und die sind ein Ganzes, wenn auch durch die Sünde durcheinander geraten.
Die „Vermessung der Himmel“ aber, wie sie in einigen prophetischen Visionen, die das AT und das NT berichten, vollzogen wird — das ist ein eigenes Thema, dem ich später nachgehen will.


[1] Olbers formulierte: „... Sind wirklich im ganzen unendlichen Raum Sonnen vorhanden, sie mögen nun in ungefähr gleichen Abständen von einander, oder in Milchstrassen-Systeme vertheilt sein, so wird ihre Menge unendlich, und da müsste der ganze Himmel eben so hell sein wie die Sonne. Denn jede Linie, die ich mir von unserem Auge gezogen denken kann, wird nothwendig auf irgend einen Fixstern treffen, und also müsste uns jeder Punkt am Himmel Fixsternlicht, also Sonnenlicht zusenden...“, zitiert nach: Schilling: Wilhelm Olbers, sein Leben und seine Werke im Auftrage er Nachkommen. S. 135
[2] Job 38, 6 f: „Oder wer hat ihren Eckstein gelegt, als alle Morgensterne jauchzten, als jubelten alle Gottessöhne?

[3] Zitiert nach a.a.O., S. 134
[4] Augustinus: Confessiones — Bekenntnisse. Lateinisch und Deutsch. Darmstadt 1984. S. 14 f
[5] Rainer Maria Rilke: Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens. Gedichte aus den Jahren 1906 bis 1926. Frankfurt am Main 1978 (3. Auflage). S. 89
[6] Andreas Kühne et al. (Hg.): De Revolutionibus. Die erste deutsche Übersetzung in der Grazer Handschrift. Kritische Edition. Berlin 2007.  S. 3
[7] Rahner, Karl, Erfahrungen eines katholischen Theologen. In: Karl Lehmann (Hg.): Vor dem Geheimnis Gottes den Menschen verstehen : Karl Rahner zum 80. Geburtstag. München 1984, 106ff.

Dienstag, 5. September 2017

Fake Heavens (I) - Betrachtungen zur Flache-Erde-Diskussion



Fake Heavens
Betrachtungen zur aktuellen Flache-Erde-Diskussion

1. Wie kommt es, dass die Flache-Erde-Theorie in den letzten Jahren so viele Menschen ansprechen kann?

Seit einigen Jahren tobt im deutschsprachigen Internet eine Welten-Schlacht. In den USA existiert darüber hinaus auch eine entsprechende Debatte in verschiedenen Buch-Veröffentlichungen. Es ist, um es ein wenig simplifizierend zu sagen, die Schlacht zwischen „Flacherdlern“ und „Kugelerdlern“. Zunächst wird jeder, der damit konfrontiert wird, den Kopf schütteln und sagen: Aber das alles ist doch längst geklärt. Je mehr man sich mit der Sache befasst, desto klarer wird einem, dass tatsächlich an der omnipräsenten Kosmologie, die uns als die zweifellos wahre eingeprägt wurde, manches nicht stimmen kann. Wie in der Szene immer wieder zu hören ist von Menschen, ist es die Reaktion des Bewusstseins, dass das, was man uns sagte, schwergängig war, offenbar der eigenen Gestalt zuwider war, „irgendwie nicht passte“, und dass im Modell der Flachen Erde „alles plötzlich Sinn ergibt“ und man sich als Mensch auf einer so vorgestellten Erde besser einfinden kann.
Anders als viele unkritische Geister es tun, möchte ich diese Äußerungen unbedingt ernst nehmen. ME weisen sie auf ein Grundproblem der postmodernen Kosmologie hin.

Für mich stellt sich die Frage, ob es sachlich wirklich nur um zwei rein materiell erdachte Erdgestalt-Modelle geht, sondern nicht vielmehr um etwas ganz anderes. Die Erbitterung und Unzivilisiertheit, mit der insbesondere die heliozentrische „Mainstream“-Seite um sich schlägt, die als der monopolisierte „Marktführer“ und „evidenter Rechthaber“ doch gar nichts zu befürchten haben sollte, ist überraschend und macht hellhörig.
Eine zahlenmäßig immer noch kleine, aber anscheinend wachsende Gruppe von einflusslosen Menschen bezweifelt offen und hartnäckig, dass das hypothetische Weltbild, das uns seit ca. 500 Jahren, seit der legendären „kopernikanischen Wende“  mit zunehmender Einseitigkeit als das fraglos „Wahre“ im Gegensatz zum „Falschen“ (vergangener Zeiten und v.a. der Religionen) als zentraler Gegenstand einer „hohen Bildung“ vermittelt wird, zutrifft. Sie kann sich dabei auf eine Tradition des Zweifels und alternativer Modelle stützen, die die „Revolution“ des Heliozentrismus mit all ihren nie bewiesenen Prämissen und Behauptungen von Anfang an ablehnte. Im 19. Jh erreichte diese „alternative“ kosmologische Szene einen Höhepunkt. Im 20. Jh blieb sie bis zum 2. Weltkrieg lebendig, danach ging sie aus verschiedenen Gründen nieder und taucht seit einigen Jahren wieder erneut und mit neuen Möglichkeiten und Fragestellungen auf.

Warum aber gerade jetzt?
Im Zusammenhang mit den politischen Katastrophen und bekannt gewordenen Propagandalügen insbesondere vor einer Reihe von völkerrechtswidrigen Kriegen der letzten Jahrzehnte verfestigt sich in einigen Menschen, auch solchen, die sich mit kosmologischen Fragen nicht beschäftigen, der Verdacht, wir würden tagaus tagein belogen. Der arglose oder naive Glaube an angebliche oder wirkliche, im Sinne einer Erleuchtung über die Dinge verstandenen „Erkenntnisse“ der „Wissenschaft“ oder „wahre“ politische Nachrichten verliert seit Jahrzehnten an Boden und flieht entweder in einen Wissenschafts-Dogmatismus, der den Zweifel als Kapitulation eines komfortablen Lebensgefühls fürchtet, oder er bekriegt jedes Widerwort wie einen ideologischen „Feind“, den es mit allen Mitteln zu bekämpfen gelte. Das Monopol auf die Verbreitung von Nachrichten, die zentrale Steuerung des Geldes und die einseitige Finanzierung der wirkmächtigen Informationsverbreitung liegt in so wenigen Händen, dass Misstrauen alleine schon vernünftigerweise angebracht sein sollte.
Ich bin überrascht darüber, dass so viele heute den inflationär gegen jede Alternativnachricht oder -theorie eingesetzten Totschläger von der „Verschwörungstheorie“ nachplappern, obwohl wir alle wissen, dass es seit Menschengedenken kleine und große Verschwörungen, Lügen und Verbrechen im Dienste „höherer Zwecke“ und naturgemäß auch deren Verschleierung gibt.
Es kann sachlich nur darum gehen, ob solche Versuche — im Falle von Ungereimtheiten in der offiziellen Darstellung — die Wahrheit herauszufinden, Argumente vortragen, die stichhaltig sind, die man bedenken sollte oder eben mit triftigen Gründen nicht.
Die Unsicherheit über das offiziell verbreitete Weltbild lässt bei den wacheren und skeptischeren Zeitgenossen wie in einem Dominoeffekt eine scheinbare „Wahrheit“ nach der anderen einstürzen. Vielen geht auf, dass nicht nur die während des Kalten Krieges dämonisierte, kommunistische Welt die Gehirne und Seelen programmiert hat („Gehirnwäsche“), sondern auch der Westen unter der Führung der USA dies tat und tut, und dies vermutlich viel geschickter und perfider. Das Vertrauen der Menschen wurde nachhaltig korrumpiert. Viele haben den Eindruck, sich in einer Lage zu  finden, in der ihnen dämmert, dass manches vielleicht noch einmal ganz von vorne durchbuchstabiert werden muss, weil die Wand, an die sich das korrupte System seit Jahrzehnten fährt, nicht mehr allzu fern sein dürfte.

Während noch meine Generation mit der hermetischen Vorstellung aufwuchs, man habe im finsteren Mittelalter geglaubt, die Erde sei eine „Scheibe“, von der man herunterfallen könne, und eine hämische und herablassende Haltung gegenüber solcher vormaliger „Unbedarftheit“ gleich mit erlernte, beeilen sich heutige Verfechter der „Wahrheit“ der heliozentrischen Theorie über das All, die sich zu einem quasireligiösen Dogma entwickelt hat, zu betonen, „gebildete“ Menschen hätten schon in der Antike und im Mittelalter „gewusst“, dass die „Erde eine Kugel“ sei. Die Beweislage für solche wissenschaftshistorischen Behauptungen ist allerdings mehr als dünn bzw eine Milchmädchenrechnung (s.u.). Es ist leicht erkennbar, dass mithilfe einer solchen Behauptung das Terrain der Zweifler noch mehr eingeengt werden soll, als es bereits eingeengt ist: nicht nur der heutige Mensch, sofern er seriös ist, „weiß“, dass „die Erde eine Kugel“ ist und „um die Sonne kreist“, sondern schon die Alten, sofern sie seriös waren, „wussten“ das. Man nimmt eine Rückprojektion heutiger Bewusstseinslagen in die ferne Vergangenheit vor, ohne zu berücksichtigen, dass alleine schon dieses Ansinnen unwissenschaftlich und absurd ist. Die Theorien der Antike sind begrifflich mit dem, was man heute denkt, nicht einfach identisch, selbst dann, wenn bestimmte Begriffe dem Anschein nach identisch im Spiel sind. Hinter Begriffen stehen Theorien, und nicht bloße Wörter, sondern deren Begriffs-Horizont ist alleine entscheidend für das Verständnis derer, die sie verwendeten. Die wissenschaftshistorisch begründete Süffisanz postmoderner Heliozentriker beruht schlicht und einfach auf geschichtlicher und naturphilosophischer Ignoranz.

Das derzeit gängige und „einzig wahre“ Bild vom Kosmos hat seinen absoluten „Sieg“ erst nach dem 2. Weltkrieg davongetragen und wurde seither über die ganze Welt verbreitet und zum Gegenstand der meisten Bildungsprogramme erhoben und zum Gipfelpunkt eines Erkenntnis- und Forschungsprozesses erklärt, der nicht mehr hinterschritten werden könne. Anders gesagt: So sehr man die „kopernikanische Wende“ für frühere Zeiten als Beweis für ein eigentlich doch unbegrenztes, evolutionäres Erkenntnismodell feiert, so sehr schließt man aus, dass eine solche Wende je noch einmal geschehen können sollte…
Überall tauchten suggestive Globusmodelle auf — in allen Schulen, in Firmen-Logos, auf Buchcovern, in Animationen und Skulpturen. Jedes Kinderzimmer soll durch einen von innen beleuchteten Globus bestückt werden. Entsprechende Billigaktionen bei Aldi und Lidl haben zu einer massenhaften Verbreitung dieses Spielzeugs beigetragen. Das absolut wahre, „wissenschaftliche“ Weltbild wurde seit der Nachkriegszeit in Klassenzimmern, Kinderfilmserien, selbst in die Comic-Literatur bis heute als die unumstößliche Wahrheit etabliert und in die Bewusstseinswelten heutiger Menschen von klein auf injiziert und durch einen seither massenhaft ausgebauten Literatur- und Filmbereich, das postmoderne Science Fiction-Genre, zu einem omnipräsenten Paradigma postmodernen Selbstverständnisses entwickelt.
Jeder kennt die Film-Serie „Raumschiff Enterprise“ aus den 60ern oder „Star Trek“. Seit 1961 erscheint wöchentlich im Groschenformat ein neues Abenteuer des Weltraumhelden „Perry Rhodan“. In der weltbekannten und in zahlreiche Sprachen übersetzten belgischen Comic-Serie „Tim und Struppi“ stellt gar eine Doppelausgabe („Reiseziel Mond“/“Schritte auf dem Mond“) von 1953/54 die damals noch ferne Mondlandung optimistisch so dar, als sei die für jedes Kind machbar und nur eine Reise in ein Nebenzimmer der Erde, das im wesentlichen unter denselben physikalischen Gesetzen stehe wie unser bekannter irdischer Lebensraum, und müsse nur etwas angereichert werden durch mitgebrachte irdische Utensilien wie zum Beispiel Atemluft, Nahrung und Wasser. In der Serie „Asterix“ wird immer wieder humoristisch die Angst des gallischen Häuptlings Majestix erwähnt, der „Himmel“ könne ihnen eines Tages „auf den Kopf fallen“. Und zeitgenössische Althistoriker, die sich die Mühe gemacht haben, all jene historischen Szenarien, die die Autoren der Serie darstellen, auf ihre „Richtigkeit“ hin zu prüfen, bestätigen ganz ernsthaft, dass selbst dieses Detail der Darstellung stimme: „Lange Zeit vor Asterix hatten tapfere Kelten eine Unterredung mit Alexander dem Großen. Der fragte sie, wovor sie sich fürchten. Die einzige Angst, versicherten sie dem Kriegsfürsten, sei, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fallen könnte.“[1] Im Jahr 2005 erschien eine Ausgabe der Asterix-Serie mit dem Original-Titel „Le ciel lui tombe sur la tête“ („Der Himmel fällt ihm auf den Kopf“) und auf Deutsch unter dem Titel „Gallien in Gefahr“. Asterix und Obelix entdecken, dass Außerirdische eintreffen, woraus sich eine schräge Kampfsituation ergibt, die mit einem Vergessenzauber der Erdbewohner endet, ein Motiv, das sich auch in der Tim und Struppi-Folge „Flug 714 nach Sidney“ von 1968 findet. 
Selbstverständlich reisen auch Donald Duck und Mickey Mouse nach 1945 im Weltall herum, und es dürfte kaum einen Menschen unter 50 Jahren geben, der nicht die berühmten Star Wars-Filme und ihre Protagonisten kennt. Die Vorstellung, dass das All so ist, wie man es uns sagt, und von dieser Vorstellung aus fantastische Geschichten in die Geschichte zurück und voraus und dem Anschein nach „wissenschaftliche“ Meinungen und Überlegungen erzählt, prägt uns alle mehr oder weniger. Die Mutmaßung, in dem solcherart „gebauten“ Universum gebe es in den Wüsten des leeren, öden, so unsäglich plump materiell gedachten Alls ferne Galaxien und Paralleluniversen und vor allem fremde Wesen, „Aliens“, die mit uns Kontakt aufnehmen könnten oder unter deren Schutz wir seit langem stehen, wird eher anerkannt und geglaubt als die Frechheit der „Flat Earther“, das gesamte Kosmos-Konstrukt in Frage zu stellen.
Mit der postmodernen Kosmologie wird unterschwellig auch eine Bewusstseinswelt projiziert. Man hat einen bestimmten Strang astronomischer Hypothesen verabsolutiert und immer weiter ausgebaut, zum alleinigen, denkbaren und „erlaubten“ Ausgangspunkt akademischer Forschung positioniert und in einem halben Jahrtausend einen gigantischen, mithilfe einer „Himmelsmechanik“ neuzeitlichen „Turm von Babel“ aufgestellt, der im Rahmen dieser fest etablierten Wissenschaft nicht einmal mehr partiell hinterfragbar ist, weil er sonst insgesamt zusammenbrechen könnte. Die Frage, wo in einem solchen Konstrukt eigentlich ein Gott angesiedelt sein könnte, ist zu einer undenkbaren Abstraktion geworden, die gläubige Menschen in eine Distanz zu ihrem Glauben bringt, deren sie sich nicht bewusst zu sein scheinen. Ein großer Teil biblischer Aussagen verliert schlicht seinen konkreten Sinn, wenn man das moderne Kosmoskonstrukt für bare Münze nimmt. Kirchlicher Konservativismus hat sich darum auf das 6. Gebot und ein moralistisches Dauerlamento zurückgezogen, das aber wesentliche Problempunkte der Glaubenskrise nicht nur nicht sehen will, sondern sogar leugnet. Ein solch gewichtiger Grund der Krise liegt mE in der defensiven Kosmologie der Christen, die diesen Namen eigentlich gar nicht mehr verdient. Die Kirche, die doch sonst so vieles zu dogmatisieren müssen glaubte, das aus heutiger Sicht überflüssig erscheint, wie etwa die Papstdogmen, hat es versäumt, die Relevanz kosmologischer Fragen zu erkennen. An ihnen hängt aber, wie ich noch zeigen werde, für den Glauben unendlich viel. Und ich möchte die Kirche fragen, ob sie nicht doch an dieser Stelle etwas genauer hinsehen will. Sie war es, die von der Schöpfungswoche abwich und Zeitmessgeräte und –theorien einführte, die uns in eine unmenschliche Welt der Stechuhren und Vertaktungen geführt hat. Für Kalenderreformen brachte sie sogar das Opfer von Schismen.

Wer also gegen diese Kosmologie antritt mit Zweifeln, hat (noch) keine guten Karten, stehen doch Kirche und Welt in sonst so seltener Eintracht gegen ihn, und macht sich zum Narren. Es müsste entweder durch ein starkes Ereignis dieser „Turm“ mit einem Schlage entzaubert („debunked“) werden oder ein gigantischer Geist eine alternative Kosmologie vorlegen können, die es mit diesem jahrhundertealten Wissenschafts-Mythos so augenscheinlich aufnehmen kann, dass der übermächtige, gut bestallte Mainstream verstummen müsste. Für neue und ungewohnte Erkenntnisse hat man sich aus Angst vor der Entmythologisierung des modernen Kosmosmythos vollkommen verschlossen und tritt aggressiv um sich, sobald nur der geringste Versuch in diese Richtung unternommen wird. Nicht zu vergessen ist dieser Mythos militärisch und machtpolitisch gesehen ausgesprochen ergiebig.
In einem gewissen Sinn sind die postmodernen Zweifler Kinder, die wie in Andersen Märchen ausrufen: „Aber da ist doch gar nichts! Es ist alles Fake!“

2. Die Verteufelung der sinnlichen und eigenständigen Wahrnehmung

Die Situation spitzt sich allenthalben zu. Anhand der aktuellen politischen Vorgänge erleben wir, dass die etablierten Institutionen und Parteien, ohne dies auch noch zu verschlüsseln, alleine bestimmen wollen, was „Fake“ ist und was nicht. Die Behauptung seitens der Merkel-Regierung, das, was ihr widerspreche, sei „postfaktisch“, ist so dreist, dass man sich über die Bereitschaft immer noch so vieler wundern muss, das zu schlucken. In einer solch totalitären Atmosphäre lassen sich notwendige Debatten nur noch mit Mühe, unter Gefahren und grundsätzlich nicht mehr fair durchführen.
Es scheint, dass wir an dem Schlusspunkt von Andersens Märchen von des „Kaisers neuen Kleidern“ angelangt sind: der Herrscher merkt, dass der Glaube an den kaiserlichen „Fake“ im Volk bröckelt, aber anstatt aufzugeben und sich geschlagen zu geben, unternimmt er eine finale Anstrengung, um die Täuschung nun gerade erst recht zu verteidigen:
„Das ergriff den Kaiser, denn das Volk schien ihm recht zu haben, aber er dachte bei sich: »Nun muß ich aushalten.« Und die Kammerherren gingen und trugen die Schleppe, die gar nicht da war.“[2]

Unser postmodernes Selbstverständnis ist dogmatisch, wenn es um die wissenschaftliche Erkundung der Erde und des Alls geht:
Wer es wagt, einmal „gewonnene“ und damit „sichere“ Forschungsergebnisse und „Erkenntnisse“ zu bezweifeln, der kann nur verrückt, „beratungsresistent“ oder ein Spaßmacher sein. Es fällt an allen Publikationen und Statements zu diesem Thema seitens der etablierten Kosmologie ausnahmslos auf, dass sie schon in den ersten Sätzen die Meinungsgegner disqualifizieren, wobei Sätze wie dieser noch harmlos sind: „…it can be difficult to believe that the proponents actually take themselves seriously“[3]. Bevor man die Argumente und Fragen der „Flat Earther“ überhaupt neutral und seriös angeht, schickt man schon voraus, dass sie ohnehin nicht ernst zu nehmen seien. Auch dann, wenn „Mainstreamer“ auf Fragen , die von deren Seite gestellt werden, keine überzeugende Antwort finden, kontern sie in aller Regel mit einer expliziten oder impliziten Abwertung der Zurechnungsfähigkeit des Fragenden oder leugnen in autoritärer Art und Weise überhaupt die Berechtigung einer solchen Frage oder versteigen sich in immer neue, immer schrillere und abstrusere Behauptungen in der Sache, für die ich gleich einige Beispiele geben will.
Auch wenn der Diskussionsstil seitens der etablierten Wissenschaft etwas moderater ausfallen sollte, wird der Fragende immer damit ausgehebelt, dass er sich fälschlicherweise auf seine Sinne und Folgerungen aus seinen Sinneswahrnehmungen verlasse, während der „Fachmann“ „weiß“, dass es ganz anders sei, als man es sehe und erschließe, und die Welt nun mal nicht erkannt werden könne, wenn man sich auf das verlasse, was man auf der sinnlich-phänomenalen Ebene wahrnehme. Damit ist man immer schachmatt gesetzt. Mit diesem Argument müsste man alles noch so widersinnig Erscheinende glauben, ohne es selbst nachvollziehen zu können, weil ein erhabener Zirkel „Erleuchteter“ vorgibt, hier mehr zu wissen als der normale Mensch. Allerdings ist mit dieser Argumentationsfigur auch jeder visuelle Beweis der Gegentheorie obsolet. Man hat den Bogen überspannt, und es ist eine Frage der Zeit, wann er unter dieser Überspannung bricht. Die „Mainstreamer“ wenden vorerst die Truganfälligkeit der Sinne und alltäglichen Schlussverfahren nur auf die entsprechenden Zweifel oder Gegenbeweise ihrer Gegner an, und das bis hin zur Lächerlichkeit, während sie alles, was sie selbst mithilfe sinnlicher Bilder zu beweisen können glauben, für absolut trugresistent halten. Sie versichern dem Skeptiker, man könne eine gekrümmte Wasseroberfläche nicht wahrnehmen, wenn er sagt, sie erscheine ihm stets horizontal und ungekrümmt, reden uns aber ein, das verschwindende Schiff am Horizont versinke „wegen der Erdkrümmung“, obwohl inzwischen in ungezählten Filmaufnahmen nachgewiesen wurde, dass solche hinter der Erdkrümmung versunkenen Schiffe mit Leichtigkeit wieder herangezoomt werden können und das Verschwinden aller Dinge aus unserem Gesichtfeld an der Begrenztheit unserer Sehkraft und dem perspektivischen Sehen liegt. Das berühmte Foto Joshua Nowickis, das die Skyline von Chicago ca. 95 km entfernt von Michigan aus, also aus einer Entfernung klar und deutlich aufnehmen konnte, die wegen der Erdkrümmung nicht möglich sein dürfte, wurde von einem Metereologen in einer Fernsehshow als „Luftspiegelung“ erklärt.[4] Daraufhin fuhren einige Leute nach Michigan und führten in Echtzeit eine halbe Stunde lang vor, dass man Chicago unentwegt und ohne irgendeine Not aus näheren und kürzeren Distanzen von einem Boot aus ganz locker und ohne jede „Luftspiegelung“ fotografieren kann.[5]
Ein ähnliches Phänomen ist eine Tafel am Ufer des Bodensees in Konstanz, die dem Besucher erklärt, er könne nicht bis Bregenz sehen wegen des „Wasserbergs“, den die Erdkrümmung verursache. Zahlreiche Bürger aber haben mit eigenen Augen vom Seeufer in Konstanz die Uferpromenade in Bregenz gesehen. Eine Bürgerinitiative will diese Art postmoderner kosmologischer Volksverdummung entfernt sehen.[6] Es lässt sich leicht für jeden nachvollziehen, dass die behaupteten Sichtweiten „wegen der Erdkrümmung“ falsch sind. Mit ein wenig Nachdenken sollte jedem klar werden, dass alles, was man durch Heranzoomen sehen kann, nicht zugleich durch eine Erdkrümmung verdeckt sein kann. Man dürfte aber auch vieles von dem, was man ohne Not mit bloßem Auge erkennt, nicht mehr sehen können. So müsste die behauptete Erdkrümmung unmöglich machen, das Seeufer von Arbon oder Romanshorn (ca. 10—15 km) vom Seeufer in Friedrichshafen aus zu sehen. Man sieht das aber bei guter Sicht sogar mit bloßem Auge… Und es hat etwas durchaus Lächerliches, wenn jeder Hinweis auf die Unsinnigkeit der Erdkrümmungs-Prämisse mit immer neuen und absurderen Erklärungen wie „Luftspiegelungen“ oder „gekrümmtem Sehen“ oder überhaupt den unüberschaubaren „Dimensionen“ der Kugelgestalt der Erde und dergleichen abgeschmettert werden. Sagen wir es doch klar und deutlich: die Wissenschaft oder Pseudowissenschaft, sei sie geldschwer und mächtig wie sie will, hat sich gehörig verrannt!

Damit ist unfreiwillig vonseiten der etablierten Wissenschaftsmeinung zugestanden, dass die Skeptiker und „Verschwörungstheoretiker“ eine unangenehme Wahrheit aussprechen: tatsächlich wird der „normale Mensch“ ausgeschlossen aus einer Überprüfung dessen, was man uns da als „Erkenntnis“ zu glauben heißt. Das Monopol auf die Wahrheit hat dieser Argumentation nach die besagte Handvoll Eingeweihter, die sich darauf versteht, anders zu denken und zu erkennen als ein Mensch es seiner „uneingeweihten“ Conditio gemäß tun kann. Eine pseudowissenschaftliche Herrenrasse von Physikern samt all ihren eifrigen Trabanten hält sich für prädestiniert, all jene Untermenschen zu belehren und zu dominieren, die die Welt anders zu sehen belieben und dabei auch noch — auf ihre sinnliche Alltagserfahrung verweisend — diskutieren wollen.
Der Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung der Phänomene, Hypothesen und mithilfe von ganz und gar im Sinnlichen steckenden Messinstrumenten und der Bewertung der Messungen wird dabei aus der realen sinnlichen Erkenntnisfähigkeit des Menschen so ausgeklammert, als könne man sich auf so etwas wie „reine Abstraktion“ zurückziehen. Symptomatisch dafür ist, dass man, wenn man etwa auf Wikipedia physikalische Begriffe eingibt, dieselben weder verständlich noch ausführlich genug in klaren Worten erklärt, sondern nach drei erklärungsunfähigen Sätzen endlose Formelkolonnen präsentiert bekommt, die auch ein Normal-Physiker kaum verstehen dürfte, handelt es sich doch um ein bloßes Skelett vermuteter Korrelationen, deren Geltungsbereich nicht abgegrenzt wird: das All „ist“ so ein Kontingent an abstrakten Formeln geworden, das man mithilfe hypothetischer „Kräfte“ zusammenhält, die den Anschein haben, auch jenseits des oder sogar ohne den Menschen im Kosmos immer und überall Geltung zu haben. Dass diese Kräfte wiederum zahlreiche Absurditäten hervorrufen, wie man an der Debatte über den Begriff der „Gravitation“ nachzeichnen kann, verkompliziert die Debatte immer weiter.[7]
Es ist beschämend, aber leider typisch, dabei den vollkommen berechtigten Zweifel des Fragenden nach der Legitimität und Glaubwürdigkeit einer solchen Art von „Luft“-Wissenschaft als Ausdruck von geistiger Verwirrung herabzuwürdigen. Man lässt sich im Gestus der Herablassung des Kaisers auf solche „fruchtlosen Diskussionen“ nicht gerne ein,  — weil man keine Antworten hat — , vermeint aber dennoch immer weitere Machtworte darüber sprechen zu sollen, denn die eigene Existenz und Zurechnungsfähigkeit stehen auf lange Sicht dabei eben doch mehr in Frage als die der unbefangenen Frager, die man für verrückt erklärt, bevor man ihre Anliegen überhaupt geistig nachvollzogen hat. Andernfalls müsste man in einen fairen Diskurs eintreten ohne Berührungsängste.
„Luft“-Wissenschaft nenne ich es deshalb, weil erst die phantastische heliozentrische Kosmostheorie ohne irgendeine zwingende Notwendigkeit erfunden wurde und in Prozessen endloser Nachbesserungen und Zusatzbehauptungen die Unstimmigkeiten und Fragen, die sich in der Folge ergaben, „korrigiert“ oder „angereichert“ wurden, dabei immer neue Probleme aufwarfen und -werfen und sich möglicherweise in eine nicht mehr kaschierbare Haltlosigkeit manövriert hat, die man wie der nackte Kaiser mit umso heftigerer Leidenschaft aufrecht hält. Man hat zahllose Hobbyastronomen in die spannende kopernikanische Fortsetzungsstory hineingelockt, von früh auf mit dem Kosmos-Kinderteleskop konditioniert und dazu gebracht, in der Logik und im Horizont des pseudowissenschaftlichen Groschengenres zu leben, als sei das die wirkliche Welt „da draußen“, in deren „Mechanik“ man nun eingeweiht werde. Vielleicht lässt sich auch von daher erklären, warum ganz besonders diese Amateur-Gemeinde mit einer so geballten Aggressivität auf jede Infragestellung reagiert. „Postmodern Cosmology debunked“ — ein Alptraum für den vorwiegend männlichen Zeitgenossen, der auf diese Weise in der Fiktion der Teilhabe an handfester Erleuchtung sein Selbstbewusstsein aufhängen konnte.
Das grundsätzliche Problem der modernen Physik, Astronomie und Naturphilosophie für den „User“ ist doch tatsächlich und nachvollziehbar folgendes (und nicht nur für diese Fachgebiete!):
„Do we possess adequate knowledge to trust without doubt what an apparent expert is telling us, or do we have little alternative in the majority of cases but to take them at their word? Besides the photographs from space or a schoolroom globe, how do you really know that the earth is a sphere?”[8]

Im Ergebnis heißt das, dass die Kosmologie unserer Tage uns mit derselben absolutistischen Herablassung aufgezwungen wird, wie die Weltdeutung der Kirche in früheren Tagen, die jeden zum Teufel schickte, der Zweifel an ihren Urteilen und Bildern anmeldete, seien die Zweifel berechtigt oder unberechtigt, und im Falle hartnäckiger geistiger Eigenständigkeit für Bücher- und Menschenverbrennungen sorgte. Man geht heute freilich etwas gepflegter vor, aber im Kern wagt kaum jemand, aus dem babylonischen Turmgebäude der modernen Astro-Physik auszubrechen, weil er oder sie schlicht und einfach um den eigenen sozialen Status fürchtet. Kein postmoderner Wissenschaftsmythos ist derart aggressiv bewacht wie dieser.

3. Trotz postulierter Unanschaulichkeit arbeitet man mit vulgären Bildbeweisen

Es ist interessant, dass der Siegeszug der gängigen Kosmologie in den Köpfen der Völker nicht durch falsifizierbare Argumente (wie das bei echter Wissenschaft der Fall sein müsste), sondern durch Bilder erfolgte und erfolgt: Man führte den Menschen nach einigen Erkundungsflügen während der 60er Jahre endlich auf dem gesamten Erdkreis am 11. Juli 1969 eine amerikanische Live-Mondlandung („Apollo 11“) vor, die weltweit im Fernsehen übertragen wurde und der weitere Apollo-Missionen folgten, und verbreitet seither dieses bekannte Bild von der „blauen Murmel“, das vom Mond aus geschossen worden sei. Trotz behaupteter zahlreicher weiterer Mondmissionen kann man uns nichts anderes als immer denselben Typus eines kärglichen, blauen Kugelbildes der Erde liefern. Die verschiedenen Versionen weichen voneinander ab und sind mehrfach als Zeichnungen entlarvt worden.[9] Ebenso schickt die militärische Großmacht, die selbstverständlich auch die Macht über alle Bilder hat, wie wir in den verheerenden Kriegen der letzten Jahrzehnte erkennen mussten, und dabei vor Betrug und Täuschung niemals zurückscheut, wenn sie Dinge, die in ihrem Interesse sind, glaubhaft machen will, Sonden auf den Mars oder sonst wohin ins All und sendet uns punktgenau so gestochen scharfe Fotos, dass sie an die Animationen der Science Fiction-Filme aus Hollywood-Produktionen erinnern. An der Echtheit dieser Bilder sind mehr als berechtigte Zweifel aufgekommen und vielfach von Personen vorgetragen worden, denen man nicht vorwerfen kann, sie seien Wirrköpfe (vgl. Anm. 9). Ihre Argumente sind triftig und nicht einfach mit autoritären Schmähungen zu widerlegen. Man zeigt uns Filme über real startende Raketen, dann gibt es immer einen „Cut“, und ab dann sehen wir nur noch CGI-Bilder, billige Computeranimationen, die immer den gleichen alten Käse wiederholen. Man gibt sich nicht einmal die Mühe, uns mit neuen Fake-Bildern zu unterhalten… Hinzukommt, dass selbst jedes echte Foto und jede Fotomontage ohnehin immer zweifelhaft bleiben müssen, weil sie eine Reduktion des Seienden auf zweidimensionale Clips vornimmt. Gerade Bilder beweisen am wenigsten! Sie bilden einen winzigen Ausschnitt von was auch immer ab und können niemals eine ganze Kosmologie „beweisen“. So können einige Autoren überzeugend aufzeigen, dass die Mondlandungsfilme der NASA und viele andere angebliche Bilder Filmstudioaufnahmen und Outdoor-Aufnahmen in der amerikanischen Wüste gewesen sein müssen.[10]
Auf einer massenpsychologischen Ebene sollte mithilfe von Bildern in den Menschen die Überzeugung genährt werden, es sei alles so, wie man es uns erzählt, wobei hier die Problematik einer — wie behauptet — völlig irreführenden sinnlichen Wahrnehmung plötzlich keinerlei Rolle mehr spielt.
Die wenigsten sind in der Lage, diese Paradoxie zu erfassen. Zuvor noch als sinnlich Wahrnehmende aus dem Rennen geschlagen, weil alles, was den Kosmos betrifft, sinnlich nicht wahrgenommen werden könne ohne zu irren, füttert man dieselben Entmündigten nun mit CGI-Bildern von Wettersatelliten, Weltraumsonden und Landungen auf fernen Gestirnen, um zu beweisen, dass „zweifelsfrei“ feststeht, was sie uns sagen. Wie Besessene klammern sich die Betrogenen an den visuellen Devotionalien der Weltraumindustrie fest als bedeute deren Verlust ein Ausgesetztsein unter Dämonen und Gespenstern.

4. Die Realität medialer Illusionen

Mit Orson Welles Hörspiel „Krieg der Welten“, das am Vorabend zu Halloween 1938 ausgestrahlt wurde, und bei dem ein Angriff Außerirdischer simuliert wurde, offenbarte erstmalig ein Medien-Experiment, dass man große Teile einer Zuhörerschaft glauben machen konnte, das, was medial vermittelt wurde, sei buchstäblich wahr, obwohl es ein reiner „Fake“ ist. Spätestens seit diesem Experiment sollte jedem klar sein, dass wir alle mithilfe eines geschickten Samplings von Informationen getäuscht werden können. Zum damaligen Zeitpunkt spielten Bilder noch keine große Rolle. Es gelang durch eine gezielte Kombination von Text und musikalischen Signalen, eine gigantische Täuschung zu inszenieren. Wir wissen, dass etwa die Nationalsozialisten mit ähnlichen medialen Täuschungen operierten. Warum also sollte dies, um ein Vielfaches verfeinert, nicht auch heute so eingesetzt werden?
Viele halten dem entgegen, es sei aber doch nicht möglich, dass so viele Menschen wissentlich in eine Riesen-“Verschwörung“ verstrickt sein könnten.
Darauf ist zu erwidern: Von „wissentlich“ ist nicht die Rede — auch Mitarbeiter und Zuarbeiter bewegen sich in der Täuschung und bringen im vollen Ernst, es sei so real, wie sie glauben, ihre Leistungen. Das taten auch deutsche Soldaten und Kriegsberichterstatter in der Meinung, es sei so wahr, wie sie es sahen… Der 8. Mai 1945 war für viele ein Tag echter Desillusionierung trotz eines verlorenen Krieges. Filme wie Bernhard Wickis „Die Brücke“ von 1959 beschreiben diese Verfassung in damaligen Menschen. Es ist doch leicht erklärbar, dass sich Menschen problemlos in abgeschlossenen geistigen Systemen bewegen, ohne je in Frage zu stellen, ob das System überhaupt wahr ist. Selbst gut sichtbare Beweise für die Illusion reichen nicht aus, diese Menschen „aufzuwecken“. Es müsste, wie schon gesagt, eine massive und existenzielle Infragestellung durch ein Ereignis oder eine Gruppe wirksamer, hartnäckiger Zweifler auftreten, um diesen hermetischen Bewusstseinskäfig zu erschüttern. Anders ließen sich die zahlreichen funktionstüchtigen Sekten und abgeschlossenen politischen Systeme nicht erklären, die irgendwann entzaubert und historisch gut belegt worden sind… Ob die Mitarbeit an der Inszenierung einer Täuschung also beabsichtigt oder bereits aus einer Verblendung der „Herolde der Täuschung“ heraus geschieht, ob solche Inszenierungen irgendwann Selbstläufer werden und ihrer Eigendynamik folgen — all das ändert am Ergebnis nichts: wir leben in einer Illusion oder besser: wir sollen in einer Illusion leben. Und auf einer solchen Illusion können in der Tat ganze Geisterstädte aufgebaut werden!

Hinzu kommt ein gewichtiges Faktum:
Die Kundschafter unserer Tage sind nicht mehr der Gemeinschaft, für die sie einst auszogen, um Kunde zu sammeln, verpflichtet. Unsere Nachrichtengeber und Herolde drängen sich uns ungefragt im Dienste der Nachrichtenmacher auf. Sie sind nicht von uns beauftragt und recherchieren nicht frei. Ganz offen spricht man von „embedded journalists“. Warum sollten solche „eingebetteten“ Autoren, Filmemacher und Wissenschaftler nicht auch sonst überall unterwegs sein? Sind wir wirklich davon überzeugt, dass diese „Einbettung“ nur in der Kriegsberichterstattung geschieht oder verlangt werden kann? Glauben wir im Ernst, — wie viele das tun — , dass die in unserer Jugend „erlaubte“ infantile Renitenz der linken Bewegung in den 60er und 70er Jahren als Maßstab und Präzedenzfall für eine echte Infragestellung der Macht grundsätzlich bis in alle Ewigkeit angesehen werden kann? Anders: Will man daraus schließen, dass unser System jegliche Renitenz zulassen würde oder je zugelassen hätte?
Wir wollen nicht glauben, dass es so sein könnte. Wir wollen aufgrund unserer scheinbaren Konsumfreiheit nicht annehmen, dass außer Konsum nichts mehr frei ist… Wir erliegen dem Wahn, wer sich adipös essen kann und sexen darf bis zum Umfallen, der könne nicht belogen werden in den Dingen des Lebens, die am Ende alleine zählen. Wir haben gelernt, alles an andere zu delegieren und ihrer Führung zu überlassen. Obwohl immer mehr kritische und frei denkende Journalisten, Autoren und Forscher aus ihren langjährigen Stellen gedrängt werden, weil sie ihren Nachrichten- und Auftraggebern nicht gehorchen und sich — aus ihrer Sicht — nicht korrumpieren lassen wollen, schaffen wir es nicht, uns von unserem kindlichen Glauben an die Vertrauenswürdigkeit derer, die kommen, um uns Illusionen zu bringen, zu verabschieden.
Die Nutzung von Bild- und Filmmaterial zu Propagandazwecken wurde in den 30er Jahren, als das Hörspiel Orson Welles ausgestrahlt wurde, in Deutschland weiter erforscht und erstmalig in großem Umfang angewendet. Die Reichsregierung inszenierte mithilfe von Bildern psychologische Realitäten. Wer etwa Leni Riefenstahls Film „Der Tag der Freiheit. Unsere Wehrmacht“ von 1935 ansieht, kann sich schwerlich der Suggestivkraft dieses Episodenfilms über die Stärke, Menschlichkeit und Hoffnungsfreude der Wehrmacht entziehen — ich bin mir sicher, dass die Zuschauer 1935 diese Bilder 1:1 in ihr Bewusstsein aufnahmen. Nicht anders dürfte es sich bei der Dokumentation Riefenstahls über den Reichsparteitag 1933 unter dem irreführenden Titel „Sieg des Glaubens“ verhalten. Ich möchte dabei anmerken, dass diese Filme künstlerisch den albernen Weltraumfilmen unserer Tage weit überlegen sind. Noch suggestiver wirkt der berüchtigte Film „Der ewige Jude“ von 1940, an dem Leni Riefenstahl nicht beteiligt war, der das „wahre“ Leben und Denken der Juden zeigen soll, ohne die „Zivilisationsmaske“ der deutschen Juden, auf die sich gewöhnliche Deutsche vielleicht damals hätten beziehen können. Auch hier wird mit der Figur gearbeitet, dass die eigenen Sinne uns täuschen und wir einer Aufklärung seitens Erleuchteter bedürfen.
Und obwohl wir um all diese historischen Missbräuche wissen, glauben die Menschen unserer Tage dennoch jedem noch so schlecht gemachten Unsinn eher, als dass sie dessen Infragestellung als legitim betrachten würden… Die Deutschen waren damals nicht imstande, sich von diesen Fiktionen abzugrenzen. Erst ganz spät gingen einige dazu über, „Feindsender“ zu hören, aber sie verkannten vermutlich, dass auch diese Sender Fiktionen waren und gezielt zur Beeinflussung deutscher Zuhörer gemacht wurden.
Optische Eindrücke aber stellen in einer Welt weit entwickelter Bild- und Filmtechnik am schnellsten und vollkommen diskursfrei erwünschte Einstellungen in den Betrachtern her. Mag der Zeitgenosse der 30er Jahre Bildern gegenüber noch insofern Skepsis entgegengebracht haben, als er nicht gewohnt war, von Bildern ständig berieselt zu werden und eine tägliche Information über Filmmaterial noch nicht kannte, so hat sich die Betrugsanfälligkeit des heutigen Menschen durch die 24- hours-a-day-Berieselung durch zahlreiche Fernsehkanäle wesentlich verstärkt. Damit soll nicht behauptet werden, dass alles Gefilmte verlogen ist, sondern dass durch geschickte Montage Filme trügerische Welten vorgaukeln können und diese Möglichkeit seit den 30er Jahren auch gezielt eingesetzt wird, nicht zuletzt in der Werbefilm-Industrie.
Der Rückbezug auf die Nachprüfbarkeit der Behauptungen aufgrund einer eigenen Wahrnehmung bzw der Möglichkeit, „sich ein eigenes Bild zu machen“, wird uns wie bereits dargelegt, mehr und mehr abgesprochen.
Wahr ist, was man uns als wahr präsentiert. In der Illusion der Informiertheit und Gebildetheit wird uns die Möglichkeit geraubt, selbst zu entscheiden, was wir für wahr halten können und wollen. Die Zeit ist soweit voran geschritten, dass mit visuellen Illusionen ganze Wahlkämpfe gestaltet werden. Der französische Präsidentschaftskandidat der Sozialisten, Jean-Luc Melenchon, ließ sich während eines Wahlkampfauftrittes im Februar 2017 in Lyon zeitgleich über ein Hologramm auf einer Bühne in Paris sehen und begeisterte auch dort seine Zuschauer.[11]

Zugleich aber hat sich die Teilhabe „einfacher Menschen aus dem Volk“ an weit entwickelten Techniken, wie etwa sehr guten Kameras, oder der noch nicht geraubten Möglichkeit, sich im Internet frei zu äußern und frei Geäußertes zu rezipieren, selbst Nachrichtenkanäle oder Blogs aufzubauen, wie ein großes Fenster geöffnet.
Die wenigsten Menschen haben trotz alledem die Kraft und den Willen, sich umfassend mit dem wirklichen Diskussionsstand auseinanderzusetzen und glauben resignierend denen, die medial dominant als die „Fachleute“ (im heutigen Jargon meist als „Experten“) vorgestellt werden. Zumindest die deutsche Bundesregierung hat am schwarzen Freitag der Demokratie am 30. Juni 2017 im Windschatten der angesichts verschwindend geringen Interesses völlig belanglosen Frage, ob Homosexuelle heiraten dürfen oder nicht, die wesentlich gravierendere Frage der freien Meinungsäußerung durch einen einschränkenden Gesetzentwurf dem Bundestag vorgelegt, der den Entwurf gleichgültig (mit Ausnahme der Linken) abgenickt hat.[12] Die Schleifung der im Grundgesetz garantierten Grundrechte durch die Bundesregierung ruft inzwischen im Ausland Argwohn und Besorgnis hervor. Polen hat nach Zeitungsberichten am 31. August 2017 angekündigt, an den Generalsekretär des Europarates einen Antrag auf eine Diskussion über den Zustand der Meinungsfreiheit in Deutschland zu stellen.[13]

Zur allgemeinen Verwirrung darüber, was Fakten, „Fake News“ oder „Bullshit“ sind, kommen zahlreiche Störmanöver. Teilweise befinden sich viele Flach-Erdler selbst im Morast abstruser esoterischer Ideen, oder es werden gezielt vonseiten der Mainstream-Physik Internetauftritte simuliert, die Kritiker des heliozentrischen Modells auf eine Stufe mit den Gläubigen esoterischer Abstrusitäten, fanatischer Veganer oder extremistischer evangelikaler Gruppen stellen wollen.
Damit soll das Anliegen überhaupt diskreditiert werden. Wieder andere „Truther“ befürchten, dass durch die Flache-Erde-Szene ihre Anliegen, wie etwa die Entlarvung des Betrugs vom 11. September 2001, diskreditiert werden könnten und verspinnen sich ihrerseits in haarsträubende Ängste und vor allem haltlose Unterstellungen.[14]
Es ist unabhängig von dieser Verwirrung die Frage nach der Gestalt der Erde während des „heliozentrischen Zeitalters“ immer gestellt worden und dies von klugen und teilweise renommierten Köpfen, wie ich noch zeigen werde. Sachlich gesehen ist es gleich, ob Personen, die über die Möglichkeit einer Flachen Erde nachdenken, Veganer, Evangelikale oder Esoteriker sind. Sachlich gesehen interessiert nur, ob sie etwas Wichtiges zur Diskussion stellen.

Es ist jedenfalls bemerkenswert, mit welchem Engagement selbst Jugendliche, Schullehrer, Hobbyastronomen und anonyme Personen auf Internetforen auf diejenigen eindreschen, die in Erwägung ziehen, dass die Erde vielleicht doch eine andere Gestalt hat, als man es uns sagt und das Mainstream-Modell vom Kosmos eine einzige, wenn auch faszinierende Fiktion sein könnte.
Es geht hier in keinem Fall mehr nur um ein wissenschaftliches Modell, sondern um einen quasireligiösen Rahmen, der zusammenbrechen könnte, einen Fetisch des inzwischen kollektiven Bewusstseins und ganz offenbar um einen wichtigen Baustein in der Hand der Mächtigen. Ohne diese Annahme ist nicht verständlich, warum man die Infragestellung des heliozentrischen Modells mit einem solchen „Shitstorm“ beantwortet wie es geschieht.

5. Le silence éternel de ces espaces infinis m’effraie.[15] — Gibt es das All außerhalb unseres Bewusstseins ?

Blaise Pascal sprach obigen denkwürdigen Satz aus, den ich ein bisschen genauer ansehen will. Er schrieb diesen Gedanken im Rahmen einer Auseinandersetzung mit dem Atheismus und schon unter dem Eindruck auf, das kopernikanische Weltbild sei wahr, auf. Zuvor stellt er die Frage, warum er gerade zu dieser Zeit und an diesem Ort in einer „unendlichen Weite der Räume“ sei, von denen er „nichts weiß und die von mir nichts wissen“. Er fragt, warum er dann jetzt und hier überhaupt sein sollte.[16] Pascal weist uns auf ein psychologisches und auch logisches Problem hin. Menschliches Selbstbewusstsein in Zeit und Raum wird absurd oder schlicht nichtig, wenn man annimmt, dass diese Räume und Zeiten unendlich oder mindestens unbekannt sein sollen. In einem „Raum“, dessen Grenzen niemand kennt, oder der per definitionem unbegrenzt sein soll, verliert der Raumbegriff für den Menschen außerhalb seiner kleinen Welt seinen Sinn. Ein Raum ohne Koordinaten kann nicht vermessen werden, er ist absurd. Alleine schon aufgrund dieses Sachverhaltes ist alles Schwadronieren über kosmische Strecken, etwa von der Erde zum Mond oder zum Mars oder zur Sonne oder gar fernen Galaxien völlig unmöglich. Wir erleben, dass es in der gelehrten Diskussion dabei auf ein paar Milliarden Kilometer stets gar nicht ankommt. Auch „Höhenpunkte“ scheinen keinerlei reale Rolle zu spielen. Es befindet sich alles in einem vagen Irgendwo, von dem man uns aber gestochen scharfe Bilder liefert, als hätte man sie eben mal per Telepathie dort mit einer teuren Kamera geschossen. Das Konstrukt eines „Raumes im Raum“ durch den Menschen bliebe immer nur ein irdisches Konstrukt, eine Spiegelung aus seelischen Abläufen, die keinen objektiven Wahrheitswert für das „Außen“ aufwiese. Was sollen Kilometer im unendlichen Raum außerhalb der Erde sein? Und wie schafft man es, in diesem Außenraum eine gezielte Strecke zu überwinden? Mithilfe von Hokuspokus streut man den Menschen über diese elementaren Fragen Sand in die Augen. Warum sollten sich die Gestirne überhaupt im Raum so bewegen wie behauptet? Wo ist Oben und Unten? Glücklicherweise hat man uns eine schräg aufrecht stehende Erdachse gelassen, die uns die Illusion von Oben und Unten erhält. Unter der Annahme, dass wir und andere Gestirne uns bewegen und da draußen keinen fixen Anhaltspunkt, auch nicht die Sonne, die ja ebenfalls mit rasender Geschwindigkeit um ein Zentrum kreisen soll, haben, ist es mathematisch unmöglich, gewiss bestimmen zu wollen, wer sich wie im Verhältnis zu den anderen „sicher“ und in welcher Weise bewegt und ob man sich überhaupt selbst bewegt. Es sind alles Spekulationen. Woher also die vorgegebene „Sicherheit“? Und überhaupt: warum sollten sich die Gestirne da befinden, wo sie von Astrophysikern platziert werden und sich so bewegen, wie man es ihnen unterstellt? Was bringt sie dazu, sich so wie behauptet zu bewegen? Und warum, ohne je zum Stillstand zu kommen? Eine verschwiemelte Gravitationshypothese, angereichert von der Urknalltheorie, zur Behebung dieser Schwierigkeiten in der Argumentation hat es bis heute nicht geschafft, geklärt oder gar nachgewiesen zu werden, obwohl man darüber so redet, als sei das eine unstrittige Sache. Und welcher Mensch, der noch alle Tassen im Schrank hat und nicht lebensmüde ist, setzt sich unter solch vagen Umständen in ein Raumfahrzeug und fährt zum Mond? Woher weiß man, ob das, was man irdisch als physikalisches Gesetz „entdeckt“, unbegrenzt da draußen auch gilt? Wie will man ein Hochvakuum mit seinem behaupteten ja real mörderischen Unterdruck auf Dauer ausgleichen können, wo doch die Menschenversuche der Nazis gezeigt haben, was mit Menschen unter nur halb so gewaltigen Druckverhältnissen geschieht, „Raumanzug“ hin oder her, noch dazu wenn diese Raumanzüge eine derart alberne Konsistenz haben, wie man es uns erzählt? Dieser Unterdruck ist doch kein Peanut, sondern extrem lebensfeindlich und verschlingend. Selbst auf der Erde fallen stählerne Tanks aufgrund solchen Drucks einfach in sich zusammen. Wie also sollen Raumschiffe und Raumanzüge diesem Druck tage-, wochen- oder monatelang standhalten? Wie will man unter Temperaturen von angeblich 150 Grad Celsius auf der Tagseite des Mondes mehrere Tage auf der Mondoberfläche verbracht haben und dabei fotografiert haben? Man erzählt uns nun, Hitze oder Kälte im Vakuum fühle sich anders an als in der Erdatmosphäre — aha: es scheint darüber umfangreiche Erfahrungen zu geben? Wie soll überhaupt erklärt werden, dass dieses Hochvakuum des Alls die materiellen Gestirne nicht einfach in sich hineinzieht wie all die Marshmallows und Schaumküsse, die man im Schulunterricht unter eine Vakuumglocke setzt, unter der sie sich elefantös aufblasen und irgendwann platzen? Warum bleibt die gasförmige Atmosphäre der Erde bei einer nicht messbaren oder nur schwachen Gravitation so brav bei der Erde und löst sich nicht einfach in diesem Unterdruck des Vakuums auf? Newtons Behauptung von der Massenanziehung ist bis heute nicht bewiesen und eine bloße fantastische Idee geblieben…
Zuerst war das Konstrukt, und alle damit verbundenen Probleme löst die geheimnisvolle „Gravitation“… ein mysteriöser Begriff von „Masse“ und „Schwere“… Gravitation ist eine reine Fiktion der menschlichen Seele, die sich Gott als einen Weltenbaumeister mit Winkel und Zirkel vorstellt, also im Klartext: wie einen Menschen oder noch genauer wie einen Mann, dessen „Himmelsmechanik“ der irdische Mann glaubt einfach nachzeichnen zu können. In Wahrheit aber ist es nichts als eine narzisstische Projektion. Die Tatsache, dass ein wie immer gedachtes „All“ unseren Geist immer übersteigt, erfordert, um hier eine „wahre“ Vorstellung über den Kosmos zu erhalten, zwangsläufig eine Offenbarung Gottes, die dem Menschen andeutet, in welchen Zusammenhang er gestellt ist. Der Versuch, sich den Kosmos selbst auszudenken und dabei vorauszusetzen, der eigene erdachte Bauplan müsse zwangsläufig auch der des Schöpfers sein, sofern man überhaupt noch einen Gedanken an den Schöpfer verschwenden will, mündet unweigerlich in der Absurdität.
Es wird deutlich, dass es eine Kosmologie nie ohne den Menschen und sein Selbstbewusstsein geben kann, andererseits aber eine Ausklammerung der Wahrheits- und Objektivitätsfrage, die nicht alleine an den Menschen gebunden sein kann, dazu führt, dass die Kosmologie außerhalb göttlich offenbarter Inspiration des Geistes zwangsläufig zur blanken Fiktion wird.
Auch wenn die Wahrheitsfrage als unabhängig vom Menschen und seiner subjektiven Verfasstheit gesehen werden muss, kann man sich doch das All nicht so vorstellen, als könne man es so „erforschen“, als gäbe es in ihm keinen Menschen und als wäre es nicht der Mensch, der sich hier einen Reim auf das macht, was seine Möglichkeiten weit übersteigt.
Bei aller (teilweise seitens der Heliozentriker von außen absichtlich gestreuter) Verwirrung, die man in der „Flat Earther“-Szene antrifft, muss zugestanden werden, dass der Enthusiasmus vieler „Flat Earther“ sich aus der Wiederentdeckung ihrer freien und einzigartigen Wahrnehmung speist, der Wiederentdeckung ihrer ungetrübten Sinne und der Erprobung ihres freien Denkens über die Dinge ohne die lähmenden Krücken einer Wissenschaft, die auf einfachste Rückfragen keine einfache Antwort mehr geben kann und sich selbst damit überflüssig gemacht hat. Befreiend ist die Theorie von der Flachen Erde aber auch deswegen, weil sie religiöse Offenbarungstexte wie die Bibel mit einem Schlage wieder aussagekräftig und geheimnisvoll macht, wo sie zuvor von Theologen mit dem Rücken zur Wand hilflos und gewunden und nicht schlüssig verteidigt oder sogar aufgegeben werden musste. Es ist haarsträubend, welche Pirouetten die Theologie seit Jahrzehnten dreht, um aus dem Schriftwort herauslesen zu wollen, dass in ihm jede neuzeitliche Behauptung bereits im Kern „eigentlich“ vorgezeichnet sei. Das betrifft nicht nur die Frage nach der Gestalt der Erde und des Kosmos, sondern auch die nach der Entstehung der Welt, die Katastrophengeschichte und das Ziel der Heilsgeschichte.
Im Grunde überholen diese einfachen Menschen mit den Schwingen ihrer natürlichen Erkenntnisfähigkeit die etablierte Wissenschaft, die sich in einer gut finanzierten, abstrusen Erstarrung eingerichtet hat, ein Millionenheer an Hofschranzen unterhält und doch ihre stürzenden Könige nicht konservieren kann.
Nicht zuletzt beweisen all jene Weltraum-„Techniken“ und Kugelerdebeweise der Schulbücher, hinter denen man sich verschanzt, gar nichts: sie alle würden auch in einem Modell der Flachen Erde funktionieren, denn der Raum über der Flachen Erde, der „Dom“ oder die „Kuppel“ ist ebenfalls tausende von Kilometern hoch und ließe Satelliten, Flugzeuge und hoch fliegende Sonden genauso zu wie in einem Globusmodell. Erdumrundungen per Schiff und Flugzeug funktionieren auch auf einer flachen Erde.

6. Was haben die heidnische Antike und das darauf fußende christliche Mittelalter „gewusst“?

Es kann hier nicht der Ort sein, in aller Ausführlichkeit auszubreiten, was die heidnische Antike über den Kosmos dachte. Im Gegensatz zu heute lag zu früheren Zeiten kein verbreitetes „allein gültiges Modell“ vor. Es gab eine Vielfalt an spekulativen Modellen, von denen sich die der heidnischen Gelehrten aus einer bestimmten antiken Annahme ergaben und ohne sie nicht verstehen lassen. Diese Annahme befasste sich mit der Verteilung der Elemente (Erde, Wasser, Feuer, Luft, Äther) im Kosmos, mit der Art, wie sie ineinanderspielten und wie der Kosmos in diesem Ineinanderspiel insgesamt geformt sein könnte. Es waren vor allem anderen Überlegungen, die mehr oder weniger Deduktionen aus naturphilosophischen Axiomen waren und theoretisch auf spekulativen Vollkommenheitslehren basierten.
Für Interessierte möchte ich auf die Dissertation „Sphaera terrae — das mittelalterliche Bild der Erde und die kosmographische Revolution“ verweisen, die Karl Anselm Vogel 1995 in Göttingen vorgelegt hat. Der Autor geht darin auch auf die antiken heidnischen Kosmologien ausführlich ein und führt vor Augen, dass sie aus einer vollkommen anderen Denkwelt stammen und niemals als „Beweis“ für die Richtigkeit unserer eigenen Ideen angeführt werden können. Vogel hebt hervor, was im 19. Jh in der akademischen Szene noch jeder wusste: wenn die Alten von einer „sphärischen“ Form der Erde oder des Kosmos ausgingen, meinten sie damit nicht, dass die Erde mit ihren Land- und Meeranteilen ein einziger materieller „Ball“ unter anderen „Bällen“ in einem Vakuum sei. Die Alten entwarfen nicht einfach nur eine materielle „Himmelsmechanik“, wie dies seit der „kopernikanischen Wende“ der Fall ist. Ja, man könnte vielleicht zugespitzt sagen, dass diese kopernikanische Revolution darin bestand, die Kosmologie intentional vollständig zu materialisieren und zu mathematisieren, für eine spirituelle und naturphilosophische Auffassung langfristig unbrauchbar zu machen. Kopernikus sprach tatsächlich jedem „Uneingeweihten“ das Recht ab, in sein Mysterium einzutreten. Und „eingeweiht“ konnten nur Mathematiker und Astronomen sein. Alle anderen, es sei denn, sie stimmten ihm zu, hielt er für „leere Schwätzer“[17]. Diese Haltung, heute betulich als „Angst vor Spott“ ob der ungewohnten neuen Lehren gewertet, offenbart nüchtern betrachtet eine bemerkenswerte Arroganz und legt tatsächlich den Eindruck nahe, diese „revolutionäre Astronomie“ entstamme einem Medium oder Zirkel besonders Erleuchteter, die etwas „wissen“, worein nie zuvor Menschen Einblick hatten, obgleich es sich doch nur um ein reduktionistisches, mathematisierendes Konstrukt handelte. Es wäre verfehlt, solche Andeutungen eigener Erhabenheit nicht ernstzunehmen. Es bleibt unklar, woher die heliozentrischen Astronomen ihre Selbsteinstufung als besonders Erleuchtete nahmen. Die Zielrichtung eines solchen Ansatzes will die Kosmologie um nichts weniger als ihre spirituelle Grundlage erleichtern und alleine auf die Füße totaler Berechenbarkeit mit Zirkel, Winkel, Fernrohr und Formeln beschränken.

Vogel fasst seine Analyse antiken Verständnisses, unter Verweis auf die einschlägige Fachliteratur, für das Heidentum so zusammen:
„Erdgloben hat es in der Antike kaum gegeben. Wenn ein griechischer oder römischer Kosmograph von einer sphaera sprach, so meinte er in aller Regel einen Himmelsglobus oder eine Armillarsphäre.
Die zahlreichen erhaltenen antiken Globusdarstellungen, so hat zuletzt Pascal Arnaud nachgewiesen, zeigen keine Erdgloben, sondern verweisen auf die Himmelskugel als Symbol der Weltherrschaft.“[18]
Aus der antiken Diskussion geht hervor, dass auch aufseiten derer, die in der Spätantike wie Ptolemäus (2. Jh) Erde und Wasser auf einer fortlaufenden Oberfläche annahmen, alternativ die Vorstellung einer gemeinsamen Erd-Wasser-Oberfläche der Lebenswelt als „sphaera“ oder eine flächig angelegte Lebenswelt des Menschen unter einem gekrümmten, kugelförmigen Himmel existierten wie bei Lactantius (4. Jh), der es aus methodischen Gründen ablehnte, aufgrund von Deduktionen aus unbewiesenen Prämissen widersinnige Folgerungen zu ziehen, wie es die heidnischen Philosophen seiner Meinung nach tun. Er sieht von diesen Prämissen als unnützem Ballast ab und stützt sich auf die unmittelbare Wahrnehmung und Alltagserfahrung, betrieb also so etwas wie eine streng phänomenologisch ausgerichtete Naturphilosophie.[19] Ptolemäus wollte im Rahmen heidnischer sphärischer Idealvorstellungen allerdings auch eine möglichst wenig spekulative Theorie entwickeln, hielt sich mit zu weit gehenden Folgerungen zurück, und dürfte derjenige sein, der sich aufgrund der „Unbeständigkeit und Unklarheit der Materie“ alleine an die Mathematik halten wollte. Ptolemäus scheint den bewohnten Erdkreis im Süden für umschließend begrenzt zu gehalten, also selbst noch keine rundum bewohnte Erdkugel angenommen zu haben.[20]
Die Frage nach „Antipoden“, also einer Rundum-Sphäre, wurde nur mit äußerster Vorsicht ausgesprochen, weil die Erfahrungen fehlten. Die „Unterseite“ der Erdsphäre hielt man mehrheitlich für unbewohnbar, weil sie der häufigen Vermutung nach unter Wasser sei. Welche genaue Vorstellung Ptolemäus von einem „Globus“ gehabt hat, ist also nicht ganz klar, da er die Erdmaterie für unbeständig hielt.
Aristoteles (4. Jh v. Chr.) hatte die Elementsphären einzeln abgehandelt, schloss aber aus der Annahme, dass der innerste Elementbereich, nämlich die Erde, als sphärischer Körper vergleichsweise unvollkommen geformt, im bereits vollkommener geformten Wasser aufgehoben sei, dessen Oberfläche gekrümmt sein müsse, wenn er annehme, dass die Erdsphäre bereits — wenn auch unvollkommen — gekrümmt sei, ebenso die perfektere Kugelgestalt des Himmels und noch mehr vollkommen die des Feuers, das alles umschließe. Die ewige Bewegung der Himmelskörper und der Zusammenhalt des Ganzen werde durch das fünfte Element, den Äther, ermöglicht. Es handelt sich insgesamt zweifelsohne um eine rein spekulative Idealvorstellung und nicht um ein „Wissen“.[21]
Die Wölbung oder Krümmung war also dabei nicht die Erdoberfläche im heutigen Sinn, sondern der über der Erde ausgespannte Himmel und das Feuer um diesen Himmel bzw. die Wassersphäre über der Erdsphäre oder die Erde als imperfekte sphärische Gestalt, die auf oder in der Wassersphäre schwamm. Die Sphären stellte man sich wie ineinandergeschachtelte Kugelschalen vor. Das „Kugelschalendenken“ meint, dass die Elementsphären ineinander und übereinandergeschoben seien und sich so gegenseitig durchwirkten. Ein solches Ineinander war in einer sphärischen Form am leichtesten vorstellbar und wurde aus diesem Grund allein so vorgestellt. Die Begründung von gekrümmten Oberflächen hat mit der modernen Annahme einer materiellen Kugelerde folglich überhaupt gar nichts gemein.
Vogel fasst zusammen:
„Globen konnten somit allenfalls der sphärischen Abbildung der begrenzten Ökumene, der pädagogischen Erläuterung der räumlichen Zusammenhänge auf der Sphäre oder der Darstellung symmetrischer Konzeptionen dienen. Für das festgefügte Bild eines Globus in modernem Sinne fehlte sowohl in der griechischen wie in der römischen Antike das empirische Fundament.[22]
Scheinbare Verfechter einer (Element-)Erdkugel, wie etwa Plinius d.Ä. (Zeitgenosse Jesu) traten — das nur am Rande — mit einer auf buchstäblich nichts gründenden Arroganz auf und schmähten alle, die ihnen nicht zustimmen wollten, als „Ungebildete“, aber auch diese Vorstellung einer Erdkugel meint nicht unseren heutigen Globus, sondern eine verworrene Idee von einer kugelförmigen Landmasse, die irgendwie und geheimnisvoll in die Wassersphäre eingelassen sei, etwa wie ein schwimmender Lehmklumpen, dessen eine Hemisphäre aus dem Wasser hinausragt, dessen andere Hemisphäre aber nicht betretbar, weil unter Wasser sei. Himmel und Ozeane sah er als Räuber an, die einen großen Teil der Erdsphäre „gestohlen“ haben.[23] Die gelegentlich auftretende Hypothese, auch die Wasser müssten gekrümmt sein, konnte kein antiker Gelehrter empirisch begründen, und man muss sich immer wieder klarmachen, woher sie überhaupt kommt, denn selbst Plinius formuliert den Satz:
„Daß tatsächlich eine Kugel entsteht, ist wunderbar, angesichts der so großen Flachheit des Meeres und der Felder.“[24]
Er drückt hier selbst aus, dass das, was messbar und wahrnehmbar ist, offenbar einer Idealvorstellung unterworfen wird, von der er glaubt, sie müsse aus philosophischen Gründen angenommen werden (vgl. das aristotelische Modell). Eine andere Begründung für diese Hypothese liefert er nicht, konnte er nicht liefern, denn die Ausdehnung der Meere war damals nicht bekannt. Es handelte sich demzufolge auch hier um kein „Wissen“, sondern eine reine Spekulation auf der Basis von bestimmten philosophischen Prämissen.
Die Frage nach dem Ineinander von Erde und Wasser, jeweils als eigenständige „sphaera“ gedacht, bestimmte in der Folgezeit das gesamte Mittelalter, sofern es sich auf die heidnische Antike zurückbezog und wurde teilweise mit mystischen Emanationsmodellen verbunden, auf die ich hier aber nicht eingehen kann.
Auf das vergleichsweise „a-spirituelle“ ptolemäische Modell kam man in großem Stil erst im 15./16. Jh zurück, als es Mode wurde, sich auf antike Quellen zu stützen und in ihnen Erkenntniserweiterungen zu suchen.
Ich möchte eine interessante Debatte im orientalischen Bereich zitieren, die uns Vogel vorstellt. Die Muslime gingen dabei von denselben heidnischen Denkern aus wie die abendländischen Christen, konnten aber deren Gedankenwelt — wie viele Christen — nicht mit der göttlichen Offenbarung über die Schöpfung verbinden. Es ist bemerkenswert, dass auch in der islamischen Debatte diejenigen, die sich für „gebildet“ hielten stets diejenigen waren, die die philosophische heidnische Grundlage der Kosmologie für wahrer hielten, als die religiöse oder eine an der unmittelbaren Wahrnehmung orientierte, obwohl es keine empirischen Gründe dafür gab. Die heidnische Sphären-Ideologie scheint auf viele eine ungemeine Faszination ausgeübt, einen „Gelehrten-Snobismus“ erzeugt zu haben…. Dem Gläubigen, auch dem islamisch Gläubigen, aber war sie häufig suspekt, weil sie vielleicht zu sehr in ein Geheimnis hineinsprechen will, das doch nur dem Schöpfer selbst gebührt.
Der islamische Historiker Rasid ad-Din Fadlullah (13. Jh) beschreibt, wie Theologen mit Naturphilosophen über die Erdgestalt in seinem Beisein diskutierten:
„Einige Honoratioren stellten die Frage: 'Woher nehmen die Gelehrten ihre Kenntnis von der Kugelgestalt der Erde, während wir mit unserem Auge doch wahrnehmen, daß es auf der Erde Berge, Hügel und Abgründe gibt? Der größte Teil der Erde ist doch, wie wir sehen, eben und flach. Doch die Philosophen glauben, daß die Erde kugelförmig ist. Ihr Ausdruck von der Erdkugel und ihre Annahme, daß sie in Kugelgestalt erschaffen worden sei, ist alles andere als richtig und zutreffend, läßt sich nicht verstandesmäßig begreifen, kann nicht gebilligt werden und widerspricht auch der religiösen Tradition. Wir fragten sie des öfteren nach dem Sinn . Aber sie konnten keine Antwort und keine Erklärung geben, die für den Verstand annehmbar war und von der Natur der Sache her gebilligt werden konnte.“[25]
Die Argumente der Gelehrten für eine Kugelgestalt erscheinen vorschnell, etwa wenn sie sagen, man könne sich andernfalls nicht erklären, warum die Sonne nicht zugleich überall aufgeht. Es ist mehr als verständlich, wenn die Seite der islamischen Theologen sich mit so schwachen Argumenten nicht abspeisen lassen wollte. Aber auch bei den islamischen Gelehrten, die sich auf die Grundlage der antiken Kosmologen stellten, wurde zwischen der Erd- und der Wassersphäre unterschieden, und damit ist deren Spekulation mit modernen Vorstellungen nicht einfach gleichzusetzen. Die Gestalt der Wassersphäre bleibt auch bei ihnen im Dunkeln.
Das christliche Mittelalter vollzieht im wesentlichen einerseits die antike Konzeption nach, andererseits die biblische Gesamtaussage zur Beschaffenheit der Welt. Auf die christliche Kritik an der heidnischen Konzeption werde ich in einem gesonderten Kapitel zu sprechen kommen.
Verbreitete Vorstellungen von einem „kosmischen Ei“, wie sie bei Hildegard von Bingen ausführlich dargelegt werden[26], fasst ein Gedicht aus dem „Lucidarius“, einer volkssprachlichen Enzyklopädie des 12. Jh zusammen:
„Der Meister sprach: 'Diese Welt ist rund,
und wird vom umlaufenden Meer umschlossen,
darin schwebet die Erde
wie der Dotter im Ei, im Weißen.“[27]
Die Erdsphäre ist hier „wie eine Kugel“ in die wilde Sphäre der Fluten geworfen und schwimmt darin herum.

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass die sphärische Gestalt der einzelnen Elemente keiner realen oder empirischen Erfahrung geschuldet war, sondern der philosophischen Prämisse, die Elemente seien sphärisch getrennt voneinander und durchwirkten sich — wie die empirische Erfahrung der Durchmischung der Elemente zeigte — auf eine geheimnisvolle Weise eben doch. Diese Prämisse konnte am ehesten mit der bildhaften Vorstellung ineinander geschobener Kreise erklärt werden. Der im Äther gehaltene Fixsternhimmel bedeutete in diesem Modell ein ebenfalls kugelschalenförmiges himmlisches Ambiente um das „innerste“ irdische Element, das im Prinzip ruhend vorgestellt wurde. Warum man überhaupt meinte, sich die Beschaffenheit der Dinge über ein so eigentümliches Modell, das die Elemente erst separiert, um sie anschließend als zusammengefügt anzusehen, zu erklären, ist für uns heute schwer rekonstruier- oder nachvollziehbar.
Das Motiv, sich eine vollkommenere Form des Seienden in Kugelgestalt vorzustellen, begegnet etwa auch in Platons „Symposion“, in dem der ursprüngliche Mensch als „Kugelmensch“ beschrieben wird. Er stellt einen „Doppelmenschen“ dar mit zwei entgegengesetzt ausgerichteten Köpfen, vier Händen und Füßen und einer entweder sonnenhaften („männlichen“), erdhaften („weiblichen“) oder mondhaften („androgynen“/eine Hälfte weiblich, eine männlich) Beschaffenheit vor. Wegen ihrer Gottgleichheit und Stärke wurden die Kugelmenschen von den Göttern geteilt in zweibeinige und einköpfige Wesen. Die Wunden verschloss der Sonnengott Apollon. Die Sehnsucht nach der vollkommenen Gestalt ist Ursprung der erotischen Liebe und treibt die Menschen in inniger Umarmung zueinander.
Auch in diesem Mythos taucht die Vorstellung auf, dass die Kugelgestalt die vollkommene, perfekte Gestalt sei.
Es handelte sich also bei solchen „Kugeltheorien“ der Alten um ein völlig anderes, eher virtuell-spekulatives Modell als das ausschließlich real-materialistische Modell, das wir heute annehmen.

In einem gewissen Sinn ist die Meinung, alle Himmelskörper müssten eine Kugelform haben, eine vulgäre Ableitung aus dem alten Modell der Elemente-Kugel-Schalen, für die aber — man muss es immer wieder betonen — kaum eine empirische Erfahrung zwingend oder überhaupt sprechen kann. Die berühmten drei „Beweise“ des Aristoteles für eine gekrümmte Erdsphäre (a. verschwindende Schiffe am Horizont/b. südliche Sternbilder, die man im Norden nicht sieht/c. runder Erdschatten auf dem Mond) treffen nicht zu oder sind leicht, wie bereits gezeigt, auf andere Weise zu erklären. Auch die gerne zitierte Berechnung des Erdumfangs durch Eratosthenes (3. Jh v. Chr.), die so vorgestellt wird, als sei sie von unseren Prämissen ausgegangen, geht eben nicht von einer Kugelerde nach unserem Verständnis aus, auf der die Wasser- und Erdsphäre eine Oberfläche bilden, sondern dem in der Antike gängigen Elementemodell.
Es ist, als hätte man die Prämissen, die überhaupt zu der Annahme geführt haben, der Kosmos habe eine sphärische Form, eliminiert, dessen Kugelideal aber nun ohne die zugrunde liegende Theorie beibehalten, obwohl ohne das philosophische Gerüst zu dieser Annahme eigentlich gar nichts mehr dafür zwingend spräche.

Warum hielt man also an der Vorstellung von „Kugeln“ und folglich auch „Kugeloberflächen“ fest? In einer gewissen Weise ist es Zufall oder auch der Stolz dessen, der sich besonders gelehrt dünken will:
Wesentlicher Impuls für diese Ausrichtung auf heidnisch-antike Quellen war hinsichtlich der Astronomie und Geografie, dass seit dem 15. Jh durch die umfangreichen Entdeckungen neuer Kontinente die alte Vorstellung der Erdsphäre, die vielleicht doch Antipoden aufweisen könnte, zusammen mit der Mode, die heidnische Antike zum Zwecke einer geistigen „Wiedergeburt“ als behauptete (aber nicht bewiesene) „überlegene“ Erkenntnisquelle zu nutzen, dann in die Richtung führte, an deren Endpunkt wir heute stehen.
Die anschließende Auseinandersetzung ab dem 16. Jh um ein geo- oder heliozentrisches Modell, die zu diesem Zeitpunkt beide von denselben sphärischen Gestirngestalten ausgingen, ist dem Anschein nach zugunsten des Heliozentrismus entschieden worden. Der Kampf um ein geozentrisches Modell, das im übrigen, — entgegen der vorschnellen und sich selbstüberschätzenden Meinung des Kopernikus, — eine bessere, und eben keine schlechtere Berechungsgrundlage lieferte als das heliozentrische Modell, ist in Wahrheit nur unterdrückt, aber nicht abgerissen und wurde von renommierten Autoren wie etwa Johannes Schlaf bis weit ins 20. Jh hinein fortgeführt, um von den Verfechtern eines Flache-Erde-Modells an dieser Stelle erst gar nicht zu reden. Schlaf veröffentlichte hochinteressante geozentrische Schriften, und bis zum heutigen Tag gibt es neben den Flach-Erdlern geozentrisch orientierte Kreise, die sich auf den Heliozentrismus mit guten Gründen nicht einlassen wollen.[28]
Herablassend und großspurig meint die allgegenwärtige, etablierte Community der Heliozentriker, Urknallgläubigen und Schwarze-Löcher-Mystiker, die nicht davor zurückscheuen, ihre eigenen Phantasien über eine gottfreie Entstehung des Universums „nachmachen“ zu wollen („Cern“), die ihre Prämissen aber in keinster Weise beweisen kann, dafür aber mit immer neuen und teilweise immer abstruseren Theorien die Ungereimtheiten und Widersprüche ihres Modells „nachbessert“, die älteren und alternativen Modell abtun zu können.[29]
Allein: Es ist nicht aller Tage Abend.
Robert Schadewald referierte in Artikeln und in seinem posthum erschienen Buch „The Plane Truth“, dass nach Aussage des Vorsitzenden der International Flath Earth Research Society, Charles Johnson, in einem Interview 1980, Präsident Roosevelt (1882 - 1945) aufgrund der immer deutlicher werdenden Unhaltbarkeit des heliozentrischen Kosmosmodells vorgehabt hätte, wenn er zum ersten Weltpräsidenten gewählt worden wäre, nach dem Krieg einen Schnitt zu machen und die Massen darüber aufzuklären, dass die Erde flach, unglücklicherweise aber darüber gestorben sei. Die im gleichen Jahr gegründete UNO habe sich aber noch als Logo die Karte der Flachen Erde gegeben, was eine unstrittige Tatsache ist.[30] Roosevelt starb im April 1945, im Juni 1945 kam es zur Gründung der UNO.[31]
Wie immer — das alles wäre genauer zu untersuchen, was allerdings keine leichte Sache werden dürfte, denn Johnsons umfangreiche Materialsammlungen sind bei einem nicht geklärten Brand, den er selbst für Brandstiftung, also ein Verbrechen hielt, alle vernichtet worden.[32]

Faktum ist, dass die Entwicklung sich so vollzogen hat, wie sie es tat.
Kann man daraus aber schließen, dass sie so notwendig, wahrhaftig oder optimal verlief? Es gibt keinen Grund, alles, was sich einmal mit Macht durchgesetzt hat, mit der Wahrheit zu verwechseln, wenn so viele Ungereimtheiten im Spiel sind.
Bleiben wir also kritisch und wachsam.

(Eine Fortsetzung mit der genaueren Betrachtung biblischer und außerbiblischer christlicher Kosmologie folgt demnächst)

[1] Urs Willmann: Asterix bei den Historikern. In: „Die Zeit“ 40/2001. Abgerufen auf http://www.zeit.de/2001/40/200140_asterix.xml/komplettansicht am 2.9.2017
[2] Hans Christian Andersen: Des Kaisers neue Kleider. In: Sämmtliche Märchen. Leipzig 31[um 1900], S. 264
[3] Mick West: Review: Flat Earth — The History of an Infamous Idea — Christine Garwood, September 2016. Bloartikel auf https://www.metabunk.org/review-flat-earth-the-history-of-an-infamous-idea-christine-garwood.t7950/ am 2.9.2017
[4] Nowickis Website zeigt dieses Foto und andere wunderbare Fotografien https://joshuanowicki.smugmug.com/Looking-toward-Chicago-from-Mi/ ,  abgerufen am 3.9.2017. Die Fernsehshow kann hier angesehen werden: https://www.youtube.com/watch?v=aLlNKy5j_O8&t=30s
[5] Eine Filmaufnahme dieses Experiments kann hier angesehen werden: https://www.youtube.com/watch?v=o37t6iBS_q4, abgerufen am 3.9.2017
[6] Informationen dazu auf dem Blog der Konstanzer Seekönigin http://seekoenigin.blogspot.de/2012/08/der-sagenhafte-wasserberg-oder-schlu.html, abgerufen am 3.9.2017. Bürgerinitiative Flacher Bodensee hier: https://drive.google.com/file/d/0B6Lq6lD8Nfgra3RRVmhpMXZFU3c/view, abgerufen am 3.9.2017
[7] Jochen Kirchhoff: Räume, Dimensionen, Weltmodelle. Impulse für eine andere Naturwissenschaft. Klein Jasedow 2007 (2. Auflage). Dort v.a. ab S.96
[8] Mick West, a.a.O.
[9] Über die Maßstabs-Fehler in den angeblichen Erdfotos etwa hier: https://www.pinterest.de/dmmacy71/earth-which-picture-is-real/, abgerufen am 3.9.2017. Die nachweisbare Herkunft der Bilder aus CGI—Technik ist in zahlreichen Publikationen aufgezeigt worden:
„Der US-amerikanischer Physiker und gegenwärtige Berater für Wissenschaft und Technologie bei US-Präsident Barack Obama John P. Holdren, räumt in diesen Video ein, daß es sich bei den NASA- und ISS (Internationale Space Station) Bildern von der Erde lediglich um computergenerierte Modelle (CGI - Computer Generated Imagery, mittels 3-D-Computergrafik erzeugte Bilder, im Bereich der Foto und Filmproduktion) handelt, die aus Einzelbildern zu einer Komposition zusammengefügt werden und verweist gleich zu Anfang auf das erste Foto der gesamten Erde, die "Blue Marble", die 1972 bei der Apollo Mission geschossen worden sein soll.
Desweiteren räumt John P. Holdren ein, das die NASA bis heute nicht über ausreichende Kapazitäten und Equipment verfügt und daß es sich bei den zahllosen Veröffentlichungen der Bilder von der Erde, lediglich um makellos zusammengefügten Modelle handelt, die beispielsweise auch in anderen wissenschaftlichen Disziplinen, wie etwa der Klimareligion, Verwendung finden.
Zum Schluß verweist er auf das Weltraum-Projekt "Deep Space Climate Observatory", abgekürzt DSCOVR, mit dem es nun auch der NASA möglich sein soll, die Erde aus dem Weltraum zu fotografieren, was allerdings mit den ersten Bildern aus Juni 2015 und den Aufnahmen von der Rückseite des Mondes gründlich schief gelaufen ist. Denn auch dort sehen wir nur Computer-Modelle.“ https://flache-erde.info/nasa-iss-erdbilder-cgi-computergrafiken/ , abgerufen am 3.9.2017
[10] Gerhard Wisnewski: Lügen im Weltraum. Von der Mondlandung zur Weltherrschaft. Rottenburg 2010
[11] „Mit einem Technik-Trick wollte er seiner Konkurrenz die Show stehlen: Der linke Präsidentschaftskandidat Jean-Luc Melenchon hat seinen Wahlkampfauftakt gleichzeitig in Lyon und Paris absolviert. In Lyon stand er tatsächlich auf der Bühne, in Paris als Hologramm.“ Nachricht im „Spiegel“ vom 7.2.2017, abrufbar auf http://www.spiegel.de/video/jean-luc-melenchon-hologramm-auftritt-in-lyon-und-paris-video-1741032.html, abgerufen am 3.9.2017
[12] Das verfassungswidrige „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“. Selbst die regierungskonforme „Zeit“ kommentierte damals zynisch, mit dem Gesetz werde man „mal kurz den Rechtsstaat (…) outscourcen“. http://www.zeit.de/digital/internet/2017-06/hasskommentare-netzdg-bundestag-gesetz-verabschiedet, abgerufen am 3.9.2017
[15] Blaise Pascal: Pensées I. Edition présentée, établie et annotée par Michel Le Guern, Professeur à l’Université Lyon II. Paris 1977 Gallimard. S. 161 (Fragment 187) — « Das ewige Schweigen dieser unendlichen Räume macht mich schaudern. »
[16] Blaise Pascal: Pensées. Heidelberg 1978, S. 114
[18] Vogel, S. 81
[19] Vogel, S. 74
[20] Vogel, S. 83 f
[21] Aristoteles: Über das Himmelsgebäude. Hg. von Carl Prantl. München 1857. S. 107 ff
[22] Vogel, S. 87
[23] Vogel, S. 52 f
[24] Vogel, S. 54
[25] Vogel, S. 104 f
[26] In „Scivias“, 1. Buch 3. Schau „Mensch und Kosmos“
[27] Vogel, S. 151
[28] Der naturalistische Dichter Johannes Schlaf (1862-1941) schrieb mehrere astronomische Bücher zur Verteidigung des geozentrischen Modells. Am bekanntesten ist wahrscheinlich „Die Erde, nicht die Sonne, das geozentrische Weltbild“ von 1919
[29] Ein Beispiel für solche diskursschwache Großspurigkeit ist etwa der Artikel von Holger Dambeck auf http://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/religioese-astronomie-und-sie-bewegt-sich-doch-nicht-a-720007.html vom 2.10.2010 unter dem Titel „Und sie bewegt sich doch nicht“.
[30] “The world ruling power was to be right here in this country.  After the war, the world would be declared flat and Roosevelt would be elected first president of the world.  When the UN Charter was drafted in San Francisco, they took the flat-earth map as their symbol.” In: Robert Schadewald. The Plane Truth. Posthum 2015 als Ebook, Chapter 9: Johnson and Johnson: Two witnesses.
[31] An anderer Stelle schreibt Schadewald folgendes: „Nevertheless, Johnson contends that this nearly happened right after World War II, not for the U.S. alone, but for the entire world. Consider the United Nations: "Uncle Joe (Stalin), Churchill, and Roosevelt laid the master plan to bring in the New Age under the United Nations," Johnson discloses with confidence. "The world ruling power was to be right here in this country. After the war, the world would be declared flat and Roosevelt would be elected first president of the world. When the UN Charter was drafted in San Francisco, they took the flat-earth map as their symbol." Why declare the world flat? Johnson responds that a prophesied condition for world government (Isaiah 60:20) is that the "sun shall no more go down." This could be fulfilled by admitting that sunrise and sunset are optical illusions. The UN did adopt for its official seal a world map identical with the one on Johnson's office wall. But Franklin Roosevelt died coincident with the UN's birth, and the other imminent events described by Johnson never came about.”
Robert Schadewald: The flat-out truth. In: Science Digest 1980.
[32] Dies berichtet Eric Dubay in seinem Film „Geschichte der flachen Erde“ ab h/min 1:25 https://www.youtube.com/watch?v=3LYWTwaDdq8, abgerufen am 5.9.2017