Mittwoch, 14. Dezember 2016

Versuch über den "Populismus"




Versuch über den „Populismus“

I. Der Kampf- und Hetzbegriff „Populismus“ und seine Wort-Ausgeburten

„Populismus“ wird derzeit von denen, die herrschen, gegen die als Hetzbegriff eingesetzt, die nicht herrschen und anders wollen als die, die herrschen. Das Volk, das doch gemäß Grundgesetz der Souverän ist, von dem angeblich alle Gewalt ausgeht im Staat, wird behandelt wie eine Ansammlung von Untertanen und nimmt diese untergeordnete Rolle selbst an, die einen, indem sie willfährig der Obrigkeit nahezu alles zugute halten, vor allem, wenn sie eine Frau ist, die anderen, weil sie selbstmitleidig bereits aufhören zu kämpfen, bevor der Kampf entschieden ist.

Unsere Regierung im Bund und auf Länderebene setzt im Verein mit den Öffentlich-Rechtlichen Medien, und dies inzwischen unterschiedslos, den Begriff „Populismus“ bzw. „Rechtspopulismus“ für all jene ein, die ihnen zu gefährlichen Bestreitern der Macht werden, all jene also, die sich der Umarmung entziehen, der sich alle etablierten Parteien ergeben haben. Nachrichten werden unterschlagen, Ereignisse verschwiegen, Sachverhalte geschönt oder umgedeutet, und wer an die Fakten erinnert, wird als „postfaktisch“ gebrandmarkt. Bürger, die ihre Sorge friedlich äußern, werden als „Arschlöcher“ und „Pack“ (Sigmar Gabriel) bezeichnet.[1] Im Bayerischen Rundfunk werden ungehindert alberne Verschwörungstheorien daraus gezimmert, dass eben viele Menschen in unserer Demokratie mitreden und andere Meinungen vertreten als die, die gerade das Sagen haben.[2] Ein angebliches Gespenst geht um in Deutschland: die „Rechten“. Widerwärtig, wie hier aus allen Regierungsrohren die alte nationalsozialistische „Vorsicht, Feind hört mit“-Platte abgespielt wird. Leute, die sich verhalten wie Faschisten, warnen lauttönend vor Nazis – und das sind natürlich stets die anderen. Alleine die Tatsache, dass diese „Wir-gegen-rechts“-Waffe gegen alle Andersdenkenden direkt aus Berlin unterstützt wird, sollte einen halbwegs denkenden Bürger doch stutzig machen…

Wer den Regierungskurs vor allem in der Flüchtlingspolitik des letzten Jahres kritisiert, ist der „Hatespeech“ (Heiko Maas) verdächtig. Wer über Dinge spricht, die in den offiziellen Medien nicht berichtet werden, wird nun in der allerneuesten Kampagne der Regierung und der Öffentlich-Rechtlichen auf eine infame und suggestive Weise als potentieller Verbreiter von „Fake-News“ verhetzt. Man markiert nun die „Fakenews“, und wieder muss ich an die Markierungen denken, mit denen die Nazis den unschuldigen Deutschen etwas an die Hand gaben, um „böse“ Juden sofort zu erkennen… das Normalste Ding der Welt, nämlich Juden, war über Nacht zur „Gefahr“ geworden. Nun sind wir von „Fakenews“ existentiell bedroht, als ob es zuvor nie Zeitungsenten, Falschmeldungen oder Verschweigungen gegeben hätte… oder gerade gäbe…

Solche infamen Hetzkampagnen durch die Regierung und alle großen Medienhäuser gab es in dieser Schärfe und Zuspitzung noch nie in der Bundesrepublik, und so etwas ist tatsächlich brandgefährlich.

Saubermännische „Netzwerke gegen Rechts“ wie etwa die Amadeu-Antonio-Stiftung mit Anetta Kahane an der Spitze, die selbst jahrelang Stasispitzel war und eine beste Denunziantenausbildung und –erfahrung genossen hat, werden von der Regierung unterstützt und haben sogar einen Geheimdienstchef im Stiftungsrat, Stephan Kramer, den Präsidenten des Verfassungsschutzes in Thüringen.[3] Kahane hat unter anderem jahrelang den DDR-Schriftsteller Thomas Brasch bespitzelt und als „Feind der DDR“ denunziert.[4] Der Strategy-Manager Gerald Hensel der Werbeagentur „Scholz & Friends“,  zu deren Kunden die Bundesregierung gehört, hat jüngst einen Werbe-Boykottaufruf u.a. gegen zwei liberal-konservative Internet-Meinungsmagazine gestartet. Er tat dies über seine persönliche Website. Seine Website steht unter dem Sowjetstern und dem Gulaglagerruf „DavaiDavai“. www.davaidawai.com ist inzwischen, nachdem zahlreiche konservative und liberale Journalisten Krach geschlagen haben, mit einem Passwort verrammelt… Wer einen Screenshot haben will, kann ihn über diesen Artikel einsehen: http://www.achgut.com/artikel/der_denunziant_von_scholz_und_friends
Echte und leibhaftige Nazi-Opfer wie Henryk M. Broder fühlen sich unangenehm an den Boykottaufruf „Deutsche, kauft nicht bei Juden“ erinnert.

Hensel betreibt unter dem Motto #kein-Geld-für-rechts gezielte Verhetzung solcher Journalisten und Organe, die den Regierungskurs in letzter Zeit kritisiert haben. Es wird weder erklärt, warum der „Feind“ als „rechts“ betitelt wird, noch was „rechts“ überhaupt heißen soll. „Rechts“ sind alle, die den Kurs Merkels nicht für richtig halten und darüber öffentlich reden.

Der Pirat Thomas Ney, sicher der Rechtsradikalität unverdächtig, lässt den Leser auf seinem Blog folgendes bedenken:

Mehrere Bundesministerien haben dem sogenannten „Hatespeech“ im Internet den Kampf angesagt. Mit Unterstützung ausgerechnet der von einer ehemaligen Stasi-Mitarbeiterin geführten Amadeu-Antonio-Stiftung, welche auch linksradikale Antideutsche beschäftigt, sollen Betreiber Sozialer Netzwerke zur Löschung „unangemessener Beiträge“ angehalten werden. Die Definition dessen, was „Hatespeech“ ist, ist vage und wirkt bisweilen tendenziös. Neben eindeutig strafbewehrten, werden darunter auch Aussagen gefasst, die klar von dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sind. (…)
Im Kontext der Flüchtlingsdebatte geistert ein weiterer, ursprünglich aus den USA kommender Begriff durch den politischen Diskurs: „Hatespeech“, zu Deutsch Hassrede. Mit ihm sollen auch jene Meinungsäußerungen erfasst werden, die zwar möglicherweise nicht strafbar, aus Gründen der politischen Korrektheit aber dennoch unerwünscht sind, etwa weil sie Elemente einer gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit enthalten könnten. Gleich mehrere Bundesministerien wenden sich seit neuestem dem „Kampf gegen Hatespeech“ zu. Mit der Durchführung beauftragt wurde u. a. die Amadeu-Antonio-Stiftung. Sie soll mit einer „Taskforce“ Betreiber Sozialer Netzwerke im Umgang mit Hassreden beraten und allgmeine Löschempfehlungen aussprechen.
„Wir sprechen uns gegen Hatespeech aus, egal ob strafbar oder nicht. Jeder darf seine Meinung äußern, aber sachlich und ohne Angriffe.“
Kampf gegen nicht strafbare Äußerungen?“[5]

Der Begriff des „Rechtspopulismus“ mit seinen weiteren Ausgeburten wie „Hatespeech“, „Fakenews“ oder „postfaktisch“ wird inflationär von Personen angewendet, auf die diese Begriffe wesentlich eher zutreffen als auf einen großen Teil derer, gegen den sie sie einsetzen. Unangenehm erinnert werde ich seit Tagen an den Roman „Der Nazi und der Friseur“ von Edgar Hilsenrath, in dem der Nazi-Protagonist nach dem Krieg die Rolle seines verfolgten jüdischen Nachbarn übernimmt und mit diesem „Fake“ selbst die Staatsbürgerschaft in Israel erwerben kann…

„Populismus“ und Volkssouveränität

Aristoteles und mit ihm später Thomas v. Aquin hielten 6 Regierungsformen für realistisch, drei davon gut, drei davon gewissermaßen deren Perversion: Gut, also am Gemeinwohl orientiert, waren die Monarchie (Perversion: Tyrannis), Aristokratie (Perversion: Oligarchie), Politie (Perversion: Demokratie).
Politie im Sinne einer Herrschaft der vielen meinte jedoch nicht das ganze Volk als "Souverän", sondern eine Auswahl der Vernünftigen und Klugen.
Was wir heute als Staatsform haben, wäre demnach, nach dieser aristotelisch-scholastischen Definition die Perversion der Politie, nämlich die Herrschaft aller, gleich wie vernünftig oder unvernünftig sie sind.

Das klingt scheinbar sinnvoll, aber wer wüsste nicht um die Problematik, dass es sich in monarchischen und aristokratischen Strukturen, auch in solchen, die die „Tüchtigsten“ auswählen oder auszuwählen vorgeben, letztendlich nicht wirklich um eine Herrschaft durch die Besten handelt, sondern um gewissermaßen in einem Treibhaus der Mächtigen selbst gezogene Herrschaftspflänzchen, deren Güte sich allzu oft als minderwertig erwiesen hat. Thomistischen Träumen davon, dass die Herrschenden deshalb herrschen, weil sie „weiser“ seien als die Untertanen, haftet daher immer etwas Infantiles oder Naives an – denn solche immanente „Weisheit“ der Mächtigen ist ja immer nur ein Zuchtprodukt derer, die bereits herrschen…

Szenenwechsel: Im alten Rom wurde die Monarchie 500 v. Ch. verworfen, weil sich die Herrschaft eines einzelnen als schlimmste Gefahr erwiesen hatte. So gibt auch Thomas v. Aquin später zu, dass keine Regierungsform übler sei als eine pervertierte Monarchie/Autokratie.
Man führte also - um das zu vermeiden - die Konsuln-Regierung ein, die für sehr begrenzte Zeit vom Volk gewählt wurde. Das „Volk“ war zunächst das Patriziat, im Laufe der Zeit aber erkämpften sich auch die „Plebejer“ (Handwerker, Bauern) in den sogenannten „Ständekämpfen“ Zugang zu politischen Ämtern. Ein kurzes Rotationsprinzip, enge rechtliche Regeln und eine hohe Beteiligung des Populus sollten künftig diktatorische Misswirtschaft und Ineefinzienz auf lange Sicht verhindern. Durch die Verstrickung in viele Kriege und wachsende soziale Probleme, die nicht gelöst wurden, kam es zu Bürgerkriegen im Römischen Reich, die am Ende zum Niedergang der Republik führten.

Die Perversion des republikanischen römischen Systems, das eine Mischung aus aristokratischen, politischen und demokratischen Herrschaftselementen darstellte, in genau das, was man Jahrhunderte vorher hatte endgültig überwinden wollen, nämlich die Alleinherrschaft eines Monarchen, kam zurück wie ein Dämon, den man ausgetrieben hatte, und der mit 7 weiteren Geistern gnadenlos die Institutionen besetzte. Vollzogen wurde nach langen Bürgerkriegen und der umstrittenen Alleinherrschaft Caesars eine Art „Ermächtigung“ des Kaisers Octavian, der sich alle Amtsvollmachten selbst zuschreiben ließ. Aber mit diesem selbsernannten Augustus, dem „Erhabenen“, war auch das Ende des antiken Rom eingeläutet. Formell bestand die Republik weiter, faktisch wurde sie immer weiter ausgehöhlt durch Ausnahmeregelungen für ein immer weiter pervertierendes Kaisertum. Es ist aus meiner Sicht hochproblematisch, dass sich sowohl die Kirche als auch das Heilige Römische Reich ausgerechnet an diese an sich nicht legitime Herrschaftsform als der angeblich „gottgewollten“ banden. Christus wurde nach der Überlieferung und Überzeugung der Kirche unter der Herrschaft dieser pervertierten römischen Herrschaftsentwicklung geboren. Und unter dieser Herrschaft kam er zu Tode, nicht nur wegen der jüdischen Intrige gegen ihn. Ausdrücklich wurde Jesus als Aufrührer gegen den Kaiser verleumdet, dessen Schwiegersohn sein Richter, der Statthalter Pilatus, war. Seine Aussage, sein "Reich sei nicht von dieser Welt" kennzeichnet die Polarisierung zwischen ihm und diesem Kaisertum. Sein berühmter Ausspruch "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist", drückt keineswegs die geistliche oder theologische Akzeptanz des römischen Kaisers aus, sondern benennt viel eher ihn als den antichristlichen Gegenpol zu seiner verborgenen Herrschaft. Der Kaiser ist Ausdruck und Funktion des Fürsten der Welt, wenngleich diese Welt regiert werden muss und der Fürsten bedarf. Diese Spannung so fahrlässig zu "verchristlichen" und im eigenen Machtstreben aufzuheben, muss man der Kirche wohl für immer als antichristliche Komponente vorwerfen.

Norbert Tofall wies heute[6] darauf hin, dass eine Politik des „Popularismus“ auf die Zeit der Bürgerkriege zurückgeht, in denen bewusst mithilfe des Volkes (des Populus), allerdings gegen die geltenden Normen, bestimmte Reformen und Maßnahmen durchgesetzt werden sollten. Tofall vergleicht diesen Popularismus der römischen Zeit mit dem, was heute als „Populismus“ verhetzt wird. Dies ist – neben meinen Zweifeln an der Deutung der antiken Vorgänge - m.E. ein Fehlschluss.

Niemand der als Populisten Verhetzten versucht bislang auch nur irgendeine politische oder soziale Maßnahme zur Abhilfe der Missstände durchzusetzen.

Vielmehr trifft ein solcher Vorwurf am ehesten die Politik Merkels selbst. Ihre Alleingänge, die angeblich „alternativlos“ seien, ihre Instrumentalisierung der Gutmeiner-Emotionen und Hilfsbereitschaft des Volkes, ihre „Wir schaffen das!“-Appelle an ein schimärisches „Wir“ ebenso wie ihr jüngster Appell "Ihr müsst, ihr müsst mir helfen!" auf dem CDU-Parteitag im Dezember 2016 sind genuin populistisch[7]. So pflegt sie, wie jüngst der Grünen-EU-Abgeordnete Reinhard Bütikofer in einer öffentlichen Veranstaltung sagte, vor EU-Gipfeln keinerlei Kontakt aufzunehmen mit den anderen Regierungschefs, sondern aufzutauchen und den anderen mitzuteilen, was sie beansprucht, auch hier „alternativlos“ und mit dem dumpfen Rückhalt im „Wir“. Merkels „Demokratieverständnis“ sei „unerträglich“, sagte er.[8] Wie isoliert wir inzwischen in Europa sind, welchen Zorn unserer Nachbarn wir mit dieser herrschsüchtigen Frau auf uns laden, dürfte den wenigsten braven und arglosen Deutschen klar sein. Der Gipfel waren auf dem CDU-Parteitag im Dezember 2016 Merkels folgende – wirklich infame – Sätze: „Wer bei uns das Volk ist, bestimmt bei uns das ganze Volk. (…) Dazu gehört auch, dass Einige, die schon immer in Deutschland leben, dringend einen Integrationskurs nötig hätten.“[9] Merkel spielt hier das „ganze Volk“ gegen mindestens die Hälfte des Volkes aus. Und sie grenzt Bürger, die angestammte Deutsche sind, aus der Volksgemeinschaft aus. Das heißt, dass sie faktisch Deutsche gegen Migranten ausspielt, dass sie ihre Anhänger und Migranten gegen ihre Kritiker ausspielt. Dieses Spiel ist nicht nur infam, sondern auch perfide und man darf sich fragen, wieviele Kriterien der Volksverhetzung es erfüllt.

In der Neuzeit debattierte man v.a. kirchlich einen spätrömisch-antichristlichen Monarchismus, der angeblich als Staatsform gottgewollt sei (!), daneben mit dem Beginn der Renaissance Modelle der unmittelbare Demokratie (Basis-Demokratie) und repräsentativer Systeme, die im Grunde die Ablösung vom monarchischen Modell insofern nie geschafft haben, als sie das "Repräsentative" nach wie vor annehmen:

Ein Monarch ist "Stellvertreter" des Gemeinwesens und aller Untertanen. Er ist in diesem Sinne der "Souverän", die Menschen die "Untertanen" (Untergeordneten). Feudale Konzepte sind in sich schlüssig, werden aber selten ideal gelebt. Ihr Makel ist die quasi-ontologische Absetzung der Untertanen von den Fürsten. Wir wissen, dass in einer solche Überhöhung des Fürsten kaum einer der Versuchung zum Machtmissbrauch standhält.

Im Rahmen einer Republik nistet sich jedoch eine Schizophrenie ein, wenn keine klare Lösung von solchen monarchischen Modellen erfolgt. Die moderne parlamentarische Demokratie hat daher einen Makel: sie setzt voraus, das Volk sei der "Souverän", raubt aber diesem Souverän die Souveränität, sobald er sich seinen bzw. seine "Stellvertreter" selbst gewählt hat. Sobald der Stellvertreter im Amt ist, ist er nur schwer zu stürzen oder zu kritisieren, und das Volk findet sich letztendlich schnell wieder in der Rolle des "Untertanen", obwohl dieser Untertan sich "Bürger" nennen darf und neben einer Verpflichtung auf das geltende Recht eine Garantie auf Gewaltenteilung und Menschenrechte hat.

Mit dieser Problematik kämpft die BRD von Anfang an, und der Souverän hat immer in der einen oder anderen Art gegen den/die "Stellvertreter des Souveräns" rebelliert. Nun sollte solche rebellische Reibung  per definitionem möglich sein in unserem System. Unvergesslich, als Thomas Brasch 1981 den bayerischen Filmpreis bekam, von genau dieser Problematik sprach, dass er vom "Establishment" (er nannte es etwas anders) nun gekürt wurde, obwohl er doch im Widerspruch zu ihm stehe, und der damalige Ministerpräsident FJ Strauss darauf antwortete, man habe Brasch den Preis gegeben, weil das ein Zeichen der liberalitas Bavariae sei.[10]
Solange das so läuft, ist alles halbwegs gut.

Es läuft aber nicht mehr so. Unter Merkel brach der innere Konflikt zwischen Souveränität und Souveränitätsstellvertretung massiv aus. Die laute Forderung der AfD nach mehr direkter Demokratie ist daher eine seismografische Reaktion auf den wachsenden Missstand. Merkels Regierung scheint daran zu arbeiten, die Meinungsfreiheit empfindlich einzuschränken, und dies durch gezielte Verhetzung der Regierungskritiker. Um von ihrem eigenen populistischen Treiben abzulenken, zeigt sie mit Fingern auf die AfD, in der sich objektiv doch vor allem all jene sammeln, die es aus der gleichgeschalteten politischen „Mitte“ (dem „Populus“) herausgekegelt hat. Wie Wolfgang Bosbach in Talkshows immer wieder plaudernd sagte, hat nicht er sich in seiner politischen Haltung verändert, sondern die CDU unter Merkel. Und dieses Empfinden haben viele ehemalige Angehörige der CDU und der SPD. Nicht wenige der heutigen AfD-Exponenten sind ehemalige Mitglieder der großen „Volksparteien“.

Wir stehen also eher vor dem Dilemma, dass nun diese zurechtgemerkelte „Mitte“ behauptet, sie repräsentiere die Mitte und das „Volk“, ausgedrückt im angelinischen „Wir“, während die Vertriebenen und Flüchtlinge dieser merkelschen Politik sich in der AfD oder bei der Linken sammeln und ihrerseits reklamieren, das zu repräsentieren, was das „Volk“ in Wahrheit empfinde und denke. Merkel und ihre Vasallen reagieren darauf mit dem sinnigen „Populismus“-Vorwurf, obwohl sie doch selbst offenkundig und unverdeckt popularistische Politik machen.

Wenn nun das echte Volk, also die, die weder in der „Mitte“, noch in der Linken noch in der AfD sind, sich verzweifelt daran erinnern, dass sie doch der Souverän seien, dabei aber gelegentlich vergessen, dass sie wirklich der Souverän SIND und „die da oben“ nur unsere abwählbaren Stellvertreter und eben nicht Monarchen, gegen die man wie ein Untertan opponiert, ist tragisch.

Tatsächlich autokratische Tendenzen sind einzig und alleine bei Frau Merkel erkennbar, und das seit Jahren. Sie hat die CDU total zerstört und auf sich eingeschworen. Wer ihr in die Quere kam, wurde weggedrückt – etwa Friedrich Merz oder Roland Koch. Danach hat sie über die Große Koalition und diverse Landesregierungen auch die anderen etablierten Parteien auf ihren Kurs eingeschworen. Seehofers gelegentliche Zwergenaufstände sind nicht ernst zu nehmen. Im Zweifelsfall leckt er Merkel doch wieder die Füße.

Ich kann dagegen bei der AfD, die mit Abstand am meisten verleumdet und verhetzt wird,  derzeit nicht erkennen, dass sie eine autokratische Verstärkung der Lage anstrebt. Habe gerade das Parteiprogramm gestern wieder angesehen. Etwa zum Thema „Zuwanderung“.[11]
Wer ihr ohne jeden Nachweis unterstellt, sie präferiere eine Autokratie, bewegt sich selbst im Bereich des Populismus, der Verleumdung und der Hetze. Es ist im Prinzip richtig, dass die AfD sich gegen solche Verleumdungskampagnen mit Anzeigen und Prozessen wehrt. Das gälte für jede andere Partei, die nicht als verfassungsfeindlich eingestuft werden kann, ebenso.

Leider haben unsere Eliten es nicht nötig, das Parteiprogramm der AfD einmal unaufgeregt zu lesen. Sie brauchen ihre Fantasy-AfD als den Badboy ihrer politischen Hollywood-Kitschwelt. Irgendwo muss der böse Nazi ja versteckt sein. Bloß nicht bei ihnen…
Ähnlich wie damals bei Thilo Sarrazins erstem Buch fantasieren auch hier unsere Moralhüter, angefangen von der Kanzlerin bis hinunter zu Schmidtchen Nazijäger über Bücher und Parteien, über Personen und Gegenstände, mit denen sie sich niemals beschäftigt haben. Und darauf sind sie auch noch stolz. Dummheit und Stolz auf einem Holz.

Das kantische „Sapere aude“ jedenfalls, etwas vom besten deutschen Erbe, wird derzeit von unserer Regierung und einem Heer an „anti-rechten“ Äpfeln, die – wie sollte es anders sein! – nicht weit von ihrem faschistischen Stamm fallen, um das Linsengericht kurzfristigen „Gott, ich danke dir, dass ich nicht so bin wie diese da“-Fühlens verscherbelt.

Was sich hier und heute, maßgeblich verschuldet durch die Merkel-Regierung, abspielt, entspricht nicht meinem Willen als Verfassungspatriotin und liberal-konservativer Bürgerin eines noch bestehenden Rechtsstaates. Wir befinden uns auf einem abschüssigen Weg in eine Diktatur. Und es sind eben nicht die "Rechten", wer immer das eigentlich sein soll, sondern es ist die Regierung selbst, die schleichend das ganze politische System umbaut.


Was ist eigentlich mit den echten Asylanten?

Mich beschleicht angesichts all dieser Merkelschen Aktionen immer wieder der beklemmende Verdacht, dass Merkel, ähnlich wie Augustus, keinen offenen Umsturz durchführt, sondern über die untertourig-scheinbare "Notstands-" und "Ausnahmeregelungsschiene" unsere parlamentarische Demokratie bei offiziellem Fortbestand ihrer Institutionen in ein Zerrbild ihrer selbst umprägen wird. Die überfordernde und viel zu hohe Anzahl von angeblichen oder wirklichen Flüchtlingen, dabei einer unnatürlich hohen Zahl junger, wehrfähiger Männer aus dem arabischen Raum, die seltsamerweise - obwohl dort doch Christen und Jesiden die wirklichen Verfolgungs-Hauptopfer sind - fast alle Muslime sind, und einer Dunkelziffer von fast einer halben Million illegaler Menschen (wer weiß das schon so genau!), sind willkommen für diesen lautlosen Putsch, als Unruhestifter und brauchbare Verwirrer, um das Volk in Panik zu versetzen, und kein Wunder propagierte die Regierung die "Willkommenskultur".

Wer nicht größenwahnsinnig ist, weiß, dass solche Zahlen nicht zu stemmen sind, schon gar nicht, wenn man gar nicht weiß, wer da überhaupt ins Land eingedrungen ist, und man von einer hohen Zahl an total demoralisierten und traumatisierten Täter-Opfern ausgehen muss, die sich definitiv niemals integrieren lassen werden. Woher sollte intensive psychiatrische Behandlung für so viele Menschen und dies über Jahre weg denn herkommen? Die Häufung schwerer Gewalttaten aus diesem Personenkreis spricht für sich und sollte nicht propagandistisch durch eine lückenhafte Erfassungsliste "nach unten" nivelliert werden. Ideale und wunderbare „Menschengeschenke“ (Kathrin Göring-Eckhardt), die mit letzter Not dem IS entronnen sind, stellt man sich etwas anders vor diese überdurchschnittlich vielen Räuber, Vergewaltiger, Mörder und Islamisten, die uns ihre Verachtung doch so offen zeigen und das Gastrecht ebenso missbrauche wie unsere Hilfsbereitschaft.

Was mich dabei am meisten bedrückt ist die Tatsache, dass diejenigen, die wirklich geflohen sind vor Gewalt und Terror, in Deutschland aufgrund der pauschalen "Verteidigung" aller ins Lande Gekommenen, von fast niemandem mehr genauer beachtet und geschützt werden. Terror von angeblichen Flüchtlingen gegen wirkliche Flüchtlinge in Auffanglagern, die Einsamkeit v.a. der Frauenminderheit, die hoffte, den unsäglichen Umständen in entfesselten islamischen Gesellschaften zu entkommen und hier denselben Personenkreisen, denen sie entflohen sind, wieder ins Messer laufen, vor allem eine massive sexuelle Belästigung und Gewalt in Flüchtlingseinrichtungen sind unserer Regierung samt ihren Claqueuren keine Aufregung mehr wert. Als im September 2015 über diese katastrophalen Missstände unverdächtige Institutionen wie der Paritätische Wohlfahrtsverband, Pro Familia, der Landesfrauenrat und die Landesarbeitsgemeinschaft Hessischer Frauenbüros in einem Brief an die Fraktionen im hessischen Landtag berichteten, war die Reaktion der Politik Abwiegelung und Leugnung. Daran hat sich seither nichts geändert.[12] Flüchtlinge sind vielmehr das pauschale Unterpfand des unbeugsamen Größenwahnsinns der Kanzlerin geworden. Im Klartext heißt dass, dass wir für ernsthaft Asylbedürftige kein Zufluchtsort mehr sind und immer weniger sein werden.
Es sollte uns zutiefst erschüttern, wenn uns christliche syrische Flüchtlinge berichten, was erfreulicherweise der Deutschlandfunk im Mai 2016 sendete:

„Wir sind nach Deutschland gekommen, um hier zu leben, zu arbeiten, vielleicht einmal eine Familie zu gründen. Aber wenn du in der Schlange beim LAGeSo stehst und diese fanatischen Sätze hörst, von der Sharia – die ganze Zeit reden sie über das islamische Recht, von den ungläubigen Deutschen, dass ihre, die islamische Religion die bessere sei. Manche träumen sogar, die Deutschen zum Islam zu bekehren. Für mich ist das wirklich hart, diesen Druck zu spüren."[13]

Berichte über Diskriminierung durch Lagerleiter, wenn Flüchtlinge keine Muslime sind, syrisch-orthodoxe Gottesdienste, die nur noch unter Polizeischutz stattfinden können – das alles spielt sich in Deutschland ab und ist unserer Regierung keine Beachtung wert. Im Gegenteil wird der Hinweis auf diese Tatsachen medial heruntergespielt und als Übertreibung oder falsche Information ausgegeben, obwohl integre Zeugen wie Bassam Tibi oder Sr. Hattune Dogan, die selbst Migranten sind, für sie einstehen.[14] Mit einer beispiellosen Kaltschnäuzigkeit gehen nicht nur Frau Merkel und die Etablierten, sondern auch ein gewisser Teil der „Gutmeiner“ und Moralwächter im Volk über dieses unsägliche Leid der echten Flüchtlinge hinweg!

Merkel folgt der alten Strategie „Divide et impera“.
„Teile und herrsche“, stifte Unruhe im Volk, bringe die Menschen gegeneinander auf, spiele das „ganze Volk“ gegen das „halbe Volk“ auf, und schon hast du gewonnen.
Vor uns liegt die Aufgabe, für den Erhalt der Bundesrepublik zu kämpfen als einem demokratischen und rechtsstaatlich geführten Staat. Andernfalls sind wir verloren.  


[8] Redezeugnis von der Veranstaltung „Bricht Europa auseinander?“ mit Reinhard Bütikofer (MdEU) am 7.12.2016 in Karlsruhe http://gruenekarlsruhe.de/Veranstaltung/reinhard-buetikofer-in-karlsruhe-bricht-europa-auseinander/ (14.12.2016)
[9] Vgl. Anm. 7
[10] Die Rede Braschs und die Reaktion Strauss kann hier im Film angesehen werden: https://www.youtube.com/watch?v=bYX-tY_pnu0 (14.12.2016)

Montag, 12. Dezember 2016

Adventus III - Gaudete!



Adventus III

Gaudete – freut euch!

Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch!
Eure Güte werde allen Menschen bekannt. Der Herr ist nahe.
Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott!
Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren.
(Phil 4, 4-7)


Freuen wir uns?
Und überhaupt – was bedeutet hier „sich freuen“?
Bestimmt nicht dieses Sich-Freuen, dieses sentimentale, hedonistische, ichbetonte Sichfreuen unserer Tage, womöglich noch charismatisch aufgeladen mit geistvermeintlichen Zuckungen und kollektiver Freudenparanoia…

Die Freude, von der hier so appellativ gesprochen wird, ist eingebettet in Dunkelheit.
So wie bei den Hirten auf dem Feld in Bethlehem.
Siehe, ich verkündige euch große Freude, hörten die armen Kerle, die nachts auf den Weiden schliefen, bald selbst wie Schafe…
Man stelle sich das mal vor… man schläft nachts im Freien auf der Weide, um einen herum das Schnauben und Räuspern der Tiere, und plötzlich ist da der Himmel voll von… ja was eigentlich, was ist das? Hey! Hey, Männer, was ist das!? Und dann diese Botschaft –
So ein Hirte war vermutlich eine der illusionslosesten Existenzen Israels. Glaube nicht, dass man so einen mit Eiapopeia und religiösen Wahnideen aus dem Schlaf locken konnte. Auch nicht mit Zungenreden, Lobpreis-Parties und ähnlichem Spektakel. Die Kerle waren müde und rangen um jedes Quäntchen Energie. Vermutlich hätte man sie auch nicht mit ästhetisch-liturgischem Firlefanz, „prachtvollen Messgewänder“, hierarchischem Gedöhns, das angeblich den Himmel abbildet und seine Engelschöre, um die wenigen kostbaren Ruhestunden bringen können.
Die Engelschöre, die sie hörten, waren weder hierarchisch noch prachtvoll.
Ihre Gegenwart war so gegenwärtig, dass es weder einer prachtvollen Verstärkung noch einer Hierarchie bedurfte.
Das Wirkliche, das unversehrte Wirkliche kennt weder Hierarchie noch eine Verstärkung des defizitären Seins, es ist so wie es ist, einfach, ganz einfach.
Das Hierarchische ist etwas zutiefst Irdisches, eine Krücke für Seinsdefizite.
Es soll uns helfen, zu verstehen, dass Gott heilig ist, uns Krücken eine Krücken wiederum an Krücken...
Es ist eine Ordnung, aber sie hat keinen ontologischen Wert.
Die Hirten also sehen erst den Engel des Herrn, der ihnen die bekannte Botschaft bringt „Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird…“ (Lk 2, 10), danach „die Menge der himmlischen Heerscharen“, lateinisch „multitudo militiæ cælestis“ (Lk 2, 13).
Die Hirten sahen keine Engelshierarchien, sondern einfach die „Menge der (…) Heerscharen“. Und sie alle lobten einstimmig Gott. Und diese Heerscharen waren „bei dem Engel“, nicht unter ihm, nicht über oder neben ihm, sondern „cum angelo“. Alleine schon, dass die Hirten diese Erscheinung hatten und nicht irgendwelche Hierarchen, spricht ebenfalls für sich.
Das sei nur mal nebenbei erwähnt und allen reaktionären Katholiken ins Ohr geflüstert, die ein Seins-Defizit verklären und damit das rein Irdische… wie im dritten Himmel nach dem Zeugnis des hl. Paulus "unaussprechliche Worte" gesprochen werden, die "kein Ohr je gehört hat", so sind auch die Beziehungsgefüge im Himmel ganz und gar unirdisch und nicht vergleichbar mit irdischen Ordnungen...
Die Überzeichnung des Hierarchischen zum Fetisch, wie sie sich in der Kirche schleichend und über Jahrhunderte weg angebahnt hat, ist antichristlich und bedeutet im Kern eine Total-Verirdischung des Himmlischen. Aus den visionären Engelsordnungen des AT und der Apokalypse kann niemand im Ernst schließen, was im Himmel wirklich ist. Gott ist ja auch kein alter Mann mit weißem Haar, nur weil ein Prophet ihn so im Gesicht geschaut hat.
Was war dem, der "nackt und bloß" und "in einem Krippelein lag", wohl das Hierarchische wert, ihm, dem einzigen, dem pompöse Huldigung gebührt hätte, der darauf so gar keinen, wirklich überhaupt keinen Wert legte?!
Und warum überging der Himmel in der Geburtsnacht die formellen hierarchischen Hirten und sprach reale Schaf-Hirten an, die jedermann als untauglich angesehen hätte als erste Adresse für die frohe Botschaft?

Eingebettet in Dunkelheit ist die himmlische Freude auch bei Paulus. Er muss es gleich zweimal sagen: Freut euch! Doppelt gesagt wirkt besser. Doppelt gesagt offenbart, dass der Appell ein paradoxes Intervenieren ist. Es gibt nämlich, menschlich, gesehen, keinen Grund zur Freude. Düster sieht es aus. Das alles, was da um uns herum ist.
Freuen – warum?
„Ich ermahne Evodia und ich ermahne Syntyche, einmütig zu sein im Herrn. Ja, ich bitte auch dich, treuer Gefährte, nimm dich ihrer an! Sie haben mit mir für das Evangelium gekämpft, zusammen mit Klemens und meinen anderen Mitarbeitern. Ihre Namen stehen im Buch des Lebens.“ (Phil 4, 2).
Wir freuen uns, weil der Erlöser gekommen ist und weil wir im Buch des Lebens stehen dürfen wie Syntyche und Evodia, die sich gerade nicht eins sind und von Paulus ermahnt werden, sie, die doch seine engen Mitarbeiterinnen waren und eben – im „Buch des Lebens“, im „liber vitae“ stehen.

Unser Problem ist heute, dass wir nicht nur nicht einmütig sind, sondern förmlich Einmütigkeit ohne den Herrn suchen und umdeuten. Man müsse irgendwie mit den anderen einmütig sein oder mit dem Papst uns so weiter – und schon sei die Kirche gerettet.
Pustekuchen – so gerade zerfällt die Einmütigkeit, die unanimitas!
Und genau diese Einmütigkeit in Christus hat die Kirche seit Jahrtausenden immer wieder abgelenkt auf die Einmütigkeit mit Menschen, und wenn sie zehnmal angeblich Stellvertreter Christi sind – das allein weist sie nicht als rechtgläubig aus.
Was immer ist, mit der Menge der himmlischen Heerscharen sollen wir Gott loben. Nur das macht einig.
Solange wir auf uns starren und unsere Richtungskämpfe, driften wir auseinander.

Evodia und Synthyche, geschätzte Mitarbeiterinnen des Apostels, und nun sind sie nicht mehr einmütig in Christus. Der „treue Gefährte“ wird gesandt, sie wieder in Christus zu einen, nicht in sich selbst, er hat hier nicht mal einen Namen… so sehr geht es um Christus, der als „der Herr nahe ist“.
Unserer Hierarchie ist der Herr schon lange nicht mehr nahe, schon seit über 150 Jahren nicht mehr. Wie sonst sollte man begreifen, dass sie sich in den Mittelpunkt gestellt hat und den Herrn so behandelt hat, als käme er nie mehr wieder?
„Der Herr ist nahe“, egal, was geschieht.

Und dann ist die Rede von „eurer Güte“, die allen Menschen „bekannt werden soll“.
Mir wird da schwarz vor Augen – von der Kirche hat man so viel Finsteres kennengelernt, zuletzt den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen und auch Erwachsenen. Auch wenn er ungerecht aufgeblasen worden sein sollte in den Medien, ist er doch eine Tatsache und eine Schande. Evodia und Syntyche und ihre Reibereien waren Peanuts verglichen mit diesen Widerlichkeiten…
Und doch verkündet sie immer noch, selbst wenn die Finsternis sie schon halb hat, die Botschaft, die einst die Hirten erfuhren, gegen den Strich und zu ihrer eigenen Schande verkündet sie immer noch die Botschaft.

Warum sollte sonst Paulus den Trost aussprechen, dass der „Friede Gottes“ selbst die Seinen „bewahren wird in der Gemeinschaft mit Christus Jesus“, und dies auch noch über „alles Verstehen“ hinaus, wenn nicht unser Problem immerzu dies ist, dass wir nicht verstehen, nicht fertig werden mit unserer Unzulänglichkeit des Verstehens und am liebsten aufgeben wollten?

Trotz dieser Ausgangslage, trotz des defizitären Seins leben wir schon im Sosein in Christus, ohne es genau erfassen zu können. Zu diesem Sosein gehört seine Nähe, deren wir nur schwer gewahr sein können.
Was wenn er so nahe ist, dass er uns durchdringt, durchdringen will und wir auseinanderstreben, weg von ihm und weg von denen, die er durchdringt?

Woher soll ich wissen, dass das alles so ist?
Woher weiß ich, wann und wo es so ist?
Das eben ist die versprochene „Bewahrung der Herzen und Sinne“.
Wir können es nicht ermessen, was mit uns und unter unserer eifrigen Mithilfe geschieht.
Unsere Mithilfe ist aber kein Machenwollen, dieses unsägliche Machenwollen, das wir seit Jahrhunderten in der Kirche kennen, erst als Hybris der Hierarchie, in Backstein gemeißelt im Vaticanum I, nun als Aktionismus aller Christgläubigen, frisch aufgebrüht und längst ranzig geworden im Vaticanum II.

Wer nicht bittet, bekommt nicht. Das Vaticanum I und II haben verlernt, Bitten zu sprechen. Echte Bitten.
Bitten sind seither ultimative Ansprüche an den Himmel.
Und genau deswegen werden sie uns nicht gewährt.
„Betend und flehend mit Dank vor Gott“ sollen wir unsere „Sorgen“ bringen.
Damit sind echte Sorgen gemeint, nicht das politische Blabla katholischer Funktionäre.

Die echten Sorgen…

Ja, wir haben echte Sorgen. Das nächste Jahr wird kein gutes, und wir alle wissen es. Die Schönfärber haben darum Hochkonjunktur. Man glaubt ihnen bis zum nächsten Mord, bis zum nächsten Terrorakt. Die finsteren Mächte sind losgelassen.

Und doch: „Zu jeder Zeit“ sagte Paulus, sollen wir uns freuen. Das ist keine Durchhalteparole, sondern eine Freude ohne das Seins-Defizit, die alleine auf das alles übersteigende Sein Christi baut, ja, sich förmlich in sein Sein hineinziehen lässt, schon hier und jetzt, trotz allem und im Vertrauen darauf, dass dort absolute Sicherheit ist gegen die Finsternis.
Möge sie „allen, die guten Willens sind“, wie der Engel einst sagte, zuteil, diese Freude!





Sonntag, 4. Dezember 2016

Adventus II



Adventus II:

Mariae Heimsuchung



Zwei Mütter, zwei Kinder.
Eine Mutter und ihr Kind, ergraut, dem Alten zugehörig.
Eine Mutter und ihr Kind, eine Jungfrau, dem Neuen zugehörig.

Eine Mutter, in Schmerzen kinderlos alt geworden.
Eine Mutter, die freiwillig das Joch der Kinderlosigkeit auf sich genommen hatte.

Und die Männer dieser Frauen?
Beide sind verstummt, mussten verstummen.
Gott hieß sie schweigen.
Der Vater der Alten wurde mit Verstummen-Müssen für seinen Unglauben bestraft, der andere schwieg von selbst, weil er ein Gerechter war.

Die Mütter redeten im Heiligen Geist, beide, die Alte und die Junge.
Und wie sollten die Kinder geisterfüllter Mütter nicht ebenfalls von ihm erfüllt sein: Der Sohn der Alten war schon im Mutterleib von Ihm erfüllt.
Der Sohn der Jungen war heilig.

Welch eine Konstellation.

Zur Zeitenwende erscheint der Engel Gabriel einem Priester des alten Bundes, um ihm einen Vorausschein des kommenden Heils anzusagen.
Zacharias aber, dieser Repräsentant des Alten Bundes, weiß es besser als Gott – das Dilemma Israels und auch der Herrschaft des Mannes im Alten Bund, die stets in der Gefahr standen, Gottes unverbrüchliche Liebe zum ungetreuen Israel zu konterkarieren.
Nicht umsonst heißt es später im Johannes-Prolog, „nicht aus dem Willen des Mannes“ würden die Kinder Gottes geboren.

In unserer Geschichte ist das eine geradezu weltstürzende Realität.

Doch sehen wir uns doch die Texte im Lukas-Evangelium genauer an:

5 Zur Zeit des Herodes, des Königs von Judäa, lebte ein Priester namens Zacharias, der zur Priesterklasse Abija gehörte. Seine Frau stammte aus dem Geschlecht Aarons; sie hieß Elisabet.
6 Beide lebten so, wie es in den Augen Gottes recht ist, und hielten sich in allem streng an die Gebote und Vorschriften des Herrn.
7 Sie hatten keine Kinder, denn Elisabet war unfruchtbar, und beide waren schon in vorgerücktem Alter.

(Lk 1)

Schon im ersten Satz fällt auf, dass nicht ausdrücklich Zacharias, der nur mittelbar über Abija als Aaronide gekennzeichnet wird, sondern seine Gemahlin Elisabeth als Frau aus der Elite der priesterlichen Vorfahren stammt.
Sie ist direkte Nachfahrin des „Ur-Priesters“ Aaron, des „Ahnvaters“ aller von Gott am Sinai eingesetzten Priesterschaft, dem Bruder des Moses und der Miriam.
Man fragt sich schon an dieser Stelle, wenn man genau liest, warum ihre Herkunft so ausdrücklich hervorgehoben wird.
Diese drei Geschwister, die beim Auszug Israels aus Ägypten die führende Rolle spielen, stammen von Amram und Jochebet, einem Ehepaar aus dem Stamm Levi, der allgemeinen israelitischen Priesterkaste.
Aarons Rolle in der Tora ist vielschichtig. Obwohl er der Erstgeborene ist, scheint er doch nicht der Führer zu sein, sondern der priesterliche Beistand zur Führerschaft des Moses. Die Tora berichtet uns, dass Aaron und Miriam sich – offenbar unter der Führung Miriams - gegen den Vorrang Moses aufgelehnt haben. Miriam wird deshalb mit Aussatz und mit Ausschluss aus dem Lager der Israeliten für sieben Tage bestraft. Sie kehrt nach Verbüßung dieser Strafe geheilt zurück. Ihr Aufstand gegen Moses ist wie ein Nachhall auf Eva. Aber diese Episode bestätigt dennoch die Führerrolle einer Frau, die in Gen. 3 vorhergesagt ist und die Heilung in Aussicht stellt. Warum ist es ausgerechnet die Frau hier, die die irdische Hierarchie des Erstgeborenen einfordert? Gott will das nicht, diese Sündenordnung!
Gott bestätigt seine Wahl des Zweitgeborenen, aber auch seine Hinwendung zu den beiden anderen als Priester und Propheten.
Schon hier zeigt sich, dass Gott in der Wahl seiner Heilsträger nicht den Gesetzen folgt, die doch sonst dem gängigen hierarchischen Denken gemäß als „gottgegeben“ angesehen werden: Wie einst bei Abel, wie einst bei Jakob, erwählt der Allmächtige auch unter den drei Geschwistern nicht den Erstgeborenen, sondern den Zweiten. Und bei David erwählt er nicht den Zweiten, sondern sogar den Letzten und Kleinsten...
Allen drei Geschwistern gibt er eine Schlüsselrolle, und ohne die beiden anderen wäre Moses verloren gewesen.
Aaron ist zugleich der, der dem Murren des Volkes nicht standhält, als Moses auf dem Sinai das Gesetz empfängt, und das Kultbild des goldenen Kalbs anfertigt und davor Rituale durchführt.
Im Buch Leviticus wird der von Gott angeordnete Einsatz Aarons in sein Priesteramt wie eine Königskrönung vollzogen. Und der Prophetin Miriam ist es gegeben, die Rolle aller Prophetinnen vorzuformen.
Aus diesem Geschlecht also stammt mit besonderer Hervorhebung Elisabeth, die Frau des Zacharias.

Zu beachten ist ebenfalls, dass ausdrücklich beiden Personen Gerechtigkeit im alten jüdischen Sinne zugesprochen wird. Sie sind nicht, wie heutzutage oft so leichtfertig gesagt wird, „Sünder wie alle“, sondern ein Mann und eine Frau, die sich „streng“ darum mühen, den Willen Gottes in ihrem Leben wirklich werden zu lassen. Diese Beschreibung ist eine außerordentliche Auszeichnung für beide.

Doch wie geht es weiter?

11 Da erschien dem Zacharias ein Engel des Herrn; er stand auf der rechten Seite des Rauchopferaltars.
12 Als Zacharias ihn sah, erschrak er und es befiel ihn Furcht.
13 Der Engel aber sagte zu ihm: Fürchte dich nicht, Zacharias! Dein Gebet ist erhört worden. Deine Frau Elisabet wird dir einen Sohn gebären; dem sollst du den Namen Johannes geben.
14 Große Freude wird dich erfüllen und auch viele andere werden sich über seine Geburt freuen.
15 Denn er wird groß sein vor dem Herrn. Wein und andere berauschende Getränke wird er nicht trinken und schon im Mutterleib wird er vom Heiligen Geist erfüllt sein.
16 Viele Israeliten wird er zum Herrn, ihrem Gott, bekehren.
17 Er wird mit dem Geist und mit der Kraft des Elija dem Herrn vorangehen, um das Herz der Väter wieder den Kindern zuzuwenden und die Ungehorsamen zur Gerechtigkeit zu führen und so das Volk für den Herrn bereit zu machen.
18 Zacharias sagte zu dem Engel: Woran soll ich erkennen, dass das wahr ist? Ich bin ein alter Mann und auch meine Frau ist in vorgerücktem Alter.

Es ist eine ungeheuerliche Ansage, die da an den Priester Zacharias gerichtet wird. Er und seine Frau sollen ein Kind zeugen, obwohl doch, wie einst bei Abraham und Sara, ihr Leib erstorben ist, und dieser Sohn soll schon im Mutterleib vom heiligen Geist erfüllt sein.
Diese Ansage ist Zacharias zuviel. Zu viele Informationen auf einmal:

Als Greise sollen sie Vater und Mutter werden. Das Kind wird eine große Freude für alle darstellen. Und dann dieser Satz, nochmal schreibe auch ich ihn nieder:
Es wird schon als Fötus geisterfüllt sein – das ist unerhört, das gab es doch noch nie! Und dann wird er großes Heil in Israel bewirken und dem „Herrn den Weg bereiten“…

Und dennoch offenbart sich in Zacharias Reaktion Verbitterung und Stolz. Er wusste doch, dass Gott auch einst der Sara den verheißenen Sohn schenkte. Er wusste doch, dass bei Gott alle Dinge möglich sind. Dass seine Reaktion nicht recht war, zeigt sich daran, dass seine Frau nicht so reagierte wie er. Der Engel lässt sich auf keine Debatte ein und gibt ihm strenge Worte zurück:

19 Ich bin Gabriel, der vor Gott steht, und ich bin gesandt worden, um mit dir zu reden und dir diese frohe Botschaft zu bringen.
20 Aber weil du meinen Worten nicht geglaubt hast, die in Erfüllung gehen, wenn die Zeit dafür da ist, sollst du stumm sein und nicht mehr reden können bis zu dem Tag, an dem all das eintrifft.

Das Volk stand unterdessen draußen und erwartete von Zacharias den aaronitischen Segen. Er dauert lange, bis er kam, und dann erlebten die Wartenden etwas Merkwürdiges:

22 Als er dann herauskam, konnte er nicht mit ihnen sprechen. Da merkten sie, dass er im Tempel eine Erscheinung gehabt hatte. Er gab ihnen nur Zeichen mit der Hand und blieb stumm.

Kurz danach empfing Elisabeth einen Sohn und pries Gott, lebte aber die ersten fünf Monate ihrer Schwangeschaft verborgen.

Der Evangelist Lukas erzählt im nächsten Abschnitt, wie der Engel Gabriel Maria erscheint:

26 Im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret
27 zu einer Jungfrau gesandt. Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau war Maria.
28 Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir.
29 Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe.
30 Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden.
31 Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben.
32 Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben.
33 Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen und seine Herrschaft wird kein Ende haben.
34 Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?
35 Der Engel antwortete ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden.6
36 Auch Elisabet, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar galt, ist sie jetzt schon im sechsten Monat.
37 Denn für Gott ist nichts unmöglich.
38 Da sagte Maria: Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast. Danach verließ sie der Engel.

Diese Erzählung hat literarisch gesehen eine ähnliche Struktur wie die der Erscheinung des Engels Gabriel bei Zacharias. Beide erschrecken, als sie Gabriel gewahr werden. Wie Zacharias etwas Unerwartetes und nach menschlichem Ermessen Unmögliches verheißen bekommt, so geschieht dies auch Maria. Und beide äußern Unverständnis und fragen, wie dies möglich sein soll.
Wer genauer hinsieht, erkennt jedoch, dass Maria nicht in Frage stellt, dass all das, was ihr angesagt wird, geschehen soll.
Sie will vielmehr wissen, wie sie schwanger werden soll, da sie doch mit keinem Mann schläft. Diese Formulierung ist so generell, dass nicht herauszulesen ist, dass sie je vorhätte, mit einem Mann zu schlafen. Leicht hätte man ja denken können, dass die logische Folgerung aus des Engels Anfangssätzen ist, dass Maria Geschlechtsverkehr haben soll, um diesen Sohn zu zeugen. Aber genau dies scheint vollkommen ausgeschlossen zu sein. Ihre Jungfrauenschaft ist absolut und kann nicht aufgehoben werden. Ihre Frage offenbart uns, dass sie selbst das so sieht, aber auch davon ausgeht, dass Gott dies weiß. Zurecht hat die Kirche von Anfang an auf ein Gelübde geschlossen.

Maria ist – anders  als Zacharias – in außerordentlicher Weise „begnadet“. In ihrem Fall wundert sich der Leser, dass der Engel nicht einem Mann, etwa Josef, zuerst  erscheint, wo doch der Mann der vor allem selbsternannte und dem Augenschein nach auch bestätigte bevorzugte Adressat aller Heilsabsprachen ist. Er ist „der Erste“, wie er selbst glaubt.
Aber wir haben es schon gesehen – Gott erwählt so oft den Zweiten, nicht den Ersten.
Diese Souveränität Gottes entspringt keiner Willkür, sondern seiner Sicht auf die Dinge. Nur er weiß, wer wirklich die Ersten sind. Und bei ihm gilt bekanntlich kein Ansehen der Person.
Marias berühmtes „Fiat“ beendet diesen Diskurs zwischen Gottesboten und Mensch.

Bei Zacharias behielt sich der Engel das letzte Wort vor, bevor er Zacharias zum Schweigen verurteilte.
Bei Maria behält die Frau das letzte Wort.
Und dieses letzte Wort ist die Bestätigung des Menschen, dass Gottes Wort gelten soll.

Maria macht sich nach dieser Ansprache auf und besucht Elisabeth.
Das ist die berühmte Szene von „Mariae Heimsuchung“
Das geisterfüllte Kind der Elisabeth spürt sie nahen und hüpft im Leibe seiner alten Mutter. Daraufhin erfüllt der Heilige Geist auch Elisabeth und sie ruft die Worte aus, die niemals mehr vergehen werden:

42 Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.
43 Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?
44 In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib.
45 Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.


Elisabeths Sätze bestätigen uns gleich mehrere Überzeugungen der Kirche:
Maria ist die Mutter des Herrn. Und der Herr ist immer Gott. Maria ist auch nach der Schrift die „Mutter Gottes“, Gottesgebärerin, wie auf dem Konzil von Ephesus dann abschließend definiert wurde.
Zugleich wird hier von einem Gesegnetsein aller Frauen gesprochen, das bei Maria noch übertroffen wird.
Dieses Gesegnetsein aller Frauen leuchtet geheimnisvoll heraus. Was meint es? Die Kompetenz, Mutter zu sein? Wohl auch, aber es scheint doch noch viel mehr zu sein. Etwas Verborgenes. Etwas, das man nicht scharf sehen kann.
Aus der Reaktion Marias auf diese Worte wird einerseits auf den Lobgesang der Hanna zurückgegriffen, andererseits präzisiert er die Rolle der Frau in einer nicht nur für damalige, „patriarchalische“ Verhältnisse bestürzenden Weise:

46 Da sagte Maria: Meine Seele preist die Größe des Herrn,
47 und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.
48 Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.
49 Denn der Mächtige hat Großes an mir getan und sein Name ist heilig.
50 Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten.
51 Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind;
52 er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.
53 Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.
54 Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen,
55 das er unsern Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.

Die beiden ersten Verse bezeugen, dass Seele und Geist der Frau Gott erkennen und loben dürfen … und dass er der Retter ist, ausdrücklich der Retter der Frau.
Danach erfahren wir, dass die Sängerin für immer seliggepriesen werden wird, weil Gott an ihr Großes getan hat.
Auch dies ein eindeutiger biblischer Hinweis darauf, dass die Gottesmutter mit hyperdulia, mit außerordentlicher Verehrung zu bedenken ist von jedem Christgläubigen!
Nicht, weil sie selbst etwas wäre, ist sie zu verehren, sondern weil Gott sie erwählt hat für sein Werk.
Bedenken wir: noch nie hat ein Patriarch sich selbst solche Worte zuschreiben dürfen!
Es ist außerordentlich und bleibt außerordentlich.
Und der Tag, an dem Männer nachgezogen haben und sich selbst ähnliche Ehre heranziehen wollten, war der Tag des sichtbaren Abfalls vom Glauben.
Maria schärft es uns allen ein: Gott ist heilig!
Wehe dem, der den Allmächtigen belehren oder ihm Ehre abringen will für die eigenen Person und Rolle – diejenigen stößt er herab wie den gefallenen Engel und nichts hindert ihn, die Zweiten zu erheben, wenn sie Gnade vor ihm finden, weil die Ersten versagten.
Was sich anmaßte, groß sein zu sollen, soll „leer ausgehen“.
In Zacharias temporärem Verstummen wird dies plastisch, obwohl er immer noch als Gerechter des Alten Bundes gesehen wird:

Aber weil du meinen Worten nicht geglaubt hast, die in Erfüllung gehen, wenn die Zeit dafür da ist, sollst du stumm sein und nicht mehr reden können.“

Zacharias ist ein Gerechter, ein Mann und ein aaronitischer Priester und glaubt doch nicht, nicht da, wo Gott sich als der Lebendige zeigt.
Anders seine Frau. Sie wird erfüllt vom Heiligen Geist und erkennt die Begnadete. Ihre Worte an Maria formulieren das Gegenteil zu dem, was ihren Mann betrifft:

Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.“

Die Geschichte um Johannes und Jesus und ihre Mütter ist ein Schlüssel zum Verständnis des Heilsgeschehens.

Der alte Bund und seine Priesterschaft scheint in Elisabeth und Johannes noch einmal auf, aber nur, um nun den Staffelstab zu übergeben. Die Übergabe erfolgt nicht über das Priestertum des alttestamentlichen Mannes direkt, sondern über die Frau und deren Sohn, der sich Gott weiht, ehelos und arm in der Wüste lebt, von Heuschrecken und wildem Honig lebt, ein härenes Gewand trägt und zur Umkehr ruft.
Sein Vater Zacharias muss schweigen, bis diese Übergabe geschehen durch Elisabeth ist.
Danach wird auch seine Zunge gelöst.
Ähnlich ist es bei Josef, dem Daviden.
Auch er ein Gerechter.
Auch er muss schweigen, wird nichts gefragt, erhält nur mehr Weisung, während seine keusche Frau um Ihr Einverständnis gefragt wird und ohne jedes Zutun des Mannes empfängt und zur Heilsträgerin des größten Kindes wird, das je geboren wurde.

„Unter allen, die von einer Frau geboren sind, ist keiner aufgetreten, der größer ist als Johannes der Täufer.“

Nach diesen Worten Jesu ist Johannes das größte Kind des Alten Bundes (Mt 11, 11), nach der Ordnung Aarons, gezeugt von unfruchtbaren Eltern, geboren aus einer greisen Frau, deren Glauben den Unglauben des Mannes wettmachen konnte.

Jesus selbst aber ist das größte Kind der ganzen Welt, nach der Ordnung Melchisedeks, die diejenige vom Sinai um eine Ewigkeit übersteigt. Geboren von einer Jungfrau in der Kraft und unter dem Schatten des Heiligen Geistes.
Und das erkennt Elisabeth auf einen Blick:
Sie selbst ist die Mutter des „größten Menschen“ Israels, aber die, die da kommt, ist die Mutter des „Kyrios“, des Herrn.

Der Alte Bund ist in Elisabeth ein letztes Mal ganz repräsentiert. Johannes selbst nimmt sich schon als Vergehenden, Schwindenden angesichts dessen, der da kommt, wahr. Immer wieder bekennt er, dass der, dem er den Weg bereitet, größer ist als er:

29 Wer die Braut hat, ist der Bräutigam; der Freund des Bräutigams aber, der dabeisteht und ihn hört, freut sich über die Stimme des Bräutigams. Diese Freude ist nun für mich Wirklichkeit geworden.
30 Er muss wachsen, ich aber muss kleiner werden.

(Joh 29)

Israel ist der Freund des Bräutigams, und das wird niemals aufgehoben. Das ist seine Erwählung.
Der Freund tritt zurück, wenn der Bräutigam kommt.
Die Braut ist die „Tochter Zion“, Israel, aber nicht nur Israel, sondern aus der Menschheit alle, die guten Willens sind, und das ist die Kirche.

Wie in einem großen Zeichen verliert Johannes am Ende sein Haupt. Oberflächlich betrachtet deswegen, weil er für die Reinheit und Unverbrüchlichkeit der Einehe einstand. Er begründete seinen Einstand mit der Tora und wies doch weit über sie hinaus auf ein Neues.
Die Ehe – das Sakrament der Vermählung Christi mit denen die guten Willens sind.
Aber tiefer betrachtet verlor der Alte Bund sein Haupt. Johannes gab sein Leben, um die Vermählung Christi mit allen, auch denen, die nicht aus Israel kommen, zu ermöglichen.
Und deswegen ist er der größte Mensch des Alten Bundes, und seine Mutter ist symbolisch die, die den Stab Israels an Maria übergab, die schon dem Neuen Bund zugehörig ist, weil sie vorauserlöst ist und vollständig begnadet war als erste der künftigen Schar der Christgläubigen.