Dienstag, 14. April 2015

Wo liegt das Abendland?

1. Die Frau auf dem Stier

Verzweifelt versucht der abendländische Stammbürger, sich in irgendeiner der Wagenburgen abzuschließen, die sich zu bieten scheinen. Auch der virtuell nach allen Seiten hin offene Euro-Raum, wie er von den urbanen Behörden gefördert wird, ist nichts weiter als eine solche, besonders reich ausgestattete, Wagenburg, die anstelle von trutzigen Planwagen einen unsichtbaren, magischen Bannkreis um sich zieht.

Da draußen in der transmarinen Welt fliegen die Fetzen. Und wir holen uns auch noch den letzten Videoclip über die Untaten entfesselter Teufel anderswo auf unsere Smartphones. Alles so nah unter der Bettdecke und zugleich so cyberspacig weit weg… Wir verwechseln die Toten mit Spielfiguren, die man „spawnen“ und „re-spawnen“ und auf einem entsprechenden Level wieder ins Spiel bringen kann, als sei nichts geschehen.
Unsere Zivilisation ließ lange Zeit Menschen mit dunklerer Hautfarbe anderswo, fernab von voyeuristischen oder kontrollierenden Blicken, das ausbaden und ausfechten, was sich in den eigenen übersättigten Gedärmen abspielte. Spätestens mit der Entdeckung Amerikas und der Aufteilung der Welt in Kolonien begann man, die innereuropäischen Probleme, die angestauten Negationen parallel zu und mit der Erfüllung des Missionsbefehls Jesu Christi weit weg zu verlagern. Die Christianisierung schenkte der ganzen Welt eine riesige „Energiespritze“, initiierte in vielen Menschen Schaffensdrang und nüchterne Selbst- und Fremdachtung, Erfindergeist und Entwicklungsfähigkeit, Kreativität und humanes Maß in ungekanntem Ausmaß. Niemand kann das bestreiten – es liegt offen zutage. Die Erlösung des Menschen gab schon im irdischen Sein eine winzige und schwache Kostprobe dessen, was sie einst für den Himmel verspricht: Ordnung und Freiheit, die soziale Klassen und Stände trotz aller Rückfälligkeit ins Heidnische doch immer auch durchlässig hielt. Das gab es sonst nirgends. Aber niemand kann auch bestreiten, dass es diese parallel laufenden Negationen gab und gibt, die ihre Energie aus den echten und guten Erhebungen des christlichen Glaubens saugten, aber in Machtkämpfen zwischen Papsttum und Kaisertum, in Schismen, der Reformation, sozialen Spannungen und im Hexenwahn eskalieren wollten. Man schuf „Abflüsse“ für all jene, die nicht in ein geordnetes, seinen Kapazitäten gemäßes Abendland passen wollten, konnten oder durften. Die einen blieben da, sich den gegebenen Bedingungen nach einer Abwägung unterwerfend oder auch unterlaufend, zum Beispiel durch die Abwanderung in die neu entstehenden Städte oder die Teilnahme an Kreuzzügen oder an Wallfahrten über die Jakobswege nach Santiago.
Aber die christlichen Ordnungen depravierten zugleich mit ihrem Aufstieg, führten den Europäer in den paradoxen Zustand höchster Glaubenstiefe, eines ausgeprägten Wissens um Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, um die Erhabenheit und Heiligkeit Gottes … und der Möglichkeit zu übersteigert blasphemischer Sündhaftigkeit.
Unzählige abendländische Menschen verließen aufgrund dieser Überspanntheit den Kontinent, gingen nach Amerika, nach Russland, verschwanden in den Weiten der mittelasiatischen Steppen oder begannen ein Leben in Afrika, Australien oder Neuseeland. Verfolgte Sektierer, Desparados, junge Männer, die vor den Häschern geldgieriger Monarchen flohen, um nicht als Kanonenfutter an den Nachbarkönig verkauft zu werden, Verarmte, Abenteurer, Kriminelle, Kaufleute und Leute, die ihre Ehe hinter sich lassen oder aus anderen Gründen ein neues Leben anfangen wollten, erschlossen sich im Zuge der expandieren Entdeckungen „neue Welten“.
Bevor sie dies taten, erzeugte die Reformation bereits für viele Menschen innerhalb Europas das soziale Szenario künftiger Entscheidungszwänge und Heimatverluste: entweder sie mussten das Reich  ihres Landesherren verlassen oder sich der konfessionellen Option desselben unterwerfen. Große Wander- und Fluchtbewegungen zwischen den deutschen Fürstentümern setzten ein. Entwurzelungen und Vertreibungen um der politischen Willkür und Gewalt willen sind bis heute seither politischer Alltag. Die Flüchtlingsströme sind seit der Reformation kontinuierlich angeschwollen und haben das empfindliche Ordnungsgefüge des klösterlich missionierten Europas seither bis auf Überreste, die immer noch eine enorme Strahlkraft aufweisen, ausgelöscht.

Friedliche und massenhafte „Einwanderung“ nach Europa hinein gab es nach der Spätantike dagegen nie. Die Situation heute ist ohne Vorbild und erfahrungslos.
Wohl aber standen Jahrhunderte lang Eroberer vor den Toren, die zeitweise eindrangen und wieder hinausgeworfen wurden. Meist waren es islamische Eroberer. Dennoch - man war mit den Westgoten fertig geworden, mit den Arabern, mit den Mongolen, den Ungarn, den Mauren, den Schweden, den Türken.
Mit letzter Not überwand man dagegen den Arianismus und dies auch nicht wirklich: arianisches Denken ist in den Seelen steckengeblieben, trat bald von außen im mohammedanischen Glauben massiv auf Europa zu und wühlte im Innern weiter. Das moderne liberale Glaubenskonzept ist ein Ableger des arianischen Denkens, wie schon John Henry Newman im 19. Jh zeigen konnte.
Gar nicht fertig geworden ist man mit dem Schisma mit Konstantinopel und dem Glaubensabfall durch die Protestanten im 16. Jahrhundert. In beiden Konflikten schwingen ebenfalls arianische Motive mit. 200 Jahre später förderten viele Monarchen atheistische Philosophen, verschleuderten wie noch nie die Güter des Landes und lebten so ausschweifend, dass es das ganze Volk bis heute demoralisierte. Die totale Materialisierung, die Verschwendung und der Hedonismus unserer Tage „für alle“ sind Echo des aristokratischen Vorbildes vieler Jahrhunderte zuvor. Mit dem 18. Jahrhundert begann die Zeit des Untergangs der verlebten Monarchen und des Aufstiegs der explodierenden europäischen „Völker“ und heiß erkämpften Nationalstaaten. Eine Phase schlimmster nationaler Konkurrenz, die Europa bislang nicht gesehen hatte, begann. Noch etwas später warf auch der Umsturz der Nationalstaaten zu grausamen und ideologischen Riesenverbänden seine Schatten in eine ungewisse Zukunft voraus. Die Diskussion über ein vereintes Europa wurde gleich nach dem Untergang des heiligen römischen Reiches und dem Aufstieg des Nationalismus begonnen, und niemand weiß, was diesbezüglich noch auf uns zukommt. Alles, was einmal Grundlage zu geben schien, ist zerstört: „das“ Christentum, das Kaisertum, erst recht die schwachbrüstigen Begriffe von der „Nation“ und der „Volkssouveränität“, die mehr Chaos als Ordnung beschert haben.

Die Inszenierung und Zurschaustellung kolonialer Gladiatorenkämpfe vom Hochsitz Europas aus reichen dem westlichen Ablenkungsdrang von den eigenen Widersprüchen nicht mehr. Wir sind verfettet, aber ausgeblutet. Wir locken unsere adipöse, in fremde Länder exportierte Schande näher, berauschen uns an den Kämpfen verlorener Menschen vor unserer Haustür und debattieren darüber, wie nahe wir sie an uns heranlassen wollen. Wir benötigen sie als Rentenkasseneinzahler, Arbeiter, Prostituierte, Adoptivkindergeber und Leihmütter. Es klingt zynisch und es ist zynisch, wenn man es bedenkt! Ohne ihre „Manpower“, mit der wir uns Nachschub holen zur Aufrechterhaltung unserer Befriedigungen, kommen wir nicht mehr aus. Wir magnetisieren sie zu uns hin und bannen sie kurz vor Torschluss, möglichst fortzubleiben und lassen sie dann im Gewand bürokratischer Willkür unter Protest tropfenweise und rasch ein.
Ohne das nach außen verlagerte innere Chaos können wir unsere demografischen Ausfälle, unsere Bildungsruinen und unsere Fruchtlosigkeit nicht mehr ausgleichen. Die illegitimen Kinder Europas stehen an unseren Betten, und man fragt sich, ob die Fürstentochter je ein legitimes Kind hatte.
Im Mythos jedenfalls war Europa eine Prinzessin, erlag aber ihrer Dummheit und Triebhaftigkeit und ließ sich von dem in einen Stier verwandelten lüsternen, gehörnten Gott verführen:
 
Auch wagte die fürstliche Jungfrau,
Unkund, wen sie bestieg, auf dem Rücken des Stieres zu sitzen.
Da schreitet sachte der Gott vom Land und vom trockenen Ufer
Und setzt vorn in die Flut die betrüglichen Schritte der Füße,
Geht dann weiter und trägt quer über des mittleren Meeres
Fläche den Raub. Sie erbangt, und zurück zum verlassenen Strande
Schaut sie und hält mit der Rechten ein Horn, auf den Rücken die andere
Stemmend; das lose Gewand ist geschwellt vom Hauche des Windes.
(Ovid Metamorphosen, Buch 2, 11)
Sie degradierte zur Mätresse, die illegitime Kinder gebar, wurde anfangs noch von ihrem königlichen Vater und ihrem Bruder Cadmus gesucht. Das Orakel von Delphi gab jedoch sehr bald kund, man möge sie vergessen, nicht mehr nach ihr suchen und stattdessen die Stadt Theben gründen (Ovid, Metamorphosen, Buch 3, 1).

Am europäischen Kamin spielt man zur Zerstreuung der quälenden Fragen „Bürger gegen rechts“ oder „Wir sind das Volk“ oder spazieren gehend „Rettet das Abendland“. Politisch verordnete „Wochen gegen Rassismus“ krönen das Jahr. Man wähnt sich im programmatischen Irgendwo verankert und spielt Konflikte „Links gegen Rechts“ und umgekehrt in Luftschlössern. Die einen können mit der finanziellen Unterstützung der Kulturämter und Oberbürgermeister rechnen, die andern mit dem starken Rückenwind des Volkes hinter vorgehaltener Hand. Eine absurde Pattsituation. Medien versuchen verzweifelt und auf vulgärem journalistischen Niveau den Regierungskurs zu unterstützen gegen die Bauchgefühle des „Volkes“. Man scheut vor einer Beschimpfung und Verleumdung großer Teile der Bürger „von oben herunter“ nicht mehr zurück und setzt Gerüchte über umfangreiche „rechte“ Verschwörungen in die Welt, für die es – jedenfalls in der suggerierten Größenordnung - weder Anhaltspunkt noch Beweise gibt. Die Schere zwischen dem, was Menschen äußern, wenn sie sich unbeobachtet wähnen, und dem, was ihnen an „Politdenke“ verordnet wird, klafft immer weiter auseinander. Für ein demokratisch geordnetes Gemeinwesen ist das das Aus. Offenbar leben wir in einer beginnenden Diktatur.
Damit sollen die hysterischen Wahnideen, die im Volk verbreitet sind, nicht bestätigt werden: die Panik vor dem großen Unbekannten, der als Drahtzieher hinter all den verworrenen Ereignissen stehe, sieht längst deutliche Gespenster. Der CIA, Obama, Putin, der Vatikan, die Freimaurer, islamische Schläfer, der Mossad und „die“ oder nur die „reichen“ Juden planen Böses, will man Volkes Stimme glauben. Es ist allerhand entsprechende Literatur im Umlauf. Manches darin Aufgeführte lässt sich kaum von der Hand weisen, die gezogenen Schlüsse sind jedoch häufig überzogen und paranoid.
Eines aber bleibt im Raum stehen: die Beziehung zwischen der Politik und den Bürgern ist nahezu aufgelöst.
Und das sollte jeden, gleich, wie er die Welt zu sehen beliebt, doch alarmieren.
Die Frage, die gestellt werden muss, lautet: Wie kann das Volk der Souverän eines solchen Staates sein?

Allein – ich frage mich, zurück zu den Formeln unserer Tage: Von welchem „Volk“ ist die Rede? Was ist „Rassismus“ so ganz genau? Und wo liegt das „Abendland“? Was versteht man unter „Toleranz“? Doch nicht etwa, dass alles genauere Nachdenken abgewürgt werde und jede unabhängige Positionierung als Sakrileg geahndet wird? Davon abgesehen: was ist eigentlich „rechts“?
Was meinen wir mit der vielgerühmten „Aufklärung“, die dem Islam angeblich fehle? Meinen wir die blutrünstige französische Revolution? Fehlt die dem Islam gerade noch? Oder meinen wir die aggressiven französischen Republiken oder das napoleonische „Kaiserreich“ zu Beginn des 19. Jh? Oder meinen wir Voltaire und Rousseau und andere Religionshasser, die bezüglich der Kirche „Écrasez l’infame!“ brüllten, und bilden uns ein, dass das der richtige Ratschlag für die Muslime ist, wo er schon bei uns selbst die kirchlichen Machtverfilzungen nur durch noch schlimmere rein weltliche Verfilzungen ersetzt hat? Nun komme mir niemand mit der angeblich „friedlichen“ Aufklärung – die Aufklärung in Europa verlief auf politischer Ebene nun mal nicht friedlich, sondern gewalttätig – die Säkularisation bedeutete einen brutalen Einschnitt in die Geschichte fast aller europäischen Fürstentümer im Gefolge der napoleonischen Kriege!
Es ist die Frage, ob die islamische Welt sich dieses Trauma nun auch noch antun muss, um koexistenzfähig zu werden. Eine solche „Säkularisation“ lässt sich nur unter Blut und Tränen durchführen. Als ob die islamische Welt nicht schon genug stöhnen würde unter der eigenen Last…

Und überhaupt: Früher wusste ich mal, was „Demokratie“ ist, glaubte, es zu wissen. Jetzt weiß ich es nicht mehr. Was versteht man unter „der“ demokratischen Grundordnung, wenn unterschiedliche, einander widersprechende Weltanschauungen in ein und demselben Gemeinwesen aufeinander stoßen? Hat das historisch mit dem Ort Verwachsene ein größeres Recht als das, was neu hinzukommt? Eine Art „cuius regio eius religio“ übertragen auf nach-absolutistische, säkulare Machtverhältnisse? Anders: wer zuerst da war und regiert, hat auch das Vorrecht? Funktioniert das, wenn die Anzahl der später Hinzugekommenen, die wesentliche Elemente der Grundordnung nicht anerkennen wollen, sich derjenigen der Einheimischen aufgrund der Morbidität letzterer angleicht? Was ist mit dem Ort überhaupt historisch gewachsen – denn auch hier findet sich Unterlegenes und Übermächtiges aus dem eigenen Fundus? Wir haben fast 70 Jahre mit Essen, Trinken und Urlaub vertan und uns eingebildet, wir hätten eine intensive Auseinandersetzung mit unserer ganzen – nicht bloß der nationalsozialistischen! – Geschichte nicht nötig. Wir haben schlicht und ergreifend den Anschluss an uns selbst verloren. Wir fordern verschwiemelt „Anpassung“ der Einwanderer an unsere „Kultur“. Aber niemand kann erklären, was unsere Kultur ist – ist es der katholische Glaube, dem kaum mehr einer anhängt? Oder der lutherische? Oder der Liberalismus? Oder sind es die Abtreibungsbefürworter? Oder die Altkommunisten? Oder gar die Keller-Nazis? Oder sind es die Bildungsbürger, die stolze Theaterabonnements aufweisen können, in denen sie die immer gleichen „Klassiker“ ansehen und anhören? Oder die Romantiker und Idealisten, die nur Bioland-Produkte essen? Woran sollen sich die „Migranten“ anpassen?
Wir werden aus allen öffentlich geförderten politischen Rohren mit der Meinung beschossen, man könne sich auf eine Art "Verfassungspatriotismus" einigen. Alle anderen Potenzen werden ausgeklammert. Alle Bürger sollen ihr gesamtes kulturelles Selbstverständnis einer bestimmten Rechtsvorstellung unterwerfen, die vorgibt, "neutral" zu sein. Wie aber soll man sich eine völlig neutrale und "überkulturelle" Rechtsverfassung vorstellen? Noch dazu angesichts der Tatsache, dass auch unser Grundgesetz permanent verändert wird? Studien ergeben, dass Einwanderer nicht anders als Einheimische zwar einerseits aus voller Überzeugung sagen, sie seien der Verfassung treu, andererseits aber genauso unumwunden zugeben, dass sie glauben, das Leben müsse sich nach dem islamischen Recht oder aufgeklärten bzw. christlichen Moralvorstellungen richten. Wir haben schon im einheimischen Lager zahlreiche ungelöste moralische Debatten, die zeigen, dass Gesetze aus moralischen Überzeugungen heraus eben nicht für recht befunden werden: in der Abtreibungsdiskussion, den Auseinandersetzungen um Sterbehilfe, Euthanasie und Pränataldiagnostik, aber auch in Debatten wie der um staatlich geförderte Waffengeschäfte und vor allem den Cantus firmus der Demokratie von Beginn an: dass die Gesetze frech und dreist von denen umgangen werden, die es sich aus welchen Gründen auch immer leisten können, dies zu tun. Einheimische Forschung blendet aus, dass ein schwankendes Grundgesetz niemals den Rang einer religiösen und sittlichen Vorgabe erfüllen kann. Den alltäglichen Gesetzesänderungen liegen doch Bewegungen zugrunde, die sich auf viel tieferen als bloß materiellen Ebenen bewegen. Geistige Haltungen werden nicht mehr als jeder Ökonomie vorgelagert angenommen. Man hält sie für ein Akzidens materieller Grundverfassungen. Alle Potenz wird dem Haben zugesprochen.
Wäre ich ein Einwanderer – ich wäre jedenfalls orientierungslos in diesem Stimmengewirr.

Und diejenigen, die vom Christentum reden und das „christliche“ Abendland retten wollen – welches der Christentümer meinen sie? Irgendwie ein allgemeines aufgeklärt-ökumenisches, didaktisch reduziertes Ethik-Christentum, das die zentralen Überzeugungen des Glaubens, nämlich die leibhaftige Menschwerdung Gottes mit allen Konsequenzen längst aufgelöst hat? Oder das schwärmerisch-charismatische im Halleluja-Modus dröhnender Lobpreis-Events, die das Kreuz hassen? Oder das katholische? Und wenn ja, das „modernistische“, „progressistische“ oder das „traditionalistische“, um nicht zu sagen „reaktionäre“, mit einigen überholten und gescheiterten politischen Konzepten verwucherte Christentum? Oder den Katholizismus des Vaticanum II, der glaubt, man könne das, was sich 2000 Jahre entfaltet hatte, durch ein „Zweites Pfingsten“ ersetzen, das doch nur eine schale Medienschau war, mindestens zehndeutige Texte fabriziert und ein reines Chaos innerhalb der Kirche eingeleitet hat? Oder gar eine Art konservativer Ökumene, die sich vor allem im Kampf gegen den Genderismus und für die klassische Familie und eine hohe Sexualmoral einig, sonst aber in vielen gravierenden Punkten uneinig ist?

Wenn man erst einmal genauer nachfragt, tun sich Abgründe auf.


2. König Parol

Die Begriffe haben eine lange Verwirrungsgeschichte hinter sich. Ich kenne kaum Menschen, die wissen, wovon sie reden. Der Feind sind für die einen die „Gutmenschen“, für die andern die „Fundamentalisten“, für die einen die „Rechten“, für die andern die „Linken“, für die einen die „Konservativen“, für die andern die „Liberalen“. Das Gegensatzpaare-Raten ließe sich endlos fortsetzen. Es werden auf allen Seiten unsäglich leere Dinge ausgesprochen. Man gibt alles für eine leichte Welterklärung, die Raum fürs Empören bietet. In all diesem hohlen Blubbern gibt es ernsthafte, aber unbequem nachdenkliche und sachorientierte Stimmen, die notorisch überhört und skandalisiert werden – von allen Seiten.
Es ist unmöglich, die komplexen Zusammenhänge, die uns diese chaotische Realität beschert haben, zu durchschauen. Die große Gefahr hysterischer Erklärungen („Verschwörungstheorien“) ist die, dass man sich fixiert auf einen Zusammenhang, der so vielleicht gar nicht besteht oder wenigstens nicht isoliert besteht. Man ist wie einer, der rückwärts vor einer Gefahr zurückweicht und die Grube nicht sieht, in die er gleich hineinfallen wird.

Das politische Begriffswerkzeug welcher Couleur auch immer ist außerdem nach Jahrzehnten des geistigen Verfalls und postmodernen Stillstandes modisches Accessoire, Must-have, so wie alles Konsumartikel geworden ist. Die einen bevorzugen „Vintage“ oder „Retro“, die anderen „Gothic“, LARP, Fantasy oder „die Mitte der Gesellschaft“, wo immer die liegt. Und alle sind dabei ein bisschen „öko“. Ein nicht geringer Teil lebt an der chaotischen Lage seine ganz privaten Undiszipliniertheiten und Neurosen aus.

Wehe dem, der die Begriffe nicht konsumistisch auffassen will!
Wehe dem, der präzise und logische, „scholastische“ Gedanken formiert!
Wehe dem, der sich in diesem Leben nicht nur einen lasterhaften Zombie-Auftritt genehmigen will.
Wehe dem, der an den Ernst des Gedankens glaubt!

Er wird weder verstanden noch toleriert. Man hält ihn oder sie für wahnsinnig oder „gefährlich“. Hier sind sich die verfeindeten Fronten plötzlich einig.
Der König der Herzen und Gehirne heißt „Parol“.


3. Freimut…

Dennoch gestehe ich ein, dass ich an den Ernst des Gedankens glaube und die Nase voll habe von dieser Veräußerlichung, dieser totalitären Subjektivierung der Welt und diesem plumpen Naturalismus auf allen Ebenen!

Meine Personwürde hängt daran, dass mein Leben nicht nur eine Aneinanderreihung von wechselnden konsumistisch-politischen Moden und Spielchen im rein Sinnlichen ist. Auch dann nicht, wenn sich das Sinnliche einen intellektuellen Anstrich genehmigt. Ich glaube nicht daran, dass man aus dem Sinnlichen und Naturhaften ohne weiteres etwas wahrhaft Geistiges „destillieren“ oder „sublimieren“ kann… Diesem esoterischen Credo kann ich nichts abgewinnen! Wäre dies so, wäre der Tod die Vernichtung jeder Anstrengung der Vergeistigung. Wozu die Anstrengung, wenn all meine Bemühungen im Tod aufgelöst würden? Kann das im Ernst einen Menschen motivieren? Verliere ich mein naturhaftes Fleisch – und jeder verliert es stündlich und lebenslang! - , wo bliebe dann die Prämisse für solche Vergeistigung? Die Realität des aktuellen „Abendlandes“ spricht für sich: man ist nicht motiviert und versackt immer tiefer im Zusammenraffen sinnlicher Befriedigung, materieller „Absicherung“ und moralischer Echauffage über irgendwelche skandalösen anderen … Alles, alles, das Lesen, das Lernen, die Musik, die Religion, die Politik, selbst das Kinderkriegen und Heiraten, alles ist zum Konsumartikel geworden. Die Regale der Läden, auch der virtuellen Läden, sind überquellend voll. Die Seelen aber sind oft so unendlich und schmerzlich leer und gleichen verdorrten Blumen schon in jungen Jahren.

Nötigt uns einer unserer Konsumartikel überraschend doch Haltung ab, erzeugt er in uns unangenehme Fragen, verweist er uns auf die untergegangene Religion, auf den Ordo des aufsteigenden Abendlandes vor Jahrhunderten, auf medial verwaiste Ereignisse der Geschichte, wenden wir uns ab. Wenn in uns aufdämmert, dass nur hierarchisch empor geordnete Verhältnisse auch ein allgemeines Empor ermöglichen, weichen wir spontan zurück, weil wir stolz und kritikunfähig sind. Manche wiederum fühlen sich stante pede dazu berufen, angesichts dieser Erkenntnis andere zu unterwerfen. Mit solcher Art von „Ordnung“ wollen wir – zu Recht - nichts zu tun haben. Der Größte sollte nach den Worten Jesu, wie Er es vorgelebt hat, der Diener aller sein. Das haben machtbewusste Autoritätsfetischisten niemals erfasst. Der gute katholische Hierarch förderte in seinem Bereich jeden subsidiär und maximal. Er lässt sich nicht dienen, sondern dient in höchster Verantwortung. Diese Idee ist unverständlich geworden, auch und besonders unter traditionalistischen Katholiken, denn sie hat nur in der totalen Hingabe an Jesus Christus als Person (nicht als Machtsystem!) überhaupt je ihr Ziel finden können. Solche Hingabe fragt nicht nach der Selbstbefriedigung in einem katholischen „home sweet home“. Das scheint aber die Frage zu sein, die konservative Gemüter erhitzt: man hat ihnen „my home is my castle“ genommen. Sie greinen wie kleine Kinder nach ihren arkadischen Gartenzwergidyllen und verweigern selbst doch die Hingabe an den, der keinen Ort hatte hier, an den Er sein Haupt legen konnte. Der katholische Traditionalist will in aller Regel auch nichts anderes als der Progressive: größer sein als der Herr.
Schon im Sandkasten spielen kleine Buben „Wer wird Chef“ und „Der Bestimmer – das kann nur ich sein!“. Solche widerwärtige Egomanie gepaart mit Religion ist ein wahrer Alptraum. Trifft man im Milieu traditioneller Katholiken auf die Gehorsamsdiskussion, fällt auf, dass viele dort großzügig und teilweise sogar hochaggressiv den Gehorsam anderer fordern, aber selten selbst einfach stillschweigend gehorchen… Der Gipfel der Perversion ist im Piuslager zu finden: die Oberen genehmigen sich selbst „Widerstand“, also Ungehorsam gegen den „Heiligen Vater“ aufgrund eines „Notstandes“, den man eigenmächtig und allgemein postuliert und definiert, fordern aber von den eigenen Anhängern geradezu sektiererisches Gewehr-bei-Fuß ein, mehr als es die Kirche je getan hat und das auch noch auf vulgärstem Niveau. 

Der Frage, auf welcher Basis wir „im Abendland“ leben, wollen wir uns nicht stellen und flüchten ins Moralisieren. Da findet sich immer ein Thema. Solange es noch 2D-Feinde gibt, ist die Welt in Ordnung. Es ist so viel leichter „Nein“ zu etwas zu sagen, als das „Fiat“ („Es geschehe“) der Gottesmutter zu sprechen und einem Entwurf zu folgen, der höher ist als unsere Vernunft.

Das Ziel unseres Lebens kann nur der Himmel sein. Kein Himmel, in dem man fressen, saufen und huren darf, wie das manche Religion vorstellt, wo es einfach so weitergeht wie auf Erden, bloß noch partymäßiger, sondern in dem die selige Anschauung Gottes, die endgültige Erhebung zu und Vereinigung mit Gott, die alles übersteigt, was wir hier kennen, meine Erfüllung sein wird.

Tief lag dies in mir verborgen von Anfang an. In Dir nicht, lieber Leser? Kennst Du diese Sehnsucht denn nicht auch? Nur danach habe ich mich ausgestreckt in all meiner Schwäche. In ein „Empor“, das ohne Läuterung nicht geschehen kann.
Ein begrenztes Erdenleben, über das ich aber hinauszudenken vermag, als einziges Gattungswesen hinzudenken vermag, kann in sich selbst kein endgültiges Ziel sein! Es ist Prüfung; Schulung und Reinigung … oder eben vertane Zeit. Man kann die Zeit auf hohem Niveau vertun. Meine Natur hielt Ausschau nach dem Übernatürlichen und nach der Huld Gottes. Sie seufzte danach, das Gewand zu erhalten, das über den Tod hinaus rettet…


4. Europas Zukunft an der „Platform Nine and Three Quarters“

Der Boden fürs Surreale ist unterdessen vorbereitet. Lange schon. Der Bruch mit dem realen Abendland erfolgte, seitdem es ein Abendland gab. Das christliche Abendland fußt auf dem römischen Reich, aber der es ablöste, der Papst und die Kirche, verlor es immer wieder an den Kaiser, die Fürsten, später die Nationen, Revolutionen und Führer. Eine Konvulsion folgte auf die andere. Jede war schlimmer als die vorige. Und dann gab es den europäischen Nordosten, der nicht zu Rom gehörte… ein europäisches Zweit-Thema für sich, dessen Brisanz keineswegs „erledigt“ ist mit der Öffnung des „Eisernen Vorhangs“. Manche bilden sich ein, das Licht käme nun aus dem Nordosten, was ich für eine kindische Illusion halte.
Wo ist das Abendland heute? Und vor allem: welches Abendland? Welches der historischen und gegenwärtigen Abendländer?

Welches Abendland wollen wir?
Das für die Botschaft Jesu Christi offene Abendland? Gab es das pauschal jemals? Oder wirkte die Kirche in einigen Menschen segensreich, so sehr, dass sie wie einst die fünf Brote und die zwei Fische Millionen von Menschen dienen konnten?
Wollen wir die Machtkämpfe Karls des Großen, die bis heute Gegenstand der historischen Forschung bleiben in all ihrer Doppelbödigkeit?
Das Abendland des frühen christlichen Mittelalters zur Zeit der Ottonen?
Das des Investiturstreites?
Das der Renaissance mit ihren genialen Kunstschöpfungen, Entdeckungen, Gewaltexzessen und der beginnenden Hybris?
Das der Reformation, die vor allem religiöse Entzweiung, drei Jahrzehnte Krieg, Blut und Verzweiflung und eine gigantische konfessionelle Zersplitterung gesät hat?
Oder das des aufgeklärten Absolutismus mit seinen hurenden, fressenden und die Landeskinder in sinnlosen Thronstreitigkeiten verheizenden Monarchen?
Oder wollen wir das Europa der französischen Revolution mit seiner Perversität, den Massenmorden an allem und jedem, der nicht dem Diktat der „Nation“ folgen wollte?
Wollen wir das chaotische 19. Jh wieder mit seinen Nationalismen und der sozialen Verelendung der Arbeiter?
Niemand kann das Abendland im 20. Jh wieder zurückholen wollen. Niemand!
Oder picken wir uns einen der wirklich guten und christlichen Fürsten heraus, die es tatsächlich auch gab, und stellen uns vor, „früher“ sei alles so gewesen wie in dessen kurzer Regierungsspanne, verkennend, dass es der Herr selbst war, der deren Wirken zum fruchtbaren Segen werden ließ?
Der „Kontinent“, der die Zeit ab der Menschwerdung des Herrn rechnete und nach wie vor rechnet, wurde reich beschenkt und hat sich doch so oft und immer infernalischer am Ende missbräuchlich berauscht an dem, was ihm einst zur sorgsamen Pflege anvertraut war: die Sakramente, das heilige Messopfer, die Rettung der Seelen…

Wenn ich einen Wunsch äußern dürfte: ich wollte das benediktinische Europa, die Zivilisierung und Erhebung des Kontinents im „Ora et labora“ des heiligen Benedikt von Nursia wieder haben, wenn es nur ginge.

O mein Gott – welches Abendland meinen wir aber gemeinhin, wenn wir von Europa sprechen?
Oder meinen wir nur noch ein wurzelloses Konstrukt, in dem permanent Machtverhältnisse „aufgebrochen“, Konflikte inszeniert werden, um im verordneten, artifiziellen „Aufbruch“ zu sein? Dekonstruktion im Verbund mit Beschleunigung, eine Art suizidaler Euro-Buddhismus, an dessen Ende die Erkenntnis steht, dass alles Illusion war und die personale Selbstauflösung die einzige Rettung aus dem Rad des Lebens, das von Gier, Hass und Ignoranz angetrieben wird, sein kann?
Oder einen Schmelztiegel, der keinen Menschen mehr das sein lässt, was er von sich aus gerne sein wollte? Weder den Fremden noch den Einheimischen?
Europa als Falle, das mit sinnlichen Freuden lockt und hernach die armen Seelen in Kröten und hässliche Zwerge verwandelt und in seine Verließe bannt?
Ist es das, was wir meinen?
Wo ist der Einstieg in dieses wunderbare Abendland?
Die Fantasy-Literatur hat uns längst eine Flucht in die europäische „Anderwelt“ herbeigeschrieben:
Wir steigen am „Gleis Neundreiviertel“ (Harry Potter) sowohl ein als auch aus, hinein und wieder heraus aus der abendländisch-permanent-aufbrechenden Grauwelt in die fantastische, regenbogenfarbene Konsumwelt hinter dem Gleis Neundreiviertel, in der auch noch der letzte Loser gewinnt, irgendwie gewinnt, auch wenn er dazu seine Seele verkaufen muss. Er kehrt als Schwanzlurch zurück, wird zum Papiertiger umgeformt, um sich nach Schichtende schnell wieder auf Gleis Neundreiviertel zu beamen und als supertapferer und erfolgreicher Jack Sparrow-Pirat im Magic-Modus zwischen den Welten weiterzuspielen.
Zum Trost gibt es seit einiger Zeit das Spielelement der „mehreren Leben“... in Computerspielen, Fantasy- , Science-Fictionfilmen und Gothic-Ritter- oder Warrior-Cats-Romanen.
Und im Wellnesskurs um die Ecke erhält man die Einführung in Sachen Reinkarnation und Karma gratis. Weil von einem einzigen, armen Leben nichts mehr zu erwarten ist, erhalten wir die nötige spirituelle, für europäische Schwachbrüste zurecht gebürstete Unterlage, um weiterzukriechen. Irgendwie weiterzumachen. Und immerhin dürfen wir essen, trinken und sexen bis zum Abwinken. Das ist doch schon mal was.
Wir sind halbtot. Oder neundreiviertel-tot.


5. Fragen über Fragen

Ja, ich, ich habe noch viele Fragen… Sehr viele Fragen.
Aber eines steht mir deutlich vor Augen:
Der gesamte Verlauf der abendländischen Geschichte ist  - im Gegensatz zu allen anderen Erdteilen – von Anfang an apokalyptisch. Das Geheimnis der Bosheit hat hier parallel zur Entfaltung des katholischen Glaubens gewirkt – beides mit erhöhter Kraft.
Wir hatten die Wahl zwischen der reinen und erhabenen Himmelskönigin Maria und der lüsternen Prinzessin Europa.
Die Dummheit und Hübschheit der Prinzessin Europa scheint uns näher zu stehen als die Schönheit und Weisheit der Gottesmutter.
Irgendwann wird man nicht mehr nach Europa suchen.
Ob dann aber eine neue Stadt auf Erden gegründet werden kann an ihrer Stelle – das vermag ich nicht zu glauben.
Vielleicht werden sich viele wundern, dass die wahre Stadt, das himmlische Jerusalem, unsere „Mutter“, die Stadt Saras, die Gott selbst „Herrin“ – ein Vorauswurf der Jungfrau Maria - nannte, die „Freie“, eben doch nicht auf Erden, wie Johannes XXIII. es verfälschend in der Eröffnungsrede zum Vaticanum II darstellte, sondern im Himmel aufgerichtet wurde – wie es der Völkerapostel Paulus von Tarsus im Galater- und im Hebräerbrief und der reine Apostel Johannes in der Geheimen Offenbarung einst vorhersahen.

© April 2015 by Hanna Maria Jüngling

Donnerstag, 9. April 2015

Bayerisch-mediales Heckenschützentum

Nachdem ich auf eine Programmbeschwerde gegen eine Sendung im bayerischen Rundfunk am 19.2.2015 bis heute zwar eine Eingangsbestätigung, aber keine inhaltliche Reaktion erhielt, stelle ich sie der Öffentlichkeit zur Verfügung, die mit ihren GEZ-Gebühren die Sendungen des öffentlich-rechtlichen  Rundfunks ja immerhin finanziert.

Dies war die fragliche Sendung:
http://www.br.de/radio/bayern2/programmkalender/sendung985688.html 
und dies war meine Beschwerde:



Programmbeschwerde zu „radioThema APO von christlich-rechts?“ auf BR 2


Am 19.2.2015 strahlte der BR eine Sendung aus, die ich mit großer Bestürzung gehört habe. Wie jeder weiß, der meine Texte kennt, bin ich selbst kritisch gegenüber mancher innerkatholischen „konservativen“ Position!
Aber diese Sendung ist beleidigend und verleumderisch für jeden Katholiken, der der überlieferten Lehre der Kirche anhängt!
Die Sendung verletzt wesentliche Kriterien, die einem öffentlich-rechtlichen Sender geboten wären, aufs Empfindlichste:
  • die Achtung vor den sittliche, religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen des anderen
  • den Ehrenkodex seriösen Journalismus’, der auf jeden Fall eine Verpflichtung zur sauberen Recherche enthält
 In dieser Sendung verrät bereits die Überschrift – ebenso wie die einer im gleichen Zeitraum ausgestrahlten Sendung über „ultrakonservative Christen“ am 17.2. im BR 2[1] und deren Aktivitäten, anhand derer die Verfasser der Sendungen, untermalt von treibender Elektro-Tabla-Horrorfilmmusik, sich „etwas zusammenbrauen“ sehen wollen – dass von vornherein feststeht, welche Weltanschauung auf jeden Fall nicht in Ordnung ist: nämlich die „konservative“, um nicht von der Schmuddelsteigerung „ultrakonservativ“ zu reden. Beiden wird die Nähe zu einer schimärisch gezeichneten „Rechten“ unterstellt, die alleine durch den undifferenzierten Begriff suggestiv in die Nähe der Nazis gerückt wird.
Von diesen „ultrakonservativen“ Positionen, die sich da angeblich „zusammenbrauen“, wird kein präzises, sondern eher ein „gefühltes“ Bild gezeichnet.
Ausgangspunkt ist dabei die Ansicht einiger Blogger, dass sich in Europa eine demografische Katastrophe anbahne (was allerdings statistisch zutreffend ist), ein Europa ohne seine christliche Kultur keine Zukunft haben könne und die natürliche Familie zerstört werde. Die Ansicht, dass Abtreibung Mord sei und eine moderne Kultur des Todes begründet habe, wird gleich zu Beginn vorgetragen, als sei dies eine völlig abwegige Ansicht. Dabei gilt Abtreibung in Deutschland nach wie vor als gesetzeswidrig und bleibt „nur“ straffrei, was sie ethisch aber nicht aus dem Loch der Straftat hebt… Dass diese Konstruktion ethisch auf schwachen Füßen steht, ist keineswegs nur ein „konservatives“, sondern ein logisches Problem.
„Konservativ“, also tendenziell „gefährlich“, sind alle, die gegen Abtreibung, gegen die Homoehe, gegen den Genderismus sind und vor einer Islamisierung Europas warnen. Na das ist ein Pauschalpaket!  Ist es „gefährlich“, wenn Menschen sich verbal äußern? Die Sendungsmacher liefern gleich eine dramatisierende Unterstellung nach: „bis jetzt“ sei man noch friedlich… Verzeihung: solche Rhetorik ist doch ohne konkreten Grund schlicht perfide!
Nun würde man eine eingehende Darstellung der diskutierten Themen erwarten – doch weit gefehlt.
Die Sendung kommt mit Schlagworten und wenigen, polemisch und teilweise sogar zynisch vorgetragenen (s.u.) rhetorischen Schachzügen mithilfe dreier einseitiger „Experten“ aus, die auch gleich noch im Falle Christiane Florins als „Opfer“ beleidigender „Hassmails“ von „rechts“ ausgewiesen wurden, die unterschwellig nun der gesamten „fundamentalistischen Szene“ zugeordnet werden. Ich kann aber jedem bestätigen, selbst als Autorin auch solche „Hassmails“ zu bekommen, und zwar von „Links und Rechts“.
Flugs wird auf diese Weise aber so dargestellt nur das nicht weiter differenzierte „fundamentalistische“ Lager als Hort von Hassmails und verbalen Schmähungen dargestellt. Das ist Hetzstil, tut mir Leid. Wer dies so präsentiert, will suggestiv die persönlich abgelehnte Position skandalisieren.
Die nicht nur „konservativen“, sondern sachlich-kritischen Standpunkte zum Genderismus werden weder vorgetragen noch wird überhaupt sachlich korrekt vorgetragen, was Gendermainstreaming ist. Mehrfach wird in geradezu dümmlicher Verkürzung behauptet, die Bundesregierung habe doch geschrieben, dass es dabei „nur“ um die „Gleichstellung von Mann und Frau“ gehe.
Nun ist der Genderismus eine Ideologie, die keineswegs „nur“ eine Gleichstellung von Mann und Frau anstrebt. Die Genderphilosophie nimmt die Setzung vor, dass die sexuelle Komplementarität, von der die gesamte Menschheit in allen Kulturen aufgrund der biologischen „Normalität“ hinsichtlich der Fortpflanzungsfähigkeit immer und überall ausging, ein bloßes soziales Konstrukt sei. Das Geschlecht gebe es gewissermaßen nicht wirklich, zumindest nicht als etwas, das ich an mir vorfinde und annehmen müsste. Die Genderphilosophie geht davon aus, dass das soziale Geschlecht das biologische Geschlecht gewissermaßen in sich aufhöbe, was die natürlichen Phänome ignoriert und ideologisch annullieren will. Die Genderideologie spricht dem Individuum das Recht und die Möglichkeit zu, es könne sein Geschlecht, das ja nur sozial existiere, lebenslang wandeln, befinde sich also auf einer Achse zwischen den zwei Extremen „männlich“ und „weiblich“ nach selbstbestimmter Entscheidung an der Position, die es sich aktuell jeweils wünscht. Die Rede von einem Entweder-Oder wird daher überall getilgt. Jeder Verweis auf das „extreme“ natürliche Geschlecht wird als politisch nicht mehr korrekt betrachtet. Erzwungene Sprachregelungen wie „Elter 1“ und „Elter 2“ auf Behördenvordrucken, Probleme mit der Beschriftung von WC-Türen und überhaupt einer Geschlechtertrennung beim Toilettengang und ähnliche Abstrusitäten sind doch inzwischen in aller Munde und sorgen für Lachstürme hinter vorgehaltener Hand.
Sämtliche „ultrakonservative“ Kritik an dieser Philosophie bezieht sich auf deren sachlich fragwürdige Prämissen ebenso wie auf deren Folgen für das politische und soziale Leben, die doch durchdacht und einem breiten Diskurs ausgesetzt werden sollten, bevor man sie installiert.
Aber was rede ich: die Autoren der BR-Sendung waren nicht willens oder nicht kompetent genug, etwas Sachhaltiges zu dem Thema zu sagen, obwohl sie andererseits zu den Themen erheblichen Meinungsdruck ausüben…
Am Gendermainstreaming üben sogar feministische Organisationen offene Kritik (vgl. dazu http://de.wikipedia.org/wiki/Gender-Mainstreaming). Und Medien, die gewiss nicht im Verdacht stehen, „ultrakonservativ“ zu sein, berichten über das Phänomen erheblich differenzierter als diese Sendung im BR – zum Beispiel der „Spiegel“: http://www.spiegel.de/spiegel/a-457053.html

Die Frage nach der Homoehe und einem Adoptionsrecht Homosexueller wird nicht einmal präzise genannt in der Sendung. Davon handeln die derzeitigen Proteste vonseiten der „Konservativen“ und „Fundamentalisten“ aber doch!
Die „Ultrakonservativen“ werden wie Personen hingestellt, die generell und in unethischer Weise Homosexuelle ablehnten.
Nun hätte ein Blick in die entsprechende Literatur ausgereicht, um dies differenziert zu verstehen und darzulegen.
Die Gründe, warum Menschen Bedenken gegenüber einer Gleichstellung homosexueller Beziehungen mit einer klassischen Ehe haben, sind vielfältig. Und nicht alle dieser Bedenken entspringen automatisch rechtradikalem Gedankengut!
Dass in einer immer noch stark christlich geprägten Gesellschaft die ursprüngliche christliche Position vertreten werden darf und soll, die von der Schöpfungsordnung ausgeht, im übrigen sogar – was die Beteiligung von Mann und Frau am Schöpfungsakt Gottes betrifft - von den Muslimen genauso geteilt wird, sollte in einer Demokratie doch „normal“ sein, ohne dass man als eine politische „Gefahr“ diskriminiert wird!
Hinzu kommt, dass niemand bisher fundiert und wissenschaftlich vernünftig und neutral über Homosexualität geforscht hat! Niemand konnte zeigen, woher diese Neigung oder Orientierung überhaupt kommt. Solange dies im Dunkeln bleibt, muss man die Vorbehalte aller überlebensfähigen Zivilisationen, die wir von alters her kennen, wenigstens ernst nehmen. Die Scheu vor der Homosexualität entsprang u.a. langen und komplexen Erfahrungen der Menschheit. Müssen wir wirklich das Rad neu erfinden?
Die Kirche hat Mitgefühl und Respekt vor homosexuell empfindenden Personen gefordert, aber darauf hingewiesen, dass keine wissenschaftlichen und sachlichen Ergebnisse hinsichtlich des Phänomens vorliegen, also auch keine voreiligen, weitreichenden Schlüsse gezogen werden dürfen! Insbesondere die Frage nach den Folgen für die Kinder, die in gleichgeschlechtlichen Gemeinschaften aufwachsen, sind nicht neutral und sozialwissenschaftlichen Kriterien entsprechend beforscht worden. Um diese Frage zu beantworten, bedürfte es groß angelegter Langzeitstudien, für die sich die Politik jedoch keine Zeit nehmen will. Es ist nicht „ultrakonservativ“, wenn man an solche unverantwortlichen Vorgehensweisen Fragezeichen setzt. Damit nimmt man auch keinem Homosexuellen irgendwelche „Rechte“. Denn erstens es gibt kein „Recht auf Kinder“. Und zweitens ist ein Homosexueller aufgrund der Phänomenologie seines Standes natürlicherweise nicht fruchtbar. Es ist also sein Stand selbst, der ihn kinderlos sein lässt und nicht die „Gesellschaft“. Insofern besteht keinerlei drängender Handlungsbedarf in dieser Frage.

Immer wieder lästert der Sendungstext über die von Christen und „Rechten“ als „Meinungsdiktatur“ beklagte Situation in der zeitgenössischen politischen und medialen Landschaft, bestätigt aber durch ihren eigenen Hetzstil das beklagte Faktum geradezu perfekt.
Das ist in der Tat eine schwere Verletzung demokratischer Grundrechte und qualifiziert diese Sendung als das, was sie anderen so vollmundig vorwirft: nämlich „demokratiefeindlich“ zu sein.

Bestürzend ist der Zynismus, mit dem die OBJEKTIVE WELTWEITE Christenverfolgung abgetan wird. In allen weltlichen, auch „linken“ Medien können wir es doch lesen und hören, dass die Zahl der verfolgten Christen täglich wächst. Die Sendung stellt dies jedoch hin, als sei es eine „Erfindung“ der „Ultrakonservativen“. Das ist perfide und zynisch!
In Syrien, im Irak bzw. dem IS, in Saudi-Arabien, im Sudan, in Pakistan, in Ägypten – um nur einige zu nennen, werden Christen ermordet, schikaniert, ihre Kirchen angezündet, ihre sozialen Einrichtungen geschleift, Frauen – ja insbesondere Frauen (!) – werden angeklagt, wenn sie konvertieren oder gar einen Christen heiraten, zum Tode verurteilt, christliche Frauen werden unter Gewaltandrohung gezwungen, den Schleier zu tragen. Hass und Terror sind Alltag in allen islamischen Ländern. Und natürlich sind nicht die einzelnen muslimischen Menschen schuld! Nach der Charlie Hebdo-Demo in Paris wurden in Niger in aller Stille unzählige Kirchen zerstört: der liberale Westen lässt sich seine Freiheit also inzwischen von den Christen brauner Hautfarbe bezahlen, die an seiner Statt gestraft werden im Namen einer Religion, deren Konto man vor lauter politischer Korrektheit nicht überprüfen darf… vielmehr werden die Opfer auch noch als bloße „Erfindungen“ geschmäht. Wie großspurig geht eine Sendung wie die im BR über diese grausamen Ereignisse hinweg… http://www.zeit.de/news/2015-01/19/niger-45-kirchen-in-nigers-haupstadt-niedergebrannt-19130803
All das sind keine Erfindungen, sondern objektive Zahlen und Fakten. Über die Verfolgungslage der Christen in der Welt berichten gemäßigte, „mittige“ Medien, wie z.B. hier: http://www.welt.de/politik/ausland/article136091215/Wo-der-Hass-auf-Christen-besonders-gross-ist.html
Die Sendungsmacher stellen die Zahlen von „Open Doors“ auf eine suggestive Weise als unglaubwürdig hin, beweisen allerdings nicht, wieso diese Zahlen nicht glaubwürdig sein sollten! Was nicht sein kann das nicht sein darf! Ist das seriöser Journalismus?
Es ist in jedem Fall eine Verletzung der Sorgfaltspflicht jedes seriösen Journalismus!
Stattdessen machen sich die Autoren der Sendung lustig über die Sorge westlicher Christen um die verfolgte Christenheit auf anderen Kontinenten sprechen von „angeblich“ verfolgten Christen. Dabei sprechen doch alleine die hohen Flüchtlings- und Opferzahlen verfolgter Christen ihre eigene Sprache! Nach einem Bericht des Journalisten Klaus Blume vom 15.2.2015 ist in Berlin inzwischen die Dreifaltigkeitskirche komplett eine Gemeinde geflüchteter, konvertierter Christen aus islamischen Ländern mit Hunderten von Mitgliedern. Und sie wurden selbst hier in Asylantenheimen teilweise von Muslimen als Apostaten schikaniert. Alles Erfindungen der „Ultrakonservativen“? Wie kann man die Augen vor fremdem Leid nur so kaltschnäuzig verschließen!
An einer Stelle führen sie als Argument an, schließlich würden die Christen nicht beachten, dass die meisten, die durch den Islam getötet würden, Muslime seien, was ein geradezu rassistisches Argument ist!
Machte das etwa die Sache „harmloser“, wenn mit islamischen Parolen noch mehr Muslime als Christen ermordet und schikaniert würden?
Die Autoren der Sendung verwischen davon abgesehen die Differenz zwischen Kriegs- und Terroropfern und Opfern gezielter ethnischer oder religiöser Verfolgung! Wenn in Paris wegen Charlie Hebdo auch Juden und Muslime ums Leben kamen, ging es dabei nicht drum, Juden und Muslime zu töten! Hier ging es um „Rache“ an CH in Form eines „Amoklaufs“, dessen Opfer naturgemäß wahllos sind. Das ist also etwas anderes als die Verfolgung einer bestimmten Religion. Wie sind solche erschreckenden inhaltlichen und journalistischen Abstürze in die totale Begriffsverwirrung beim bayerischen Rundfunk nur möglich!?
Ausgeblendet wird auch, dass vom Islam gemäß Scharia nur der Muslim ausdrücklich verfolgt werden darf, der vom Glauben abgefallen ist. Kein Muslim verfolgt einen rechtgläubigen Muslim als Muslim!
Dementsprechend leben in Europa viele vom Glauben abgefallene Ex-Muslime unter Polizeischutz. Ist das auch nur eine „Erfindung“ der „Ultrakonservativen“?
Auch die spärlichen Hinweise auf die historischen Beziehungen zwischen dem Abendland und dem Islam sind parolenhaft und nicht sachhaltig. Die Auseinandersetzungen zwischen dem Abendland und der islamischen Welt sind nicht vom Himmel gefallen und haben eine lange, sehr lange Geschichte. Immerhin standen muslimische Heere fast 1000 Jahre lang an den Grenzen Europas in Eroberungsabsicht. Bevor man, wie das in der Sendung geschieht, dem Hinweis darauf „Verzerrung“ unterstellt, sollte man vielleicht doch mal ein Geschichtsbuch aufschlagen, am besten vielleicht sogar die Quellen ansehen… In Baden zeugen heute noch viele Kirchen vom Ringen mit dem Islam – wie oft war die Muttergottes angerufen worden, die Türken doch abzuwehren, und dankbar leistete man ihr Gelübde, baute ihr Altäre und Wallfahrtskirchen, da sie geholfen hatte? Wie geschichtsvergessen muss man sein, um dies als „fundamentalistische“ Verzerrung dazustellen?  

Unters Messer der Sendung kommen neben verschiedensten privaten Bloggern auch einige altgediente Journalisten und Autoren und freie Schriftsteller, die im Gegensatz zu dieser Sendung mit sachhaltigen Argumenten aufwarten können, wie Matussek, ein weiterer Journalist vom Deutschlandfunk, dessen namen ich nicht „abgespeichert“ habe und katholische Autoren wie Kuby, Küble oder Kelle. Sie werden als „vernetzt“ dargestellt, womöglich noch als „naiverweise“ mit der politischen „Rechten“. Das ist nichts Geringeres als eine Verschwörungstheorie!
Es ist nicht in Ordnung, dermaßen schlecht recherchierte und tendenziöse, verleumderische und angesichts der weltweiten realen Verfolgung und Ermordung vieler Christen menschenverachtende Sendungen mit öffentlichen Mitteln auszustrahlen! Ich bin nicht damit einverstanden!               

Hanna Jüngling am 5.3.2015

Donnerstag, 26. März 2015

Das verschwundene Opfer

Das verschwundene Opfer

Manchmal denke ich: Und wenn schon, was soll es? Wenn die "wiederverheiratet Geschiedenen" zur Hl. Kommunion gehen - und das tun sie in großer Zahl mit Billigung der Priester schon lange im Novus Ordo Pauls VI. - na und? Folge ich nicht denjenigen, die nachweisen, dass der Novus Ordo sakrilegisch ist? Dass er ein Messopfer vorspiegelt, das keines mehr ist und auch keines mehr sein will und soll? Spricht denn noch einer im Ernst heute vom "Heiligen Messopfer", wenn er die "Eucharistie" oder den "Tisch des Herrn" benennt? Sprach Paul VI. noch davon, als er den ganzen Kanon zerbrach und verformte und aus den ehemaligen "Wandlungsworten" nur mehr gewöhnliche "Herrenworte" machte? 
Die Sprache ist immer präzises Zeugnis dessen, was man meint. Nein - es ist nicht der Ton, der die Musik macht, sondern die Worte selbst geben Auskunft über das Gemeinte. Sie und nur sie. Der Ton ist allenfalls Zugabe. Ohne die zugrundeliegenden Worte ist der Ton nicht aussagefähig.

Wenn also die "Eucharistiefeier" im Bruch-Ordo Pauls VI. nicht das Hl. Messopfer ist, ist es ergo auch völlig gleich, ob Leute, die in schweren Sünden bewusst und willentlich verharren, dorthin gehen. Und es ist noch viel gleicher, ob darüber nun erbittert in Rom und anderswo debattiert wird und ein "Kardinal Kasper" vorgeschoben wird, in dessen Windschatten ein "Papst" namens F. nur das umsetzt, was logisch aus der gesamten Situation folgt: nämlich zu sagen, dass es gleich ist!

Es ergibt überhaupt keinen Sinn, in einer brennenden, anarchischen Stadt darum zu kämpfen, beim Gang ins Theater nur ja adrett gekleidet zu sein!

Als ich heute morgen im Schott die Lesung für den Donnerstag nach dem Passionssonntag (also heute) las, dachte ich, es sei die Rede von uns (Dan. 3):

"Herr, unser Gott, (...) wir sind erniedrigt worden unter alle Völker und gedemütigt auf der ganzen Erde um unsrer Sünden willen. Wir haben zurzeit weder Fürsten noch Führer noch Propheten; weder Brandopfer, noch Schlachtopfer, noch Speiseopfer, noch Rauchopfer, noch eine Stätte, an der wir Dir die Erstlingsopfer darbrächten. (...) Aber mit zerknirschtem Herzen und mit gebeugtem Geiste möchten wir von dir angenommen werden."

Das tägliche Opfer ist im Prinzip, von privaten Ausläufern abgesehen, verschwunden und verschwindet immer mehr. Die einen, die es feiern, sind zweifelhaft - im Novus Ordo - geweihte Priester. Die anderen sind sowohl zweifelhaft geweiht als auch Zelebranten einer sakrilegischen Messe. Und wieder andere sind zwar im alten, sicher gültigen Ritus geweiht, feiern aber die gültige, heilige Messe in der Rückbindung an den häretischen "Papst". Nur ganz wenige sind gültig in den überlieferten Riten geweiht, feiern den überlieferten Ritus und binden sich ausdrücklich nicht an häretische Hierarchen.
Da bleibt nicht viel übrig.
Die Welt wird kälter mit jedem Tag.

Es ist auch vollkommen nutzlos, sich in äußerlichen Pracht-, "Demuts"- und Frömmigkeitsübungen zu ergehen, wenn man mit ihrer Hilfe die Irrigkeit des Rahmens glaubt "retten" zu können, innerhalb dessen man all diese inzwischen anachronistischen und sinnlos und ruinös gewordenen, einstudierten Oberflächlichkeiten pflegt: Pontikalämter mit Kardinal Burke, der eine meterlange Schleppe hinter sich herzieht wie eine Märchenprinzessin, die v.a. die längst verlorene weltliche Macht der Kirche evozieren, die Meinung, man könne durch die ästhetische Pflege der Gregorianik auf Hochschulniveau in einer toten "Kirche" den Glauben wieder herbeisingend erwecken, allerhand krampfhaftes, unnatürliches und rein äußerliches Demutsgehabe, das die Gebräuche vor dem Vaticanum II sehr weit übersteigt und nicht nur subjektiv, sondern mit dem Impetus der allgemeinen Forderung vollzogen wird (Kniebeugen und Knien mehr als je zuvor; selbst bei Rosenkranzgebeten, die dadurch im Alltag verleidet werden; Mantillen; überzogene Fasten- und Gebetsgebote, die den Menschen von den ehemaligen Geboten der Kirche abhalten, in der Arbeit schwächen und aufs rein Physische richten; etc. etc.). Alle diese äußeren Dinge fließen ja nicht aus einer bestimmten Herzenshaltung oder offiziellen Wirklichkeit der Kirche, sondern sollen sie überhaupt erst "wiederbeleben", werden also mit einer esoterischen Einstellung angewendet.

Es ist eine Art postmoderne "Kirchentheaterkultur" entstanden. Man verkleidet sich für die prachtvoll gefeierte Museumsmesse, zelebriert alle möglichen, in ihrem Sinn nicht mehr verständlichen, außerliturgischen Gesten und kehrt anschließend in den Alltag zurück, in dem man sich entweder aufgrund eines immer größeren Realitätsverlustes nicht mehr zurechtfindet oder macht es wie die LARP-Darsteller: Man wirft die ganzen altertümlichen Stoffhosen und die hausbackenen Röcke samt den spacigen Mantillen in die Ecke und staffiert sich erst mal wieder fürs wirkliche Leben in der Welt mit Jeans und Mini aus.
Ein schizophrenes, manieriertes Theater, das den Glauben zum ästhetischen Schau- oder Zwangserlebnis macht.
Und das Schlimmste dabei ist, dass die Laiendarsteller es ebenso wie die hauptamtlichen Schauspieler nicht begreifen und diesen Zirkus für das nehmen, was einmal "Tradition" war. Man ist auf dem Level eines Trachtenvereins angekommen. Man kleidet sich "wie früher", singt und tanzt "wie früher", klebt sich womöglich noch Zöpfe an, aber danach kehrt man zurück ins Heute mit all seinen Attributen und bekommt die beiden Welten nicht mehr zusammen.

Man glaubt, mit der Staffage einer fantastischen "Tradition" ein "schönes Zeichen" setzen zu können (wird meist hinsichtlich der ehedem nur regional verbreiteten Sitte der Mantilla so vorgetragen, was symptomatisch ist für die verkehrte Geisteshaltung der Traditionalisten), bleibt aber bei der sachlichen Nachfrage: "Ein Zeichen wofür und für wen eigentlich?" eine vernünftige Antwort schuldig. Und das kann auch gar nicht anders sein, lebt doch unser Glaube nicht von "Zeichen", sondern aus Christus, der kein Stoffstück, sondern der lebendige Gott ist. Hinzukommt, dass den Zeichensetzungen der Laienschaft ohne die Hierarchie kein Gelingen verheißen ist - schöne Zeichen hin oder her! Werden diese Zeichen nicht belebt von oben her - und das geht nur über die Hierarchie - sinken sie ab auf das Niveau magischer, selbstfixierter Utensilien.

Und je "heutiger" sich der Papstdarsteller in Rom selbst entlaubt, desto verbissener klammern sich die Traditionalisten an ihre musealen oder neu erfundenen, ästhetischen Gebräuche, weil sie hoffen, man könne einen Toten, dem man duftende, wohlschmeckende Nahrung zwischen die steifen Kieferbacken zwängt, zum Leben erwecken. Es ist eine seltsame Fantasy-Feen-Elfen- und Mittelalter-LARP-Szene...

Es geht aber nicht nur darum, die "Messe aller Zeiten" in den richtigen Kostümen zu feiern! Es geht darum, dass dieses heilige Opfer von Christus her in der rechten Weise abgeleitet wird. Zu dieser rechten Weise sollte eigentlich zentral ein wahrer "Heiliger Vater" gehören.

Unsere Alternative ist:

1. Wir leiten das Hl. Messopfer im überlieferten Ritus von irrgläubigen Kirchenbesetzern ab (das tun alle konzilskirchlichen Traditionalisten und die Priesterbruderschaft St. Pius X.), aber dann ist es keine katholische Messe mehr.

2. Wir leiten das Hl. Messopfer im überlieferten Ritus von der Kirche ab, von Christus, der aber momentan keine stellvertretenden Hirten hat, verweigern dem häretischen Papst und den Bischöfen, die ihn anerkennen (und das sind alle amtskirchlichen Bischöfe!) die Nachfolge und sagen: wir haben z.Zt. -  wie oben Asarja - keinen Papst, keine Fürsten und Führer.

Was den letzteren Punkt betrifft, sagen manche: Dann kann man ohne Jurisdiktion auch das Hl. Messopfer nicht mehr feiern. 
Ein gültig geweihter Priester kann es sehr wohl feiern, wenn er eine kirchliche Jurisdiktion, die aktuell ausfällt, dennoch in potentia annimmt.
Solange es also gültig geweihte Priester gibt, können noch solche Hl. Messopfer, abgeleitet von der potentiellen Jurisdiktion, die man weder ersetzen will noch für überflüssig hält, zelebriert werden.


Mit Asarja sagen wir: "Aber mit zerknirschtem Herzen und mit gebeugtem Geiste möchten wir von dir angenommen werden." 

Dom Guéranger sah diese Situation vor sich, als er Mitte des 19. Jh schrieb (Dom Prosper Guéranger: Die Heilige Messe, Stuttgart 2004 nach der deutschen Ausgabe von 1884, Mainz)

"(...) es ist erforderlich in diesem (rechten) Glauben zu sein, um in der Zahl derer, welche die heilige Kirche erwähnt, begriffen zu werden. Man muss rechtgläubig, orthodox sein. (...) Aus diesen von der heiligen Kirche angewendeten Ausdrücken erhellt, wie sehr verschieden die heilige Messe von irgend einer Privatandacht ist. Sie geht allen andern vor, und ihre Intentionen müssen respektiert werden. (...) (S. 78)

Er hatte an dieser Stelle die Eingebung, sich auszumalen, was es heißen würde, wenn diese Einheit des Glaubens verletzt würde:

" (...) wenn es möglich wäre, dass das Messopfer einmal zu Ende ginge, dass es der Flamme gleich, die keine Nahrung mehr findet, erlösche, dann würden wir sofort aufs Neue in jenen unwürdigen Zustand zurücksinken, in welchem sich die mit dem Götzendienst befleckten Völker befanden. (...) (S. 79)

Dom Guéranger sieht es förmlich vor sich, wie sehr der Mensch des Verderbens dieses Heilige Messopfer und die, die es vollziehen können, nämlich die Priester, hasst:

 "Darauf wird auch das Streben des Antichrist gerichtet sein. Er wird alle Mittel anwenden, um die Darbringung des heiligen Messopfers zu verhindern, damit dies mächtige Gegengewicht gegen seine Herrschaft in Wefall komme, und Gott die Schöpfung vernichte (...) Das ist der Anfang dessen, was geschehen wird, wenn der über die Erde entfesselte Teufel und seine Anhänger Verwirrung und Trostlosigkeit verbreiten; (...) Er wird die Weihen verhindern, die Priester aussterben lassen, und so der Darbringung des großen Opfers immer engere Grenzen ziehen. dann aber kommen die Tage des Unglücks." (S. 79)

Was er nicht sehen konnte ist die Tatsache, dass auch das Heilige Messopfer total zerstört und durch eine billige, sakrilegische Nachäffung ersetzt wurde, deren innere Gesetzlosigkeit immer mehr auch äußerlich sichtbar eskaliert in den von manchen besorgten Katholiken als  horrores missae bezeichneten Exzessen, die heute in fast allen Pfarrkirchen schlimme Realität geworden sind.

Das Heilige Messopfer, in der rechtmäßigen Weise abgeleitet von Christus selbst über den Papst und die Kirche, ist das eigentliche Hindernis, das das Offenbarwerden des Antichristen bislang aufhalten konnte. In ihm wird die Menschwerdung Christi bezeugt und gefeiert. Der Antichrist aber leugnet, dass Christus der Sohn Gottes ist, der ins Fleisch gekommen ist.

Kardinal Manning ahnte ebenfalls schon im 19. Jh, dass das Heilige Messopfer als Inbegriff der Menschwerdung Gottes angegriffen werden würde (Heinrich Eduard Manning: Der Antichrist oder die gegenwärtige Krise des heiligen Stuhls im Lichte der Weissagung betrachtet. Regensburg 1861):

"(...) Seit der Gründung des christlichen Europa (...) hat die Ordnung der Welt auf der Menschwerdung unseres Herrn Jesus Christus beruht. Aus diesem Grunde (wird alles, wonach) wir unsere Tage datiren, (...) von dem "Jahre unsers Herrn" an gerechnet. (...) Diese Gesellschaft aber, die auf die Menschwerdung Gottes gegründet ist, ist der Zustand, unter welchem wir bisher gelebt haben. Ich glaube aber, daß wir nun denselben verlassen. (...)" (S. 63)

Unter Bezugnahme auf die krampfhafte Meinung reaktionärer Katholiken, man müsse mit Zwang und Gewalt die alten Ordnungen aufrechthalten, distanziert er sich jedoch von deren falscher Meinung und führt weiter aus:

"Ich spreche nicht gegen dieses (Anm. HJ: den säkularen Staat). (...) Ich führe es als Tatsache an. Ein großer Theil jeder Nation (...) besteht aus jenem Volke, das die (...) Menschwerdung leugnet." (S. 64)

Und noch einmal bekräftigt er, dass es ein schwerer politischer Fehler ist, die christliche Ordnung einem widerspenstigen Volk aufzuzwingen:

"Ich sage nicht, dass die politische Verfassung eines Landes aufrecht erhalten werden solle, nachdem der Zustand eines Volkes dies moralisch unmöglich oder schwierig macht. Dies ist die fürchterliche Nothwendigkeit. (...) Wenn ein solcher Zustand nicht ohne Gewalt aufrecht erhalten werden kann, muss er aufgegeben werden. Ecclesia a sanguine abhorret." (S. 65)

Kardinal Manning sieht hier bereits die Erfolglosigkeit und selbst antichristliche Monstrosität zukünftiger klerikalfaschistischer Empörungen voraus:

"Es ist nicht der Geist der Kirche, politische Probleme durch blutige Gesetze aufzudrängen, oder die Leute durch die Anwendung der physischen Macht zu zwingen. Aber größer ist das Elend für ein Volk, das den Glauben an die Menschwerdung so verloren hat, daß es nothwendig ist, die christliche von der Vorsehung Gottes eingesetzte Ordnung aufzugeben. Allein so ist der Zustand der Welt beschaffen, und diesem Ende treiben wir rasch entgegen." (S. 66)

Von einer Idealisierung der älteren Ordnungen war Manning jedoch ebenfalls weit entfernt. Er setzte die politische Ordnung im Groben nicht einfach in eins mit einem göttlichen Zustand. Seine Beurteilung der Geschichte des christlichen Europa ist interessant und lehrreich und lässt besser verstehen, wieso es der Papst - trotz aller Exzesse auch in der Kirche - und das Heilige Messopfer waren, die den Antichristen aufhielten:

"Man erzählt uns, der Aetna habe einhundertsechzig Krater. Außer den zwei Oeffnungen, die miteinander den unermeßlichen Krater bilden, der gewöhnlich so heißt, ist er auf allen Seiten durch Kanäle und Mündungen durchlöchert, durch welche in den vergangenen Jahrhunderten die Lava von Zeit zu Zeit durchbrach. (...) Die Kirche ruht auf der Basis der natürlichen Gesellschaft, auf den Grundlagen des alten römischen Reiches, auf der Civilisation der heidnischen Völker der Welt, die befestigt, erhoben, bewahrt, umgewandelt und geheiligt wurden durch die Wirksamkeit des Glaubens und der Gnade. Die Kirche Gottes ruht noch auf jener Grundlage, aber unterhalb der Kirche ist beständig das Geheimniß der Bosheit wirksam, das bereits in den Zeiten der Apostel thätig war (...) Was ist all dies anders als der Geist der Gesetzlosigkeit, der sich gegen Gott und den Menschen erhebt,  - das Princip des Schisma, der Häresie und des Unglaubens, das in Eine Masse zusammenläuft und sich überallhin ergießt, wohin es sich seinen Weg bahnen kann, indem es allenthalben, wo die christliche Gesellschaft schwach wird,  sich Krater öffnet für seinen Strom? Und wie dies seit Jahrhunderten fortgegangen ist, so wird es fortgehen, bis die Zeit kommen wird, "wo das, was aufhält, weggeräumt sein wird"." (S. 66 f)

Es ist auch bei Kardinal Manning vollkommen ersichtlich, dass dieses, "was weggeräumt sein wird", im Kern der Papst und das Heilige Messopfer sein müssen. Denn sie beide stehen für die Menschwerdung des Sohnes Gottes und Sein heiliges Opfer.

Bedenken wir, dass ich hiermit Stimmen aus der Mitte des 19. Jh zitiert habe, die bereits konkret und ernsthaft mit dem Ende umgingen, das kommen muss. Auch wenn uns dieses Ende nicht wie fühllosen Puppen verhängt ist, sondern wie Menschen, die ihr geistliches Ja oder Nein dazu sprechen können, kann doch nach der Prophetie dieses Ende ebenso wenig aufgehalten werden, wenn Gott es zulässt, wie die Kreuzigung Jesu Christi verhindert werden hätte sollen oder dürfen. 

Nimmt man das Bild Kardinal Mannings wortwörtlich, ist die Rolle des Papstes tatsächlich die eines Steines, eines Felsens, der den eigentlichen Felsen und Eckstein Christus für den ganzen Erdkreis stellvertretend sichtbar macht. Dieser Fels ist auf dem Abgrund des Kraters und hielt den "Mega"-Ausbruch der Lava immer noch zurück. Die Kirche ist also geistlich im Ganzen zwar ganz und gar sicher auf Christus gegründet, aber in der Welt steht sie sichtbar wie auf dem Abgrund der Hölle. Ohne den Felsen, den menschgewordenen Sohn Gottes und seinen Stellvertreter, wird sie als sichtbare Kirche nicht die Kraft haben, deren Lavaeruptionen zurückzuhalten.

Nun hat aber schon zuvor die Christenheit, insbesondere in ihren Klerikern und Fürsten als den Verantwortlichen, immer wieder kleinere Eruptionen hervorgerufen. In all diesen Exzessen war das Ende schon spürbar.

Man mag sagen: Ja, das haben Menschen immer gedacht, dass das Ende nahe ist. 
Das ist sicherlich wahr! Denn es war ja immer nahe!

Aber diese beiden Merkmale, die ich hier abhandle, waren bis vor wenigen Jahrzehnten noch nicht gegeben, wurden aber von Zeitgenossen kurz vor der Eruption des Vaticanum II, das wiederum nach den Eruptionen der Oktoberrevolution und des faschistischen Sturmes über der ganzen Welt geschah und eine Fortsetzung der blutigen und geisttötenden Revolutionen, denen natürlich fast immer großes Unrecht vonseiten der Mächtigen vorausgegangen war, über den ganzen Weltkreis nach sich zog, bereits klar erkannt und vorausgesehen.

Niemand belüge sich daher selbst!
Es sind apokalyptische Zustände, in denen wir leben. Und mit ein bisschen Museumsmesse in einer Kotkirche, die bereits Hildegard von Bingen voraussah (in "Scivias"), ein wenig Püppchenspielen mit Mantilla und einstudiertem Demutsgekungel unter gregorianischer Filmmusik wird man der Situation nicht gerecht, sondern verspielt die Aufmerksamkeit der Seelen, wie es mir scheint, für das, was sich abspielt. 
Das Ende vom Lied ist, dass man sich an den geistigen Exkrementengeruch so sehr gewöhnt hat, dass man ihn für Weihrauch-Wohlgeruch hält und glaubt, durch bestimmte Klamotten darüber hinaus sowieso auf der richtigen Seite zu stehen. Diese Verwechslung des Gestanks mit Wohlgeruch wird am deutlichsten in der Verkehrung des katholischen Gehorsams gegenüber dem rechten Papst in allen Dingen hin zum anarchischen Widerstandsprinzip.

Ich will selbstverständlich auf gar keinen Fall damit prinzipiell etwas gegen die Gregorianik oder andere überlieferte Gebräuche oder anständige Kleidung sagen. Es geht mir um die Nachrangigkeit dieser Themen angesichts der Grundsatzfragen, die heute im Raum stehen.
Isoliert in einer "Afterkriche", wie die selige Katharina Emmerick das nannte, können diese äußeren, im guten Zusammenhang sicher gesunden Formen zwingend nur zu Fetischen und Ablenkungsspielen werden. 

In diesem Zusammenhang muss man auch die Tatsache, dass so viele Katholiken, darunter Kardinäle, erst angesichts der Frage nach dem 6. Gebot aufwachen und meinen, "Widerstand" leisten zu müssen, kritisch werten: Warum regt sich der Verstand erst beim 6. Gebot? Warum schlief er selig weiter, als das 1. Gebot endgültig 1970 mit der Liturgiereform eine blutende Wunde erhielt? Das 6. Gebot halten auch die Heiden, sexuelle, also rein leibbezogene "Reinheit" ist ein Lieblingsthema vieler Religionen, deren Götter Dämonen sind - das macht noch längst keinen Katholiken!

So bitter es ist: Wir können nicht zurück in eine Zeit, die es nicht mehr gibt und in der idealisierten Form auch nie gab. Jesus hat uns zu etwas ganz anderem aufgerufen:

"Wenn (all) das beginnt, dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe. (...) Nehmt euch in Acht, dass Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags euch nicht verwirren und dass jener Tag euch nicht plötzlich überrascht,
(so) wie (man in) eine Falle (gerät); denn er wird über alle Bewohner der ganzen Erde hereinbrechen.
Wacht und betet allezeit, damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen und vor den Menschensohn hintreten könnt.(...)" (Lk 21)

Nach den Worten Jesu hilft uns nur eines aus der Not: Wachen und Beten.
Aufpassen, genaues Beobachten und nüchternes Nachdenken ohne Sophistereien und innere und äußere Verrenkungen. Die Alltagsdinge unbedingt zurückstellen!
Und assoziiert mit dem aufmerksamen Beobachten und Nachdenken nennt der Herr das Gebet. Auch das Gebet soll nüchtern und ohne äußere Verrenkungen geschehen. Nüchternheit. Keine "Trunkenheit", kein "Rausch"! Auch kein frommer traditionalistischer "Rausch"! Keine charismatische "Trunkenheit"! Wissen darum, dass diese Welt vergehen wird und mit ihr liturgische Prachtgewänder, unsere gekonnten Gesänge, der Petersdom und all diese materiellen Dinge, denen der Traditionalismus eine so überaus esoterische Rolle zuspricht vor Gott. Das einzige materielle Ding, der Leib Christi im allerheiligsten Altasakrament, das vor Gott zählt, ist zerbrochen und auf den Sperrmüll gestellt worden. Und die, die es nachts von seinem Platz zwischen dem Trödel "gerettet" haben, haben es nicht an den rechten Ort gestellt. Denn, wie Asarja betet, haben wir keine
"Stätte, an der wir das (...) Opfer (in Einheit mit einem echten Papst in actu) darbrächten".

Das rechte Opfer, das wir bringen können, war und ist immer noch der zerknirschte Geist und eine über die eigene Sünde betrübte Seele und nicht der äußere Kniefall und schon gar kein spezielles Kleidungsstück. Ist die innere Haltung richtig, wird sie auch organische und glaubhafte äußere Formen annehmen. Die äußere Form aber hat schon das Pharisäertum in ein antichristliches Lügengespinst verkehrt. Ganz besonders gerne beim 6. Gebot...

Eine Katastrophe ist die Geste vieler Traditionalistenpriester, die Gläubigen, insbesondere Frauen, mehr oder weniger herablassend belehren zu wollen, wo sie selbst keinen Lehrer mehr haben und ihresgleichen uns die große Apostasie überhaupt erst eingehandelt hat... niemand also unbesehen um seines eigenen Seelenheiles willen einem Priester, nur weil er Priester ist und großartig tut, mehr trauen kann. Wir müssen uns alle gegenseitig mehr als je prüfen und Distanz halten. Es hilft nichts. Der Leib Christi kommt durch all diese Ereignisse zum "vollen Alter", zur "Erwachsenenreife", die sich auszeichnet durch Nüchternheit, Geistesschärfe, Milde und Distanz.

Nun hat aber ausgerechnet Erzbsichof Lefebvre, der sich selbst zum Retter erhoben hatte, systematisch darauf hingewirkt, dass die Gläubigen nicht mehr selbst beobachten und nachdenken. Sie wurden in den Stand unmündiger Kinder zurückgeworfen:

"Lassen Sie dieses Problem (Anm. HJ: der Situation der Kirche) beiseite, es ist ja ein sehr delikates Problem, schwierig, schmerzlich, unter dem alle Gläubigen leiden. Wenn jemand allein mit Ihnen spricht, dann bieten Sie ihm die Lösung der Priesterbruderschaft, das, was man in der Priesterbruderschaft denkt: ‚Das ist die Linie der Priesterbruderschaft in der aktuellen Situation bezüglich des Papstes, der Sakramente, der Messe.‘

Aber machen Sie nicht ständig ein Predigtthema daraus, die Leute könnten so verängstigt werden, und die einen diskutieren: ‚Ah, das hat er gesagt? Aber so trifft es doch gar nicht zu, und dies und das…‘ Das bringt nichts Gutes, es verwirrt die Leute, es führt zu nichts. Was die Leute wollen, das ist die Heiligung, sie wollen durch die Sakramente geheiligt werden, durch das heilige Messopfer.
Sprechen Sie mit ihnen über ihre Probleme, über die persönliche Heiligung.

Das Leben eines Priesters ist ein so außergewöhnliches Leben, ein ganz unerhörtes Leben: die Kinder auf die erste Kommunion vorbereiten, auf die Firmung, sie im Katechismus unterrichten, sie im Glauben bewahren, vielleicht Ordensberufungen, Priesterberufungen vorbereiten. Das ist, so meine ich, die Aufgabe des Priesters, das ist die Liebe, die Kraft Gottes: Gott ist Liebe. Und genau das sollen wir sein."

(Lefebvre, Priesterexerzitien 1980)

Im Klartext: Er hat die Menschen total abhängig gemacht vom Kurs der Priesterbruderschaft. Es ist, als wolle er sagen: Nehmt nur nicht so viel Öl mit auf den Weg, liebe Leute, das braucht ihr nicht, womöglich schadet es euch, wenn es uns, die Bruderschaft, überdauern sollte. Man baut ein Ghetto, ein Museumsdorf, in dem alles auf einen behaupteten historischen Zustand eingefroren wird, ein Dornröschenschloss, und hält die gutgläubigen, in tiefen Schlaf versetzten Menschen dort fest, als ob es keine zerstörte Kirche und Welt um uns her gäbe. Man schwört die Seelen auf Gedeih und Verderb auf sich selbst ein - objektiv unberufen!

Was sollen solche Seelen tun? Sich heiligen ohne Nachdenken? Sakramente empfangen, deren Gültigkeit in ihrer Katholizität zweifelhaft ist? Sich besonders demütig fühlen, weil man Mantilla trägt, auch wenn dieser Vorhang regelrecht zum Symbol für die Situation geworden ist: Er setzt den Gläubigen die Scheuklappen, den Frauen stellvertretend für den Rest der Braut Christi, diese Scheuklappen, die den Gläubigen auf die eigene Heiligung fixiert, weg vom Ganzen, von der mit erhobenem Haupt erwarteten Ankunft des Herrn ablenken soll, denn der Herr kommt nicht in eine Fantasywelt zurück, sondern in die reale Welt, die wir - nach Seinem Befehl, der nicht nur Priester meinte - beobachten und nicht selbstfixiert ausblenden sollen.

"Jeder ging für sich seinen Weg" (Jes. 53, 6)

Oder:

"Ihr habt viel erhofft und doch nur wenig geerntet; und wenn ihr es einbrachtet, blies ich es weg. Warum wohl? - Spruch des Herrn der Heere. Weil mein Haus in Trümmern liegt, während jeder von euch für sein eigenes Haus rennt." (Haggai 1, 9)

Ist es nicht das, was in Lefebvres Worten ungut schwingt? So sehr die Mantillenscheuklappen organisch anderswo Tradition gewesen sein mögen - es ist geradezu zeichenhaft für die Lage, dass die Lefebvristen gerade sie, die nie allgemein vorgeschrieben war, all jenen, bei denen dies nie üblich war, aufschwätzen oder aufzwingen wollen, das liturgisch dagegen vorgeschriebene, priesterliche Birett, das der Priester in bestimmten Teilen der Messe tragen soll, abgelegt und offenbar entsorgt haben. 
Stand die wirkliche und allgemeine Tradition des Biretts nicht einmal für die Überschattung des priesterlichen Hauptes durch den Heiligen Geist? 
Will man das nicht mehr? Hat man sich selbst als Haupt eingesetzt und verschleiert den Gläubigen zum Zwecke der Ideologisierung den Blick?

Man muss sagen, dass die Kirche den Gläubigen die Lage der Dinge zuvor nicht generell verschwiegen hatte, als sie noch Päpste hatte. Mancher Prälat mag da anderer Meinung gewesen sein, aber es war nicht Kurs des Heiligen Stuhls. In aller Offenheit wurden die Dinge debattiert, auch öffentlich verhandelt und verflucht, wenn es sein musste. Einen Ausschluss der Gläubigen aus der Debatte konnte es allein um der Wahrhaftigkeit und Nachprüfbarkeit willen nicht geben!

Wurde ehemals nicht allen eingeschärft, nüchtern und wachsam zu sein?!
Das verblassende Heilige Messopfer aber erklärt all diese Merkwürdigkeiten und Exzesse.

Man fröstelt in der Stille kurz vor dem Weltengewitter.