Die dunkle Verehrung des „Barmherzigen Jesus“ der Sr.
Faustyna
Immer schon berührte mich das Bild vom „Barmherzigen Jesus“
nach der Vorlage der Schwester Faustyna Kowalska merkwürdig.
Dieses Bild samt dem dazugehörigen Kult um den „Barmherzigen
Jesus“ ist unter Traditionalisten außerordentlich beliebt.
Das Bild in seinen beiden Versionen ebenso wie das Tagebuch
der Sr. Faustyna hatten für mein spontanes Empfinden etwas Düsteres und
Erstickendes.
Nun ist nicht jedes spontane Empfinden auch ein Wahrheitsweiser.
Außerdem traf das Bild doch offenbar den Nerv so vieler frommer Katholiken ganz
genau -
Was war es also, was mich so abstieß? Hatte ich Vorurteile?
Eine liebe alte Dame aus meiner Pfarrgemeinde schenkte mir eine Medaille mit
dem Bild vom Barmherzigen Jesus und ich trug die Medaille ihr zuliebe einige
Zeit. Aber wohl war es mir dabei nicht. Irgendwann hängte ich die Medaille
wieder ab…
Lange dachte ich nach über dieses Bild und seine Geschichte
und versuchte durch beharrliches Forschen, dem Grund für mein Empfinden auf die
Spur zu kommen.
Von diesem Prozess will ich berichten:
Zwei scheinbar
verwandte Bilder – eine Betrachtung
Was einem kundigen Katholiken zuerst auffallen kann, ist die
merkwürdige Tatsache, dass die Verehrung des „Barmherzigen Jesus“ nach Sr.
Faustyna die traditionelle Herz-Jesu-Verehrung einerseits bis in die einzelnen
Bildmotive und Textteile der Einsprechungen hinein ebenso evoziert wie
überlagert und verdrängt.
Die Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu wurde verbreitet
durch die Visionen der Ordensfrau Margareta Maria Alacoque im 17. Jh. Die
Verehrung des „Barmherzigen Jesus“ geht auf Sr. Faustyna Kowalska in der Mitte
des 20. Jh zurück.
Stellen wir einmal eine der typischen Herz-Jesu-Darstellungen
und den „Barmherzigen Jesus“ nach der Vorlage der Sr. Faustyna nebeneinander:
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Herz Jesu aus
der Seitenkapelle „Heiligstes Herz
Jesu“ von Il Gesù in Rom |
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Barmherziger
Jesus nach Sr. Faustyna von 1934 durch Eugeniusz Kazimirowski in Vilnius |
Was fällt hier auf?
Das Zentrum der Bilder ist jeweils das Herz bzw. die Brust
Jesu. Beide Gestalten haben einen ähnlichen Gesichtstypus, denselben
Haarschnitt und Bart und machen mit der rechten Hand eine typische Geste.
Auf den Bildern vom
Heiligsten Herzen Jesu hält Jesus sein brennendes, geopfertes Herz dem
Menschen entgegen und fordert eine Herzens-Antwort des Menschen heraus, indem
er mit der Rechten sein eigenes, brennendes Herz zeigt. Bei diesem Bild macht
die rechte Hand also eine Hinweis- oder Zeigegeste. Sehr oft steht auf dem
blutroten Herzen ein Kreuz als Zeichen des stellvertretenden Sühnetodes des
Herrn für uns. Nicht selten ist dieses blutrote Herz von einem Dornenkranz
umgeben – als Zeichen für das Leiden Christi.
Man kann die Aufforderung verspüren, dass Jesus dem
Betrachter sein Herz zum Tausch anbietet oder ihn dringlich auf dessen Opfer
und Liebe aufmerksam machen will. Das Heiligste Herz Jesu brennt und strahlt rundum.
In der Herz-Jesu-Litanei wird eine entsprechende Bitte
formuliert:
„Gütiger Gott, aus dem
geöffneten Herzen Deines Sohnes kommt die Fülle des Erbarmens. Hilf uns, dass
wir seine Liebe nicht ohne Antwort lassen.“
Auf dem von der
Jesus-Erscheinung gegenüber Faustyna in allen Bildelementen genau
vorgeschriebenen Bild vom „Barmherzigen Jesus“, zieht Jesus sein Hemd mit der Linken ein wenig auseinander und
entlässt einen roten und weißen Strahl, der je nur in eine Richtung zielt: mit
einem gewissen schwächeren Radius zu den Seiten hin geradewegs nach unten. Die Rechte macht eine
Grußgeste.
So verwandt die beiden Motive auf den ersten Blick wirken, so
fremd sind sie einander.
Das geopferte und aus der Brust genommene Heiligste Herz
Jesu, das vor Liebe brennt und überfließt, strahlt nicht nur, wie ein
funkelnder Edelstein, nach allen Richtungen, sondern es ist als Opfergefäß, als
eine Art „Vase“ der göttlichen Liebe dargestellt und fordert die Antwort des
ganzen Menschen heraus. Die sich opfernde Liebe des Herrn zerfließt nicht
unspezifisch irgendwohin, sondern ist gefasst und hat einen konkreten Ort:
nämlich im Herzen des Herrn. Dieser Ort ist der Quell, aus dem alle Gnaden für
uns fließen. Es ist aber zu beachten, dass es bildhaft eine gefasste und keine
wilde, rein natürliche Quelle ist.
Der Gottmensch, der sich selbst ganz geopfert hat für uns,
will auch die Antwort unserer ganzen Persönlichkeit. Er will unser „Herz“, also
unsere ganze Seele, sucht in uns Wohnung und wirbt um uns wie ein Liebhaber. Man
findet ihn nur von Herz zu Herz! Von der Bildgestik her gesehen stellt er uns
damit auf eine Ebene mit sich selbst. Er weist uns darauf hin, dass sein und
unser Herz zusammengehören wie die Herzen von Mann und Frau. Diese
Gleichstellung seines geliebten Gegenübers durch sein Opfer ist unerhört und
etwas Neues, nie Dagewesenes: Gott ist Mensch geworden, um dem Menschen die
durch die Sünde verwundete Gottebenbildlichkeit aus reiner Barmherzigkeit und
Liebe zurückzuschenken. Jesus schaut auf allen Gestaltungen zum Heiligsten
Herzen Jesu den Betrachter intensiv an und appelliert durch die Zeigegestik der
rechten Hand um ein weiteres auf dessen persönliche Reaktion. Leo XIII.
schrieb:
„Es liegt im heiligsten
Herzen ein Sinnbild, ja ein ausdrückliches Bild der unendlichen Liebe Jesu
Christi, das durch sich selbst uns zur Gegenliebe bewegt.“
Es geht bei der Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu nicht
primär um Nächstenliebe oder eine Liebe zu den Menschen in oder auch außerhalb
der Kirche, sondern um die ganz individuelle und persönliche Liebe zwischen
Christus und dem Gläubigen. Es ist eine persönliche, geistliche, geistige Liebe
zwischen Erlöser und jedem Erlöstem.
Wir finden daher in der Kirchengeschichte immer wieder
Menschen, die in bildhaften Darstellungen ihr eigenes, in gleicher Weise
übernatürlich gefasstes und brennendes Herz Jesus oder auch der Gottesmutter
entgegen tragen und überantworten. Und selbst in evangelikalen Kreisen wurde
früher gesagt: „Ich habe mein Herz Jesus geschenkt.“
Pius XII. bekräftigte diesbezüglich noch einmal die Worte
vieler seiner Vorgänger:
„Im Gegenteil wird eine
innige Herz-Jesu-Andacht die Verehrung des heiligen Kreuzes und die Liebe zum
hochheiligen Altarsakrament ohne Zweifel nur stark fördern. Wir können ja
behaupten – was Offenbarungen Jesu Christi an die hl. Gertrud und die hl.
Margareta Maria wunderbar erläutern –, daß niemand Jesus Christus am Kreuze
richtig erfassen könne, dem nicht das geheimnisvolle Innere dieses Herzens sich
eröffnet habe. Es wird auch nicht leicht sein, die Kraft der Liebe zu erfassen,
mit der Christus selbst sich uns zur geistigen Nahrung gab, wenn nicht in der
besonderen Pflege der eucharistischen Herz-Jesu-Verehrung, die nach den Worten
Unseres Vorgängers seligen Gedenkens Leos des XIII. erinnern soll „an die Tat
der höchsten Liebe, in der unser Erlöser, alle Reichtümer seines Herzens
hinopfernd, um bis an das Ende der Zeiten bei uns zu bleiben, das
anbetungswürdige Sakrament der Eucharistie einsetzte“. Denn „nicht der geringste Teil seines Herzens
ist die Eucharistie, die er uns aus so großer Liebe seines Herzens geschenkt
hat“.“
Dem aufmerksamen Betrachter kann nicht entgehen, dass die Symbolik
des „Barmherzigen Jesus“ der Sr. Faustyna eine wesentlich andere Aussage
trifft. Zunächst deutet sich in diesem Bild in gar keiner Weise an, dass das
Herz Jesu für uns geopfert worden wäre oder gar brenne. An der Stelle des
Herzens blicken wir auf einen verschleierten Lichtpunkt. In esoterischer Manier
gehen einfach nur zwei verschiedenfarbige Strahlen von dieser verschleierten Öffnung
im Kleid aus und weisen auffallend und völlig untypisch für christliche
Darstellungen ausschließlich nach
unten. Die Gestalt Christi liegt ganz im Finstern.
Nach der ersten Darstellung des Barmherzigen Jesus durch den
Kunstmaler Kazimirowski aus dem Jahr 1935, das in Wilna später zur Verehrung
ausgestellt wurde, kam aufgrund eines Spendenangebotes im Jahr 1943/44 ein zweites
Bild durch den Kunstmaler Adolf Hyla hinzu, das in Krakau ausgestellt wurde.
Das erste Bild wurde schwer beschädigt und wieder restauriert. Das zweite Bild
setzte sich dagegen vorrangig als „das“ Andachtsbild vom „Barmherzigen Jesus“
durch.
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"Barmherziger Jesus" von Adolf Hyla |
Auf beiden tradierten Darstellungen des „Barmherzigen Jesus“ schaut
Jesus über die Köpfe hinweg, zieht mit der Linken wie beiläufig am Stoff seines
Kleides, und seine rechte Hand weist nicht auf die hervortretenden Strahlen
oder die Brustmitte, sondern vollzieht eine Grußgeste, wie man sie im
Vorübergehen oder zum Abschied macht. Es wird keine Beziehung hergestellt
zwischen dem Tun der rechten und linken Hand.
Ein wenig sieht es aus, als sage uns Jesus für immer Adieu
und banne uns nun mit dem weißen und roten Strahl unter seine Füße bzw. auf die
Erde oder sogar in den Abgrund, denn dorthin weisen die beiden Strahlen. Diese
eigenartige Geste überlagerte Faustyna ihrem Tagebuch gemäß später durch
folgende Vision:
„Als das Bild
ausgestellt worden war, sah ich eine lebendige Bewegung der Hand Jesu; er
machte ein großes Kreuzzeichen.“
Während des 2. Weltkrieges wurde das Bild vom Barmherzigen
Jesus in zwei polnischen Städten zur Verehrung ausgestellt: in Wilna und in
Krakau. Diese Städte blieben im Kriegsverlauf verschont. Die polnischen
Bischöfe sahen darin einen Zusammenhang zu dem Andachtsbild.
„Überwältigt von dieser
Erfahrung ordneten die Bischöfe an, das Bild in allen Kapellen und Kirchen des
Landes anzubringen. Zwar musste diese Anordnung aufgrund eines Konflikts mit
der Glaubenskongregation in Rom Anfang der 60er Jahre wieder rückgängig gemacht
werden, doch als die entstandenen Missverständnisse 1978 ausgeräumt waren und
das Verbot sogar einer römischen Empfehlung wich, trat das Bild seinen
Siegeszug über die Grenzen Polens hinaus auf der ganzen Welt an.“
In keiner Weise wird der Mensch zu Christus hin gerufen. Ob
und in welcher Weise der Betrachter hier angesprochen werden soll, ergibt sich
nicht aus dem Bild. Es findet keinerlei persönliche Kontaktaufnahme zwischen
dem dargestellten Christus und dem Gläubigen statt. Die fehlende Beziehung
zwischen Jesus und Gläubigem wird durch eine pauschale Bestrahlung und den
merkwürdig „fremden“ Satz, der unter dem Bild steht, schein-hergestellt. Sr.
Faustyna hatte die Aufgabe, unter das Bild den Satz „Jesus, ich vertraue auf
dich“ zu schreiben.
Die Deutung Johannes Pauls II. bei der Heiligsprechung Sr. Faustynas
fällt dementsprechend vollkommen anders als die Lehre der älteren Päpste:
„Sodann hat er uns die
vielfältigen Wege der Barmherzigkeit aufgezeigt, die nicht nur Sünden vergibt,
sondern die auch allen Bedürfnissen der Menschen entgegenkommt. Jesus hat sich
zu jedem menschlichen Elend hinabgebeugt, sei es materieller oder geistlicher
Natur.
Seine Botschaft der Barmherzigkeit erreicht uns weiterhin durch die Geste
seiner zum leidenden Menschen hin ausgestreckten Hände. So hat ihn Schwester
Faustyna gesehen und ihn den Menschen aller Kontinente verkündet.“
Merkwürdig berührt der Umstand, dass das Bild des
„Barmherzigen Jesus“ keine ausgestreckten Hände zeigt, wie Johannes Paul II
behauptet, sondern die oben beschriebene und auf dem Bild überprüfbare Grußgeste.
Analyse einiger Textmotive
Auffallend ist, dass die Textbausteine der Einsprechungen,
die sowohl Sr. Faustyna als auch Margarete Maria Alacoque von einer
Jesus-Erscheinung vernommen haben, ebenso sehr übereinstimmen, wie sie
voneinander entscheidend abweichen.
Am 27. Dezember 1673 hört Margareta Maria Alacoque von Jesus
folgende Worte:
"Mein göttliches
Herz brennt so von Liebe zu den Menschen und besonders zu dir, dass es die
Flammen dieses Feuers nicht mehr in sich verschließen kann. Es muss sich deshalb
durch dich ausbreiten, es muss sich offenbaren, um die Menschen mit den
kostbaren Schätzen zu bereichern, die Ich dir enthülle. Sie bergen die Gnaden,
die ihnen zum Heile dienen und sie vom Abgrund des Verderbens zurückreißen.
Dich, die du ein Abgrund der Unwürdigkeit und Unwissenheit bist, habe ich zur
Ausführung dieses großen Planes ausersehen, damit Ich allein es sei, der dieses
Werk vollbringt.“
Scheinbar ähnlich erklingt es bei Faustyna Kowalska:
„Meine Tochter, sage
den Priestern von Meiner unbegreiflichen Barmherzigkeit. Die Strahlen der
Barmherzigkeit brennen Mich. Ich will sie auf die Seelen ergießen. Sie Seelen
wollen Meiner Güte keinen Glauben schenken.“
„Mit deiner Erniedrigung ziehst du ein ganzes Meer Meiner Barmherzigkeit auf
dich und andere Seelen herab.“
Ich möchte, dass du meine Liebe, in der Mein Herz zu den Seelen entflammt ist,
tiefer kennenlernst. Du wirst das verstehen, wenn du mein Leiden betrachtest. Rufe
meine Barmherzigkeit für die Sünder an. Mich verlangt es nach ihrer Erlösung.
Wenn du für einen Sünder folgendes Gebet mit zerknirschtem Herzen und im
Glauben verrichtest, schenke Ich ihm die Gnade der Umkehr. Das Gebet ist: O
Blut und Wasser, aus dem Herzen Jesu als Quelle der Barmherzigkeit für uns
entströmt – ich vertraue auf Dich.“
Dass die Flammen der Liebe den Geliebten erreichen wollen,
wie in Margaretas Vision ausgesagt, ist unbedenklich. Wieso aber sollten die
Strahlen der Liebe den, von dem sie ausgeht, „brennen“? Wenn Christus das Licht
IST – wie kann ihn sein eigenes Wesen also „brennen“?
Ein anderer Unterschied zwischen diesen beiden Texten liegt
in der Zusage, Sr. Faustyna, als „erniedrigte“ Frau, könne durch eine bestimmte
Gebetsformel, die nicht einmal den Charakter einer Bitte hat, ähnlich einem
Zauberspruch, Seelen ohne deren Einwilligung zur sicheren Umkehr bewegen.
Es ist etwas anderes, ob Jesus einen Menschen „erniedrigt“, um damit die
göttliche Barmherzigkeit herabzuziehen, oder ob er den „Abgrund der
Unwürdigkeit“, der eine Tatsache ist, mit seiner Würde füllen will. Man mag das
für spitzfindig halten, aber diese Nuance erscheint mir bedeutsam, zumal die
Gottesmutter im „Magnificat“ die „Erniedrigung“ der Frau/des Menschen als
endgültig überwunden besingt, ja: die Erniedrigten sind von Gott erhöht worden…
Wenn also Faustyna mit ihrer „Erniedrigung“ die
Barmherzigkeit „herabzieht“, handelt es sich um eine Abwärtsbewegung ohne ein
Aufwärts.
Margareta dagegen wird als unwürdiges Werkzeug durch die
Würde, die ihr Christus verleiht, emporgezogen. An ihr erfüllt sich die Aussage
Jesu gegenüber Maria Magdalena nach der Auferstehung. Sie wollte ihn,
niedergeworfen, an den Füßen umfangen. Ihre Geste ist die der Erniedrigung der
Frau bzw. des Menschen vor Gott durch die Sünde. Aber Jesus will von ihr so
nicht berührt werden. Er will sie auch selbst so nicht berühren wie in Johannes
20, 17 berichtet wird:
„Dicit ei Jesus : Noli me tangere, nondum enim
ascendi ad Patrem meum : vade autem ad fratres meos, et dic eis : Ascendo ad
Patrem meum, et Patrem vestrum, Deum meum, et Deum vestrum. »
(Jesus sprach zu ihr:
Rühr mich nicht an, denn ich bin noch nicht zu meinem Vater aufgestiegen: Geh
aber zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich steige zu meinem Vater auf, und zu
eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.)
Es ist eindeutig, dass Jesus der Erniedrigung, dem
Auf-dem-Boden-Kriechen der Frau/des Menschen damit eine endgültige Absage
erteilt. Er ist nicht Erlöser auf der blanken Erde, in der Natur, sondern er
verheißt Übernatur und will von daher Maria Magdalena berühren und von ihr
berührt werden. Eine schroffe Absage an den Gestus der Schlange, die Eva
verführte, wird hier vollzogen und eröffnet der Frau ihre ureigenste Aufgabe,
bis sie endgültig bei ihrem Bräutigam im Himmel ist: „Geh und sage meinen Brüdern (Männern)…“ Eva sagte einst die
Botschaft der Schlange. Ab heute sagt die erlöste Frau dem Mann die persönliche
und brennende Botschaft Jesu. Auf ungezählten Gemälden hat das Abendland diesen
Umstand verewigt, wenn auch nicht unbedingt verstanden. Als Beispiel soll die
Darstellung Martin Schongauers dienen. In einer tief berührenden Geste verweist
Jesus als „Gärtner“ die erste Frau nach Maria zurück auf ihren ursprünglichen
Rang und verheißt das „Empor“. Es ist sicher kein Zufall, dass sich diese Szene
- wie einst die Täuschung und Erniedrigung der Frau im Garten Eden – in dem
Garten vollzieht, in dem Jesus von den Toten auferstanden ist.
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Martin Schongauer "Noli me tangere", ca. 1480-90 |
Es sollte uns doch wachrütteln, wenn eine Jesus-Erscheinung
eine Frau in ihrer Erniedrigung anspricht und in ihrer Erniedrigung Raum nehmen
will, ohne ein „Empor“ auch nur anzudeuten.
Es sind bei Margareta und Faustyna wesentlich entgegengesetzte
Richtungen der Inbesitznahme durch Christus:
Faustyna soll stellvertretend für „schwarze Seelen“ (s.u.) in
der „Erniedrigung“„sühnen“ und ihnen die eigene willentliche Entscheidung für
Christus abnehmen.
Sr. Margareta soll dagegen das Gnadenangebot des Heiligsten
Herzens Jesu in seinem Reichtum und seiner Tiefe vermitteln, ohne
irgendjemandem damit die eigene Entscheidung und die persönliche und
willentliche Umkehr abzunehmen. Sie selbst wird darin Christus vollkommen
gleichgestaltet.
Faustyna wird Stellvertreterin unbekehrter Sünder – wie die
getäuschte Eva. Margareta aber wird Stellvertreter für Christus selbst: Er
leiht sich ihre Person und Gestalt durch außerordentliche Gnaden aus, um durch
sie auf sein brennendes und um Gegenliebe werbendes Herz hinzuweisen – wie
Maria Magdalena.
Die theologische Symbolik ist bei Faustyna ausgesprochen
problematisch. Die Lehre der Kirche sagt uns, dass Jesus Christus das wahre
Opfer zur Sühne unserer Sünden ist. Er ersehnt unsere Gegenliebe. Ohne diese
willentliche und persönlich investierte Gegenliebe können wir nicht gerettet
werden. In der Auseinandersetzung mit dem Protestantismus wurde dies mehrfach
ausdrücklich festgehalten. So sagt uns beispielsweise der 4. Kanon des Dekrets
„Cum hoc tempore“ vom Tridentinum folgendes:
„Wenn jemand sagt, der
freie, von Gott bewegte und erweckte Willen des Menschen wirke dem ihn
weckenden und berufenden Gott durch Beistimmung nichts mit, wodurch er sich zur
Erlangung der Rechtfertigungsgnade bereitsam mache und vorbereite; und er könne
nicht, wenn er wolle, entgegen gesinnt sein, sondern sei, wie etwas Lebloses,
des gänzlichen untätig, und verhalte sich völlig leidend, der sei im Bann.“
Nun scheint in Faustynas Vision nicht ausdrücklich gesagt zu
sein, dass die verheißene Umkehr der Sünder ohne deren Beistimmung geschehe.
Aber die Logik der Sätze kann nicht anders aufgefasst werden: Wenn ein
formelhaftes Gebet Faustynas einem Sünder die „Gnade der Umkehr“ schenken kann,
muss man sich fragen, ob denn diese Gnade nicht ohnehin schon jedem Sünder
offensteht? Diese allgemeine Offenheit für alle Sünder kann hier nicht gemeint
sein – wozu sonst diese Vision? Es kann nur gemeint dass, dass Faustyna
stellvertretend für die fehlende Beistimmung eines Sünders, denselben retten
könne. Nur diese Aussicht gibt der Vision überhaupt eine Berechtigung. Und so
wird sie gemeinhin auch von vielen einfachen Gläubigen verstanden. Mir ist
aufgefallen, dass sich zunehmend die Meinung Bahn bricht, man könne andere
„sicher“ vor der Hölle retten durch entsprechende Sühneleistungen. Auch in
anderen „Erscheinungen“ wird das vermittelt.
Das galt aber immer als eine Irrlehre.
Bei Margareta Alacoque soll die Herz-Jesu-Andacht dem
einzelnen dazu verhelfen, seinen Heilsweg zu finden. In den 12 Verheißungen für
die Verehrer des Heiligsten Herzens wird folgendes in Aussicht gestellt:
„Alle werden mittels
dieser liebenswürdigen Andacht alle für ihren Stand notwendige Hilfe finden.
(…) Sie werden in diesem Herzen ihre Zuflucht im Leben, besonders aber in der
Stunde des Todes finden.“
Es ist hier also die Rede von der notwendigen, persönlichen
Ergreifung des Einzelnen. Dem Sünder wird ein geeignetes Instrument der
Frömmigkeit angeboten, mit dem er leicht und sicher seine Rettung miterwirken
kann. Aber jeder muss dieses Mittel selbst und eigenständig ergreifen. Niemand
kann es stellvertretend und über seinen Kopf hinweg für ihn tun.
Es lohnt sich, die ausführlichere theologische Erklärung Pius
XII. zum tiefen Sinn der Herz-Jesu-Verehrung zu lesen:
„Daher wird mit vollem
Recht das Herz des menschgewordenen Wortes hauptsächlich als Zeichen und
Sinnbild jener dreifachen Liebe betrachtet, mit der der göttliche Erlöser den
ewigen Vater und die Menschen alle immerfort liebt. Sinnbild ist es jener
göttlichen Liebe, die er mit dem Vater und dem Heiligen Geist gemeinsam hat,
die aber doch nur in ihm, als in dem fleischgewordenen Wort, uns durch einen
hinfälligen und gebrechlichen Menschenleib geoffenbart wird, denn „in ihm wohnt
alle Fülle der Gottheit in leiblicher Einwohnung.“ Sinnbild ist es außerdem
jener brennenden Liebe, die, in seine Seele eingegossen, den menschlichen
Willen Christi bereichert, und deren Akte von einem doppelten ganz vollkommenen
Wissen, dem der seligen Schau und dem eingegebenen oder eingegossenen, erleuchtet
und geleitet werden. Endlich – und zwar in mehr natürlicher und unmittelbarer
Art – ist es auch Sinnbild der sinnenfälligen Regung, da der Leib Jesu Christi,
im Schoße der Jungfrau Maria durch das Wirken des Heiligen Geistes gebildet,
die vollkommenste Fähigkeit des Empfindens und Wahrnehmens besitzt, mehr sogar
als jeder andere Menschenleib.
Die Heiligen Schriften
und die zuständigen Urkunden des katholischen Glaubens lehren uns also, daß in
der hochheiligen Seele Jesu Christi die höchste Übereinstimmung und Eintracht
herrscht und daß er seine dreifache Liebe offensichtlich auf das Ziel unserer
Erlösung hingelenkt hat. Damit ist gegeben, daß wir mit vollem Recht das Herz
des göttlichen Erlösers als bezeichnendes Bild seiner Liebe und als Zeugen unserer
Erlösung betrachten und verehren können, wie auch als geheimnisvolle
Himmelsleiter, auf der wir aufsteigen zur Umarmung „Gottes, unseres Erlösers.
Seine Worte und Handlungen, seine Weisungen und Wundertaten, und besonders jene
seiner Werke, die eindringlicher seine Liebe zu uns bezeugen – wie die
göttliche Einsetzung der Eucharistie, sein bitteres Leiden und Sterben, seine
uns gütig geschenkte heiligste Mutter, die für uns gegründete Kirche und
endlich der den Aposteln und uns gesandte Heilige Geist – alles dies, sagen
Wir, sollen wir bewundern als Beweise seiner dreifachen Liebe. Ebenso sollen
wir mit liebender Seele die Schläge seines heiligsten Herzens betrachten, mit
denen er gleichsam die Zeit seiner irdischen Wanderschaft abzumessen schien,
bis zu jenem letzten Augenblick, in dem er, wie die Evangelisten bezeugen, „mit
lauter Stimme rief: Es ist vollbracht, sein Haupt neigte und den Geist aufgab.“
Da stand der Schlag seines Herzens still; seine fühlbare Liebe wurde
unterbrochen, bis er selbst im Triumph über den Tod aus dem Grabe erstand.
Nachdem aber sein Leib, in den Zustand immerwährender Herrlichkeit eingetreten,
wiederum mit der Seele des göttlichen Erlösers, des Siegers über den Tod,
vereinigt war, hörte sein heiligstes Herz nie mehr auf, noch wird es jemals
aufhören, sich in unerschütterlich friedlichem Schlag zu bewegen, und es wird
gleichfalls nie ablassen, seine dreifache Liebe kundzugeben, durch die der Sohn
Gottes verbunden ist mit seinem himmlischen Vater und mit der Gesamtheit der
Menschen, deren mystisches Haupt er mit vollem Recht ist.“
Das Heiligste Herz Jesu ist hier aufgrund der bereits
vollzogenen Erlösung, deren friedvoll pochender Grundrhythmus die Welt am Leben
hält, zwar die „Bestandsgarantie“ der Menschheit, aber es ist dennoch
ersichtlich, dass jeder einzelne Mensch sich bewusst und willentlich diesem
Pochen anheimstellen und überlassen muss, seine ungeordneten Impulse und
Begierden von diesem Herzschlag ordnen lassen muss, um daran Anteil zu
gewinnen.
Es wäre absurd, sich vorzustellen, in dieser himmlischen
Liturgie im Rhythmus des Herzens Jesu könne einer mitspielen, der wild
dazwischentrommelt und pfeift, bloß weil eine andere Seele an seiner Stelle die
geforderte Antwort auf den Schlag des Heiligsten Herzens gibt… es widerspricht
ganz und gar der hohen Stellung des Menschen, auf seine Einwilligung zu
verzichten.
Ja, es IST eine tiefe Erniedrigung des Menschen, wenn man ihn
ohnmächtig und willenlos ansieht und ohne sein Fiat erlösen will. Hat nicht
auch Gott ausdrücklich das „Fiat“ der Frau gefordert und – seliggepriesen sei
die Gottesmutter für immer – erhalten?
In der Verehrung des Heiligsten Herzens kommt darüber hinaus
die Gottmenschlichkeit Jesu zum Ausdruck und lässt einen Vorgeschmack erkennen
auf die Sicht, die wir einst auf Ihn haben dürfen, wenn wir der seligen
Anschauung Gottes gewürdigt werden:
„Das Herz unseres
Heilandes gibt also irgendwie ein Bild der göttlichen Person des Wortes wieder,
ebenso der doppelten, menschlichen und göttlichen Natur; und in ihm können wir
nicht nur das Sinnbild, sondern auch die Zusammenfassung des ganzen
Geheimnisses unserer Erlösung erblicken. Wenn wir das heiligste Herz Jesu
Christi anbeten, so beten wir in ihm und durch es die ungeschaffene Liebe des
Göttlichen Wortes, wie zugleich seine menschliche Liebe, seine übrigen
Gesinnungen und Tugenden an, da ja diese zweifache Liebe unseren Heiland bewog,
sich für uns und die ganze Kirche, seine Braut, hinzuopfern.“
Die Gedankenwelt in Faustynas Tagebuch weicht, je mehr wir
uns hinein vertiefen in die Verehrung des Herzens Jesu, erheblich ab von dieser
Richtung.
Noch schwerwiegender als die Aussage des 7. Kanons aus „Cum
hoc tempore“ aus Trient ist die Aussage des 12. Kanons im selben Dekret:
„Wenn jemand sagt, der
rechtfertigende Glauben sei nichts anderes, als eine Zuversicht auf die
göttliche Barmherzigkeit, welche, um Christi willen, die Sünden verzeiht, oder
diese Zuversicht sei es allein, wodurch wir gerechtfertigt werden, der sei im
Bann.“
Man wird mir zugeben müssen, dass hier sogar die zentrale
Aussage der Visionen Faustynas ausdrücklich verworfen wurde: Das Andachtsbild
vom „Barmherzigen Jesus“ sagt nämlich nichts anderes aus, als eben dies: die
bloße bzw. vorrangige Zuversicht auf die göttliche Barmherzigkeit („Jesus ich
vertraue auf dich“) verzeihe die Sünden:
„O ewige Liebe, Du
befiehlst, Dein heiliges Bildnis zu malen und enthüllst uns die unbegreifliche
Quelle der Barmherzigkeit. Du segnest jene, die sich nähern Deinen Strahlen und
jede schwarze Seele verwandelt sich in Schnee.“
Es genügt also, sich lediglich „zu nähern“, und schon ist man
rechtfertigt und erlöst! Dass Faustyna selbst Jesus ihr Herz schenkt, dass in
ihrem Tagebuch auch vieles Richtige und Gute zu finden ist, darf uns nicht
darüber hinwegtäuschen, dass sie es stellvertretend für Personen tut, denen
dies nicht abverlangt wird:
„Meine Tochter, schau
in den Abgrund Meiner Barmherzigkeit und erweise Meiner Barmherzigkeit Lob und
Ehre. Tu das folgendermaßen: Sammle alle Sünder der ganzen Welt und tauche sie
ein in den Abgrund Meiner Barmherzigkeit. Ich will mich den Seelen hingeben.
Mich verlangt es nach Seelen – meine Tochter. An meinem Festtag – am Tag der
Barmherzigkeit – wirst du die ganze Welt durchstreifen und wirst ohnmächtige
Seelen zur Quelle Meiner Barmherzigkeit bringen. Ich werde sie heilen und
stärken.“
Dieser Text ist nun mehr als merkwürdig. Er enthält sogar
unheimliche Momente.
Zunächst fragt man sich, wie Faustyna eigentlich in der Lage
sein soll, „alle Sünder der ganzen Welt“ zu „sammeln“ und in den „Abgrund der
Barmherzigkeit“ zu „tauchen“. Mich überfällt angesichts der Wörter Bestürzung,
weil sie alle in der Heilsgeschichte mit Zuordnungen versehen wurden, die hier
aber vermischt bzw. verwirrt und verunklart werden.
„Getaucht“ wird der Sünder ausschließlich in das Bad der
Taufe (nach der überlieferten Lehre). Dieses Bad ist aber kein „Abgrund“, in
dem der Täufling bei seiner Umkehr verschwindet, sondern er durchschreitet hier
den Abgrund des Todes, den
abyssus,
vom Kreuz Christi geschützt und erlöst, um als erneuerte Seele hervorzugehen.
Wir erinnern uns: bei Margareta wurde der Sünder keinem „Abgrund“ zugeführt
oder gar in ihn „getaucht“, sondern soll dem „Abgrund des Verderbens“ förmlich
entrissen werden. Es mutet also rein sprachlich seltsam an, dass Faustyna „alle
Sünder der ganzen Welt“ in einen „Abgrund“ tauchen soll. Man kennt zwar eine
scheinbar ähnliche Terminologie von den mittelalterlichen Mystikern. Bei Johann
Tauler etwa fällt der eigene „Abgrund der Nichtigkeit“ (also der Höllenabgrund)
in den „Abgrund Gottes“
.
Dieser „Abgrund Gottes“ wird als gespiegelter Abgrund in den Himmel hinein
verstanden, als „Abgrund“ nach oben, nicht als ein analoger Abgrund zur Hölle,
nach „unten“, wie der Verlauf der Strahlen auf dem Bild aber suggeriert. Vor allem
aber ist es auch bei Meister Eckhart und Tauler der Gläubige selbst, der seinen
Abgrund der Nichtigkeit mit aller Seelenanstrengung anerkennt, um den Himmel zu
gewinnen. Die Vorstellung, dass ein bloßer Mensch aber andere Sünder, noch dazu
„alle“, in den „Abgrund der Barmherzigkeit“ „tauchen“ könne, mutet blasphemisch
an.
Die weitere Nutzung vorhandener Begriffe hinterlässt ähnliche
Fragen. Die Aufforderung an Faustyna, die „ganze Welt zu durchstreifen“ ist ein
direkter und wörtlicher Anklang an die Rolle Satans. So lässt Wilhelm Hauff in
dieser Tradition den Satan sagen:
„Auf die Nacht hatte
ich eine Zusammenkunft mit jenen kleinen Geistern verabredet, die als meine
Diener die Welt durchstreifen.“
Er bewegt sich damit poetisch ganz in der tradierten Redeweise.
Im Buch Job heißt es in Kapitel 2, 2:
„Da sprach der Herr zum
Satan: Woher kommst du? Der Satan antwortete dem Herrn: Die Erde habe ich durchstreift, hin und her.“
Genauso formulierte Leo XIII. in seinem berühmten Gebet an
den Erzengel Michael:
„
Du aber, Fürst der
himmlischen Heerscharen,
stürze den Satan und die anderen bösen Geister,
die zum Verderben der Seelen die Welt
durchschweifen,
in der Kraft Gottes hinab in die Hölle.“
Und der hl. Petrus warnte seine Leser mit dem berühmten Satz:
„Seid nüchtern und wachsam! Euer Widersacher, der Teufel, geht wie ein brüllender Löwe umher und sucht, wen er verschlingen kann.“
Wie der Satan soll also Faustyna am Oktavtag zum Fest der
Auferstehung „die ganze Welt durchstreifen“? Am Ostertag, an dem Tag, an dem
später so viele Menschen das reinigende Tauchbad der Taufe durchschritten,
erhielt Maria Magdalena den Auftrag, den Aposteln zu verkünden, dass Jesus
aufsteigen würde zu seinem UND nun auch ihrem Gott und Vater. Er würde
vorangehen – nach oben! Faustyna dagegen soll am Ende dieses Festes „die Welt
durchstreifen“ und „ohnmächtige Seelen“ ohne deren Wissen und ohne
Verkündigungsworte einsammeln und in einen Abgrund, auch wenn es angeblich der
der „Barmherzigkeit“ sei, tauchen?
Interessant und offenbar nie beachtet wurde der Gegenstand
ihres Schweifens, denn auch er ähnelt frappierend den nicht-wachsamen, unnüchternen Seelen, die der Teufel den Worten des
hl. Petrus gemäß verschlingen wird:
Faustyna sei auf der Suche nach „ohnmächtigen Seelen“. Wieder wird hier nicht die notwendige Beistimmung der gnadenhaft erweckten Seele als
Ausgangspunkt zur Umkehr angenommen, sondern in der finsteren Manier des Satans
vorausgesetzt, dass man „ohnmächtige“, also bewusstlose, nicht geschäftsfähige,
sentimentale und unvernünftige Seelen einfach kassiert – ob sie wollen oder
nicht. Es wird also, um es anders zu sagen, bei der vorgeblichen Gewinnung der
Seelen für Christus die listige und unwürdige Art des Satans nachgeahmt.
Bei Margareta Alacoque klingt das so ganz anders:
„Mein göttlicher
Erlöser gab mir zu verstehen, dass alle, welche am Heile der Seelen arbeiten,
die Gabe haben werden, auch die verhärtetsten Herzen zu rühren; sie werden,
falls sie nur selber eine zarte Andacht zu seinem heiligen Herzen pflegen, mit
wunderbarem Erfolg arbeiten. Es genügt, das göttliche Herz bekannt zu machen
und dann ihm die Sorge zu überlassen, die Herzen, die er sich vorbehalten hat,
mit der Salbung seiner Gnade zu durchdringen: glücklich, wer zu dieser Zahl
gehört!“
Es ist etwas anderes, „verhärtete Herzen“ zu „rühren“, als
„ohnmächtige Seelen“ zu kassieren! Die berührte Seele wird wieder lebendig,
beginnt die erstarrten Glieder zu regen und wird dem Bräutigam, der dies selbst
sorgsam vollzieht, folgen. Wie aber kann ein Mensch eine „ohnmächtige (!)
Seele“ zum „Quell der Barmherzigkeit“ führen?
Bei Margareta bleibt offen, wie der Sünder sich zu dem
großartigen Angebot verhalten wird. Ihm ist nur eine große Erleichterung im
Erlangen des Heils zugesagt.
Es ist die Liebe Christi, die die Herzen rührt und der Hass
der Satans, der ohnmächtige Seelen raubt.
Bei Faustyna finden wir eine scheinbar ähnliche
Bevollmächtigung der Priester:
„Sage Meinen Priestern,
dass verhärtete Sünder durch ihre Worte reumütig werden, wenn sie von Meiner
unergründlichen Barmherzigkeit sprechen, vom Erbarmen, das Ich für die Herzen
habe. Jenen Priestern, die Meine Barmherzigkeit künden und rühmen, werde ich
besondere Macht geben, ihre Worte salben und die Herzen, zu denen sie sprechen,
werde Ich bewegen.“
Auch hier sind es die Nuancen, die aufschlussreich sind.
Verspricht Jesus bei Margareta den Priestern, die die Verehrung des Heiligsten
Herzens Jesu verkünden, die Gabe,
Herzen zu bewegen, ist es bei Faustyna eine Macht, Herzen zu bewegen. Man mag mildernd einwenden, dass Faustyna
vielleicht mehr „Vollmacht“ als „Macht“ meinte, sie hat aber nun doch den
Begriff „Macht“ gebraucht.
Bei Margareta klingt das tradierte „Anklopfen“ Jesu am Herzen
des Sünders an, bei Faustyna dagegen eine Bemächtigung, die die Antwort des
Sünders nicht abwarten will.
„Ich stehe vor der Tür
und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich
eintreten und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir.“
Der unbedingte Respekt, den der göttliche Erlöser vor dem Menschen
hat, klopft an, er dringt nicht ein, sondern tritt erst nach Aufforderung ein.
Wird er eingelassen, gibt er sich selbst als der Geopferte dem Sünder zur
Speise.
Margareta verkündet die Verehrung des Heiligsten Herzens den
Priestern als ein Heilmittel, das vor allem sie selbst verwandelt und zu
glühenden und wahren Zeugen der Liebe Christi machen wird. Sie spricht
ausdrücklich davon, dass Jesus selbst die Seelen, die er erwählt hat, mit
seiner Gnade durchwirken wird. Bei Faustyna salbt Jesus nicht die erwählte und
berührte Seele, sondern die Worte des Priesters. Letzteres wäre für sich selbst
genommen sicher nicht anstößig, aber im Zusammenhang eben doch eine
Verschiebung der Akzente.
Die Formulierung in Faustynas Vision hat darüber hinaus einen
unheimlichen Anklang an satanische Praktiken:
„Ich will mich den
Seelen hingeben. Mich verlangt es nach Seelen – meine Tochter.“ (s.o.)
Ist das die Stimme unseres Herrn? Wie hatte er zu Margareta
gesagt?
„Das heilige Herz ist
wie eine Feste und ein sicherer Zufluchtsort für alle armen Sünder, die sich
dorthin flüchten wollen, um der göttlichen Gerechtigkeit zu entgehen. Das
heilige Herz ist allmächtig, um Barmherzigkeit zu erlangen.“
Jesus wirbt also um uns, aber der Sünder muss zu ihm
flüchten. Jesus sehnt sich nach uns, aber er hat sich uns schon hingegeben und
nun geht es um unsere Antwort. Wie aus der Offenbarung zitiert, ist er diskret,
absolut rücksichtsvoll, brennend vor Liebe, aber nicht von einem „Verlangen“
getrieben, wie Faustyna es formuliert. Vereint sich aber ein Herz mit dem
seinen, wird es beim Mahlhalten verwandelt.
Der wahre Herr brennt vor Liebe zum konkreten Menschen und
sehnt sich nach einer adäquaten Antwort. Der Herr begehrt nicht, sondern er
fragt, bittet, wirbt in höchstem Respekt vor dem Willen des Sünders.
Faustynas Worte dagegen assoziieren eher einen wollüstigen
Faun, der von einem lustvollen Verlangen „nach Seelen“ getrieben wird. Ähnliche
Sätze kennen wir aus Märchen und Sagen. Sie werden dort aber immer dem Satan,
einem Lindwurm, einem Wolf oder einem bösen Drachen zugeordnet.
Abstoßend ist dabei das neutrale „Verlangen nach Seelen“. Anders klänge es,
wenn die Jesus-Erscheinung gesagt hätte, sie verlangte nach dieser oder jener
bestimmten Seele.
Der Satz „Mich verlangt
es nach Seelen – meine Tochter“ erinnert an die Täuschung Evas und das
Verlangen der Schlange nach ihren Kindern. So sah die hl. Hildegard von Bingen
in einer Vision:
„
So dringt denn (…) der
entsetzlich finstere Nebel in das lichtdurchstrahlte Land und weht die blendend
weiße Wolke an (d.i. die Frau), die (…) viele, viele Sterne in sich trägt. (…)
Alle Menschenkinder trägt sie – so hat es Gott vorherbestimmt – leuchtend in
ihrem Schoß.“
Angesichts dieser begnadeten Menschenfrau überfällt den Satan ein solcher Neid
und Hass, dass er die Frau, die die vielen Seelen verwaltet, um dieselben
bringen will – ihn verlangt nach Seelen.
Die Sätze, die Faustyna von einer Jesus-Erscheinung vernahm,
haben durch diese Assoziationen einen unguten Beigeschmack.
Es ist ohnehin auffallend, dass die Jesus-Erscheinung, die
Faustyna fast täglich frequentiert, die Ordensfrau in einer geradezu
bedrängenden und ermüdenden Weise heimgesucht hat: in hämmernden, endlosen
Wiederholungen wird die junge, lungenkranke Frau unter Druck gesetzt, die Lehre
von der göttlichen Barmherzigkeit zu verkünden, als sei das bisher in der
Kirche nicht geschehen. Das berühmte Tagebuch hat den Umfang eines
Dostojewski-Romans, sagt aber im Gegensatz letzterem nur eine einzige Sache
aus, wieder und wieder: Man möge der göttlichen Barmherzigkeit vertrauen.
„Ich verlange, dass du
alle freien Minuten dem Schreiben über Meine Güte und Barmherzigkeit widmest.“
Der Barmherzigkeitsrosenkranz
Ähnlich ermüdend
ist der „Barmherzigkeitsrosenkranz“, den die Jesus-Erscheinung Faustyna 1935 lehrte.
Anders als der tradierte Rosenkranz mit seinen 15 Gesätzen, die uns das ganze
Heilsgeschehen vor Augen führen und den Psalter mit den 150 Psalmen
zusammenfassen, sinkt dieses Gebet in einschläfernde Monotonie zurück:
Nach einem Vaterunser, einem Ave Maria und dem Credo
betet man bei den großen Perlen jeweils die
Sequenz
„Ewiger Vater, ich opfere Dir auf den Leib
und das Blut, die Seele und die Gottheit Deines über alles geliebten Sohnes,
unseres Herrn Jesus Christus, zur Sühne für unsere Sünden und die Sünden der
ganzen Welt.“
Bei den kleinen Perlen betet man zehnmal:
„Durch Sein schmerzhaftes Leiden habe
Erbarmen mit uns und mit der ganzen Welt.“
Am Ende sagt man
dreimal:
„Heiliger Gott, heiliger starker Gott, heiliger
unsterblicher Gott, habe Erbarmen mit uns und mit der ganzen Welt.“
Dieser Rosenkranz
soll den Zorn Gottes besänftigen und dem Sünder in der Todesstunde die
unergründliche Barmherzigkeit zuwenden.
Der Satz bei den
großen Perlen entspricht dem 1. Kanon der 13. Sitzung in Trient:
„…dass in dem heiligsten Altarsakrament, wahrhaft,
wirklich und wesentlich der Leib und das Blut, zugleich mit der Seele und der
Gottheit unsers Herrn Jesu Christi und folglich Christus ganz enthalten sei…“
Er ähnelt aber
auch scheinbar dem Gebet des Engels von Fatima von 1916. Dort heißt es:
Allerheiligste Dreifaltigkeit,
Vater, Sohn und Heiliger Geist,
in tiefster Ehrfurcht bete ich Dich an,
und opfere Dir auf
den kostbaren Leib und das Blut,
die Seele und die Gottheit unseres Herrn Jesus Christus,
gegenwärtig in allen Tabernakeln der Welt,
zur Sühne für alle Lästerungen, Sakrilegien und Gleichgültigkeiten,
durch die Er selbst beleidigt wird.
Durch die unendlichen Verdienste Seines Heiligsten Herzens
und des Unbefleckten Herzens Mariens bitte ich Dich
um die Bekehrung der armen Sünder.“
Nicht
übereinstimmend ist bei den scheinbar ähnlichen Gebeten der Adressat: In Fatima
ist es die allerheiligste Dreifaltigkeit. Bei Faustyna ist es aus
unerfindlichen Gründen nur noch der „ewige Vater“. Das ist merkwürdig. Auch
formuliert das Gebet Faustynas im Gegensatz zu dem des Engels in Fatima
keinerlei Bitte.
Der Ruf um
Erbarmen aufgrund des schmerzhaften Leidens ist eine eigenwillige Ausgestaltung
des tradierten „Kyrie“-Rufes. Das „Kyrie Eleison!“ ist traditionell immer an
Christus selbst gerichtet. Bei Faustyna geschieht eine stille Verschiebung: das
Kyrie wird an den Vater um Christi willen gerichtet. Das ist ebenfalls
irritierend.
Die Schlussformel
wird ebenfalls an „Gott“ gerichtet.
Die spezifische
Ausrichtung des traditionellen Rosenkranzes ist im Barmherzigkeitsrosenkranz
konsequent aufgegeben worden. In den 15 Gesätzen steht syntaktisch der Sohn
Gottes und dessen heilsgeschichtliche Verbindung mit der Menschheit in der
Gottesmutter Maria im Zentrum. Gottvater wird ausschließlich bei den großen
Perlen im Vaterunser angerufen, wie Jesus es gelehrt hat. Ansonsten wird zu
Maria als dem „Tabernakel Jesu Christi“ gebetet, der darin angebetet wird.
Es wundert nicht, dass Faustyna kurz vor ihrem Tod mit dem „himmlischen Vater“
beschäftigt ist und nicht mit Jesus.
Im
Barmherzigkeitsrosenkranz kommt die Gottesmutter nicht mehr vor. Ebenso wird
ausschließlich zu Gottvater gebetet. Die ausdrückliche Gottes- und
Menschensohnschaft, die der überlieferte Rosenkranz so überdeutlich vor Augen
führt, ist im Gebet Faustynas vollkommen unklar. Man mag allenfalls dessen
Gottmenschentum aus dem zu Beginn gesprochenen Credo entnehmen, nicht mehr aber
aus den folgenden gleichförmigen Gesätzen.
Die
Begleitumstände zur Beauftragung, den Barmherzigkeitsrosenkranz einzuführen,
sind ebenfalls zweifelhaft. Faustyna beschreibt am 13. September 1935, wie sie
in ihrer Zelle Visionen hat. Sie nimmt zunächst den Zorn Gottes wahr. Dann
behauptet sie, an den Thron Gottes entrückt worden zu sein:
„Als ich mir dieser Gnade bewusst geworden war,
wurde ich augenblicklich vor den Thron Gottes entrückt. (…) Ich will mich nicht
hinreißen lassen, seine Größe zu beschreiben.“
Das klingt vermessen.
Welcher Sterbliche, der noch in der sterbliche Hülle verweilen muss, wäre je
bis an den Thron Gottes gelangt?
Der hl. Paulus beschreibt uns eine Entrückung in den dritten Himmel – also noch
einige Stadien vor den Thron Gottes:
„Ich kenne jemanden, einen Diener Christi,
der vor vierzehn Jahren bis in den dritten Himmel entrückt wurde; ich weiß
allerdings nicht, ob es mit dem Leib oder ohne den Leib geschah, nur Gott weiß
es. (…) Er hörte unsagbare Worte, die ein Mensch auf Erden nicht aussprechen
kann.“
Was immer der hl.
Paulus erlebt hat, aber zweierlei geht aus seinen Worten hervor: Es scheint ihm
fast unmöglich, im irdischen Leib bis in den dritten Himmel vorgedrungen zu
sein. Im Reich des reinen Geistes müsste der Leib vergehen. Daher die
Überlegung, ob Gott ihn ohne Leib dorthin entrückt hatte. Das zweite
bemerkenswerte Phänomen ist die Unaussprechlichkeit der dort gesprochenen Worte
für den Menschen im irdischen Leib.
Wie also Faustyna
mit einer fast schnoddrigen Unbekümmertheit feststellen will, sich nicht „dazu
hinreißen zu lassen“, die „Größe Gottes“ auf seinem Thron zu beschreiben, ohne
zu erwähnen, dass ihr vielleicht die Worte dazu fehlen könnten, berührt
unangenehm.
Eine weitere
Seltsamkeit betrifft folgende Passage im Tagebuch am selben Tag:
„Als ich so betete, sah ich die Ohnmacht des
Engels, der die gerechte Strafe, die für die Sünden fällig war, nicht mehr
ausüben konnte.“
Was immer damit
gemeint sein soll, Gott gibt ihr daraufhin das Gebet ein, das zu den großen
Perlen gebetet werden soll und danach die Sätze bei den kleinen Perlen und die
Schlussformel – alle merkwürdigerweise an Gottvater gerichtet.
Reaktion des Lehramtes auf Faustynas Visionen
Die Verehrung der
göttlichen Barmherzigkeit, wie sie Faustyna vermittelte, wurde von ihrem
Beichtvater und Seelenführer Michal Sopocko von Anfang an unterstützt und
gefördert. Neben der Andacht vor dem Bild und dem Gebet des
Barmherzigkeitsrosenkranzes empfing Faustyna den Auftrag, einen Orden der
Schwestern vom Barmherzigen Jesus zu gründen. Dies geschah nach dem Tod
Faustynas unter der Leitung Michal Sopockos durch sechs Kandidatinnen im Jahr
1944 in der Nähe von Wilna.
Merkwürdig muten
auch die Aufzeichnungen Pater Michals an. Er besuchte Faustyna kurz vor ihrem
Tod, um alles Wichtige hinsichtlich der Ordensgründung zu besprechen. Er hatte
offenbar Zweifel an der Echtheit ihrer Visionen:
„Vielleicht war dies ein Irrtum, waren meine
Gedanken, wie alles, worüber sie berichtet hatte.“
P. Michal musste
danach an die Tatsache denken, dass Faustyna auch nicht in der Lage gewesen
war, das Bild vom Barmherzigen Jesus selbst zu malen, sondern es durch den
Maler Kazimirowski malen lassen musste. Er dachte, dass die Unfähigkeit
Faustynas, den Orden selbst zu gründen vielleicht ebenso gedacht sein könnte:
jemand anders würde den Orden gründen. Dass dieser Jemand am Ende wie schon bei
der Ausführung des Bildes er selbst war, soll hier ausdrücklich angemerkt
werden.
Faustyna wurde
ganz offenkundig aus Neugier und dem Drang ihres Beichtvaters in eine bestimmte
Richtung getrieben:
„Vielmehr meine Neugier wie dieses Bild
aussehen könnte als der Glauben an die Echtheit dieser Vision führte dazu, dass
ich den Kunstmaler Eugeniusz Kazimirowski damit beauftragte, dieses Bild zu
malen" (Priester Sopocko, Erinnerungen)
Die Schwestern
vom Barmherzigen Jesus merken dazu auf ihrer Website an, dass P. Michal selbst die
treibende Kraft hinter der Erstellung des Bildes war:
„Bei der Anfertigung des Bildes beteiligte sich
auch der Stifter des Kunstwerkes, Priester Michal Sopocko, der auf Bitten des
Malers in Priesteralbe angezogen posierte.“ (s.o)
Später war es
wieder Faustyna, die ihn drängte, das Bild auch ohne bischöfliche Genehmigung
aufzustellen. Das Bild erhielt schließlich eine Hängeerlaubnis, allerdings nur
unter Verheimlichung seiner Herkunft. P. Michal berichtet davon in seinem
Tagebuch:
„Sr. Faustina forderte, dass ich das Bild um jeden
Preis in der Kirche unterbringen solle, ich aber beeilte mich nicht. In der
Karwoche 1935 offenbarte sie mir endlich, dass Jesus fordere dieses Bild im Tor
der Morgenröte (Ausros Vartai) für drei Tage zum Abschluss des Jubiläumsjahres
der Welterlösung unterzubringen. Dieser letzte Tag würde auf das vorhergesehene
Fest, auf den weißen Sonntag fallen. Kurz darauf erfuhr ich, dass der Pfarrer
des Tors der Morgenröte (Ausros Vartai), Kanonik St. Zawadzki mich darum bat
die Predigt zu halten. Unter der Bedingung, dass jenes Bild in dem Fenster des
Kreuzganges als Dekoration untergebracht werden würde, sagte ich zu. Das Bild
sah dort eindrucksvoll aus und zog mehr Aufmerksamkeit auf sich als das Bild
der Muttergottes.
Nach der Andacht wurde das Bild auf seinen alten Platz im Verborgenen
zurückgebracht wo es noch für zwei weiter Jahre blieb. Am 01.04.1937 bat ich
den Erzbischof von Vilnius um Erlaubnis, dass Bild in der Kirche zum Heiligen
Michael, in der ich damals noch Rektor war, aushängen zu dürfen. Dieser
erwiderte mir, dass er darüber alleine nicht entscheiden wolle. Er veranlasste
die Beschauung des Bildes. Es wurde eine Kommission von Priester Adam Sawicki,
Kanzler der Metropolitkurie organisiert.
Der Kanzler veranlasste das Bild am 2. April in der Sakristei der
Michaelskirche aushängen zu lassen, denn er wusste die Uhrzeit nicht an dem das
Bild beschaut werden sollte. Ich war mit der Arbeit im Priesterseminar und an
der Universität sehr beschäftigt, deswegen wusste ich nicht in welchem
Personalbestand jene Kommission anwesend war. Am 3. April 1937 benachrichtigte
mich der Erzbischof von Vilnius, dass er die genauen Informationen über dieses
Bild habe und somit die Erlaubnis gäbe es zu weihen und aufzuhängen.
Bedingungen waren jedoch, dass das Bild nicht im Altar ausgehangen und über
seine Herkunft nicht gesprochen werden dürfe.
Das Bild wurde an diesem Tag geweiht und neben dem großen Altar ausgehängt.“
P. Michal kommt
zu dem Schluss, dass an Faustynas Visionen nichts zu beanstanden sei:
„Betreffend die Erscheinungen von Sr. Faustina gibt
es darin nichts was dem Glauben oder guten Sitten widersprechen würde oder
unter Theologen gar umstritten wäre. Im Gegenteil. Alles richtet sich
darauf aus Gott und seine Liebe besser kennen zu lernen. (…) Der Kult der
göttlichen Barmherzigkeit (privat in Form von Novenen, Rosenkranz, Litaneien)
widerspricht in keiner Weise der Dogmatik oder der Liturgie sondern richtet sich viel mehr auf die Erklärung
der Wahrheit des christlichen Glaubens und der Darstellung dessen, was bis
jetzt in der Liturgie nur angedeutet wurde - auf die politische Situation
der ganzen Welt, das, worüber die Kirchenväter bereits schrieben, und nachdem
heute das große Elend der Menschen verlangt.“
In diesem Urteil
tritt deutlich zutage, dass Michal Sopocko der Meinung war, dass ein
wesentlicher Aspekt des christlichen Glaubens bislang noch gar nicht zur
Entfaltung gekommen wäre, insbesondere dadurch, dass die Liturgie ihn nur
andeutet, aber nicht deutlich ausspreche: die politische Situation der ganzen
Welt. Was immer er damit genau gemeint haben mag – aber er ist damit auf der
Linie des späteren Vaticanum II und Johannes XXIII. und Pauls VI.
Es wird gerne
verschwiegen, dass das Heilige Offizium unter Johannes XXIII. zunächst die
Verehrung der göttlichen Barmherzigkeit nach Schwester Faustyna Kowalska
verboten hat.
Am 19. November
1958 wurde festgestellt, dass die Übernatürlichkeit der Visionen nicht
festgestellt werden könne, dass das Fest der göttlichen Barmherzigkeit, das die
Jesus-Erscheinung Faustyna für den Oktavtag nach dem Ostersonntag auftrug,
nicht eingeführt werden dürfe und dass das Andachtsbild und die spezifischen
Andachtsformen zur göttlichen Barmherzigkeit, wie Sr. Faustyna sie vermittelt
hatte, nicht verbreitet werden dürfen.
Am 6. März 1959
wurde diese Entscheidung in verschärfter Form wiederholt: Die besagte
Andachtsweise sei verboten und die Bischöfe sollten darüber wachen, dass sie
nicht trotzdem und gegen diese Entscheidung weitergeführt werde. Immerhin hatte
sie sich in Polen mit Erlaubnis der Bischöfe bereits weithin ausgebreitet.
Eine Begründung
für diese Ablehnung wurde nicht beigegeben.
Immer wieder
wurden jedoch verborgene Zeilen äußersten Hochmutes in ihrem Tagebuch entdeckt
und kritisiert. Faustyna schrieb am 2. Oktober 1936, Jesus habe zu ihr
folgendes gesagt:
„Jetzt weiß Ich, dass du Mich nicht wegen der
Gnaden und Gaben liebst, sondern dass dir Mein Wille teurer ist als das Leben; deshalb vereinige ich Mich mit dir so innig
wie sonst mit keinem Geschöpf.“
Man würde eine
besondere Liebeserklärung an Faustyna gerne zugestehen, aber in dieser
Ausschließlichkeit formuliert ist es unmöglich, darin die Stimme des Herrn zu
erkennen. Immerhin hat sich Jesus mit keinem anderen Geschöpf mehr vereinigt
als mit seiner lieben Mutter! Ebenso beschreibt sie am 1. Freitag im April 1938
ihre Tränen, als sie von der Heiligsprechung von Andreas Bobola las, die sie
vor Sehnsucht nach einem eigenen Heiligen ihres Ordens vergoss. Jesus tröstet
sie mit folgenden Worten:
„Weine nicht, du bist die Heilige.“
Immer wieder
lässt sie sich selbst durch die Jesus-Erscheinung hochloben. Am 26. März 1937
sagt die Jesus-Erscheinung:
„Du liebgewordene Perle meines Herzens, Ich
sehe, dass deine Liebe überaus rein ist, reiner als die der Engel (…) Für dich
segne Ich die Welt.“
Abgesehen von
diesen merkwürdigen Passagen, deren sich noch viel mehr zeigen ließen, hatte
bereits Pius XII. das Tagebuch auf den Index gesetzt. Unter anderem wegen der
oben zitierten Behauptung, Jesus habe sich mit keinem Geschöpf mehr vereinigt
als mit Faustyna. Ebenso wurde der Satz von 1935:
„Ab heute fürchte dich nicht vor Gottes
Urteilen, denn du wirst nicht gerichtet werden.“
als häretisch
eingestuft.
Ab dem Jahr 1965,
also nach Beendigung des Vaticanum II, wurde der Kult um die göttliche
Barmherzigkeit immer weiter ausgebreitet. Die Befugnisse für Polen erteilte von
Anfang an Kardinal Woityla.
Er sprach Faustyna als Papst Johannes Paul II. 1993 selig und im Jahr 2000
heilig.
Wie es möglich
sein könne, dass ein Tagebuch und Visionen, die einmal vom Heiligen Offizium
verurteilt worden waren, in der Kirche plötzlich einen solchen Auftrieb
erhalten können, ist nicht geklärt. Gemeinhin wird behauptet, die damalige
Verurteilung sei durch Übersetzungsfehler des Tagebuchs geschehen. Wir haben
jedoch gesehen, dass trotz revidierter Übersetzung vieles in diesem Buch
fragwürdig erscheint.
Der „Barmherzige Jesus“ und die Ikone von der
„Verklärung Christi“
Wie damals schon
Michal Sopocko bemerkte, ist dieses Bild „neuen Inhalts“.
Es gibt in der gesamten kirchlichen Bildtradition keine Entsprechung zu diesem
Bildtypus. Ich habe eines Tages entdeckt, dass der ukrainische Maler Vladimir
Naumetz vor ca. 18 Jahren ein Bild vom Barmherzigen Jesus für die Kapelle in
St. Pantaleon in Köln mit dem Sarkophag der Kaiser Theophanu geschaffen hat.
Dieses Bild ist nach den Vorgaben Faustynas gemalt, zugleich aber auch nach
Vorgaben der Ikone von der Verklärung Christi gestaltet, die in der Orthodoxen
Kirche eine große Rolle spielt:
Das Bild oben ist der „Barmherzige Jesus“ von Vladimir Naumetz.
Das Bild unten ist eine griechische Ikone von der Verklärung Christi aus dem
15. Jh.
Nun fällt auf,
dass der „Barmherzige Jesus“ sich mit dem orthodoxen Ikonentypus von der
Verklärung Christi tatsächlich ineinanderschieben lässt.
Naumetz
gestaltete den Barmherzigen Jesus zu großen Teilen nach den Merkmalen Jesu auf
der Ikone:
Von dem Ikonenchristus gehen 4 stilisierte weiße Strahlen aus, zwei nach oben,
zwei nach unten. Fast könnte man sie für Engelsflügel halten. Auf manchen
anderen Ikonen sind diese vier Strahlen rot gefärbt. Der Christus bei Naumetz
weist ebenfalls diese vier Strahlen auf, wobei die beiden nach oben weisenden
samt einer weiteren kleineren hinter dem Kopf Christi nach oben weisen, und
zwei aus der Brust Jesu – einer davon rötlich gefärbt - nach unten.
Die Christusikone hat darüber hinaus vier zusätzliche blaue Strahlen, die nach
unten führen und die Jünger, die niederfallen, in ihrer Niedrigkeit und Angst erleuchten.
Das Bild ist so gestaltet, dass diese Beleuchtung nach unten hin dennoch
erhebend wirkt und sich nicht im Dunkel verflüchtigt. Neben den drei Jüngern
entspringt eine Quelle und die Natur treibt Pflanzen hervor. Neben Jesus stehen
Moses und Elias. Jesus hält in der Linken eine Buchrolle, die Rechte vollzieht
eine Segensgeste.
Naumetz lässt seinen Christus mit der Rechten eine Geste machen, die eher der
Segensgeste gleicht als der Grußgeste auf den Bildern von Kazimirowski und
Hyla. Naumetz gibt dem Barmherzigen Jesus, ebenfalls anders als von Faustyna
vorgesehen, denselben Bildhintergrund, den die Ikone hat:
„Christus ist von konzentrischen Kreisen umgeben,
die entgegen unserer Erwartung zur Mitte des Körpers hin immer dunkler werden.
Das tiefe Blau des innersten Kreises verweist uns auf die
Unerkennbarkeit Gottes. Bei aller Menschenliebe und –nähe bleibt Gott letztlich
der ganz Andere, der Unbegreifliche, den wir nie durch und durch erkennen
können. Gott bleibt Geheimnis, bleibt Mysterium. Dennoch zeigt sich Gott
den Menschen immer wieder, und wir können ihn erahnen: etwa in der Schöpfung –
vor allem aber gibt sich Gott in seinem Sohn Jesus Christus zu erkennen.“
Der "Barmherzige
Jesus" hat sowohl auf der Ikone als auch auf dem Bild des ukrainischen Künstlers
die traditionelle Gloriole mit den angedeuteten Kreuzbalken. Auf beiden Bildern
ist der Christus von Gold und Licht umgeben. Auf den beiden polnischen Bildern
fehlt eine echte Gloriole nicht nur, sondern sie ist ersetzt durch etwas
anderes. Auf Kazimirowskis Bild ist um den Kopf Jesu eine dunkle, verfinsterte
Gloriole zu sehen. Die gesamte Gestalt Jesu steht in der Finsternis. Nur die
beiden Strahlen leuchten aus der ebenfalls in einem Lichtpunkt erhellten Brust.
Das mutet merkwürdig an. Ebenso merkwürdig wirkt das Bild Hylas. Dort hat Jesus
keine Gloriole, sondern ein schwaches hintergründiges Leuchten mit äußerst
kurzem Radius um sein Haupt, das ebenfalls weit hinter dem Glanz des roten und
weißen Strahles zurückbleibt. Auch hier befindet sich die Gestalt in einer
vollkommenen Finsternis.
Naumetz hat sich diese Merkmale offenbar bewusst nicht zu eigen gemacht. Die
negative Ausstrahlung der beiden polnischen Bilder wird durch diese „orthodoxe“
Verfremdung erheblich abgemildert.
Die Orthodoxie
kennt, davon abgesehen, eine spezifische Taborlicht-Mystik. Die Strahlen, die
hier vom verklärten Jesus zu den Jüngern hin ausgehen, sind Strahlen des
unerschaffenenen Lichtes, das Gott ist und von ihm ausgeht und in dem der
Mensch sein wahres Wesen erkennen kann und muss. Der bekannteste orthodoxe
Kirchenlehrer für diese Mystik ist Gregor Palamas (1296-1359). Er lehrte das
rhythmische Herzensgebet, das den Gläubigen zur hesychia führt, zu einer vollkommenen inneren Ruhe, in der er das
Taborlicht als beglückende Erfahrung als Vorgeschmack auf den Himmel erschauen
kann.
Züge dieser Lichtmystik scheinen auch in mystischen katholischen Erfahrungen
auf. Berühmt ist das Licht, das aus den Händen der Gottesmutter hervorquillt zu
dem, der sie schaut. Catherine Labouré hat die Immaculata so gesehen, und so
ist sie auch auf der Wunderbaren Medaille abgebildet:

Die Strahlen
stehen hier jedoch nicht für ein Licht, das von Maria selbst ausgeht, sondern
sie stehen für den Gnadenschatz, den sie zu den Menschen hin verteilen darf.
Das Motiv des Lichts aus Marias Händen taucht auch in Fatima auf. Lucia
berichtete, folgendes:
„Bei diesen (…) Worten öffnete die Dame ihre
gefalteten Hände und erteilte uns ein Licht, das wie ein Widerschein aus diesen
hervorströmte, ein Licht, das so hell war, dass es bis ins unser Herz drang,
bis ins Innerste der Seele. In diesem Licht sahen wir uns selbst in Gott, der
dieses Licht war, klarer, als man sich selbst im besten Spiegel sieht.“
Wir kennen dieses
Phänomen aus der Torah, die uns berichtet, dass Moses beim Abstieg vom Berg
Sinai die Herrlichkeit Gottes abstrahlte und das Volk diesen Glanz nicht
ertrug.
„Warum sollen wir noch einmal unser Leben aufs
Spiel setzen? Denn dieses große Feuer könnte uns verzehren.“ (Deuteronomium 5,
25)
Es handelt sich
also eindeutig bei dieser Art Licht um das unerschaffene Licht Gottes, das von
Begnadeten abstrahlen kann. Es hat mit den Strahlen, die von Faustynas
Jesusgestalt ausgehen, nichts zu tun. Denn Jesus strahlt kein Licht ab. Er IST
das Licht.
Pater Michal
berichtet, dass Faustyna zunächst nicht wusste, was die beiden Strahlen
darstellen wollen. Er befiehlt der jungen Frau, Jesus danach zu fragen. Während
eines Gebets hört Faustyna folgende Worte:
„Die zwei Strahlen bedeuten Blut und Wasser.
Der blasse Strahl bedeutet Wasser, das die Seelen rechtfertigt, der rote Strahl
bedeutet Blut, welches das Leben der Seelen ist…
Diese zwei Strahlen drangen aus den Tiefen Meiner Barmherzigkeit, damals, als
Mein sterbendes Herz am Kreuz mit der Lanze geöffnet wurde.
Diese Strahlen schützen die Seelen vor dem Zorn Meines Vaters. Glücklich, wer
in ihrem Schatten leben wird, denn der gerechte Arm Gottes wird ihn nicht
erreichen.“
Diese Worte sind
theologisch bedenklich. Immerhin bedeutet die „Rechtfertigung des Sünders“ ja
nicht ein äußeres Bedecken, das ihn vor dem Zorn Gottes schützt.
Im oben bereits befragten Dekret „In hoc tempore“ aus Trient heißt es:
„Die Ursachen dieser Rechtfertigung sind, und zwar
die Endursache, die Herrlichkeit Gottes und Christi, und das ewige Leben; die
bewirkende Ursache aber der barmherzige Gott, der aus Gnaden (1 Kor 6,11)
reinigt und heiligt, bezeichnend und salbend mit dem Heiligen Geist (Eph 1,13f)
der Verheißung, welcher das Pfand unserer Erbschaft ist; die verdienstliche
Ursache aber sein geliebtester Eingeborner, unser Herr JESUS Christus, der uns,
da wir (Röm 5,10) Feinde waren, aus übergroßer Liebe (Eph 2,4), mit welcher er
uns liebte, durch sein heiligstes Leiden am Holze des Kreuzes (Röm 4,25) die Rechtfertigung
verdiente, und für uns Gott dem Vater genug tat; ferner die werkzeugliche
Ursache das Sakrament der Taufe, welches ein Sakrament des Glaubens ist, ohne
den (Hebr 11,6) niemals jemanden die Rechtfertigung zukam; und die einzige
formelle Ursache endlich ist die Gerechtigkeit Gottes, nicht die, durch welche
er selbst gerecht ist, sondern die, durch welche er uns gerecht macht, mit
welcher wir nämlich von ihm begabt, erneuert werden im Geiste unsers Gemütes,
und nicht nur dafür gehalten, sondern mit Wahrheit gerecht genannt werden und
sind, die Gerechtigkeit in uns empfangend, jeglicher nach seinem Maße, dass der
heilige Geist allen (1 Kor 12,11; Eph 4,7) austeilt, wie er will, und nach
eines jeglichen eigener Zubereitung und Mitwirkung.“
In Faustynas
Erklärung ist ein Bruch zu erkennen: Einerseits sagt sie richtig, es müsse die
Rechtfertigung der Seele durch das Wasser und das Leben durch das Blut Christi
für den Sünder geben. Andererseits macht sie danach eine Wendung in der
Gedankenführung und macht aus der Vorstellungvon realen „Flüssigkeiten“, die
physisch und geistig reinigen und erneuern, einen esoterischen Strahl, der nicht
mehr reinigt und belebt, sondern unspezifisch „schützt“ vor dem Zorn Gottes.
Besteht aber die Rechtfertigung des Sünders darin, dauerhaft „geschützt“ zu
werden vor dem Zorn Gottes? Gehört es nicht eher in den Bereich magischer und
abergläubischer Vorstellungen, die Seelen vor dem Zorn des Numinosen zu
bewahren? Werden Blut und Wasser des geopferten Gottessohnes hier nicht zum
Talisman umgedeutet?
Die Vorstellung, dass unsere Rechtfertigung darin besteht, im Grunde weiterhin
nicht für gerecht gehalten zu werden, wenn wir uns bekehrt haben und nur durch
die beiden Strahlen vor dem Zorn Gottes geschützt zu werden, erscheint ebenso
magisch wie „protestantisch“. Die Luthersche Theologie setzt voraus, dass der
Sünder „bedeckt“ wird vom Blut Christi, aber nicht, dass er davon durch die
tätige und willentliche Mitwirkung der Seele selbst durchwirkt und von Grund
auf erneuert wird.
Katholische Lehre ist doch, dass Gottes Gerechtigkeit den gerechtfertigten
Sünder durch Christus als gerecht ansieht und mit dessen beistimmender und
mitwirkender Aktion vollständig in seinem Wesen erneuert. Wie anders sollte man
den Satz verstehen, dass der gerettete Sünder „mit Wahrheit“ vor Gott „für
gerecht“ gehalten werde?
Faustynas Bild
jedenfalls suggeriert, dass der Sünder nur geschützt, aber nicht wesenserneuert
wird.
Die ermüdenden,
über Jahre weg im Tagebuch wie eine „Gehirnwäsche“ wiederholten Worte von der
Barmherzigkeit legen immer wieder ein ausschließlich protestantisches
Verständnis der „Barmherzigkeit“ nahe:
„Aus Meiner Barmherzigkeit - sagte Jesus zur
Schwester Faustyna - schöpft man Gnaden mit nur einem Gefäß, und das ist das
Vertrauen. Je mehr eine Seele vertraut, um so mehr bekommt sie. Seelen, die
unbegrenzt vertrauen, sind Mir eine große Freude, denn in solche Seelen gieße
Ich alle Meine Gnadenschätze. Es freut Mich, dass sie viel verlangen, denn es
ist Mein Wunsch, viel zu geben.“
Ist das nicht
häretisch? Schöpfen wir Gnaden wirklich nur durch „ein Gefäß“, nämlich das „Vertrauen“? Was ist mit den Sakramenten?
Was mit den außerordentlichen Gnaden? Wird hier nicht die Fülle des Handelns
Gottes durch die Kirche und den frei schaffenden Heiligen Geist geradezu
annulliert und durch eine merkwürdig unklare Beziehung ersetzt? Gott schenkt
„Barmherzigkeit“, und der Mensch antwortet darauf mit „Vertrauen“. Könnte das
so unspezifisch nicht auch ein Jude oder Muslim sagen? Und klingt das nicht von
ferne nach dem Lutherschen Widerspruch zur Lehre? Ist seine Reduktion, der
Sünder werde „allein“ aus Glauben selig, nicht verwandt mit dieser Ansicht,
„nur“ durch das „Vertrauen“ werde man vor dem Zorn Gottes geschützt?
Wie sollen die
noch verblendeten Kinder Israels, die Gott am Ende doch zur Umkehr bringen
wird, mit einem solchen „Gnadenbild“ erkennen, wen ein Teil ihrer Vorfahren
„durchbohrt“ haben? Versperrt dieses Bild nicht – abgesehen von verführten
Christen - gerade den Juden den noch anstehenden Zugang zu Jesus Christus?
Der Vergleich mit
der Ikone der Verklärung Christi führt vor Augen, wie sehr das von Faustyna
angewiesene Bild vom „Barmherzigen Jesus“ zweifelhaft ist. Diese merkwürdig
lichtlose Lichtgestalt, die aus einer totalen Finsternis auftaucht und keinen
Grund unter den Füßen hat außer Finsternis, und mit diesen beiden esoterischen,
nach unten zeigenden, ätherischen Lichtstrahlen ein Scheinlicht erzeugt, das
aber nicht einmal ausreicht, um ihm selbst die notwendige Gloriole, - um von
einer Aureole erst gar nicht zu reden -, zu verleihen, erscheint wie ein
getarnter „Engel des Lichts“: „Der Satan
tarnt sich als Engel des Lichts“ (2. Kor. 11, 14).
Alleine die
auffallende Abweichung von sämtlichen ikonografischen Merkmalen aller
rechtgläubigen Christusdarstellungen, die uns bekannt sind, sollte uns stutzig
machen.
Ob die Zweifel
und die Ablehnung des Hl. Offiziums, die von Anfang an bestanden, nicht doch
den richtigen Weg gewiesen haben.
Sr. Faustyna
erscheint als eine liebenswerte Frau. Ich möchte ihr keine Vorwürfe machen. Sie
hatte kaum Schulbildung und meinte es wahrscheinlich gut.
Wieso aber fiel ihrem Beichtvater, der von hoher Bildung war, so gar nichts
auf? Warum hielt er sie nicht zurück? Unwillkürlich muss ich an Adam denken,
der die getäuschte Eva nicht zurückhielt, sondern bestärkte und ihre Täuschung
mitvollzog. Pater Michal hatte doch Zweifel – warum setzte er sich über sie
hinweg? Er ermutigte Faustyna dazu, ihr Tagebuch zu führen, er beförderte die Verehrung des Andachtsbildes, er gründete den von der Erscheinung geforderten Orden.
Nicht zuletzt
muss man sich fragen, ob die so vollmundig versprochenen Früchte der Heilung,
die von der Verehrung des Barmherzigen Jesus ausgehen sollten, eingelöst wurden.
Im rasant und unzweifelhaft zu beobachtenden Niedergang des Glaubens in den
Seelen tritt uns das Gegenteil entgegen. An den Früchten sollen wir erkennen,
wes Geistes Kind ein Werk ist.
Die Verehrung des
„Barmherzigen Jesus“ hat im großen Glaubensabfall nichts gewonnen und nichts aufgehalten, dafür aber die ehemals fruchtbare
Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu nahezu vernichtet.
Das ist eine
katastrophale Bilanz.
© by Hanna Maria Jüngling